TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/6 G308 2187894-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G308 2187894-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren amXXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2018, Zahl:

XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.12.2014 gemeinsam mit seinem, mit ihm gleichzeitig in das Bundesgebiet eingereisten, Cousin einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG 2005).

2. Am 24.12.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe in Bagdad in der Bäckerei seines Onkels gearbeitet, welcher die Amerikaner mit Backwaren versorgt habe. Am 21.04.2014 sei in der Nähe der Bäckerei ein Sprengsatz gezündet und der Beschwerdeführer dadurch schwer verletzt worden. Er höre seitdem schlecht, da er am Kopf verletzt worden sei, ebenso wie am Bauch und am rechten Oberschenkel. Sein Onkel habe aus Angst um ihn gemeint, er solle das Land verlassen.

3. Am 06.06.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, statt. Der Beschwerdeführer brachte anlässlich dieser Einvernahme eine Reihe von Beweismitteln in arabischer Sprache in Vorlage und gab zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefast an, dass sein Onkel in Bagdad, Stadtteil XXXX, eine Bäckerei betrieben und die amerikanischen Truppen mit Backwaren beliefert habe. Zudem sei der Onkel auch als Dolmetscher für die amerikanische Botschaft tätig gewesen und sei dieser schon seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2008 bedroht worden. Am 01.12.2013 habe der Onkel des Beschwerdeführers einen Drohbrief erhalten, vier Monate danach, am 21.04.2014, sei es dann zu einem Bombenanschlag vor der Bäckerei gekommen, bei dem der Beschwerdeführer schwer verletzt worden sei und in einem Krankenhaus notoperiert habe werden müssen. In weiterer Folge sei die Familie des Onkels sowie die Familie des Beschwerdeführers für sechs Monate vonXXXX nach XXXX umgezogen. Anschließend sei die Familie wieder nach Bagdad gezogen. Der Beschwerdeführer sei danach am 17.12.20174 gemeinsam mit seinem Cousin aus dem Irak ausgereist.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.01.2018, dem Beschwerdeführer am 05.02.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.12.2014 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat "Irak" (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den "Irak" gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine ihn selbst direkt betreffende Bedrohung habe geltend machen können und auch im Falle einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könnte, dass ihm persönliche Verfolgung im Irak drohe.

Das Bundesamt traf weiters Feststellungen zur Situation im Herkunftsland Irak.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 27.02.2018, beim Bundesamt per Fax am selben Tag einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuerkannt wird; darüber hinaus die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG aufheben; in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt zurückverweisen, sowie eine mündliche Verhandlung durchführen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass der Bescheid insbesondere bezogen auf die Sicherheitslage im Irak, insbesondere in Bagdad, an Feststellungsmängeln leide. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vorgebracht, da er im Falle einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Religionszugehörigkeit von Milizen verfolgt werde. Da der Beschwerdeführer beim Bombenanschlag schwer verletzt worden sei, habe er erst ein halbes Jahr danach ausreisen können. Der Beschwerdeführer leide nach wie vor an den Folgen dieses Anschlages und sei seit längerem in Behandlung im XXXX Krankenhaus der Stadt XXXX. Der Beschwerdeführer habe auch diverse Integrationsunterlagen zur Vorlage gebracht, die von der belangten Behörde nicht gewürdigt worden wären. Dem Beschwerdeführer sei daher internationaler Schutz zuzuerkennen.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 02.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge den Gerichtsakt zum Verfahren des Cousins des Beschwerdeführers zur Zahl G305 2187892-1 ein und nahm wesentliche Akteninhalte daraus, darunter die Erstbefragung, die niederschriftliche Einvernahme und das Protokoll der vom Bundesverwaltungsgericht am 16.07.2018 durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung in Kopie zum gegenständlichen Akt.

7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 16.11.2018 wurden dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung ein Konvolut aktueller Berichte zur Lage im Herkunftsstaat Irak (Stand November 2018) sowie die Anfragebeantwortung a-10532-1 von ACCORD vom 08.03.2018 zur Sicherheitslage in Bagdad zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

8. Eine Stellungnahme langte am 04.12.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Beschwerdeführer sei wegen der bei der Bombenexplosion im Irak erlittenen Verletzungen nach wie vor in medizinischer Behandlung. Am XXXX.01.2019 werde der Beschwerdeführer sich einer Operation zu unterziehen.

