TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/8 W147 1427778-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52

Spruch

W147 1427778-2/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Februar 2018, Zl. IFA:

574470401-14574265, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, und §§ 46, 50 und 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste gemeinsam mit seinen Eltern XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, sowie seinen minderjährigen Geschwistern XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, am 04.12.2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten sie alle am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz. Der Bruder XXXX hatte nach erfolgter Einreise bereits am 14.09.2011 einen solchen Antrag gestellt, auch für den am XXXX geborenen Bruder XXXX wurde am 29.12.2011 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die Mutter begehrte für den Beschwerdeführer die Gewährung desselben Schutzes wie für alle anderen Familienmitglieder. Eigene Fluchtgründe wurden für den minderjährigen Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

In ihren niederschriftlichen Einvernahmen am 06.12.2011 und 13.03.2012 führte die Mutter im Wesentlichen aus, dass der Vater in das Blickfeld der staatlichen Behörden gerückt sei. Die Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Die Mutter erklärte zum Beschwerdeführer und seinen Geschwistern befragt, dass alle Kinder gesund seien.

2. Mit Bescheid vom 21.06.2012, Zl. 11 14.614-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte diesem den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I). Weiters wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Begründend führte das Bundesasylamt darin aus, dass für den minderjährigen Beschwerdeführer keine eigenen bzw. keine ihn persönlich treffenden Verfolgungsgefahren vorgebracht worden seien. Mangels Vorliegen eines asylrelevanten Vorbringens oder subsidiärer Schutzgründe sei dem gesunden Beschwerdeführer weder der Status der Asylberechtigten noch jener des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Da auch den übrigen Familienmitgliedern des Beschwerdeführers weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt worden sei, komme eine Zuerkennung auch im Rahmen des Familienverfahrens nicht in Frage.

Da der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und den minderjährigen Geschwistern aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde, stelle deren Ausweisung keinen Eingriff in dessen Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK dar.

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde, in welcher dieser wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts bekämpft wurde. Die Beschwerde bezieht sich insbesondere auf das Fluchtvorbringen des Vaters.

4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18. 10. 2012, D14 427778-1/2012/2E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

Festgestellt wurde unter anderem:

Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, ist Sohn und somit Teil der Kernfamilie der Beschwerdeführer zu D14 427775-1/2012 und D14 427773-1/2012. Zudem halten sich im Bundesgebiet seine minderjährigen Geschwister auf. Bezüglich seiner Kernfamilie ist festzustellen, dass sich die Angehörigen bisher als Asylwerber in Österreich aufhielten.

Deren Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesasylamtes wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass deren Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation zulässig ist.

Für den minderjährigen Beschwerdeführer wurden durch seine Eltern keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern wurde ausschließlich auf die Gründe seiner Eltern (des Vaters) verwiesen.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten ausgesetzt und drohen ihm solche auch in Zukunft nicht. Die von seinem Vater vorgebrachten Gründe für die Ausreise aus der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien - auch die Mutter des Beschwerdeführers hat sich mangels eigener Fluchtgründe auf diese bezogen - werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass der gesunde Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt.

Im Übrigen wurde auf das Erkenntnis des Vaters des Beschwerdeführers verwiesen.

5. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes wurde am 24. Oktober 2012 zugestellt. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 13.12.2012, Zl. U 2572/12-3, abgelehnt.

6. Die Eltern des Beschwerdeführers meldeten sich ebenso wie die minderjährigen Kinder am 28.12.2012 zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat an (Freiwillige Rückkehr - Verständigungsformular vom 28.12.2012). Die Familie verblieb in weiterer Folge im Bundesgebiet.

Zweites Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

7. Mit Faxeingabe vom 29.01.2013 begehrte der Vater des Beschwerdeführers die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG.

Dieser Antrag wurde damit begründet, dass der Antragsteller anlässlich der Entscheidung des Asylgerichtshofes zunächst eine freiwillige Heimreise geplant habe. Im Jänner habe er jedoch Kontakt mit seinem Cousin aufgenommen, um herauszufinden, ob für ihn, seine Frau und seine Kinder eine Heimreise gefahrlos möglich sei.

Sein Cousin habe ihm am Telefon mitgeteilt, dass mittlerweile wieder nach ihm gesucht werden würde. Es seien zunächst Ladungen gekommen, danach seien auch Leute in Militäruniformen dagewesen, die nach ihm gefragt hätten. Der Antragsteller habe daraufhin seinen Cousin gebeten, die Ladungen in eingescannter Form nach Österreich zu übermitteln, was dieser am 25.01.2013 auch getan habe.

