TE Bvwg Beschluss 2019/2/1 W191 1256185-3

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Veröffentlicht am 01.02.2019
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Entscheidungsdatum

01.02.2019

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W191 1256185-3/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Vietnam, vertreten durch den Verein Menschenrechte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zahl 307742002-171359225, folgenden Beschluss:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein vietnamesischer Staatsangehöriger, stellte nach irregulärer Einreise in Österreich am 16.04.2004 erstmalig einen Asylantrag. Der BF begründete seinen Antrag damit, dass er von einem Bekannten eine Tasche übernommen hätte, in der sich Drogen befunden hätten. Als er die Polizei gesehen hätte, hätte er die Tasche weggeworfen. Die Polizei sei ihm nicht nachgelaufen. Ab diesem Zeitpunkt hätte er nicht mehr in seinem Teegeschäft gearbeitet. Einen Monat später sei er aus Vietnam ausgereist.

1.1.2. Das Bundesasylamt (in der Folge BAA) wies diesen Antrag gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Vietnam für zulässig und wies den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

1.1.3. Der BF brachte gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat (in der Folge UBAS) ein, das der mit 01.01.2008 neu eingerichtete und nunmehr zuständige Asylgerichtshof (in der Folge AsylGH) mit Erkenntnis vom 26.02.2009, C9 256185-0/2008/10E, gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 nach Anberaumung von drei mündlichen Beschwerdeverhandlungen (der BF erschien zu den ersten beiden nicht, die dritte wurde in Abwesenheit des BF durchgeführt; der BF sei zu schwach, um zur Verhandlung zu kommen) als unbegründet abwies.

Diese Entscheidung erwuchs mit 10.03.2009 in Rechtskraft.

1.1.4. Der BF verblieb trotz dieser Entscheidung im Bundesgebiet und bezog fortwährend Leistungen aus der Grundversorgung. Ein Gerichtshof des öffentlichen Rechts wurde gegen diese Entscheidung nicht angerufen.

1.2. Aktuelles Verfahren:

1.2.1. Am 06.12.2017 stellte der BF einen zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2.2. Bei seiner Erstbefragung am 06.12.2017 durch einen Vertreter des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Vietnamesisch, gab der BF an, dass sich gegenüber seinen damals genannten Gründen nichts geändert hätte, er wolle nur einfach hier in Österreich bleiben. Bei einer Rückkehr hätte er keine Angst, aber er wolle hier in Österreich bleiben.

1.2.3. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Erstaufnahmestelle (EAST) Ost in Traiskirchen vom 11.12.2017 wurde dem BF gemäß § 29 Abs. 3 in Verbindung mit § 15a AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Er wurde aufgefordert, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

1.2.4. Der BF, unterstützt von einer Hilfsorganisation, teilte dem BFA mit, dass er am 20.10.2017 bei der Rückkehrberatung der Caritas Wien einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt habe. Es sei am 25.10.2017 bei der Botschaft des Herkunftsstaates ein Heimreisezertifikat beantragt und am 18.12.2017 urgiert worden.

Der BF stellte am 06.02.2018 einen Antrag gemäß § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) auf Ausstellung einer Duldungskarte.

1.2.5. In seiner Einvernahme am 08.03.2018 vor dem BFA, Regionaldirektion Wien, im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Vietnamesisch und einer Rechtsberaterin, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher in den Verfahren gemachten Angaben und gab auf Befragung im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei "voll gesund", das letzte Mal sei er vor zwei Monaten wegen eines allgemeinen Checks beim Arzt gewesen. Zu seiner Familie habe er seit 2004 keinen Kontakt. Er habe keinen Beruf erlernt, er sei Asylwerber. Hier lebe er von "Asyl Geld" und sei keiner Arbeit nachgegangen. Er habe nie einen Reisepass oder ein sonstiges Identitätsdokument besessen. Er lebe hier alleine, wolle wieder gesund werden und dann arbeiten. Er sei unterernährt (unter 40 kg), esse aber genug. Der Arzt habe gesagt, er sei untergewichtig. Er nehme Bittersalz aus der Apotheke. Deutschkurs besuche er keinen. Er studiere vietnamesische Grammatik und Mathematik. Er esse dreimal am Tag, schlafe ca. zehn Stunden, gehe Einkaufen und Duschen und mache sonst nichts.