In weiterer Folge wurden Auszüge der vom Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer übermittelten Länderberichte wiedergegeben. Zur medizinischen Versorgung gehe daraus hervor, dass man keine medizinische Behandlung erhalte, wenn man kein Geld habe. Wegen der chronischen Schmerzen brauche der Beschwerdeführer dringend eine Operation, welche er ohne Geld im Irak nicht bekommen würde. Es liege damit eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 3 EMRK vor. Das Leben des Beschwerdeführers im Irak wäre unsicher und sei er dort in großer Gefahr. Dies sei auch in allen anderen Teilen und auch im kurdischen Autonomiegebiet der Fall. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Insgesamt sei es dem Beschwerdeführer somit nicht zumutbar, in den Irak zurückzukehren. Er wäre von der schlechten Sicherheitslage betroffen und würden ihm zusätzlich Verfolgungshandlungen seitens der Regierung drohen.

Der Stellungnahme war eine Kopie einer Überweisung des Beschwerdeführers zum HNO-Arzt sowie ein Arztbrief vom 29.11.2018 beigelegt wonach der Beschwerdeführer an einer kombinierten Schwerhörigkeit beidseits und einer Trommelfellperforation links leide. Der Hörverlust betrage rechts 76 % und links 63 %.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl Erstbefragung vom 24.12.2014, AS 5 ff Kopie aus G305 2187892-1; Feststellungen im angefochtenen Bescheid, AS 325 f).

Der Beschwerdeführer reiste seinen Angaben nach gemeinsam mit seinem Cousin am 17.12.2014 legal auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul aus. Von der Türkei reisten beide gemeinsam schlepperunterstützt weiter bis nach Österreich, wo sie am 23.12.2014 ankamen (vgl Erstbefragung vom 24.12.2014, AS 9 ff Kopie aus G305 2187892-1).

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er leidet an den gesundheitlichen Folgen einer Bombenexplosion. Es liegen bei ihm folgende Diagnosen vor:

-

Zustand nach Knalltrauma, Zustand nach Typla li 1/2016, Trommelfellperforation, nicht näher bezeichnet (ICD-10 H72.9) (vgl Stationärer Patientenbrief der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten desXXXX vom 21.04.2017, AS 111 ff);

-

postthrombotisches Syndrom rechts bei Zustand nach Beckenbeinvenenthrombose posttraumatisch 6/2014; Therapievorschlag:

Kompressionsstrumpf Klasse II lang rechts (vgl Kurzarztbrief der Universitätsklinik für Dermatologie der Universitätsklinik XXXX vom 04.02.2015, AS 121);

-

chronisch mesotympanale Otitis media beidseits; Ohrmykose links;

kombinierte Schwerhörigkeit beidseits und Subtotaldefekt beidseits;

Maßnahme: Tympanoplastik Typ III mit Knorpelperichondriumtransplantat rechts (vgl Befund der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten XXXX vom 03.04.2015, AS 123 f, und Entlassungsbrief der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten XXXXvom 20.01.2016, AS 125 f);

-

zwei zystische Veränderungen im Bereich der linken Brust sowie solide Veränderungen im Bereich des linken Rippenbogens sowie der rechten Flanke, in erster Linie Folge eines Explosionstraumas (Fremdkörpergranulome) (vgl Sonografiebefund XXXX, XXXX OG, Fachärzte für Radiologie, vom 20.10.2016, AS 143 f).

-

multiple subcutane Fremdkörper (Granatsplitter); Nebendiagnosen:

Zustand nach Granatsplitterverletzung bei Bombenangriff im Irak 2014; Zustand nach mehrfacher subcutaner Extirpation der Fremdkörper, Zustand nach Tympanoplastik rechts nach Knalltrauma 2016; Zustand nach Tympanoplastik links 2017; Operation:

Fremdkörperexcision in Thoraxwand und Abdomen am 29.05.2018 (vgl stationärer Patientenbrief desXXXX Krankenhauses XXXX vom 30.05.2018 samt präoperativem CT-Befund vom 10.04.2018).

Der letzte Operationstermin des Beschwerdeführers war der 17.01.2019 (vgl Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 04.12.2018). Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, um welche Operation es sich dabei handelt.

Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar ist.