Die nunmehr vorgelegten Ladungen würden eindeutig beweisen, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit den im Jahre 2011 gegen ihn erhobenen Vorwürfen auch aktuell von den Behörden gesucht werde.

Bei den nunmehr vorgelegten Ladungen handle es sich um "Beweismittel" im Sinne von § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, die ohne Verschulden des Antragstellers im bisherigen Verfahren nicht geltend gemacht werden hätten können und durch deren Berücksichtigung voraussichtlich ein positiver Asylbescheid gefällt worden wäre.

Dem Antrag wurde ein E-Mail-Verkehr vom 25.01.2013 samt 2 Ladungen (in Kopie) beigelegt.

8. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 7.3.2013, D14 427773-2/2013/8E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.10.2012 zu Zl. D14 427773-1/2012/2E rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG abgewiesen.

9. Auch dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft und verblieb die Familie nach wie vor im Bundesgebiet.

Drittes verfahrensgegenständliches Verfahren

10. Am XXXX kam eine weitere Schwester des Beschwerdeführers in Österreich zur Welt. Für diese wurde mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2014 schriftlich ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

11. Am 30.04.2014 brachten die Eltern des minderjährigen Beschwerdeführers für diesen ebenso wie die weiteren Familienangehörigen gegenständlichen Folgeantrag ein, wobei anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die "alten" Asylgründe nach wie vor aufrecht und auch sehr aktuell seien. Es bestehe für den Vater des Beschwerdeführers und die Familie nach wie vor Lebensgefahr in Tschetschenien.

Die Mutter des Beschwerdeführers selbst und die gemeinsamen Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Eltern des Beschwerdeführers am 22.09.2015 und am 15.11.2017 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen, wobei im Wesentlichen bestätigt wurde, dass die Kinder keine eigenen Fluchtgründe haben.

Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 30. April 2014 gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine First zur Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

12. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 28. Februar 2018 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.

13. Am 2. März 2018 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes durch persönliche Übernahme zugestellt.

14. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schriftsatz vom 23. März 2018 fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde für alle Familienmitglieder erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen mangelhaftem Verfahren und Rechtswidrigkeit des Inhaltes in vollem Umfang angefochten. In Einem wurde der Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt.

15. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 4. April 2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.4.2018, W147 1427778-2/3E, wurde die Beschwerde gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen. Erkenntnisse gleichen Inhalts ergingen an die Familienangehörigen des Beschwerdeführers.

17. Infolge einer erhobenen außergewöhnlichen Revision hob der VwGH mit Erkenntnis vom 15.11.2018, Ra 2018/19/0285, Ra 2018/19/0286, Ra 2018/19/0287, Ra 2018/19/0288, Ra 2018/19/0292, Ra 2018/19/0290, Ra 2018/19/0291, Ra 2018/19/0289, die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. April 2018, W147 1427773-3/3E, W147 1427775-2/3E, W147 1427777-2/3E, W147 1427783-2/3E, W147 1427778-2/3E, W147 1427779-2/3E, W147 1427781-2/3E und W147 2191305-1/3E, insoweit, als damit die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien in Bezug auf die gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 52 Abs. 9 FPG und die Festsetzung keiner Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Im Übrigen wurden die Revisionen zurückgewiesen.

18. Am 21.1.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Eltern des Beschwerdeführers sowie die Geschwister XXXX und XXXX sowie eine Zeugin zu Privat- und Familienleben und Gesundheitszustand befragt wurden.

R(Richter): Seit wann sind Sie denn in Österreich?

BF1 (Vater des Beschwerdeführers): Seit 2011.

R: Haben Sie Österreich wieder verlassen seitdem?

BF1: Nein.

R: Wie viele Anträge auf internationalen Schutz haben Sie gestellt?

BF1: Genau kann ich das nicht angeben. Ich kann mich nicht mehr erinnern. 2 oder 3 Mal glaube ich, aber genau weiß ich es wirklich nicht.

R: Wie finanzieren Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?

BF1: Von der XXXX.

R: Wie viel bekommen Sie da?

BF1: Wir bekommen Essensgeld und Taschengeld. Taschengeld beträgt 40 € pro Monat und sonst bekommen wir ein bisschen mehr wie 5 € pro Tag. Wir wohnen alle in einem Asylwerberheim imXXXX in XXXX.

R: Haben Sie in Österreich schon gearbeitet?

BF1: Offiziell nicht.

R: Was haben Sie inoffiziell gearbeitet?

BF1: Bei der XXXX als Maler- und Anstreicher, und Tischler.

R: Als Maler- und Anstreicher oder haben Sie Tischlerarbeiten auch gemacht?

BF1: Ich bin Bauarbeiter, was meinen Beruf angeht, deshalb habe ich als Maler und Anstreicher gearbeitet.