Die Frage, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, beantwortete der BF damit, dass er unbedingt hierbleiben wolle. Er habe sein Heimatland verlassen, weil er hier leben wolle. Auf die Frage, ob seine damaligen Probleme/Fluchtgründe nach wie vor bestünden, sagte der BF: "Ich habe alles vergessen. Es ist schon so lange her."

Die Frage, ob ihm die Zahl "Pi" etwas sage, beantworte der BF so:

"Ich weiß... Ich weiß nur, wie man subtrahiert, dividiert, addiert und multipliziert."

Bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte er keine Probleme, er möchte aber nicht zurück, er wolle hier leben.

1.2.6. Mit Schreiben vom 11.09.2018 wurden dem BF "die aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation" zu seinem Herkunftsstaat Vietnam übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist dazu Stellung zu nehmen und allfällige neue Beweismittel, Dokumente etc. dem BFA vorzulegen.

1.2.7. Laut Aktenvermerk der Landespolizeidirektion Wien vom 17.09.2018 kam der BF an diesem Tag zu der Polizeidienststelle in 1080 Wien, Hernalser Gürtel, um einen Asyl-Folgeantrag zu stellen, wo ihm mitgeteilt wurde, dass dies nicht zulässig sei, da sein Verfahren noch anhängig sei.

1.2.8. Mit - verfahrensgegenständlich angefochtenem - Bescheid vom 17.10.2018 wies das BFA den (Folge-) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 06.12.2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 9 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Vietnam gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das BFA traf Feststellungen zur Person des BF, zu seinem Privat- und Familienleben sowie zur Lage im Herkunftsstaat (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 193 bis 225). Die Identität des BF stehe nicht fest.

Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Heimatstaat Vietnam verbracht. Trotz eines Aufenthaltes in Österreich von 14 Jahren habe er sich nicht integriert, nicht ausreichend Deutsch gelernt, um die Einvernahme in Deutsch durchführen zu können, und sei seit seinem Aufenthalt in Österreich durchgehend auf die Unterstützung der Behörden sowie von NGOs angewiesen.

Das BFA stellte fest, dass der Antrag des BF auf internationalen Schutz im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesen worden sei und er im gegenständlichen Asylverfahren - den Fluchtgrund betreffend - keinen neuen Sachverhalt, welcher sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet habe, vorgebracht habe. Auch die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht geändert.

Da somit kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliege, sei der Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine Rückkehrentscheidung sei zu treffen, da bezüglich des BF weder eine verfestigte Integration vorliege noch im Falle seiner Rückkehr nach Vietnam sonst erhebliche Interessen im Sinne der Art. 3 oder 8 EMRK - in Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften - verletzt würden.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes in der höchstzulässigen Dauer an den BF, der mittellos sei und seit 14 Jahren von öffentlichen Geldern lebe, sei "in Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht" nicht nur aus spezialpräventiven, sondern auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich.

Dieser Bescheid wurde direkt an den BF gerichtet und zugestellt und von ihm nachweislich am 19.10.2018 übernommen.

1.2.9. Laut Meldung der Landespolizeidirektion Wien vom 22.10.2018 kam der BF an diesem Tag neuerlich zu der Polizeidienststelle in 1080 Wien, Hernalser Gürtel, um einen Asyl-Folgeantrag zu stellen, wo ihm mitgeteilt wurde, dass dies nicht zulässig sei, da sein Verfahren noch anhängig sei. Der BF sei zuvor bereits am 02.08., 04.08. und 18.09.2018 dort vorstellig geworden. Sein Antrag sei als Beschwerdeergänzung anzusehen.

