TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/14 96/19/1626

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Veröffentlicht am 14.05.1999
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Index

L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Oberösterreich;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs1 idF 1995/297;
FamLAG 1967 §8 Abs2 idF 1995/297;
SHV OÖ 1993 §1 idF 1994/115;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/1627 96/19/1628

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerden 1.) der 1969 geborenen E A, 2.) des 1984 geborenen R A und 3.) des 1985 geborenen M A, der Zweit- und Drittbeschwerdeführer vertreten durch die Eltern E und M A, alle vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 18. Dezember 1995,

1.) Zl. 116.831/2-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 116.831/3-III/11/95 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer) sowie 3.) Zl. 116.831/4-III/11/95 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der übrigen Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer beantragten am 17. Jänner 1994 im Wege der österreichischen Botschaft in Ankara jeweils die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem Ehegatten bzw. Vater, der auch jeweils als unterhaltspflichtige Person in Österreich angegeben wird. Dem Antrag der Erstbeschwerdeführerin war eine Lohnbestätigung angeschlossen, derzufolge der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers seit 1. Oktober 1993 bei einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt war und einen Bruttomonatslohn von S 14.500,-- bezog.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1995 wies die Bezirkshauptmannschaft Braunau namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich diese Anträge mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 18. Dezember 1995 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufungen gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Die belangte Behörde führte begründend aus, dass Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Gerade die Notwendigkeit in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Diese Beurteilung zeige im Fall der Beschwerdeführer, dass einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 13.820,-- pro Monat, inklusive Mietkosten, gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Oberösterreich, tatsächlich S 13.600,-- pro Monat, die von den Beschwerdeführern aufgebracht werden könnten, gegenüberstünden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.

Zudem habe die Berufungsbehörde bei ihren Berechnungen bereits das 13. und 14. Monatsgehalt berücksichtigt. Dies sei dann der Fall, wenn in besonderen Einzelfällen das monatliche Einkommen nicht dem Sozialhilferichtsatz entspreche. Da selbst unter Einrechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes der Sozialhilferichtsatz nicht erreicht werden könne, zumal ein Teil der Mietkosten bereits von einer dritten Person getragen werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt der Beschwerdeführer durch das Einkommen des Ehegatten bzw. Vaters gedeckt werden könne.

Aufgrund der Aktenlage stehe fest, dass der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, dass § 5 Abs. 1 AufG iVm Art. 8 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall der Beschwerdeführer ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, da die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführer in der Höhe von S 13.600,-- pro Monat nicht als ausreichend zu betrachten seien. Es sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführer nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Oberösterreich feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerden mit Beschluss vom 28. Mai 1996, B 588-590/96, ab und trat sie in weiterer Folge antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der ergänzten Beschwerden aufgrund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte jeweils am 29. Dezember 1995) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Die §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 lauteten in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 (auszugsweise):

" § 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung beziehen; ...

....

§ 8.

...

(2) Die Familienbeihilfe beträgt für jedes Kind monatlich S 1.300,--. Die Familienbeihilfe erhöht sich für jedes Kind ab dem Beginn des Kalenderjahres, in dem das Kind das 10. Lebensjahr vollendet, um monatlich S 250,--; ...

..."

Die Sozialhilfeverordnung 1993 der Oberösterreichischen Landesregierung aufgrund des Oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 100/1992 idF der Verordnung LGBl. Nr. 115/1994, lautete auszugsweise:

"§ 1

Lebensunterhalt

(1) Die Richtsätze zur Bemessung von monatlichen Geldleistungen (richtsatzgemäße Geldleistungen) zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhaltes, ausgenommen den Aufwand für Unterkunft, betragen für

....

b) Personen, die in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben

1. mit unterhaltsberechtigten Angehörigen

aa) für den Anspruchsberechtigten (Haushaltsvorstand) ... S 5.610,--

bb) für jeden unterhaltsberechtigten Haushalts angehörigen, dessen

    eigenes Einkommen unter dem für ihn anzuwendenden Richtsatz

    liegt

    wenn kein Anspruch auf gesetzliche Familienbeihilfe

    besteht                                               S 3.340,--

    wenn ein Anspruch auf gesetzliche Familienbeihilfe

    besteht ....

    ...

    ab dem auf die Vollendung des 10. Lebensjahres folgenden

    Monatsersten                                          S 1.685,--

Da die Beschwerdeführer noch nie über Aufenthaltsbewilligungen verfügten, waren ihre Anträge auch nicht als Verlängerungsanträge zu werten. Die angefochtenen Bescheide sind daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. leg. cit. vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561 mwN).

Wie die Begründung der angefochtenen Bescheide zeigt, hat sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung eines Unterhaltsbedarfes der Beschwerdeführer von S 13.820,-- am Sozialhilferichtsatz des Landes Oberösterreich orientiert und dabei offenbar die in § 1 Abs. 1 der Oberösterreichischen Sozialhilfeverordnung 1993 idF LGBl. Nr. 115/1994 festgelegten Richtsätze herangezogen. Eine derartige Vorgangsweise ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Blickwinkel der Verletzung subjektiver Rechte nicht zu beanstanden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1999, Zlen. 96/19/3106 bis 3108).

Allerdings ging die belangte Behörde im vorliegenden Fall von einem Gesamtbedarf aus, der sich aus dem Betrag für einen Haushaltsvorstand sowie drei unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige, davon zwei mit Anspruch auf Familienbeihilfe, errechnet. Die belangte Behörde kann sich freilich im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der öberösterreichischen Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für 1995 zur Deckung des in § 1 Abs. 1 der oberösterreichischen Sozialhilfeverordnung umschriebenen Bedarfes für den Anspruchsberechtigten und die unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn für die unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen keine Familienbeihilfe bezogen wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1999, Zlen. 96/19/3106 bis 3108, und vom 19. November 1998, Zl. 96/19/0529).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall jedoch einen Unterhaltsbedarf von (nur) S 13.820,-- festgestellt. Da es sich bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden nicht bloß um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1998, Zl. 97/19/0709, sowie vom 19. November 1998, Zl. 96/19/0529), ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, eine diesbezügliche Bescheidfeststellung zu Lasten der Beschwerdeführer zu korrigieren.

Dem von ihr festgestellten Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde allerdings sämtliche Unterhaltsmittel gegenüberzustellen gehabt, über die die Beschwerdeführer verfügten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der einem "Niederlassungswerber" zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zu berücksichtigende Ansprüche dar (vgl. wiederum die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1997 sowie vom 11. November 1998), und zwar auch dann, wenn die Behörde die Sozialhilferichtsätze für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe heranzieht. Bei Einbeziehung von Familienbeihilfe für zwei Kinder (gemäß § 8 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 297/1995, je S 1550,--) ergäbe sich bereits im Zusammenhang mit dem (unter Einrechnung des

13. und 14. Monatsgehaltes ohne Berücksichtigung der steuerlichen Begünstigung kalkuliertem) Nettolohn des Vaters von S 13.145,40 pro Monat der Betrag von S 16.245,40 der deutlich höher wäre als der von der belangten Behörde festgestellte, zur Sicherung des Unterhaltsbedarfes der Beschwerdeführer erforderliche, Betrag.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996191626.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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