TE Vfgh Beschluss 1997/3/12 G69/97, G70/97, G71/97

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Veröffentlicht am 12.03.1997
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
KommunalsteuerG 1993 §1

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Bestimmung des KommunalsteuerG 1993 über die im Wege der Selbstbemessung zu entrichtende Kommunalsteuer infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller, welche nach ihrem eigenen Vorbringen kommunalsteuerpflichtig sind, beantragen unter Berufung auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG, §1 des Kommunalsteuergesetzes 1993, BGBl. 819/1993, als verfassungswidrig aufzuheben; diese Bestimmung verstoße wegen der sachlich nicht zu rechtfertigenden Ausnahmebestimmung des §8 Z1 KommStG 1993 (die Antragsteller zitieren zwar §8 Z2 KommStG 1993, argumentieren der Sache nach aber unter Berufung auf den Prüfungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, B2202/95-9 mit der Unsachlichkeit der Ausnahme der Österreichischen Bundesbahnen von der Kommunalsteuerpflicht) gegen den Gleichheitssatz und - da eine gegen den Gleichheitssatz verstoßende Abgabe eingehoben würde - gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums.

2. §§1 und 8 KommStG 1993 lauten:

"§1. Der Kommunalsteuer unterliegen die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind."

"§8. Von der Kommunalsteuer sind befreit:

1.

Die Österreichischen Bundesbahnen;

2.

Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§34 bis 37, §§39 bis 47 der Bundesabgabenordnung)."

(Durch ArtX Z2 des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl. 680/1994, wurde der Z2 des §8 KommStG 1993 der Satz angefügt:

"§5 Abs3 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden."

Die damit verwiesene Bestimmung erklärt unter bestimmten Voraussetzungen Vereinbarungen zwischen den erhebungsberechtigten Gemeinden und dem Steuerschuldner über die Höhe der Bemessungsgrundlage für zulässig; derartiges spielt im vorliegenden Fall keine Rolle.)

3. In wortgleichen Anträgen bringen die Antragsteller (die offenbar von der rechtsirrigen Auffassung ausgehen, einer allfälligen Gesetzesaufhebung auf Grund eines Individualantrages käme eine Art "Anlaßfallwirkung" zu) zur Begründung ihrer Antragslegitimation im wesentlichen vor, durch die angefochtene Bestimmung werde unmittelbar die Rechtspflicht zur Entrichtung der Kommunalsteuer begründet, ohne daß zuvor ein Bescheid über die Kommunalsteuerpflicht zu erlassen sei. Da es sich um eine Selbstbemessungsabgabe handle, werde ein Bescheid nur dann erlassen, wenn die Entrichtung entweder unterbleiben oder sich die Selbstberechnung der Abgabe als unrichtig erweisen sollte. Auch erfolge im Unterschied zu anderen Selbstbemessungsabgaben keine bescheidmäßige Veranlagung und eine Entscheidungspflicht der Behörde sei weder im Falle des Bestreitens der Steuerpflicht noch im Falle eines Rückerstattungsanspruches bei vorgängiger richtiger Selbstberechnung und Entrichtung gegeben. Somit müsse, um zu einem Bescheid über die Abgabenpflicht zu gelangen, entweder absichtlich die Entrichtung unterlassen oder die Selbstberechnung unrichtig vorgenommen werden. Ein derartiges rechtswidriges Verhalten sei den Antragstellern jedoch nicht zumutbar, zumal §15 KommStG 1993 ein derartiges Verhalten mit Verwaltungsstrafe bedroht.

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Dazu hat der Gerichtshof seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist ein solcher Weg hier gegeben.

Die Kommunalsteuer ist im Wege der Selbstbemessung zu entrichten. Wie sich aus der Begründung der Selbstbemessungsabgaben betreffenden Beschlüsse VfSlg. 9868/1983, 13103/1992, 13474/1993 und 13800/1994 sowie VfGH 27.2.1995, V106/94, ergibt, haben die Antragsteller die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihnen im Wege der Selbstbemessung entrichteten Kommunalsteuer mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung erweise sich im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des KommStG 1993 als unrichtig.

Bei Beschreitung dieses Weges befänden sich die Antragsteller, was ihre Verpflichtung zur Entrichtung inzwischen fällig gewordener Steuern betrifft, in keiner anderen Situation als jene Abgabepflichtigen, die die Rechtswidrigkeit von Steuerbescheiden rügen wollen. Dieser Weg zur Erwirkung eines Bescheides ist den Antragstellern somit zumutbar und ermöglicht ihnen, ihre Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der sie treffenden Steuerpflicht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Die Anträge sind sohin mangels Legitimation in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kommunalsteuer, Finanzverfahren, Selbstbemessung (Finanzverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G69.1997

Dokumentnummer

JFT_10029688_97G00069_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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