1.2.10. Mit handschriftlicher Beschwerde in deutscher Sprache vom 22.10.2018 brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde [gegen den oben genannten Bescheid] ein.

Begründend führte der BF wörtlich aus:

"Ich bin seit lange Zeit in Österreich und mein Eltern sind alle gestorben. In Vietnam habe ich kein Zuhause mehr und mein Haus in Vietnam ist verkauft worden. Eine Heimreise ist für mich höchstgefährlich und nicht möglich weil ich in Vietnam ohne Eltern, ohne Verwandte und ohne Zuhause nicht leben kann. Ich bitte damit Hilfe in Österreich zu bleiben."

1.2.11. Die gegenständliche Beschwerde langte am 30.10.2018 beim BVwG ein.

1.2.12. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 31.10.2018, Zahl W191 1256185-3/3Z, wurde festgehalten, dass seitens des BVwG aus derzeitiger Sicht die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei.

Es sei aus ho. derzeitiger Sicht (auf Basis der aktuell vorliegenden Aktenlage) nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Vietnam eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein diesbezügliches Vorbringen sei - nach dem Ergebnis einer Grobprüfung - nicht glaubhaft erstattet worden.

1.2.13. Am 05.01.2019 langte beim BVwG eine als Beschwerdeergänzung zu wertende Beschwerde seines als Vertreters einschreitenden Rechtsberaters vom 02.11.2018 ein.

In der knappen Beschwerdebegründung wurde behauptet, der BF sei "russischer" Staatsangehöriger und habe aus seiner Sicht seine Asylgründe schlüssig, ausführlich und glaubhaft angeführt. Auf eine Webseite im Internet betreffend acht vietnamesische Asylsuchende wurde verwiesen, ohne darzulegen, welchen Zusammenhang dieser Bericht mit dem BF hätte.

Das Einreiseverbot sei mit fünf Jahren zu hoch bemessen.

Weiters wurden mehrere Anträge gestellt.

1.2.14. Mit Eingabe vom 11.01.2019 legte der gewillkürte Vertreter des BF einen Beschluss des Bezirksgerichts Wien Josefstadt vom 10.10.2012, Zahl 1 P 44/12a-25 vor, demzufolge für den BF XXXXzum Sachwalter (auszugsweise zur Vertretung vor Gerichten und [sonstigen] Behörden) bestellt worden war.

In der Beschlussbegründung wurde ausgeführt, dass sich aufgrund des eingeholten psychiatrischen Gutachtens beim BF eine neuropsychiatrische Symptomatik im Sinne einer affektiven bzw. psychotischen Erkrankung (unklare kulturspezifisch mitbedingte Störung) fände. Psychopathologisch fänden sich Störungen der emotionalen und affektiven Befindlichkeit, des Antriebes, des Gedankenganges und fraglich [...] des Erlebnisvollzuges. Die Kritikfähigkeit sei als herabgesetzt zu beurteilen. Die Überblicksgewinnung betreffend komplexe Angelegenheiten, wie sein Asylverfahren, sei als nicht gegeben zu erachten. Der Realitätsbezug sei als fraglich psychotisch verändert zu beurteilen. Es fände sich ein Selbstfürsorgedefizit, der Betroffene bedürfe der Unterstützung durch fachkundige Personen. Er sei demnach nicht in der Lage, die im Spruch bezeichneten Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen, für diese Angelegenheiten sei ihm daher gemäß § 268 Abs. 3 Z 2 ABGB ein Sachwalter beizugeben gewesen.

Vorgelegt wurde weiters eine mit 02.11.2018 datierte "nachträglich erteilte Vollmacht von der Sachwalterin" für die Vertretung des BF durch den im Verfahren einschreitenden gewillkürten Vertreter.