Der Beschwerdeführer weist im Zentralen Melderegister nachfolgende Wohnsitzmeldungen auf (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 28.01.2019):

-

05.01.2015-29.03.2016 Hauptwohnsitz

-

29.03.2016-11.04.2016 Hauptwohnsitz

-

11.04.2016-18.01.2017 Hauptwohnsitz

-

18.01.2017-27.03.2018 Hauptwohnsitz

-

27.03.2018-laufend Hauptwohnsitz

Zum Entscheidungszeitpunkt lebt der Beschwerdeführer nach wie vor mit seinem Cousin, XXXX, im gemeinsamen Haushalt. Beide beziehen nach wie vor Leistungen aus der Grundversorgung. Ein besonderes persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass zwischen den erwachsenen Cousins eine über das übliche Maß hinausgehende emotionale Verbindung gegeben wäre. Weitere familiäre Anknüpfungspunkte, Freundschaften oder Bekanntschaften weist der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht auf. (vgl Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und den Grundversorgungsdaten vom 28.01.2019; Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 71 ff; Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 24.08.2018).

Der Antrag des Cousins des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.08.2018, Zahl G305 2187892-1, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den Cousin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist. Der Cousin erhob dagegen kein Rechtsmittel, sodass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Rechtskraft erwachsen ist (vgl aktenkundiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.08.2018, Zahl G305 2187892-1, sowie Einsicht in die elektronische Verfahrensverwaltung).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich zwei Deutschsprachkurse auf Niveau A1+ (vgl AS 183) und A2 (vgl AS 181) besucht. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auch entsprechende Deutschsprachprüfungen abgeschlossen hat oder dass der Beschwerdeführer tatsächlich über maßgebliche Deutsch-Kenntnisse verfügt.

Der Beschwerdeführer ist bisher in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 28.01.2019). Neben dem Bezug von Grundversorgung wird er auch von seiner Mutter aus dem Irak finanziell unterstützt (vgl Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 74).

Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und macht auch keine Ausbildung im Bundesgebiet. Er hat sich auch nicht freiwillig oder ehrenamtlich engagiert. In Österreich hat der Beschwerdeführer bis auf seinen Cousin keine familiären und keine maßgeblichen privaten Bindungen (vgl Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 71 ff).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 28.01.2019).

Insgesamt konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Die Familie des Beschwerdeführers und jene seines Cousins haben ursprünglich in einem gemeinsamen Haus gewohnt. Der Onkel und der Vater des Beschwerdeführers haben ursprünglich gemeinsam eine Bäckerei im Stadtteil XXXX betrieben. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits im Jahr 2008 verstorben. Nach dessen Tot hat der Onkel bis 2014 die Bäckerei weitergeführt. Seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern leben nach wie vor in Bagdad bei den Großeltern mütterlicherseits in XXXX. Der Onkel lebte nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Verfahren des Cousins des Beschwerdeführers zu dessen Entscheidungszeitpunkt in der autonomen Region Kurdistan, dessen Ehegattin in Bagdad,XXXX, und die Brüder des Cousins in der Türkei. Ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers lebt in Schweden (vgl Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 71 ff; Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 24.08.2018).

Der Beschwerdeführer hat zwischen 1999 und 2014 die Grundschule in Bagdad besucht und seit 2010/2011 gemeinsam mit seinem Cousin in der Bäckerei des Onkels ausgeholfen. In der Bäckerei des Onkels waren durchschnittlich vier bis zehn Personen beschäftigt. Das Warenangebot umfasste Pizza, Brot, Baguette und Fleischbrot. Am 21.04.2014 explodierte eine Bombe in der Nähe der Bäckerei des Onkels des Beschwerdeführers, durch welche die Bäckerei schwer beschädigt und der Cousin des Beschwerdeführers sowie dieser selbst verletzt wurden. Die Familie des Beschwerdeführers zog in der Folge gemeinsam mit der Familie seines Cousins von Bagdad nach XXXX (rund 90 km südlich von Bagdad). Sechs Monate nach der Explosion kehrte die gesamte Familie nach Bagdad zurück. Die Bäckerei wurde erst vermietet und anschließend offenbar verkauft (vgl Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 71 ff; Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 24.08.2018;).

Im Entscheidungszeitpunkt verfügt der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und Geschwistern sowie seinem Onkel und dessen Ehegattin über familiäre Anknüpfungspunkte im Irak. Zudem leben Familienangehörige des Beschwerdeführers in der Türkei und in Schweden.