R: Bei der XXXX haben Sie was gemacht?

BF1: Bei der XXXX habe ich Zimmer renoviert und 4 €

Aufwandsentschädigung bekommen.

R: Wie viel haben Sie insgesamt bekommen?

BF1: Insgesamt für die ganze Arbeit? Genau weiß ich es nicht. Das war unterschiedlich. Wenn ein Zimmer frei wurde und renoviert werden musste, haben sie es mir gesagt und ich habe für sie gearbeitet. Ich habe das einige Jahre gemacht.

R: Jetzt haben Sie gesagt, Sie sind ausgebildeter Bauarbeiter. Welche Schulbildung haben Sie?

BF1: Grundschule absolviert, 8 Klassen. Eine Berufsausbildung habe ich nicht. Ich habe inoffiziell als Bauarbeiter meinen Lebensunterhalt verdient in der Russischen Föderation.

R: Haben Sie in der Russischen Föderation jemals offiziell gearbeitet, wenn ja, wann?

BF1: Ja, offiziell habe ich von 1996-1999 als Wachmann in der Russischen Föderation gearbeitet.

R: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

BF1: In Österreich habe ich den Deutschkurs A1-Kurs abgeschlossen. A2-Kurs auch besucht, aber nicht abgeschlossen. Ich habe den russischen Führerschein.

R: Wie lange ist der gültig?

BF1: Ich glaube, dass die Gültigkeit im Jahr 2013 abgelaufen ist aber ich weiß es nicht genau.

R: Darum haben Sie ihn nicht umgeschrieben, oder?

BF1: Ich wollte, aber bin nicht dazugekommen.

R: Sonst irgendwelche Ausbildungen?

BF1: Nein.

R: Hatten Sie in Österreich irgendwelche Probleme mit Behörden oder Gerichten?

BF1: Nein.

R: Sicher nicht?

BF1: Nein. Aber ich habe einmal eine Fahrstrafe bekommen, bin schwarz gefahren, erwischt worden und zahle das in Raten ab.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018: Keine Eintragung (Beilage A)

R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen in Österreich tätig?

BF1: Nein.

R: Welche Moschee besuchen Sie?

BF1: In der XXXX.

R: Wie heißt die?

BF1: Ich wollte die Nummer sagen, XXXX Ungefähr XXXX, in der Nähe von der XXXX.

R: Wie oft gehen Sie dorthin?

BF1: Einmal in der Woche am Freitag. Manchmal nehme ich auch die Söhne mit.

R: Wie würden Sie selbst Ihre Deutschkenntnisse einschätzen?

BF1: Nicht so gut.

R: Können wir uns in Deutsch unterhalten?

BF1: Ja.

R: (auf Deutsch) Was machen Sie den ganzen Tag?

BF1: Heute ist. Ich vergesse. Ein.

R: (auf Deutsch) Gehen Sie hin- und wieder einkaufen?

BF1: Ich kaufe essen und Gemüse und Trinken.

R: (auf Deutsch) Wohin gehen Sie einkaufen?

BF1: Ich gehe Hofer, Lidl.

R: (auf Deutsch) Können Sie schreiben auch?

BF1: Bisschen.

R: (auf Deutsch) Wenn ich einen Satz diktiere, wie sieht es da aus?

BF1: Schwierig. Ich kann es.

R: Ich bin heute in der Früh nervös aufgestanden. Zu Mittag bin ich mit derXXXX in den XXXXgefahren.

BF1 schreibt es auf einen Zettel. (Wird als Beilage B zum Akt genommen.)

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?

BF1: Tschetschenen. Beim Kurs habe ich auch Afghanen kennengelernt, mit denen ich jetzt in Kontakt stehe. Ich hatte nie Probleme mit Afghanen.

R: Haben Sie österreichische Freunde?

BF1: Österreichische, nein, nur die Leute, die bei der XXXX arbeiten.

R: Haben Sie außer Ihrer Familie noch Verwandte in Österreich?

BF1: Ja, mein Vater und mein Bruder.

R: Haben die einen Aufenthaltsstatus?

B1F: Ja, der Vater hat ein Visum und der Bruder auch.

R: Wie oft sehen Sie den Vater und Bruder?

BF1: Zwischen einmal in der Woche bis einmal im Monat, das ist unterschiedlich.

R: Kriegen Sie da irgendein Geld von denen oder Essen, Trinken, Gewand?

BF: Nein.

R: Haben Sie mit Ihrem Vater oder Bruder vor ihrer Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

BF1: Ja, mit dem Vater, er ist seit 2007 da. 4 Jahre wohnte ich dann ohne Vater.

R: Gibt es noch Verwandte in der Russischen Föderation?