1.3. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem erkennenden Gericht vorliegenden Akten und Vorakten des BAA bzw. BFA und des Asylgerichtshofes sowie des BVwG, insbesondere in die Niederschriften (im gegenständlichen Verfahren) der Erstbefragung am 06.12.2017 und der Einvernahme vor dem BFA am 08.03.2018 sowie in die Beschwerde samt Beschwerdeergänzung

* Einsicht in aktenkundliche Dokumentationsquellen des BFA betreffend Vietnam (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 09.01.2017, Aktenseiten 193 bis 225 des Verwaltungsaktes)

1.4. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.4.1. Zur Person des BF:

1.4.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Vietnam. Seine Identität steht nicht fest. Er hat keinen Familienbezug im österreichischen Bundesgebiet.

Der BF hat den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Heimatstaat Vietnam verbracht. Er lebt seit ca. 14 Jahren in Österreich, hat keine Erwerbstätigkeit ausgeübt und lebt von Leistungen der öffentlichen Hand (Grundversorgung für Asylwerber). Er hat auch sonst keine integrationsrelevanten Umstände behauptet oder belegt.

Er ist nach eigenen Angaben untergewichtig, aber gesund.

1.4.1.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Wien Josefstadt vom 10.10.2012, Zahl 1 P 44/12a-25, wurde für den BF eine Sachwalterin (auszugsweise zur Vertretung vor Gerichten und sonstigen Behörden) bestellt.

Laut Beschlussbegründung findet sich beim BF aufgrund des eingeholten psychiatrischen Gutachtens eine neuropsychiatrische Symptomatik im Sinne einer affektiven bzw. psychotischen Erkrankung (unklare kulturspezifisch mitbedingte Störung). Psychopathologisch fänden sich Störungen der emotionalen und affektiven Befindlichkeit, des Antriebes, des Gedankenganges und fraglich [...]des Erlebnisvollzuges. Die Kritikfähigkeit sei als herabgesetzt zu beurteilen. Die Überblicksgewinnung betreffend komplexe Angelegenheiten, wie sein Asylverfahren, sei als nicht gegeben zu erachten. Der Realitätsbezug sei als fraglich psychotisch verändert zu beurteilen. Es fände sich ein Selbstfürsorgedefizit, der Betroffene bedürfe der Unterstützung durch fachkundige Personen. Er sei demnach nicht in der Lage, die im Spruch bezeichneten Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen, für diese Angelegenheiten sei ihm daher gemäß § 268 Abs. 3 Z 2 ABGB ein Sachwalter beizugeben gewesen.

1.4.2. Zum Verfahren:

Die belangte Behörde hat das Verfahren ohne Einbeziehung der Sachwalterin des BF - und auch ohne Berücksichtigung der im Sachwalterschaftsbeschluss angeführten, in der Person des BF liegenden Gründe - geführt und insbesondere den Bescheid unmittelbar an den BF gerichtet und ihm persönlich - und nicht seiner ihn vertretenden Sachwalterin - zugestellt.

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

2.1. Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BvWG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I. Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG 2005 bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Die Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten ist gemäß § 9 AVG von der Behörde grundsätzlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Das Institut des gemäß § 268 ABGB in der damals geltenden Fassung bestellten "Sachwalters" entspricht im Wesentlichen - Beschränkung der Handlungsfähigkeit bestimmter vulnerabler Personen - dem des "(gerichtlichen) Erwachsenenvertreters" gemäß § 271 in der derzeit geltenden Fassung des ABGB.

Anzuwenden war weiters das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 in der zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde geltenden Fassung (ZustG).

Auszug aus dem ZustG:

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. (1) Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

(2) Der Versuch der Zustellung an einer gemäß § 4 nicht vorgesehenen Adresse ist ein Zustellmangel im Sinne des Abs. 1.

Zustellungsbevollmächtigter

§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

[...]

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

[...].

2.2. Rechtlich folgt daraus:

2.2.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 22.10.2018 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 30.10.2018 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

2.2.2. Gegenstand des Verfahrens ist ein Bescheid des BFA, mit dem der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 06.12.2017 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist.