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der Onkel in den Jahren vor der Ausreise des Beschwerdeführers für amerikanische Truppen tätig gewesen wäre (vgl Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 24.08.2018).

Der Beschwerdeführer wurde am 21.04.2014 Opfer eines Bombenanschlages in der Straße, in der sich die Bäckerei seines Onkels befand. Der Sprengkörper wurde dabei in der Nähe der Bäckerei gezündet. Dabei trug der Beschwerdeführer nicht unerhebliche Verletzungen davon und musste in einem Krankenhaus in Bagdad notoperiert werden. Der Beschwerdeführer leidet aufgrund des Knalltraumas an beidseitiger Schwerhörigkeit wegen Verletzungen seiner Trommelfelle und wurde deswegen sowie wegen der sich in seinem Körper befindlichen Bombensplitter bereits mehrfach operiert. Der Vorfall wurde von der Familie des Beschwerdeführers nicht zur Anzeige gebracht.

Der Beschwerdeführer selbst wurde zu keiner Zeit persönlich und konkret bedroht. Insbesondere konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den sunnitischen Muslimen einer individuellen oder aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre.

Zudem konnte nicht festgestellt werden, dass er wegen seines beruflichen Engagements im Bäckereibetrieb seines Onkels oder auf Grund der beruflichen Tätigkeit seines Onkels im Herkunftsstaat individuell und aktuell verfolgt wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Explosion vor der Bäckerei des Onkels am 21.04.2014, 21.00 Uhr, dem Onkel des Beschwerdeführers oder dessen Familie gegolten hätte. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der Bombenanschlag direkt dem Beschwerdeführer gegolten hätte bzw. wer die Urheber desselben waren und ob zwischen diesen und dem Onkel des Beschwerdeführers bzw. der Familie des Beschwerdeführers ein Zusammenhang besteht.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er aus anderen Gründen einer individuellen und aktuellen Bedrohungsgefahr ausgesetzt wäre.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen im Irak hatten Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei, es ist gegen ihn kein Gerichtsverfahren anhängig, er ist kein Mitglied einer Partei bzw. einer parteiähnlichen Organisation und hatte auch weder aufgrund seiner Volksgruppen- noch Religionszugehörigkeit im Irak Probleme (vgl Beschwerdeführer, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.06.2017, AS 71 ff).

Ein konkreter Anlass für sein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Irak mit Stand November 2018 sowie der dem Beschwerdeführer übermittelte Bericht von ACCORD zur Sicherheitslage in Bagdad vom 08.03.2018 auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Dazu ist bezogen auf den Beschwerdeführer festzuhalten:

1. Allgemeine Sicherheitslage:

1.1. Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.03.2018 noch ca. 2,2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,6 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Ca. 90% der bis Ende März 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 124.000 Binnenvertriebenen stammten aus den Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninava und Salah al-Din, 107.000 kehrten alleine in die Provinz Ninava, ca. 77.000 in den Bezirk Mosul zurück.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 musste der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).

Ab dem 03.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 60.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 05.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium (Harrer 24.11.2017).

Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 09.-11.2017).

1.2. Allgemeine Sicherheitslage in Kurdistan:

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogenannten der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.

Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).

Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 09.11.2017).

Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).

1.3. Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen:

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt.

Aktuell (September 2018) finden rund um BASRA immer wieder Demonstrationen der Bevölkerung gegen die Missstände bezüglich der Regierungskorruption, der Erbringung von Dienstleistungen, der Arbeitslosigkeit, der unregelmäßigen Elektrizitätsversorgung und der Wasserverschmutzung statt. Dabei wurden mindestens sechs Personen bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt und 16 Personen verhaftet. Seit Juli 2018 breiten sich die Proteste im südlichen Irak aus. Anfang des Sommers haben mit Milizen verbündete irakische Sicherheitskräfte mindestens 14 Demonstranten getötet und mehr als 200 verhaftet. Zugleich wurde das Internet abgeschaltet, um die Kommunikation zwischen den Aktivisten zu unterbinden. Premierminister Abadi hat die Untersuchung des Todes eines am 03.09.2018 offenbar durch scharfe Munition in Basra getöteten Demonstranten angeordnet und die Sicherheitskräfte aufgefordert, friedliche Demonstrationen abzusichern und zu ermöglichen. Zugleich ermahnte er die Demonstranten die weitere Provokation zu unterlassen. Dennoch fanden tags darauf neuerlich Demonstrationen statt, bei welchen Steine und Molotow-Cocktails auf lokale Regierungsgebäude geworfen wurden.

