TE Vfgh Beschluss 1997/3/12 B273/97

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Veröffentlicht am 12.03.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem am 29. Jänner 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung nach §87 Abs3 VerfGG und stellt unter einem den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages bringt der Einschreiter im wesentlichen vor, er habe beim Verfassungsgerichtshof zur Zahl B2830/94 eine Beschwerde erhoben, deren Behandlung mit Beschluß vom 13. Dezember 1995 abgelehnt worden sei. Dieser Beschluß sei den rechtsfreundlichen Vertretern des Beschwerdeführers am 26. Jänner 1996 zugestellt worden. Zur gleichen Zeit sei für denselben Beschwerdeführer zur Zahl B3536/95 ein weiteres Beschwerdeverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesen, in dem der Gerichtshof die Behandlung der Beschwerde ebenfalls abgelehnt habe. In diesem zweiten Verfahren sei bereits gemeinsam mit der Beschwerde ein Abtretungsantrag für den Fall der Ablehnung oder Abweisung gestellt worden, was im Verfahren zu B2830/94 unterblieben sei. Ursprünglich seien beide Verfahren von verschiedenen Mitarbeitern der Kanzlei betreut worden; nachdem einer der beiden, Mag. E B, aus der Kanzlei ausgetreten sei, habe der andere Mitarbeiter, Mag. B W, dessen Akt übernommen. Durch einen Irrtum habe dieser den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes zu B2830/94 dem Handakt zu B3536/95 zugeordnet. In diesem Akt sei - freilich bezogen auf das Verfahren zu B3536/95 - vermerkt gewesen, daß ein Abtretungsantrag bereits gestellt worden sei; deshalb sei in der Folge im Verfahren zu B2830/94 kein gesonderter Abtretungsantrag mehr gestellt worden. Von diesem einen Versehen abgesehen hätten beide Mitarbeiter der Kanzlei die Bearbeitung der Akten stets zur vollsten Zufriedenheit der rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers erledigt. Daß die Frist zur Stellung des Abtretungsantrages im Verfahren zu B2830/94 versäumt worden sei, hätten sie erst am 23. Jänner 1997 im Zuge der routinemäßigen Aktenrevision festgestellt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde, und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Der glaubwürdige Umstand, daß ein (sonst zuverlässiger) Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei, der den Akt eines ausgetretenen Mitarbeiters weiter betreut, diesen Akt mit einem anderen Akt verwechselt, der denselben Beschwerdeführer und ein zur gleichen Zeit beim Verfassungsgerichtshof anhängiges Beschwerdeverfahren betrifft, in dem eine grundsätzlich gleiche Entscheidung getroffen wurde, stellt für den Rechtsanwalt ein unvorhergesehenes Ereignis dieses minderen Versehensgrades iSd §146 Abs1 ZPO dar, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben war.

III. Dieser Beschluß konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B273.1997

Dokumentnummer

JFT_10029688_97B00273_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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