Der angefochtene gegenständliche Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2018, Zahl 307742002-171359225, ist jedoch nicht dem gerichtlich bestellten Sachwalter des BF, sondern direkt dem BF zugestellt worden.

Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die gerichtlich verfügte Beschränkung der Handlungsfähigkeit nach wie vor aufrecht ist, zum die gerichtlich bestellte Sachwalterin auch aktuell der einschreitenden Hilfsorganisation Vollmacht im Verfahren erteilt hat.

"Ab der Wirksamkeit der Vollmacht hat sich die Behörde in deren Rahmen an den Vertreter zu wenden, also alle Verfahrensakte - mit Wirkung für die Partie - diesem gegenüber zu setzen. [...] Ferner sind dem Bevollmächtigten alle Schriftstücke [...] bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen, und dieser ist als Empfänger zu bezeichnen (VwGH 03.07.2001, 1000/05/0115; VwGH 17.06.2003, 2003/05/0010; VwGH 28.08.2008, 2008/22/0607)."

(AVG, Manz Kommentar, Hengstschläger/Leeb, 2. Ausgabe Wien 2014, 1. Teilband, Seite 127, Rz 23)

"Die Judikatur wendet § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG auch auf gesetzliche Vertreter an. (VwGH 08.10.1986, 85/11/0207; 08.05.1998, 97/19/1271)"

(Walter, Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 9. Auflage, Manz Kurzlehrbuch, Wien 2011, Seite 115, aus Rz 203)

Abgesehen davon, dass das Schriftstück im vorliegenden Fall nicht rechtzeitig (innerhalb der Beschwerdefrist) dem vertretungsbefugten Sachwalter zugekommen ist, wäre auch eine Heilung des gegenständlichen Zustellmangels (Bezeichnung des BF anstelle seines Vertreters als Empfänger in der Zustellverfügung) nicht möglich:

"Nicht nach § 7 ZustG heilbar ist eine Fehlbezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung. Wird die ‚falsche' Person als formeller Empfänger bezeichnet, so heilt die Zustellung auch dann nicht, wenn sie dem materiellen Empfänger als der ‚eigentlich gemeinten' Person tatsächlich zukommt. Einen Sonderfall bildet die von § 7 ZustG abweichende Anordnung des § 9 Abs. 3 ZustG: Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt und dieser in der Zustellverfügung nicht als Empfänger bezeichnet, so heilt dieser Mangel, wenn ihm das Dokument tatsächlich zukommt. [...] Eine bloße Kenntnisnahme vom Inhalt des Dokumentes (zB. Weiterübermittlung per Fax) [heilt] einen Zustellmangel nicht (VwGH 16.09.2009, 2006/05/0080). [...] "

(Walter, Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 9. Auflage, Manz Kurzlehrbuch, Wien 2011, Seite 116, aus Rz 203/1)

Im vorliegenden Fall ist weder ein Zustellungsbevollmächtigter noch ein gesetzlicher Vertreter, sondern ein gewillkürter Vertreter - wenn auch mit nachträglicher Genehmigung durch die gerichtlich bestellte Sachwalterin als Vertreterin des BF - eingeschritten. Da weiters ein tatsächliches Zukommen des angefochtenen Bescheides an den Vertreter des BF weder angegeben noch belegt worden ist, ist eine allfällige Heilung des Zustellmangels auch nicht anzunehmen.

Der Bescheid war daher als nicht rechtswirksam zugestellt anzusehen, und war die Beschwerde somit als unzulässig zurückzuweisen.

Angemerkt wird, dass die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren den nun hervorgekommenen Umstand der gerichtlich verfügten Sachwalterschaft für den BF sowie die dafür maßgebenden, in der Person des BF liegenden Gründe vor rechtswirksamer Erlassung einer Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen haben wird.

2.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben und war die Beschwerde zur Fortsetzung des Verfahrens durch das BFA zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

rechtswirksame Zustellung, Sachwalter, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W191.1256185.3.00

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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