Insgesamt ist es in den Provinzen BASRA, MAISAN, DHI QAR, BABIL, DIWANIYA (Hauptstadt der Provinz QADISIYA), WASSIT, NADSCHAF, MUTHANNA und KERBALA zu Massenprotesten gekommen. Auch in Bagdad fand von 19. auf 20.08.2018 eine große Demonstration statt, bei welcher sowohl auf der iranischen Flagge als auch den Flaggen der PMF (Hadschd al Sha'bi) herumgetrampelt wurde. Die Proteste zielen insgesamt auf pro-iranische Milizen und Parteien ab. Es wurde auch der Flughafen Nadschaf geplündert und die Grenze zu Kuwait mit Demonstranten besetzt. Die Regierung in Bagdad hat daraufhin den Counter-Terrorism Service (CTS) entsandt.

1.4. Sicherheitslage im Großraum Bagdad:

1.4.1. Sicherheitslage im Großraum Bagdad im Allgemeinen

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Im Laufe der Jahre 2016 und 2017 kam es jedoch im Stadtgebiet von Bagdad zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Zuletzt wurden am

13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in Bagdad verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum Bagdad sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet darüber hinaus keine außergewöhnlichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden.

Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür sind der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).

Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).

Berichten zufolge setzen schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten ein. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinterstehen. Milizen haben z. B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendenziell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).

Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren.

Die Fälle von Entführungen haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten (MRG 10.2017).

Schießereien mit Handfeuerwaffen sind in und rund um die Provinz Bagdad verbreitet, wobei dabei insbesondere die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya und dabei insbesondere auch Zivilisten betroffen sind. Hingegen betreffen Vorfälle mit Handfeuerwaffen im ‚Bagdad Belt' üblicherweise Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen (MRG 10.2017).

Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Entgegen der Erwartungen hat die Ausbreitung des IS ab 2014 zu einem geringeren Ausmaß an Gewalt geführt als während des konfessionellen Krieges 2006-2007. Terrorattacken des IS in Bagdad führen zu Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten.

Dies trifft allerdings nicht auf sunnitische Internvertriebene (IDPs) zu, die in der Provinz Bagdad regelmäßig diskriminiert werden. Nachdem der IS in großen Teilen von Anbar und Salah al-Din die Macht ergriffen hatte, flohen Tausende nach Bagdad. In vielen Fällen war es ihnen von vorne herein nie gestattet, in die Provinz einzureisen. Die, die es dennoch geschafft haben, berichten von extrem eingeschränkter Reisefreiheit (da Personalausweise aufzeigen in welchem Gouvernement sie ausgestellt wurden), von Schwierigkeiten, als Gebietsfremde des Gouvernements an wesentliche Dokumente zu gelangen, sowie von Schikanen aufgrund des Pauschalverdachts der IS-Zugehörigkeit. Für Internvertriebene besteht, aufgrund fehlender Netzwerke für persönliche Unterstützung, auch ein größeres Risiko, entführt zu werden.

Eine weitere Seite des Konfessionalismus sind Verhaftungen, oft willkürlich, welche meist in Verbindung mit einer Anklage wegen Terrorismus nach Artikel 4 vollzogen werden und beinahe ohne Ausnahme Sunniten betreffen. Diese Festnahmen sind nach Terroranschlägen häufig, wenn Sicherheitsdienste Durchsuchungsaktionen durchführen, um Mitglieder oder Unterstützer des IS ausfindig zu machen (MRG 10.2017).

Kleinere Gemeinschaften, inklusive Minderheiten und solche, die sich in einer Minderheitssituation wiederfinden, stehen unter signifikantem Risiko. Die Anzahl an Christen in Bagdad nimmt unter dieser Bedrohungssituation weiterhin ab, wenn auch kleine christliche Gemeinden in gemischten Bezirken bestehen bleiben; so auch in Karkh und in Karrada und Palästina. Faili-Kurden (schiitische Kurden), einschließlich jener, die in Sadirya und im südlichen Teil Bagdads leben, haben unter Bombenangriffen gelitten und berichten von erhöhten Spannungen, die in Zusammenhang mit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum stehen. Palästinenser, die vorwiegend in al-Baladiyat leben, sind diesen gezielten Attacken ebenso ausgesetzt und bleiben weiterhin besonders gefährdet (MRG 10.2017).