BF1: Meine Schwester lebt in Tschetschenien, ist verheiratet und hat 4 Kinder.

R: Was arbeitet Sie?

BF1: Sie arbeitet als Erzieherin in einer Schule.

R: Staatliche oder Privatschule?

BF1: Die Schwester ist angestellt in der Schule, aber ich weiß nicht, ob es eine staatliche oder private Schule ist.

R: Wo wohnt ihre Schwester samt Familie?

BF1: Im Dorf namens XXXX.

R: Das ist ein Haus Ihrer Familie oder des Schwagers?

BF1: Das ist das Haus ihres Mannes.

R: Haben Sie sonst Verwandte in der Russischen Föderation.

BF1: In dem Dorf lebt noch der Onkel und weitschichtige Verwandte(Mehrzahl).

R: Auch in XXXX?

BF1: Ja.

R: Haben Sie dort gewohnt?

BF1: Ja.

R: Was ist mit dem Haus?

BF1: Derzeit lebt dort niemand, es ist freistehend.

R: Leiden Sie selbst an irgendwelchen chronischen Krankheiten?

BF1: Ich habe ein bisschen Probleme mit meiner Leber, aber ich fühle mich jetzt gut.

R: Müssen Sie Arzneimittel einnehmen?

BF1: Derzeit nicht.

R: Über die Krankheit der Kinder und Schulthemen soll ich Ihre Frau fragen?

BF1: Ja, es ist besser mit der Frau drüber zu reden.

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit Ihren Kindern?

BF1: Tschetschenisch, und sie sprechen untereinander auch Deutsch.

R: Welches Kind ist in Österreich geboren?

BF1: 2. XXXX und XXXX sind in Österreich geboren.

R: Ist es richtig, dass XXXXbei der ‚Einreise ein Jahr alt war?

BF1: Bisschen älter als ein Jahr war er.

Das bisherige Verhandlungsprotokoll wird dem BF1 rückübersetzt. Nach Rückfrage bestätigt dieser das alle Angaben korrekt protokolliert sind.

BF1 verlässt den Verhandlungssaal. BF2 (Mutter des Beschwerdeführers) betritt den Verhandlungssaal.

Folgende Unterlagen werden vorgelegt:

9 Empfehlungsschreiben, Einstellungszusage für BF1 und BF2, B1-Zertifikat betreffend BF2, Eltern-Schule-Workshop BF2, Stellungnahmen für Schulen betreffend XXXX, Schulbesuchsbestätigung betreffend XXXX (Wird als Konvolut Beilage C zum Akt genommen).

R: Ist es richtig, dass Sie seit 2011 in Österreich sind, Österreich seitdem nicht verlassen haben und derzeit in einem Heim für Asylwerber untergebracht sind?

BF2 (Mutter des Beschwerdeführers): Ja.

R: Wie viele Anträge auf Asyl haben Sie eingebracht?

BF2: Einige Male, ich weiß es nicht genau.

R: Wissen Sie, wann letztes Mal ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde?

BF2: Ich glaube, dass das voriges Jahr im Februar war, aber genau weiß ich das nicht.

R: Leiden Sie an chronischen Krankheiten?

BF2: Ich habe Probleme mit der Schilddrüse. Ich nehme Euthyrox einmal in der Früh. Sonst nichts.

R: Sonst irgendwelche chronischen Krankheiten?

BF2: Nein.

R: Haben Sie in Österreich schon gearbeitet?

BF2: Ich habe bei der XXXX gearbeitet. Auch jetzt arbeite ich als Putzfrau dort.

R: Wie viel Geld bekommen Sie dafür?

BF2: Ich bekomme dafür 4,5 € pro Stunde. Sonst 3,5 € pro Stunde.

R: Was heißt "sonst 3,5€ pro Stunde"?

BF2: Ich arbeite eine Woche in zwei Monaten als Portierin. Manchmal koche ich auch, wenn Feiertag ist.

R: Wie viel bekommen Sie da im Monat zusammen?

BF2: 100 €, manchmal mehr, manchmal weniger.

R: Sie haben mir heute eine Einstellungszusage vorgelegt. Was ist das für eine Firma und was würden Sie da verdienen. Das steht nicht dabei.

BF2: Das hängt von der Stundenanzahl oder von der Zimmeranzahl ab.

R: Was ist das für eine Firma?

BF2: Ich habe vergessen, wie diese Firma heißt, aber man hat mir gesagt, dass ich dort arbeiten kann, wenn ich die Dokumente bekomme.

R: Was ist das für eine Firma?

BF2: Das ist eine Firma, die in Hotels putzt. Ich würde in verschiedenen Hotels arbeiten.

R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen aktiv tätig?

BF2: Nein.

R: Besuchen Sie eine Moschee?

BF2: Nein.

Ohne Beiziehung von D:

R: Was machen Sie den ganzen Tag?

BF2: In der Früh ich oder mein Sohn gehen in die Schule, dann in den Kindergarten. Manchmal Termine, aufräumen, kochen, ich hole Kinder ab von Schule und Kindergarten und waschen.

R: Wann ist Ihr letzter Deutschkurs gewesen?

BF2: Der letzte Kurs war der Ihnen vorliegende, Zertifikat B1.

Mit Beiziehung von D:

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit Ihren Kindern?

BF2: Wir sprechen miteinander tschetschenisch. Untereinander sprechen Sie Deutsch. Ich bemühe mich auf deutsch zu sprechen.

R: Mit ihrem Mann?

BF2: Tschetschenisch, aber wir bemühen uns, beide Deutsch zu sprechen.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF2: Nein, ich habe keine Verwandten.

R: Welche Berufsausbildungen haben Sie absolviert. Welche Berufe haben Sie in Ihrem Leben ausgeübt?

BF2: Ich habe die Grundschule abgeschlossen und habe Schneiderin und Näherin gelernt und in Tschetschenien inoffiziell gearbeitet. Das war damals schwierige Zeit. Offizielle Arbeit hat es nicht gegeben, also habe ich meine Ausgaben mit inoffiziellen Tätigkeiten betrieben.

R: Haben Sie in der Russischen Föderation Kindergeld bezogen?

BF2: Ja. Das waren 70 Rubel pro Kind, ca. 1 €.

R: Sonstige Beihilfen?

BF2: Für das 3. und das 4. Kind habe ich noch Karenzgeld bezogen.

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis in Österreich aus?

BF2: Ich habe Bekannte hier. Ich habe auch Leute beim Kurs kennengelernt und die Leute bei der XXXX.

R: Haben Sie österreichische Freunde auch?

BF2: 2 Bekannte von einem Projekt namens "Schams". Auch habe ich eine Deutschlehrerin der XXXX; mit der ich noch immer in Kontakt stehe. Die Lehrerin ist einmal in der Woche zur XXXX gekommen, um dort Deutsch zu unterrichten.

R: Sonst irgendwelche Freunde?

BF2: Bekannte Tschetscheninnen, Araberinnen und aus Afghanistan. Wir haben uns bei der XXXX kennengelernt.

R: Hatten Sie in Österreich Probleme mit Behörden oder Gerichten?

BF2: Nein, aber ich hatte eine Strafe. Ich war sehr nervös an dem Tag und habe vergessen, die Fahrkarte zu lösen. Auch ich zahle die Strafe mit Raten.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018, keine Eintragungen. (Beilage D)

R: Haben Sie noch Verwandte in der Russischen Föderation?

BF2: Meine Mutter, Brüder, Schwestern. Ich habe viele Verwandte.

R: Wo in Russland?

BF2: In der RepublikXXXX. Das ist in der russischen Föderation. Die Republik heißt XXXX. Ich war schon dort bei meinem Bruder, als es den Krieg gegeben hat.

R: Welches Ihrer Kinder ging schon in der Russischen Föderation in die Schule?

BF2: Die zwei älteren, die anderen waren zu klein und waren auch nicht im Kindergarten dort.

R: Leidet eines Ihrer Kinder an einer chronischen Erkrankung?

BF2: Nein.

R: XXXX, geboren XXXXist im Kindergarten?

BF2: Ja. In der XXXX. Es befindet sich schon ein Schreiben im Akt.

R: XXXXist der zweitjüngste, oder?

BF2: Er geht in die XXXX Klasse Volksschule.

R: XXXXgeht in die XXXX Klasse Volksschule und XXXX geht in die XXXX Klasse Volksschule oder?

BF2: Ja.

R: Wer von diesen Kindern ist in irgendwelchen Vereinen tätig?

BF2: Sie treffen sich mit den Freunden gemeinsam und spielen dann Fußball. Sie werden auch trainiert im Park. Aber ich glaube, dass sollten Sie besser selber erzählen. Die jüngeren Kinder besuchen gar nichts.

R: Wie sieht der Freundeskreis von diesen 4 Kindern aus?

BF2: Sie haben Freunde in der Schule und bei der XXXX. Ich habe ein Schreiben vorgelegt.

R: Haben diese 4 Kinder Kontakt in die russische Föderation?

BF2: Wenn ich anrufe, sprechen Sie mit meiner Mutter, also mit ihrer Oma. Sie können nicht so gut tschetschenisch. Sie sagen nur Hallo und fragen, wie es ihr geht. Mit meiner Mutter, Schwester.

R: Jetzt haben Sie vorher gesagt, sie sprechen mit ihnen tschetschenisch?

BF2: Ich spreche mit ihnen tschetschenisch, aber sie sprechen nicht sehr gut tschetschenisch. Sie antworten aber auf tschetschenisch. Sie haben in der Schule Deutsch und schauen sich auch im Fernsehen deutsche Sendungen an. Auch im Internet, alles auf Deutsch. Aber ich möchte nicht, dass sie ihre Muttersprache vergessen. Sie sprechen schlecht tschetschenisch mit Akzent.

R: Geht es Ihnen gut?

BF2: Ja. Ich bin nur sehr aufgeregt.

Das bisherige Verhandlungsprotokoll wurde rückübersetzt. BF2 bestätigt nach Rückfrage, dass ihre Angaben korrekt dokumentiert wurden.

Beginn der Befragung von BF3 (Schwester des Beschwerdeführers) in Anwesenheit von BF2:

Über Nachfrage erklärt BF3, dass Sie die Einvernahme in deutscher Sprache wünscht. D wird ersucht, hier zu bleiben, um bei allfälligen Problemen rückzuübersetzen.

R: Wie alt waren Sie, als Sie nach Österreich gekommen sind?

BF3 (Schwester des Beschwerdeführers): Ich weiß nicht genau, mit 9 oder 10 Jahren.

R: Gehen Sie noch in die Schule?

BF3: Ja. In den Berufsvorbereitungslehrgang beim BVL, jeden Tag gehe ich dorthin im XXXX.

R: Welche Schule haben Sie bis jetzt abgeschlossen?

BF3: Ich bin jetzt im 11. Schuljahr. Ich gehe in die XXXX.

R: Für welchen beruf werden Sie da ausgebildet?

BF3: Für Koch.

R: Haben Sie schon eine Lehrstelle?

BF3: Nein, noch nicht. Praktikum habe ich bei XXXXim XXXX fünf Tage gemacht. Geld habe ich damals keines bekommen.

R: Ist es richtig, dass Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt durch Bezug von Grundversorgung finanzieren und mit ihren Eltern gemeinsam in einem Asylwerberheim leben?

BF3: Ja.

R: Wie viele Schulstufen haben Sie in der Russischen Föderation absolviert?

BF3: Ich glaube 3.

R: Wo sind Sie da in die Schule gegangen?

BF3: Ich weiß es nicht mehr.

R: In welcher Sprache reden Sie mit der Mama?

BF3: Manchmal tschetschenisch, manchmal Deutsch.

R: Mit dem Vater?

BF3: Auch.

R: Können Sie russisch auch?

BF3: Nein.

R: Wie schaut es mit einem Freund aus?

BF3: Hatte ich. Aber derzeit kein Freund.

R: Was machen SIE in Ihrer Freizeit?

BF3: Ich spiele Basketball und Fußball im Park, backe und koche gerne.

R: Haben Sie Vereinsaktivitäten?

BF3: Nein.

R: Haben SIE außer Ihrer Schule noch irgendwelche Ausbildungen absolviert?

BF3: Nein.

R: Haben Sie in Österreich irgendwelche Probleme mit Behörden oder Gerichten gehabt?

BF3: Nein, nur einmal bin ich schwarz gefahren.

R: Wurde die Strafe schon gezahlt?

BF3: Nein, der Vater zahlt es.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018: Keine Eintragungen. (Wird als Beilage E zum Akt genommen.)

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?

BF3: Tschetschenische gibt es derzeit nicht. Die beste Freundin heißt XXXX, ist Österreicherin. XXXX kenne ich von der Schule. Sie konnte ihnen kein Empfehlungsschreiben schicken, da sie ein Praktikum hatte.

R: Was unternehmen Sie mit ihr?

BF3: Ich gehe mit ihr spazieren, auf einen Kaffee.

R: Sind Sie auf Facebook?

BF3: Nein, ich habe Instagram.

R: Haben Sie über Instagram Kontakt in die Russische Föderation?

BF3: Ich habe Kontakt zu Russen, aber keinen Kontakt in die Russische Föderation. Es handelt sich um meine Freundinnen. Sie sind Russinnen, aber leben in Österreich.

R: Haben Sie Kontakt zu ihrer Oma, oder zu Tanten/Onkeln in der Russischen Föderation?

BF3: Wenn meine Mutter mit ihnen telefoniert, rede ich auch mit ihnen. Selbst nehme ich keinen Kontakt zu ihnen auf.

R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie wieder in die russische Föderation gehen?

BF3: Ich haben dann keine Arbeit, ich verstehe die Sprache nicht so gut.

R: Jetzt haben Sie mir gesagt, sie haben tschetschenische Freundinnen?

BF3: Ja. Ich rede mit denen tschetschenisch. Russisch spreche ich nicht.

R: Wollen Sie von sich aus noch was sagen?

BF3: Ich will hierbleiben, ich will noch lernen. Hier eine Lehre machen als Köchin und hier arbeiten. Ich will hier einen Führerschein machen und habe hier meine Freundinnen und es wäre echt schön, wenn ich hier bleiben könnte.

R: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF3: Nein.

BF3 verlässt den Saal. BF 4 (Bruder des Beschwerdeführers) betritt den Saal unter Beiziehung von BF2:

R: Wie alt waren Sie, als Sie hergekommen sind?

BF4: 8, 9 Jahre. Drei Schulstufen in der Russischen Föderation.

BF4 antwortet in deutscher Sprache. Die Einvernahme erfolgt in weiterer Folge auf deutscher Sprache.

BF2 verlässt den Saal. BF 1 betritt den Saal. Befragung von BF4 im Beisein von BF1.

R: Wo sind Sie zur Schule gegangen?

BF4: In XXXX. In Österreich habe ich die Volksschule in der XXXX besucht. Danach in der XXXX die Mittelschule, zwei Jahre hindurch. Dann wurde diese renoviert und ich ging in den XXXX in die XXXX. Danach habe ich den Polytechnischen Lehrgang in der XXXX besucht. Ich habe also 9 Schulstufen besucht, aber nicht erfolgreich abgeschlossen. Als wir den Bescheid bekommen haben, dass wir zurück in die russische Föderation müssen hatte ich keine Motivation mehr und bin schlussendlich durchgeflogen.

R: Was ist jetzt?

BF4: Jetzt mache ich noch nichts. Ich bin zu Hause. Ich suche momentan was.

R: Wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt derzeit?

BF4: Die Eltern geben mir Geld.

R: Wann war das mit dem Abbruch vom polytechnischen Lehrgang?

BF4: Im September 2018.

R: Seit September 2018 sind Sie zu Hause und tun nichts?

BF4: Ja, aber ich will was machen.

R: Waren Sie schon beim AMS?

BF4: Mir wurde gesagt, dass das nicht geht.

R: Haben Sie sich bemüht darum, den polytechnischen Lehrgang nachzuholen?

BF4: Ich will mich jetzt dann wieder anmelden.

R: Haben Sie sonst irgendeine Ausbildung gemacht in Österreich?

BF4: Nein.

R: Haben Sie in Österreich schon irgendwas gearbeitet?

BF4: Nein.

R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen tätig?

BF4: Nein.

R: leiden Sie an irgendwelchen chronischen Krankheiten?

BF4: Nein.

R: Ist es richtig, dass auch Sie beim schwarzfahren erwischt wurden?

BF4: Nein. Ich weiß nicht. Soweit ich weiß nicht.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018: Keine Eintragungen. (Beilage F)

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis in Österreich aus?

BF4: XXXX heißt mein bester Freund, der Tschetschene ist. XXXX ist Österreicher und XXXX, die habe ich im Poly kennengelernt, manchmal gehe ich mit ihnen in Cafés oder spiele Fußball. Nach der Schule hole ich sie ab.

R: Besuchen Sie eine Moschee in Österreich?

BF4: Ich gehe manchmal mit meinem Vater mit.

R: Was passiert, wenn Sie jetzt zurückfahren?

BF4: Dort kann ich nichts mit meinem Leben anfangen, finde ich. Ich habe dort keine Freunde. Die Sprache kann ich auch nicht so gut und hier bin ich aufgewachsen und hier fühle ich mich auch wohl.

R: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF4: Nein.

BFV: Wie haben denn ihre Noten ausgeschaut im Halbsemester?

BF4: Die Noten waren besser als am Ende. Am Ende wurden die Noten schlimmer, wegen der Situation.

BFV: Haben Sie schon irgendwelche Überlegungen angestellt, was Sie machen dürften, wenn Sie eine Lehre anfangen müssten?

BF4: Ich würde als erstes den polytechnischen Lehrgang nachholen. Dann würde ich eine Lehre als IT-Techniker mit Matura absolvieren und sodann an der Universität Programmieren studieren.

BFV: Haben Sie sich da schon irgendwie überlegt, wie Sie das machen könnten?

BF4: Ich weiß, wenn ich das Poly abgeschlossen habe, kann ich gleichzeitig 3 Jahre in eine Berufsschule gehen und ich kann auch weiterstudieren, wenn ich die Matura habe.

BFV: Keine weiteren Fragen.

BehV: Mit Ihrem besten Freund XXXX sprechen Sie Deutsch?

BF4: Ich spreche Deutsch mit ihm, einige Wörter verwenden wir auch auf tschetschenisch.

Nach Rückfrage bestätigt BF4, dass alle Aussagen richtig protokolliert wurden.

BFV: Ich beantrage die Einvernahme von XXXX, ausgewiesen durch:

Führerschein Republik Österreich, Nr. XXXX.

Es erfolgt eine Belehrung als Zeugin:

R: Seit wann kennen Sie die Familie?

Z: Seit fast 4 Jahren. Ich arbeite ehrenamtlich bei der XXXX, im Haus XXXX, ich leite dort eine Spielstätte und über die Kinder habe ich die gesamte Familie kennengelernt.

R: Wie ging der Kontakt weiter?

Z: ich bin alle 2 Wochen von 18-20 Uhr mit den Kindern im Haus XXXX. Die Kinder habe ich als wissbegierig kennengelernt. Die Familie kommt häufig. Die Kinder sind die, die am motiviertesten sind, sich Wissen anzueignen. Insbesondere im Vergleich zu anderen Kindern. Ich spreche jetzt vor allem auch für jene Kinder, die heute nicht anwesend sind, wobei ich auch die beiden heute anwesenden Kinder bereits in meiner Spielgruppe begleitet habe.

R: Was macht man dort?

Z: Es finden sowohl reguläre Spiele statt, auch versuche ich typische Traditionen wie Ostern und Weihnachten den Kindern näher zu bringen. Wir spielen mit den Kindern.

R: Was können Sie mir noch erzählen über die Familie?

Z: Ich bin heute insbesondere hier, weil ich fasziniert bin über die Deutschkenntnisse der Kinder. Bereits die 3jährige spricht bereits ausgezeichnet Deutsch. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Eltern ja noch nicht so gut Deutsch können. Darüber hinaus halte ich die gesamten Kinder für sehr intelligent und möchte ihre Disziplin herausstreichen. Ich musste in diesen 4 Jahren kein einziges Mal einschreiten, um sie zu disziplinieren, wie etwa aufs Zimmer schicken. Die XXXX hat sehr großes Vertrauen zu mir. Wir sprechen über viele Dinge, über Kulturunterschiede, über das Kopftuch. Ich weiß, dass das Kopftuch für XXXX keine Bedeutung hat. Sie trägt es aus Gewohnheit.

BFV: Haben Sie Wahrnehmungen, welche Sprache sprechen die Kinder untereinander?

Z: Deutsch.

BehV: Bei diesen Kindergruppentreffen, nehmen da alle Familienmitglieder teil?

Z: Es nehmen zwar nicht regelmäßig alle Familienmitglieder an diesen Kindergruppentreffen teil.XXXX ist schon etwas zu alt. Die Mutter kommt unregelmäßig, aber auch oft zum Backen. Mir persönlich ist es wichtig, trotz meiner engen Zeitfenster heute hier zu sein, um die Integrationsbemühungen der Familie XXXX hervorzuheben. Klarerweise ist mein derzeitiges Verhältnis zu den kleinen Kindern intensiver, als zu den bereits größeren Kindern und den Eltern, ausgenommen meine Freundin XXXX.

BFV + BehV: Keine weiteren Fragen.

......

R: Wollen Sie noch etwas vorbringen?

BF1: Nein.

BF2: Ja, wir möchten in Österreich bleiben. Wir wollen hier arbeiten und lernen.

BF3: Ich will auch hier leben und arbeiten und mein ganzes Leben da verbringen.

BF4: Ich will hier leben und arbeiten. Alles, was geht.

R an BF1: Was würde passieren, wenn Sie jetzt zurückkehren müssten?

BF1: Es wird jedenfalls nichts Gutes passieren.

R an BF1: Sie haben eine Einstellungszusage als Taxilenker vorgelegt. Jetzt haben Sie gesagt, dass ihr Führerschein abgelaufen ist?

BF1: Ja, ich möchte den Führerschein nachholen. ich möchte zuerst lernen, bevor ich einen Job annehme.

BF2: Im Falle einer Rückkehr weiß ich nicht, was passiert, ich habe Angst um einen Mann. Denn wir sind jetzt zusammen."

19. Mit Schriftsatz vom 31.1.2019 nahm der Beschwerdeführer durch seine Vertretung zu den ausgehändigten Länderberichten und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Stellung.

20. Am 4.2.2019 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, den Ergebnissen der Beschwerdeverhandlung und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation, wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, führt den im Spruch genannten Namen und ist Sohn der Beschwerdeführer zu W147 1427775-2 und W147 1427773-3.

Mit dem Beschwerdeführer halten sich gemeinsam im Bundesgebiet die Eltern und fünf minderjährige Geschwister auf. Die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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