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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Agrargemeinschaft L (in der Revision und im Akt auch als Agrargemeinschaft L-Alpe bezeichnet) in P (Italien), vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. Jänner 2017, LVwG-2017/44/0072-1, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem TFLG 1996 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Parteien: 1. K H, 2. L V, beide in P (Italien) und vertreten durch Dr. Harald Vill, Dr. Helfried Penz und Mag. Christoph Rupp, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 5a), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 21. Jänner 2016, verbessert mit Schreiben vom 8. März 2016, beantragten die mitbeteiligten Parteien bei der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde, dem von ihnen abgeschlossenen Tauschvertrag vom 21. Dezember 2015 samt Nachtrag vom 8. März 2016 die agrarbehördliche Bewilligung zu erteilen. Demnach tauscht der Erstmitbeteiligte die Hälfte seiner 36/396- Anteile an der Liegenschaft EZ 218, KG F., gegen die Hälfte der 34/118-Anteile an der Liegenschaft EZ 215, KG F., des Zweitmitbeteiligten.
Die vom Erstmitbeteiligten vertauschten und übergebenen 18/396- Anteile an der Liegenschaft EZ 218 sollen mit der Stammsitzliegenschaft EZ 560 II, KG Pf. (Italien), des Zweitmitbeteiligten verbunden werden. Die vom Zweitmitbeteiligten vertauschten und übergebenen 17/118-Anteile an der Liegenschaft EZ 215 sollen mit der Stammsitzliegenschaft EZ 44 I O., KG Pf. (Italien), des Erstmitbeteiligten verbunden werden.
Nach den Revisionsausführungen - im angefochtenen Erkenntnis werden dazu keine konkreten Feststellungen getroffen - gehörten die Liegenschaft EZ 218, KG F., ebenso wie die Liegenschaft EZ 240, KG F., (beide in Österreich) sowie die Liegenschaft EZ 101, KG Pf., (Italien) zum Nutzungsgebiet der revisionswerbenden Agrargemeinschaft. Die Liegenschaft EZ 215, KG F., stehe im Eigentum der Agrargemeinschaft H.
2 Mit Bescheid der Agrarbehörde vom 10. März 2016 wurde dieser Absonderung gemäß § 38 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1996 (TFLG 1996) die agrarbehördliche Genehmigung erteilt. (Auf den Umstand, dass im Spruch dieses Bescheides - jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den erwähnten Tauschvertrag samt Nachtrag - die Absonderung jeweils der gesamten Anteile der mitbeteiligten Parteien an den genannten Liegenschaften genehmigt wurde, ist an dieser Stelle nicht näher einzugehen.) Der Bescheid wurde den Vertragsparteien (erst- und zweitmitbeteiligte Parteien), dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, der Autonomen Provinz Bozen - Südtirol sowie - nach den auf den Angaben der Revisionswerberin basierenden Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis - am 21. Dezember 2016 der Revisionswerberin (entsprechend ihrem Antrag) zugestellt.
3 Die Revisionswerberin (die sich in ihrer späteren Revision als "grenzüberschreitende Agrargemeinschaft" bezeichnete) erhob gegen den Bescheid vom 10. März 2016 Beschwerde.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: LVwG) vom 18. Jänner 2017 wurde diese Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
5 In seinen Erwägungen hielt das LVwG unter Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fest, gegenüber der Rechtslage nach dem TFLG 1978 sei im TFLG 1996 durch die Novelle LGBl. Nr. 55/2001 insofern eine Änderung eingetreten, als § 74 Abs. 5 TFLG 1996 der Agrargemeinschaft keine Parteistellung im Verfahren zur Genehmigung der Absonderung mehr einräume und ihr damit auch das Recht nehme, dem Verbot der Anhäufung oder Aufsplitterung zum Durchbruch zu verhelfen. Der Verwaltungsgerichtshof habe zur neuen Regelung des § 74 Abs. 5 TFLG 1996 erkannt, dass den Agrargemeinschaften auch kein Recht mehr zukomme, in das durch die Genehmigung der Absonderung eingegriffen werden könnte. Dadurch, dass das TFLG 1996 im Verfahren zur Genehmigung der Absonderung von Anteilsrechten der Agrargemeinschaft keine Parteistellung zugestehe, habe der Gesetzgeber auch die Entscheidung getroffen, dass die Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 der Agrargemeinschaft kein subjektives Recht einräume, sondern, dass die Einhaltung dieser Bestimmung der Behörde überantwortet sei. Dagegen bestünden auch keine rechtlichen Bedenken, weil es grundsätzlich dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen sei, ob er eine von ihm geschaffene Bestimmung des objektiven Rechts auch zu einem subjektiven Recht mache oder nicht.
6 Somit sei auch die Frage, ob die Agrarbehörde vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die Agrargemeinschaft oder eine Südtiroler Behörde gemäß § 74 Abs. 5 und 9 TFLG 1996 gehört habe, irrelevant.
7 Zum Einwand der Revisionswerberin, dass ihr aufgrund der Südtiroler Rechtslage (nach den Beschwerdeausführungen: Art. 17 quater Abs. 2 des Südtiroler Landesgesetzes vom 7. Jänner 1959, Nr. 2 in der Fassung des Landesgesetzes vom 12. Oktober 2007, Nr. 10) ein Vorkaufsrecht an den vertauschten Liegenschaftsanteilen zukomme, sei festzuhalten, dass zwar die am gegenständlichen Tauschgeschäft beteiligten Stammsitzliegenschaften in Italien lägen, dass aber die getauschten Anteile an agrargemeinschaftlichen Grundstücken (18/396-Anteile an der Liegenschaft EZ 218, KG F., und 17/118- Anteile an der Liegenschaft EZ 215, KG F.) zur Gänze in Österreich lägen. Dieser Umstand bringe es mit sich, dass die rechtlichen Vorgänge, welche die auf österreichischem Gebiet gelegenen gemeinschaftlichen Grundstücke beträfen, von österreichischen Behörden und nach österreichischem Recht zu behandeln seien. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde die Zuordenbarkeit eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes nicht durch die Lage der Stammsitzliegenschaft, sondern durch die Lage der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft bestimmt. Die im vorliegenden Fall relevanten Vorgänge seien daher, sofern sie das Schicksal agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte an in Österreich liegenden Grundstücken beträfen, nach den Vorschriften des österreichischen Rechtes und daher nach dem TFLG 1996 zu beurteilen.
8 Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich auch, dass Vorkaufsberechtigte in § 74 Abs. 5 TFLG 1996 zwar nicht als Parteien des Absonderungsverfahrens genannt seien, dass sich ihre Parteistellung aber aus § 8 AVG ergeben könne. Ein dafür erforderliches besonderes rechtliches Interesse könne die Revisionswerberin aber aus der Bestimmung des Art. 17 quater Abs. 2 des zitierten Südtiroler Landesgesetzes, wonach bei Veräußerung einzelner Miteigentumsanteile die Agrargemeinschaft als solche und nach ihr die einzelnen Teilhaber ein Vorkaufsrecht hätten, nicht ableiten, weil diese Norm im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die begründenden Ausführungen des LVwG, wonach das TFLG 1996 seit der Novelle LGBl. Nr. 55/2001 der Agrargemeinschaft keine Parteistellung im Verfahren zur Genehmigung einer Absonderung von Mitgliedschaftsrechten von der Stammsitzliegenschaft einräume und die Einhaltung der Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 der Behörde überantwortet sei, stehen im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 15.11.2001, 2001/07/0126; 25.3.2004, 2003/07/0163; vgl. auch VwGH 31.3.2005, 2004/07/0073).
14 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Lage eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes nicht durch die Lage der Stammsitzliegenschaft, sondern durch die Lage der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft bestimmt wird und dass rechtliche Vorgänge, welche die auf österreichischem Gebiet gelegenen gemeinschaftlichen Grundstücke betreffen, von den österreichischen Behörden und nach österreichischem Recht zu behandeln sind (VwGH 27.3.1990, 89/07/0139; 30.9.2010, 2008/07/0174; vgl. auch VwGH 7.7.1981, 2333/79). Im gegenständlichen Fall ist das LVwG somit zu Recht davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin aus der zitierten Bestimmung des Südtiroler Landesgesetzes, wonach bei Veräußerung einzelner Miteigentumsanteile (unter anderem) die Agrargemeinschaft als solche ein Vorkaufsrecht hat, ein besonderes rechtliches Interesse, welches ihr - im Wege des § 8 AVG - zur Parteistellung im Verfahren verhelfen würde, nicht ableiten kann (vgl. erneut VwGH 30.9.2010, 2008/07/0174).
15 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision nun vor, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bestehe darin, ob die TFLG-Novelle 2007, LGBl. Nr. 53/2007, zu Gunsten einer "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaft", wie die Revisionswerberin eine sei, Parteistellung und Rechtsmittellegitimation im Verfahren zur Genehmigung der Absonderung von Anteilsrechten begründe. Dazu verweist die Revisionswerberin auf die Bestimmungen des § 8 AVG und § 38 Abs. 4a in Verbindung mit § 74 Abs. 8 TFLG 1996.
16 Zunächst ist anzumerken, dass die von der Revisionswerberin erwähnte Bestimmung des § 74 Abs. 8 TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 53/2007 durch die Novelle LGBl. Nr. 130/2013 durch einen Satz ergänzt wurde und schließlich aufgrund der mit der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 erfolgten Einfügung eines neuen Absatzes 7 in § 74 TFLG 1996 die Bezeichnung "Absatz 9" erhielt.
17 Die §§ 38 und 74 TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2014 lauten auszugsweise:
"§ 38
Feststellung agrargemeinschaftlicher Liegenschaften,
Absonderung von Anteilsrechten
(...)
(3) Die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft darf von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.
(4) Die Bewilligung nach Abs. 3 ist zu verweigern, wenn
(...)
b) durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck
der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt;
(...)
(4a) Liegt ein nach alter Übung einheitlich bewirtschaftetes Gebiet teilweise oder liegen Stammsitzliegenschaften gänzlich oder teilweise im Ausland, so ist die Bewilligung nach Abs. 3 unbeschadet der Voraussetzungen nach Abs. 4 dann zu verweigern, wenn die Absonderung von Anteilsrechten dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträglich ist.
(...)
§ 74
Parteien, Beteiligte
(...)
(5) Parteien im Verfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten (§ 38 Abs. 3 und 6) und zur Bewilligung der Teilung von Stammsitzliegenschaften (§ 39 Abs. 1) sind die Eigentümer der bisher berechtigten Stammsitzliegenschaften, die Inhaber eines walzenden Anteilsrechtes und die Erwerber von Anteilsrechten und von Trennstücken einer Stammsitzliegenschaft; im Fall des § 38 Abs. 4 lit. c Z 2 ist auch die Gemeinde Partei. Wenn im Zuge der Absonderung Anteilsrechte mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden werden, an deren Eigentum bereits Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind, oder wenn im Zuge der Teilung einer Stammsitzliegenschaft die mit dieser bisher verbundenen Anteilsrechte aufgeteilt werden, so ist die Agrargemeinschaft vor der Erlassung des Bescheides zur Frage einer allfälligen dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglichen Anhäufung oder Zersplitterung von Anteilsrechten zu hören. In diesen Fällen ist der Agrargemeinschaft weiters der die Absonderung oder Teilung bewilligende Bescheid mitzuteilen.
(...)
(9) In Verfahren nach § 38 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4a und nach § 70a ist die für die entsprechenden Verfahren im jeweiligen Nachbarstaat zuständige Behörde vor der Erlassung des Bescheides zur Frage einer allfälligen dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträglichen Anhäufung oder Zersplitterung von Anteilsrechten bzw. zur Frage der von dieser Behörde für den auf ihrem Staatsgebiet liegenden Teil des einheitlichen Bewirtschaftungsgebietes erlassenen Bewirtschaftungsregeln zu hören. In derartigen Verfahren ist dieser Behörde weiters die das Verfahren abschließende Entscheidung zur Kenntnis zu übersenden.
(...)"
18 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (VwGH 13.12.2018, Ro 2018/07/0048, mwN).
Ein solcher Fall liegt hier vor.
19 In § 38 Abs. 4a TFLG 1996 wurde für Fälle, in denen ein einheitlich bewirtschaftetes Gebiet teilweise oder Stammsitzliegenschaften gänzlich oder teilweise im Ausland liegen, ein gegenüber Abs. 4 leg. cit. ("unbeschadet der Voraussetzungen nach Abs. 4") zusätzlicher Grund für die allfällige Verweigerung der Absonderung von Anteilsrechten an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft normiert. Die Absonderung ist zu verweigern, wenn sie dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträglich ist.
20 Unstrittig wird in der damit korrespondierenden Bestimmung des § 74 Abs. 9 TFLG 1996 in einem Absonderungsverfahren, in dem - wie hier - die Stammsitzliegenschaften von Tauschvertragspartnern im Ausland, die betroffenen agrargemeinschaftlichen Grundstücke hingegen in Österreich situiert sind, die Parteistellung einer "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaft" nicht ausdrücklich eingeräumt, der Parteienkreis gegenüber § 74 Abs. 5 TFLG 1996 somit auch in einem Verfahren wie dem gegenständlichen nicht erweitert.
21 Darüber hinaus ist aber auch weder dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen noch ihrem Zweck zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber mit der Novelle LGBl. Nr. 53/2007 in den genannten Verfahren ein rechtliches Interesse von "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaften" statuieren wollte, das - im Wege des § 8 AVG - zu deren Parteistellung im Absonderungsverfahren führte.
22 Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaften" hinsichtlich des in § 38 Abs. 4a TFLG 1996 normierten Entscheidungskriteriums ("dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträglich") ein derartiges besonderes rechtliches Interesse einräumen wollte, während er in Absonderungsverfahren "ohne Auslandsbezug" die Einhaltung der Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 ("eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten") allein der Behörde überantwortete (vgl. dazu die oben bereits zitierte hg. Judikatur).
23 Vielmehr erachtet es - wie sich bereits aus der Formulierung des § 74 Abs. 9 TFLG 1996 ergibt - der Gesetzgeber in den Verfahren nach § 38 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4a leg. cit. (lediglich) für erforderlich, "die für die entsprechenden Verfahren im jeweiligen Nachbarstaat zuständige Behörde" zu hören. Diese Anhörungspflicht der Behörde des Nachbarstaates bezieht sich inhaltlich unter anderem auf jene genannten Kriterien, die in § 38 Abs. 4 lit. b und Abs. 4a TFLG 1996 festgehalten sind ("zur Frage einer allfälligen dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträglichen Anhäufung oder Zersplitterung von Anteilsrechten bzw. zur Frage der von dieser Behörde für den auf ihrem Staatsgebiet liegenden Teil des einheitlichen Bewirtschaftungsgebietes erlassenen Bewirtschaftungsregeln"). Ein besonderes Rechtsschutzinteresse von "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaften", denen deshalb Parteistellung in Verfahren nach § 38 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4a TFLG 1996 einzuräumen wäre, wird in den zitierten Bestimmungen hingegen nicht normiert.
24 Nichts anderes ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 242/07 zur Novelle LGBl. Nr. 53/2007. Diese führen zu § 38 Abs. 4a und (damals) § 74 Abs. 8 TFLG 1996 aus:
"Bei grenzüberschreitenden einheitlichen Bewirtschaftungsgebieten handelt es sich um nach alter Übung gemeinsam bewirtschaftete Flächen, die durch eine nachträgliche Änderung der Staatsgrenzen in separate inländische und ausländische Grundbuchskörper geteilt worden sind und auf deren inländischem Teil Agrargemeinschaften bestehen. Um die althergebrachte einheitliche Bewirtschaftung weiterhin zu gewährleisten, scheint es nun erforderlich, bei der Beurteilung der Frage, ob die Absonderung von Anteilsrechten zu einer dem wirtschaftlichen Zweck abträglichen Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten führt, auf das gesamte (im Inland und im Ausland liegende) Bewirtschaftungsgebiet abzustellen (§ 38 Abs. 4a).
Auf Sachverhaltsebene können somit künftig auch Vorgänge berücksichtigt werden, die sich im benachbarten Ausland, etwa in Südtirol oder Bayern, abspielen. Hinsichtlich einer dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglichen Zersplitterung von Anteilsrechten könnte somit ein zu berücksichtigender Sachverhalt etwa darin gelegen sein, dass die Rechtslage im benachbarten Ausland eine Absonderung von Anteilsrechten nicht zulässt. Betrachtete man in einem derartigen Fall beispielsweise die beiden Grundbuchskörper diesseits und jenseits der Staatsgrenze wie bisher isoliert voneinander, so könnte hinsichtlich der im Inland liegenden Flächen der Tatbestand der Zersplitterung von Anteilsrechten nicht verwirklicht und die Absonderung daher zu bewilligen sein. Im Ergebnis würden dann jedoch die Anteile im Inland und im Ausland nicht mehr übereinstimmen, was bei der gemeinschaftlichen Beweidung zu großen Problemen führen könnte.
Für unregulierte inländische Agrargemeinschaften, deren Gebiet Teil eines einheitlichen grenzüberschreitenden Bewirtschaftungsgebietes ist, musste im Interesse der Gewährleistung der einheitlichen Bewirtschaftung weiters die Möglichkeit geschaffen werden, losgelöst von einem Regulierungsverfahren Wirtschaftspläne zu erlassen, in denen auch auf die im benachbarten Ausland stattfindenden Nutzungen Bedacht genommen wird (§ 70a).
Da im Hinblick auf jene Agrargemeinschaften, bei denen die gesamte bewirtschaftete Fläche auf österreichischem Staatsgebiet liegt, die Anteilsrechte jedoch zumindest teilweise mit ausländischen Grundbuchskörpern verbunden sind, eine vergleichbare Problematik besteht, werden derartige Konstellationen den eingangs dargestellten rechtlich gleichgestellt.
Damit die Agrarbehörde von den rechtlich relevanten Vorgängen im jeweiligen Nachbarstaat Kenntnis erlangt, ist im Hinblick auf Verfahren nach § 38 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4a und nach § 70a die Anhörung der dort für die entsprechenden Verfahren zuständigen Behörde vorzusehen (§ 74 Abs. 8). Im Interesse des gegenseitigen Informationsaustausches soll in derartigen Verfahren weiters der das Verfahren abschließende Bescheid an diese Behörde zur Kenntnis übersandt werden."
25 Der Gesetzgeber ermöglichte es mit den genannten Bestimmungen somit unter anderem in einem Verfahren wie dem vorliegenden, "auf Sachverhaltsebene" Vorgänge zu berücksichtigen, die sich im benachbarten Ausland abspielen. Im Einklang mit der bereits vor der Novelle LGBl. Nr. 53/2007 geltenden Rechtslage, wonach es allein der Behörde überantwortet ist, eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten zu verhindern (vgl. § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996), ging es dem Landesgesetzgeber darum, dass die Agrarbehörde von den rechtlich relevanten Vorgängen im jeweiligen Nachbarstaat Kenntnis erlangen kann, um eine dem Zweck der einheitlichen Bewirtschaftung abträgliche Absonderung von Anteilsrechten (vgl. § 38 Abs. 4a TFLG 1996) hintanzuhalten. Dies wird durch die Anhörung der zuständigen Behörde des Nachbarstaates sichergestellt. Eine Parteistellung von "grenzüberschreitenden Agrargemeinschaften" in den Verfahren nach § 38 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4a TFLG 1996 sollte mit der Novelle LGBl. Nr. 53/2007 hingegen nicht eingeführt werden.
26 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2019
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017070018.L00Im RIS seit
22.03.2019Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019