TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/8 W147 1427775-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55

Spruch

W147 1427775-2/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Russische Föderation gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Februar 2018, Zl. IFA:

574470510-14574125, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, und §§ 46, 50 und 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX, geb. XXXX sowie den minderjährigen Kindern XXXX, XXXX und XXXX amXXXX illegal in das Bundesgebiet ein und stellten sie alle am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz. Am XXXX wurde im Bundesgebiet der weitere Sohn XXXX geboren, der Sohn XXXX war bereits im September 2011 eingereist.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.12.2011 gab die Beschwerdeführerin an, legal aus dem Herkunftsstaat ausgereist zu sein. Sie habe den Herkunftsstaat mit ihren Kindern am 15.10.2011 mit der Bahn von XXXX verlassen. Die Beschwerdeführerin und ihre Familie seien mit der Bahn nach MOSKAU und weiter nach XXXX(Weißrussland) gereist. Von dort seien sie nach Polen und später gemeinsam mit dem Ehegatten nach Österreich gelangt.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, schilderte die Beschwerdeführerin, dass sie wegen der Gefährdung des Mannes ausgereist sei. Dieser sei zweimal von unbekannten maskierten Männern mitgenommen worden. Die Kinder hätten keine eigenen Gründe.

In der Folge wurden Dublin-Konsultationen mit Polen geführt, die keine Zuständigkeit dieses Staates ergeben haben.

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, XXXX, am 04.01.2012 bestätigte die Beschwerdeführerin eingangs, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben in ihrem Asylverfahren zu machen.

Sie verwies auf ihre Angaben in der Erstbefragung und schilderte erneut die Reisebewegung in einem Zug von XXXX bis Weißrussland/Polen.

In der folgenden Einvernahme vom 13.03.2012, nunmehr Außenstelle XXXX, schilderte die Beschwerdeführerin ihr Leben im Heimatdorf XXXX, wo sie eine Schneiderei betrieben habe. Der Ehegatte sei im Jahr 2004 verschleppt und 2-3 Monate festgehalten worden, er sei dann von seinem Vater freigekauft worden. Die zweite Anhaltung habe sie nicht selbst gesehen, diesmal sei er ca. 2 Wochen festgehalten worden und erneut gegen Lösegeld freigelassen worden. Wer ihn festgehalten habe, das wisse sie nicht.

2. Mit Bescheid vom 21.06.2012, Zl. 11 14.612-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte dieser den Status der Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I). Weiters wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin keine Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat zu gewärtigen gehabt habe. Das Fluchtvorbringen ihres Ehemannes, auf das sie sich ebenfalls bezogen habe, sei nicht glaubwürdig.

Es hätten sich auch keine Umstände für die Erteilung subsidiären Schutzes ergeben und sei auch die Ausweisung im Lichte des Art. 8 EMRK notwendig und geboten gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 04.07.2012 fristgerecht Beschwerde, in welcher dieser wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts bekämpft wurde. Die Beschwerde bezieht sich insbesondere auf das Fluchtvorbringen ihres Ehemannes.

4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18. 10. 2012, D14 427775-1/2012/2E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

Festgestellt wurde unter anderem:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und führt den im Spruch genannten Namen. An ihrer Identität hat sich infolge der Vorlage unbedenklicher Dokumente kein Zweifel ergeben.

Mit der Beschwerdeführerin halten sich gemeinsam im Bundesgebiet ihr Ehemann und ihre fünf minderjährigen Kinder auf. Deren Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesasylamtes wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass deren Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation zulässig ist.

Die Beschwerdeführerin hat keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich ausschließlich auf die Gründe ihres Ehemannes bezogen.

Die Beschwerdeführerin war in ihrem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten ausgesetzt und drohen ihr solche auch in Zukunft nicht. Die von ihrem Ehemann vorgebrachten Gründe für die Ausreise aus der Russischen Föderation respektive Tschetschenien werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass die Beschwerdeführerin an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden würde, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin in Österreich vorliegt.

Im Übrigen wurde auf das Erkenntnis des Ehegatten der Beschwerdeführerin verwiesen.

5. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes wurde am 24. Oktober 2012 zugestellt. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 13.12.2012, Zl. U 2572/12-3, abgelehnt.

6. Die Beschwerdeführerin meldete sich ebenso wie ihr Gatte und die minderjährigen Kinder am 28.12.2012 zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat an (Freiwillige Rückkehr - Verständigungsformular vom 28.12.2012). Die Familie verblieb in weiterer Folge im Bundesgebiet.

Zweites Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

7. Mit Faxeingabe vom 29.01.2013 begehrte der Ehegatten der Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG.

Dieser Antrag wurde damit begründet, dass der Antragsteller anlässlich der Entscheidung des Asylgerichtshofes zunächst eine freiwillige Heimreise geplant habe. Im Jänner habe er jedoch Kontakt mit seinem Cousin XXXX aufgenommen, um herauszufinden, ob für ihn, seine Frau und seine Kinder eine Heimreise gefahrlos möglich sei.

Sein Cousin habe ihm am Telefon mitgeteilt, dass mittlerweile wieder nach ihm gesucht werden würde. Es seien zunächst Ladungen gekommen, danach seien auch Leute in Militäruniformen dagewesen, die nach ihm gefragt hätten. Der Antragsteller habe daraufhin seinen Cousin gebeten, die Ladungen in eingescannter Form nach Österreich zu übermitteln, was dieser am 25.01.2013 auch getan habe.

Die nunmehr vorgelegten Ladungen würden eindeutig beweisen, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit den im Jahre 2011 gegen ihn erhobenen Vorwürfen auch aktuell von den Behörden gesucht werde.

Bei den nunmehr vorgelegten Ladungen handle es sich um "Beweismittel" im Sinne von § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, die ohne Verschulden des Antragstellers im bisherigen Verfahren nicht geltend gemacht werden hätten können und durch deren Berücksichtigung voraussichtlich ein positiver Asylbescheid gefällt worden wäre.

Dem Antrag wurde ein E-Mail-Verkehr vom 25.01.2013 samt 2 Ladungen (in Kopie) beigelegt.

8. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 7.3.2013, D14 427773-2/2013/8E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.10.2012 zu Zl. D14 427773-1/2012/2E rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG abgewiesen.

Begründend hielt der erkennende Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest:

"In der im Verfahrensgang wiedergegebenen Begründung der rechtskräftig negativen Entscheidung des AsylGH betreffend den Antragsteller vom 18.10.2012 wurde umfassend dargelegt, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat evidentermaßen keiner zielgerichteten, intensiven Verfolgung ausgesetzt gewesen ist und auch in Zukunft dahingehend keine Gefährdung besteht. Das vom Antragsteller getätigte Vorbringen betreffend eine Verfolgung durch die staatlichen Behörden im Zusammenhang mit der Widerstandsbewegung wurde als vollkommen unglaubwürdig bewertet.

Bereits aus dem Umstand, dass der ursprüngliche Grund für die Verfolgung nicht glaubwürdig ist, konnte dem auf dieser Verfolgung aufbauenden Vorbringen, wonach der Antragsteller unvermindert im Herkunftsstaat von den staatlichen Behörden gesucht werde, nicht gefolgt werden.

Es haben sich im Übrigen - wie bereits quer durch das erste abgeschlossene Asylverfahren - Widersprüche und Ungereimtheiten betreffend das neue Vorbringen des Antragstellers ergeben, die einzig den Schluss zulassen, dass dieses nicht den Tatsachen entspricht und der Wiederaufnahmeantrag bloß gestellt wurde, um eine drohende Abschiebung in den Herkunftsstaat zu verhindern.

Der Antragsteller stützt sich im Wesentlichen auf zwei eingescannte, per E-Mail übermittelte, handschriftlich ausgefüllte Ladungsvordrucke. Diese Ladungen würden eindeutig beweisen, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit den im Jahr 2011 gegen ihn erhobenen Vorwürfen auch aktuell von den Behörden gesucht werde.

Widersprüchlich gestaltet sich bereits, wie der Antragsteller von den Ladungen erfahren haben will. So wird im Antrag unmissverständlich dargelegt, dass der Antragsteller im Jänner mit seinem Cousin XXXX Kontakt aufgenommen habe, um herauszufinden, ob eine Heimreise für ihn, seine Frau und seine Kinder gefahrlos möglich sei. Sein Cousin habe ihm dabei am Telefon mitgeteilt, dass der Antragsteller mittlerweile wieder gesucht werden würde. Es seien zunächst Ladungen gekommen, danach seien auch Leute in Militäruniformen da gewesen, die nach ihm gefragt hätten. Der Antragsteller habe daraufhin seinen Cousin gebeten, die Ladungen in eingescannter Form nach Österreich zu übermitteln, was dieser am 25.01.2013 auch getan habe. In der Beschwerdeverhandlung am 19.02.2013 erklärte er im krassen Gegensatz zum eindeutigen Wortlaut im Antrag, dass er von der unverminderten Verfolgung im Herkunftsstaat über Skype vom Bruder seiner Frau erfahren habe. Dass er davon von XXXXper Telefon erfahren habe, hat der Antragsteller in der Beschwerdeverhandlung geradezu ausgeschlossen. Die Rechtfertigungsversuche des Antragstellers, wonach er dies bei der Besprechung des Antrages bei der CARITAS wahrscheinlich verwechselt habe bzw. sich ein Mensch in seiner Lage irren könne (S. 5, Verhandlung 19.02.2013), müssen als bloße Schutzbehauptungen gewertet werden. Der Antragsteller hat seinen Antrag mit Hilfe einer Mitarbeiterin der CARITAS in Anwesenheit eines Dolmetschers verfasst. Zumal es einen gravierenden Unterschied darstellt, eine Information per Skype von Person A oder per Telefon von Person B zu erhalten, bleibt für Irrtümer bzw. Verwechslungen kein Raum.

Besagter XXXX soll die Ladungen seinerzeit in Empfang genommen haben. Die Ladungen sollen im März und April 2012 XXXXübergeben worden sein. Für den erkennenden Senat stellt sich in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage, weshalb der Antragsteller von besagten Ladungen erst im Jänner 2013 erfahren haben will, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass der Vater des Antragstellers vor dem Asylgerichtshof am 29.01.2013 erklärte, dass er mit XXXX seit seiner Einreise nach Österreich regelmäßig etwa einmal im Monat telefoniere. Der Vater gab weiter an, auch im Jahr 2012 regelmäßig - etwa einmal im Monat - telefoniert zu haben, da er ihn doch fragen müsse, wie es zuhause sei, ob alles in Ordnung sei. (S. 7, Verhandlung 29.01.2013 im Akt des Vaters, Zl. D14 318934-1/2008/7Z)

Unabhängig davon, wer letztlich die beiden Ladungen übermittelt hat, ist nicht nachvollziehbar, weshalb XXXX, bei tatsächlicher Existenz von zwei Ladungen und der Suche nach dem Antragsteller durch bewaffnete Militärs, den Vater bzw. den Antragsteller selbst nicht sofort über diesen Umstand informiert hat, zumal diese Informationen wohl wesentlich für das Verfahren des Antragstellers und seines Vaters gewesen wären.

Stattdessen hat sich der Antragsteller nach Zustellung der negativen Entscheidung des Asylgerichtshofes am 24.10.2012 sowie nach Ablehnung der Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde am 28.12.2012 zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat mit seiner Ehefrau und seinen Kindern entschlossen, was er wohl nicht getan hätte, wenn er im Herkunftsstaat Verfolgung im asylrelevantem Ausmaß befürchten würde. Der Antragsteller hat nämlich noch im Herbst in seinem Asylverfahren behauptet, dass das Schrecklichste passieren würde und er nach einer Rückkehr sofort wieder verfolgt werden würde. Lässt dieses Vorgehen einmal mehr erkennen, dass das Vorbringen des Antragsteller nicht den Tatsachen entspricht, erscheint in diesem Zusammenhang im Übrigen geradezu absurd, dass der Antragsteller sich im Dezember 2012 zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat entschließt und erst danach damit beginnt, seine Angehörigen im Herkunftsstaat zu fragen, ob eine derartige Rückkehr sicher ist, zumal der Antragsteller und sein Vater zu jeder Zeit während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet in regelmäßigem Kontakt mit den Angehörigen im Herkunftsstaat gestanden sind (S. 3, Verhandlung 19.02.2013).

Der Antragsteller stützte sich in der mündlichen Verhandlung auf den Umstand, dass besagter XXXX nichts von den Ladungen erzählt habe, da dieser Angst vor einem solchen Vorgehen gehabt hätte, da die Telefone abgehört werden würden (S. 3, Verhandlung 19.02.2013). Bei der behaupteten Angst von XXXX ist aber überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb sich dieser bereit erklärt haben soll, auf den Besitz des Antragstellers und seines Vaters zu achten und sich dort aufzuhalten. Bei der dargelegten Angst von XXXX ist auch nicht nachvollziehbar, warum dieser jahrelang mit dem Antragsteller und seinem Vater telefoniert, obwohl beide in Tschetschenien gesucht werden sollen. Wenn XXXX nämlich mit gesuchten Rebellen monatlich telefoniert, steht er doch ebenfalls in Verdacht, ein Rebell zu sein.

Der Antragsteller meinte auf diesen Vorhalt, dass er gehört habe, dass die Telefone abgehört werden würden (S. 3, Verhandlung 19.02.2013).

Umso erstaunlicher erscheint es, dass der Antragsteller in der Folge mit dem Bruder seiner Frau über Skype über die konkrete Lage des Antragstellers im Herkunftsstaat gesprochen haben soll. So soll ihm dieser über Skype von den Ladungen und der Suche nach dem Antragsteller durch bewaffnete Militaristen erzählt haben.

Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass er seit etwa zwei Monaten Kontakt per Skype habe. Seine Verwandten hätten ihm von der Existenz der Ladungen und den Hausdurchsuchungen nicht schon früher erzählt, da sie den Antragsteller nicht beunruhigen hätten wollen. Über Telefon hätten sie nicht darüber sprechen wollen. (S. 4, Verhandlung 19.02.2013) Auch betreffend die weiteren Verwandten war es demnach als vollkommen unplausibel zu werten, dass diese es einerseits in Kauf nehmen, mit einem gesuchten Rebellen zu telefonieren und in der Folge sogar mit diesem zu skypen, sich jedoch nicht sagen trauen, dass Ladungen für den Antragsteller vorliegen.

Hätte demnach tatsächlich eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat bestanden, wäre der Beschwerdeführer wohl durch seine Verwandten umgehend darüber informiert worden.

Der Antragsteller hat im Übrigen am 28.12.2012 seine Absicht bekundet, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits per Skype mit seinen Verwandten im Herkunftsstaat in Kontakt. Es wäre doch nur logisch nachvollziehbar gewesen, dass der Antragsteller im Vorfeld eines derart schwerwiegenden Schrittes die Verwandten im Herkunftsstaat gefragt hätte, ob eine gefahrlose Rückkehr für ihn möglich sei bzw. ihm die Verwandten davon abgeraten hätten. Die Ende Dezember 2012 geäußerte Absicht des Antragstellers, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren, muss demnach als Indiz gegen die Glaubwürdigkeit der nunmehr behaupteten Verfolgung gewertet werden.

Besondere Berücksichtigung muss schließlich dem Umstand beigemessen werden, dass sich der Antragsteller mit den von ihm vorgelegten Ladungen in keiner Weise auseinandergesetzt hat und in der mündlichen Verhandlung über deren Inhalt nicht Bescheid gewusst hat.

So wurde der Antragsteller in der Beschwerdeverhandlung zu den Ladungen näher gefragt, wo und zu welchem Zweck er sich nach dem Inhalt der Ladungen einfinden solle, woraufhin er unbestimmt meinte, dass es sich vermutlich um den ROWD in XXXX handle, wobei er es nicht genau wisse. Befragt, wann und aus welchem Grund er dort hinkommen solle, erklärte er, dass die Ladungen im Zusammenhang mit seiner zweiten Anhaltung im Jahr 2011 stehe würden. Auf der Ladung stehe nur, dass er kommen solle. Dort stehe geschrieben, dass er geladen werde, andernfalls werde er verfolgt. Er wisse nicht genau, in welcher Eigenschaft er geladen worden sei. Er glaube, er sei als Zeuge geladen worden - irgendwas mit Verhör. Er wisse es nicht genau. (S. 2, Verhandlung 19.02.2012)

Der Antragsteller will mit den beiden vorgelegten Ladungen beweisen, dass er tatsächlich im Herkunftsstaat verfolgt wird. Umso erstaunlicher erscheint, dass er sich mit den von ihm vorgelegten zentralen Beweismitteln offensichtlich in keiner Weise auseinandergesetzt hat und an deren Inhalt keinerlei Interesse zeigt.

Der Antragsteller gestand auch ein, dass er die Ladungen gar nicht so genau durchgelesen habe. (S. 5, Verhandlung 19.02.2012)

So hätte der Antragsteller laut vorgelegten Ladungen nicht wie von ihm behauptet beim ROWD sondern beim OMVD vorsprechen müssen.

Seltsam ist auch, dass der Antragsteller laut den vorgelegten Ladungen, die zeitlich nur wenige Wochen auseinanderliegen, einmal als Zeuge geladen wird, bei der zweiten Ladung ist diese Rubrik gar nicht ausgefüllt.

Bei den Ladungen handelt es sich also um schlecht gescannte, händisch ausgefüllte Vordrucke, die dem Antragsteller per E-Mail von Verwandten im Herkunftsstaat übermittelt worden sind. Eine Überprüfung der Ladungen auf ihre Echtheit und Richtigkeit war demnach nicht möglich, wobei die bereits aufgezeigten Indizien, die gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens sprechen, den Schluss zulassen, dass es sich bei den vorgelegten Ladungen um Fälschungen bzw. Gefälligkeitsleistungen handelt.

Weshalb der Antragsteller nunmehr im Jahr 2012 vor die staatlichen Behörden geladen worden sein will bzw. weshalb die staatlichen Behörden den Antragsteller aufgrund Jahre zurückliegender Ereignisse nunmehr im Jahr 2012 offiziell laden hätten sollen, erscheint auch insofern wenig nachvollziehbar, als der Antragsteller sowohl im Jahr 2004 als auch im Jahr 2011 ohne Vorwarnung verschleppt worden sein will.

Der Antragsteller will ebenso wie sein Bruder und sein Vater aufgrund der Involvierung in die Widerstandsbewegung seit Jahren von den staatlichen Behörden gesucht worden sein. Der Asylgerichtshof hat im rechtskräftigen Erkenntnis vom 18.10.2012 die Ausführungen des Antragstellers sowie seines Vaters und seines weiteren im Bundesgebiet aufhältigen Bruders einer umfassenden Beurteilung unterzogen, wobei zu den massiven Widersprüchen im Vorbringen auf die im Verfahrensgang zitierten beweiswürdigenden Überlegungen im rechtskräftigen Erkenntnis vom 18.10.2012 verwiesen wird.

Für den erkennenden Senat hat sich infolge der im gegenständlichen Verfahren zusätzlich entstandenen Ungereimtheiten und Widersprüche sowie insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, der Eindruck verstärkt, dass der Antragsteller von Beginn seines Asylverfahrens an nicht den Tatsachen entsprechende Ausführungen getätigt hat und die neuerliche Antragstellung lediglich den Zweck verfolgt, eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu verhindern.

Insgesamt betrachtet hat der Antragsteller im abgeschlossenen Asylverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, alle für sein Asylverfahren relevanten Umstände darzulegen. Seinem Vorbringen, wonach ihm bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Verfolgung drohe, wurde die Glaubwürdigkeit versagt. Die entsprechenden Ausführungen im rechtskräftigen Erkenntnis vom 18.10.2012 wurden schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Auch die relevante Lage im Herkunftsstaat zum Entscheidungszeitpunkt ist hinreichend in die Beurteilung eingeflossen. Der Antragsteller konnte zum Entscheidungszeitpunkt am 18.10.2012 somit eine drohende aktuelle Gefährdung im Heimatland weder zum Zeitpunkt der Ausreise noch aktuell glaubhaft machen, woran die mit gegenständlichem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Beweismittel nichts ändern konnten. Diese waren nämlich - wie dargelegt - nicht geeignet, eine Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 18.10.2012 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu begründen, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme daher jedenfalls spruchgemäß abzuweisen war."

9. Auch dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft und verblieb die Familie nach wie vor im Bundesgebiet.

Drittes verfahrensgegenständliches Verfahren

10. Am XXXX kam eine weitere Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich zur Welt. Für diese wurde mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2014 schriftlich ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

11. Am 30.04.2014 brachte die Beschwerdeführerin ebenso wie die weiteren Familienangehörigen gegenständlichen Folgeantrag ein, wobei anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die "alten" Asylgründe nach wie vor aufrecht und auch sehr aktuell seien. Es bestehe für den Ehegatten der Beschwerdeführerin und die Familie nach wie vor Lebensgefahr in Tschetschenien.

Die Beschwerdeführerin selbst und die gemeinsamen Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 22.09.2015 und am 15.11.2017 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen, wobei sie im Wesentlichen bestätigte, keine eigenen Fluchtgründe zu haben.

Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 30. April 2014 gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine First zur Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

12. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 28. Februar 2018 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.

13. Am 2. März 2018 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes durch persönliche Übernahme zugestellt.

14. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schriftsatz vom 23. März 2018 fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde für alle Familienmitglieder erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen mangelhaftem Verfahren und Rechtswidrigkeit des Inhaltes in vollem Umfang angefochten. In Einem wurde der Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt.

15. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 4. April 2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.4.2018, W147 1427775-2/3E, wurde die Beschwerde gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen. Erkenntnisse gleichen Inhalts ergingen an die Familienangehörigen des Beschwerdeführers.

17. Infolge einer erhobenen außergewöhnlichen Revision hob der VwGH mit Erkenntnis vom 15.11.2018, Ra 2018/19/0285, Ra 2018/19/0286, Ra 2018/19/0287, Ra 2018/19/0288, Ra 2018/19/0292, Ra 2018/19/0290, Ra 2018/19/0291, Ra 2018/19/0289, die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. April 2018, W147 1427773-3/3E, W147 1427775-2/3E, W147 1427777-2/3E, W147 1427783-2/3E, W147 1427778-2/3E, W147 1427779-2/3E, W147 1427781-2/3E und W147 2191305-1/3E, insoweit, als damit die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien in Bezug auf die gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 52 Abs. 9 FPG und die Festsetzung keiner Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Im Übrigen wurden die Revisionen zurückgewiesen.

18. Am 21.1.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerin, ihr Gatte und die zwischenzeitig volljährigen Kinder der Beschwerdeführerin sowie eine Zeugin zu Privat- und Familienleben und Gesundheitszustand befragt wurden.

R(Richter): Seit wann sind Sie denn in Österreich?

BF1 (Gatte der Beschwerdeführerin): Seit 2011.

R: Haben Sie Österreich wieder verlassen seitdem?

BF1: Nein.

R: Wie viele Anträge auf internationalen Schutz haben Sie gestellt?

BF1: Genau kann ich das nicht angeben. Ich kann mich nicht mehr erinnern. 2 oder 3 Mal glaube ich, aber genau weiß ich es wirklich nicht.

R: Wie finanzieren Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?

BF1: Von der XXXX.

R: Wie viel bekommen Sie da?

BF1: Wir bekommen Essensgeld und Taschengeld. Taschengeld beträgt 40 € pro Monat und sonst bekommen wir ein bisschen mehr wie 5 € pro Tag. Wir wohnen alle in einem Asylwerberheim im XXXX.

R: Haben Sie in Österreich schon gearbeitet?

BF1: Offiziell nicht.

R: Was haben Sie inoffiziell gearbeitet?

BF1: Bei der XXXX als Maler- und Anstreicher, und Tischler.

R: Als Maler- und Anstreicher oder haben Sie Tischlerarbeiten auch gemacht?

BF1: Ich bin Bauarbeiter, was meinen Beruf angeht, deshalb habe ich als Maler und Anstreicher gearbeitet.

R: Bei der XXXX haben Sie was gemacht?

BF1: Bei der XXXXhabe ich Zimmer renoviert und 4 €

Aufwandsentschädigung bekommen.

R: Wie viel haben Sie insgesamt bekommen?

BF1: Insgesamt für die ganze Arbeit? Genau weiß ich es nicht. Das war unterschiedlich. Wenn ein Zimmer frei wurde und renoviert werden musste, haben sie es mir gesagt und ich habe für sie gearbeitet. Ich habe das einige Jahre gemacht.

R: Jetzt haben Sie gesagt, Sie sind ausgebildeter Bauarbeiter. Welche Schulbildung haben Sie?

BF1: Grundschule absolviert, 8 Klassen. Eine Berufsausbildung habe ich nicht. Ich habe inoffiziell als Bauarbeiter meinen Lebensunterhalt verdient in der Russischen Föderation.

R: Haben Sie in der Russischen Föderation jemals offiziell gearbeitet, wenn ja, wann?

BF1: Ja, offiziell habe ich von 1996-1999 als Wachmann in der Russischen Föderation gearbeitet.

R: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

BF1: In Österreich habe ich den Deutschkurs A1-Kurs abgeschlossen. A2-Kurs auch besucht, aber nicht abgeschlossen. Ich habe den russischen Führerschein.

R: Wie lange ist der gültig?

BF1: Ich glaube, dass die Gültigkeit im Jahr 2013 abgelaufen ist aber ich weiß es nicht genau.

R: Darum haben Sie ihn nicht umgeschrieben, oder?

BF1: Ich wollte, aber bin nicht dazugekommen.

R: Sonst irgendwelche Ausbildungen?

BF1: Nein.

R: Hatten Sie in Österreich irgendwelche Probleme mit Behörden oder Gerichten?

BF1: Nein.

R: Sicher nicht?

BF1: Nein. Aber ich habe einmal eine Fahrstrafe bekommen, bin schwarz gefahren, erwischt worden und zahle das in Raten ab.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018: Keine Eintragung (Beilage A)

R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen in Österreich tätig?

BF1: Nein.

R: Welche Moschee besuchen Sie?

BF1: In der XXXX.

R: Wie heißt die?

BF1: Ich wollte die Nummer sagen, XXXX Ungefähr XXXX, in der Nähe von der XXXX.

R: Wie oft gehen Sie dorthin?

BF1: Einmal in der Woche am Freitag. Manchmal nehme ich auch die Söhne mit.

R: Wie würden Sie selbst Ihre Deutschkenntnisse einschätzen?

BF1: Nicht so gut.

R: Können wir uns in Deutsch unterhalten?

BF1: Ja.

R: (auf Deutsch) Was machen Sie den ganzen Tag?

BF1: Heute ist. Ich vergesse. Ein.

R: (auf Deutsch) Gehen Sie hin- und wieder einkaufen?

BF1: Ich kaufe essen und Gemüse und Trinken.

R: (auf Deutsch) Wohin gehen Sie einkaufen?

BF1: Ich gehe Hofer, Lidl.

R: (auf Deutsch) Können Sie schreiben auch?

BF1: Bisschen.

R: (auf Deutsch) Wenn ich einen Satz diktiere, wie sieht es da aus?

BF1: Schwierig. Ich kann es.

R: Ich bin heute in der Früh nervös aufgestanden. Zu Mittag bin ich mit der XXXX in denXXXX gefahren.

BF1 schreibt es auf einen Zettel. (Wird als Beilage B zum Akt genommen.)

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?

BF1: Tschetschenen. Beim Kurs habe ich auch Afghanen kennengelernt, mit denen ich jetzt in Kontakt stehe. Ich hatte nie Probleme mit Afghanen.

R: Haben Sie österreichische Freunde?

BF1: Österreichische, nein, nur die Leute, die bei der XXXX arbeiten.

R: Haben Sie außer Ihrer Familie noch Verwandte in Österreich?

BF1: Ja, mein Vater und mein Bruder.

R: Haben die einen Aufenthaltsstatus?

B1F: Ja, der Vater hat ein Visum und der Bruder auch.

R: Wie oft sehen Sie den Vater und Bruder?

BF1: Zwischen einmal in der Woche bis einmal im Monat, das ist unterschiedlich.

R: Kriegen Sie da irgendein Geld von denen oder Essen, Trinken, Gewand?

BF: Nein.

R: Haben Sie mit Ihrem Vater oder Bruder vor ihrer Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

BF1: Ja, mit dem Vater, er ist seit 2007 da. 4 Jahre wohnte ich dann ohne Vater.

R: Gibt es noch Verwandte in der Russischen Föderation?

BF1: Meine Schwester lebt in Tschetschenien, ist verheiratet und hat 4 Kinder.

R: Was arbeitet Sie?

BF1: Sie arbeitet als Erzieherin in einer Schule.

R: Staatliche oder Privatschule?

BF1: Die Schwester ist angestellt in der Schule, aber ich weiß nicht, ob es eine staatliche oder private Schule ist.

R: Wo wohnt ihre Schwester samt Familie?

BF1: Im Dorf namensXXXX.

R: Das ist ein Haus Ihrer Familie oder des Schwagers?

BF1: Das ist das Haus ihres Mannes.

R: Haben Sie sonst Verwandte in der Russischen Föderation.

BF1: In dem Dorf lebt noch der Onkel und weitschichtige Verwandte(Mehrzahl).

R: Auch in XXXX?

BF1: Ja.

R: Haben Sie dort gewohnt?

BF1: Ja.

R: Was ist mit dem Haus?

BF1: Derzeit lebt dort niemand, es ist freistehend.

R: Leiden Sie selbst an irgendwelchen chronischen Krankheiten?

BF1: Ich habe ein bisschen Probleme mit meiner Leber, aber ich fühle mich jetzt gut.

R: Müssen Sie Arzneimittel einnehmen?

BF1: Derzeit nicht.

R: Über die Krankheit der Kinder und Schulthemen soll ich Ihre Frau fragen?

BF1: Ja, es ist besser mit der Frau drüber zu reden.

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit Ihren Kindern?

BF1: Tschetschenisch, und sie sprechen untereinander auch Deutsch.

R: Welches Kind ist in Österreich geboren?

BF1: 2. XXXXund XXXX sind in Österreich geboren.

R: Ist es richtig, dass XXXX bei der ‚Einreise ein Jahr alt war?

BF1: Bisschen älter als ein Jahr war er.

Das bisherige Verhandlungsprotokoll wird dem BF1 rückübersetzt. Nach Rückfrage bestätigt dieser das alle Angaben korrekt protokolliert sind.

BF1 verlässt den Verhandlungssaal. BF2 (Beschwerdeführerin) betritt den Verhandlungssaal.

Folgende Unterlagen werden vorgelegt:

9 Empfehlungsschreiben, Einstellungszusage für BF1 und BF2, B1-Zertifikat betreffend BF2, Eltern-Schule-Workshop BF2, Stellungnahmen für Schulen betreffend XXXX, Schulbesuchsbestätigung betreffend XXXX (Wird als Konvolut Beilage C zum Akt genommen).

R: Ist es richtig, dass Sie seit 2011 in Österreich sind, Österreich seitdem nicht verlassen haben und derzeit in einem Heim für Asylwerber untergebracht sind?

BF2 (Beschwerdeführerin): Ja.

R: Wie viele Anträge auf Asyl haben Sie eingebracht?

BF2: Einige Male, ich weiß es nicht genau.

R: Wissen Sie, wann letztes Mal ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde?

BF2: Ich glaube, dass das voriges Jahr im Februar war, aber genau weiß ich das nicht.

R: Leiden Sie an chronischen Krankheiten?

BF2: Ich habe Probleme mit der Schilddrüse. Ich nehme Euthyrox einmal in der Früh. Sonst nichts.

R: Sonst irgendwelche chronischen Krankheiten?

BF2: Nein.

R: Haben Sie in Österreich schon gearbeitet?

BF2: Ich habe bei der XXXX gearbeitet. Auch jetzt arbeite ich als Putzfrau dort.

R: Wie viel Geld bekommen Sie dafür?

BF2: Ich bekomme dafür 4,5 € pro Stunde. Sonst 3,5 € pro Stunde.

R: Was heißt "sonst 3,5€ pro Stunde"?

BF2: Ich arbeite eine Woche in zwei Monaten als Portierin. Manchmal koche ich auch, wenn Feiertag ist.

R: Wie viel bekommen Sie da im Monat zusammen?

BF2: 100 €, manchmal mehr, manchmal weniger.

R: Sie haben mir heute eine Einstellungszusage vorgelegt. Was ist das für eine Firma und was würden Sie da verdienen. Das steht nicht dabei.

BF2: Das hängt von der Stundenanzahl oder von der Zimmeranzahl ab.

R: Was ist das für eine Firma?

BF2: Ich habe vergessen, wie diese Firma heißt, aber man hat mir gesagt, dass ich dort arbeiten kann, wenn ich die Dokumente bekomme.

R: Was ist das für eine Firma?

BF2: Das ist eine Firma, die in Hotels putzt. Ich würde in verschiedenen Hotels arbeiten.

R: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen aktiv tätig?

BF2: Nein.

R: Besuchen Sie eine Moschee?

BF2: Nein.

Ohne Beiziehung von D:

R: Was machen Sie den ganzen Tag?

BF2: In der Früh ich oder mein Sohn gehen in die Schule, dann in den Kindergarten. Manchmal Termine, aufräumen, kochen, ich hole Kinder ab von Schule und Kindergarten und waschen.

R: Wann ist Ihr letzter Deutschkurs gewesen?

BF2: Der letzte Kurs war der Ihnen vorliegende, Zertifikat B1.

Mit Beiziehung von D:

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit Ihren Kindern?

BF2: Wir sprechen miteinander tschetschenisch. Untereinander sprechen Sie Deutsch. Ich bemühe mich auf deutsch zu sprechen.

R: Mit ihrem Mann?

BF2: Tschetschenisch, aber wir bemühen uns, beide Deutsch zu sprechen.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF2: Nein, ich habe keine Verwandten.

R: Welche Berufsausbildungen haben Sie absolviert. Welche Berufe haben Sie in Ihrem Leben ausgeübt?

BF2: Ich habe die Grundschule abgeschlossen und habe Schneiderin und Näherin gelernt und in Tschetschenien inoffiziell gearbeitet. Das war damals schwierige Zeit. Offizielle Arbeit hat es nicht gegeben, also habe ich meine Ausgaben mit inoffiziellen Tätigkeiten betrieben.

R: Haben Sie in der Russischen Föderation Kindergeld bezogen?

BF2: Ja. Das waren 70 Rubel pro Kind, ca. 1 €.

R: Sonstige Beihilfen?

BF2: Für das 3. und das 4. Kind habe ich noch Karenzgeld bezogen.

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis in Österreich aus?

BF2: Ich habe Bekannte hier. Ich habe auch Leute beim Kurs kennengelernt und die Leute bei der XXXX.

R: Haben Sie österreichische Freunde auch?

BF2: 2 Bekannte von einem Projekt namens "Schams". Auch habe ich eine Deutschlehrerin der XXXX; mit der ich noch immer in Kontakt stehe. Die Lehrerin ist einmal in der Woche zurXXXX gekommen, um dort Deutsch zu unterrichten.

R: Sonst irgendwelche Freunde?

BF2: Bekannte Tschetscheninnen, Araberinnen und aus Afghanistan. Wir haben uns bei der XXXX kennengelernt.

R: Hatten Sie in Österreich Probleme mit Behörden oder Gerichten?

BF2: Nein, aber ich hatte eine Strafe. Ich war sehr nervös an dem Tag und habe vergessen, die Fahrkarte zu lösen. Auch ich zahle die Strafe mit Raten.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018, keine Eintragungen. (Beilage D)

R: Haben Sie noch Verwandte in der Russischen Föderation?

BF2: Meine Mutter, Brüder, Schwestern. Ich habe viele Verwandte.

R: Wo in Russland?

BF2: In der Republik XXXX. Das ist in der russischen Föderation. Die Republik heißt XXXX. Ich war schon dort bei meinem Bruder, als es den Krieg gegeben hat.

R: Welches Ihrer Kinder ging schon in der Russischen Föderation in die Schule?

BF2: Die zwei älteren, die anderen waren zu klein und waren auch nicht im Kindergarten dort.

R: Leidet eines Ihrer Kinder an einer chronischen Erkrankung?

BF2: Nein.

R: XXXX, geboren XXXX ist im Kindergarten?

BF2: Ja. In der XXXX. Es befindet sich schon ein Schreiben im Akt.

R: XXXX ist der zweitjüngste, oder?

BF2: Er geht in die XXXX Volksschule.

R: XXXX geht in die XXXX Volksschule und XXXX geht in die XXXX Volksschule oder?

BF2: Ja.

R: Wer von diesen Kindern ist in irgendwelchen Vereinen tätig?

BF2: Sie treffen sich mit den Freunden gemeinsam und spielen dann Fußball. Sie werden auch trainiert im Park. Aber ich glaube, dass sollten Sie besser selber erzählen. Die jüngeren Kinder besuchen gar nichts.

R: Wie sieht der Freundeskreis von diesen 4 Kindern aus?

BF2: Sie haben Freunde in der Schule und bei der XXXX. Ich habe ein Schreiben vorgelegt.

R: Haben diese 4 Kinder Kontakt in die russische Föderation?

BF2: Wenn ich anrufe, sprechen Sie mit meiner Mutter, also mit ihrer Oma. Sie können nicht so gut tschetschenisch. Sie sagen nur Hallo und fragen, wie es ihr geht. Mit meiner Mutter, Schwester.

R: Jetzt haben Sie vorher gesagt, sie sprechen mit ihnen tschetschenisch?

BF2: Ich spreche mit ihnen tschetschenisch, aber sie sprechen nicht sehr gut tschetschenisch. Sie antworten aber auf tschetschenisch. Sie haben in der Schule Deutsch und schauen sich auch im Fernsehen deutsche Sendungen an. Auch im Internet, alles auf Deutsch. Aber ich möchte nicht, dass sie ihre Muttersprache vergessen. Sie sprechen schlecht tschetschenisch mit Akzent.

R: Geht es Ihnen gut?

BF2: Ja. Ich bin nur sehr aufgeregt.

Das bisherige Verhandlungsprotokoll wurde rückübersetzt. BF2 bestätigt nach Rückfrage, dass ihre Angaben korrekt dokumentiert wurden.

Beginn der Befragung von BF3 (Tochter der Beschwerdeführerin) in Anwesenheit von BF2:

Über Nachfrage erklärt BF3, dass Sie die Einvernahme in deutscher Sprache wünscht. D wird ersucht, hier zu bleiben, um bei allfälligen Problemen rückzuübersetzen.

R: Wie alt waren Sie, als Sie nach Österreich gekommen sind?

BF3 (Tochter der Beschwerdeführerin): Ich weiß nicht genau, mit 9 oder 10 Jahren.

R: Gehen Sie noch in die Schule?

BF3: Ja. In den Berufsvorbereitungslehrgang beim BVL, jeden Tag gehe ich dorthin im XXXX.

R: Welche Schule haben Sie bis jetzt abgeschlossen?

BF3: Ich bin jetzt im 11. Schuljahr. Ich gehe in die XXXX.

R: Für welchen beruf werden Sie da ausgebildet?

BF3: Für Koch.

R: Haben Sie schon eine Lehrstelle?

BF3: Nein, noch nicht. Praktikum habe ich bei XXXX im XXXX fünf Tage gemacht. Geld habe ich damals keines bekommen.

R: Ist es richtig, dass Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt durch Bezug von Grundversorgung finanzieren und mit ihren Eltern gemeinsam in einem Asylwerberheim leben?

BF3: Ja.

R: Wie viele Schulstufen haben Sie in der Russischen Föderation absolviert?

BF3: Ich glaube 3.

R: Wo sind Sie da in die Schule gegangen?

BF3: Ich weiß es nicht mehr.

R: In welcher Sprache reden Sie mit der Mama?

BF3: Manchmal tschetschenisch, manchmal Deutsch.

R: Mit dem Vater?

BF3: Auch.

R: Können Sie russisch auch?

BF3: Nein.

R: Wie schaut es mit einem Freund aus?

BF3: Hatte ich. Aber derzeit kein Freund.

R: Was machen SIE in Ihrer Freizeit?

BF3: Ich spiele Basketball und Fußball im Park, backe und koche gerne.

R: Haben Sie Vereinsaktivitäten?

BF3: Nein.

R: Haben SIE außer Ihrer Schule noch irgendwelche Ausbildungen absolviert?

BF3: Nein.

R: Haben Sie in Österreich irgendwelche Probleme mit Behörden oder Gerichten gehabt?

BF3: Nein, nur einmal bin ich schwarz gefahren.

R: Wurde die Strafe schon gezahlt?

BF3: Nein, der Vater zahlt es.

Verlesen wird Strafregisterauszug vom 19.12.2018: Keine Eintragungen. (Wird als Beilage E zum Akt genommen.)

R: Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?

BF3: Tschetschenische gibt es derzeit nicht. Die beste Freundin heißt XXXX, ist Österreicherin. XXXX kenne ich von der Schule. Sie konnte ihnen kein Empfehlungsschreiben schicken, da sie ein Praktikum hatte.

R: Was unternehmen Sie mit ihr?

BF3: Ich gehe mit ihr spazieren, auf einen Kaffee.

R

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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