Die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) werden in Bagdad vom 'Baghdad Operations Command' (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inklusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).

Polizeikräfte werden oft als Erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer korrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und werden als weniger korrupt und konfessionalistisch gesehen. Die meisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und Vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt (MRG 10.2017).

Im Allgemeinen vertraut die Bevölkerung eher der Armee als der Polizei. Die Mehrheit der Bewohner Bagdads, die in einer Umfrage einer NGO befragt wurden, ob sie in einer Notsituation die Polizei kontaktieren würden, sagten sie würden erst versuchen, das Problem selbst zu beheben. Knapp unter 50 Prozent meinten, sie würden der Polizei unter keinen Umständen Bericht erstatten. Im Vergleich dazu:

über 70 Prozent derer, die in Gebieten leben, in denen die Armee für die Sicherheit verantwortlich ist, gaben an, sie würden, wenn nötig, ihre lokalen Sicherheitskräfte kontaktieren. In derselben Umfrage wurden Bewohner gefragt, ob sie jemals Bestechungsgeld gezahlt hätten, um Unterstützung von offiziellen Sicherheitskräften zu erhalten, was 30 Prozent der Befragten bejahten. Zuletzt wurden Bewohner gefragt ob sich die Sicherheits-Situation in Bagdad verbessern oder verschlechtern würde, worauf beinahe 70 Prozent antworteten, das sie sich verbessere (MRG 10.2017).

In der Provinz Bagdad beschränken sich die Aktivitäten des IS vor allem auf "unkonventionelle Attacken" gegen Zivilisten und hochrangige Opfer - in erster Linie durch die Verwendung von IEDs (MRG 10.2017).

1.4.2. Sicherheitslage in Bagdad hinsichtlich dort operierender Milizen (Popular Mobilization Forces - PMF) und Gewalt gegen Sunniten in Bagdad:

Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. [...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie auf Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt (MRG 10.2017).

Im Folgenden werden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisation, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah (MRG 10.2017).

Durch die staatliche Akzeptanz, teilweise Führung und Bezahlung der Milizen (s. PMF) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität durchsetzen (AA 7.2.2017). Insgesamt konnten zivile Behörden nicht immer die Kontrolle über alle Sicherheitskräfte bewahren. Dies betrifft neben den PMF auch die regulären bewaffneten Kräfte, sowie heimische Sicherheitsdienste (USDOS 3.3.2017).

Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen (UNHCR 14.11.2016). In Bagdad wurde gemeldet, dass sunnitische Binnenvertriebene gedrängt wurden, aus schiitischen und gemischt sunnitisch-schiitischen Wohngebieten auszuziehen (UNHCR 14.11.2016). Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können (IC 1.11.2016). Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus (HRW 27.1.2016; Al-Araby 17.5.2017). Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren (Al-Araby 17.5.2017). Viele Familien waren in Bagdad durch den konfessionellen Konflikt dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und sie siedelten sich zunehmend entlang konfessioneller Grenzen wieder an (IOM 31.1.2017). Somit sind separate sunnitische und schiitische Viertel entstanden. Bagdad ist weiterhin entlang konfessioneller Linien gespalten (IOM 31.1.2017).

Quellen:

? Institute for the Study of War; IOM Iraq; Spiegel.online; Tagesschau.de; tripadvisor.com

? AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, 22.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425072.html (Zugriff am 6. März 2018)

? BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 05.10.2018) mit weiteren Nachweisen

? ACCORD-Anfragebeantwortung a-10698-5 vom 07.09.2018, Informationen zu den seit Sommer 2018 stattfindenden Protesten sowie die Rolle der Milizen und der übrigen Sicherheitskräfte bei den Protesten; Schutzgewährung des Staates bei Verfolgung von Milizen, mwN (Zugriff am 05.10.2018)

? Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Zugriff am 08. Februar 2018)

? Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018).

? UN Security Council: Report of the Secretary - General pursuant to resolution 2367 (2017) [S/2018/42], 17. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1422752/1226_1516799216_n1800449.pdf (Zugriff am 6. März 2018)

2. Popular Mobilization Forces (PMF) - Milizen:

2.1. Allgemeines

Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).

Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft tr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten