TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/22 G309 2170988-1

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Veröffentlicht am 22.11.2018
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Entscheidungsdatum

22.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2170988-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen, in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 18.08.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 22.04.2017 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet. Dem Antrag war ein Konvolut an medizinischen Unterlagen angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Im von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 03.08.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF, im Wesentlichen zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ Morbus Crohn Pos. mit unterem RSW entsprechend den angegebenen wiederkehrenden Durchfallepisoden bei ausgeglichenem Ernährungszustand.

07.04.05

30

2

Gering bis mittelgradige, medikamentös gut eingestellte Depression Eine Stufe unter dem oberen Richtsatzwert, da auch stat. Therapiemaßnahmen durchgeführt wurden.

03.06.01

30

3

Linksbetonte Hochtoninnenohrschwerhörigkeit bds. Berücksichtigung der Kommunikationseinschränkung durch den Tinnitus mit zunehmenden Problemen bei Sprachverständnis. Tab.1.Z.2.; Tabellenübergangswert entsprechend der Bewertung des prozentualen Hörverlustes nach Rösner aus dem Verlauf der Tonschwellenaudiometrie mit 0 % rechts und 20 % links unter Berücksichtigung der Kommunikationseinschränkung durch den Tinnitus mit zunehmenden Problemen bei Sprachverständnis.

12.02.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

 

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende GS ist GS1 GS 2 hebt um eine Stufe an, weil sich die Defizite ungünstig beeinflussen. GS3 hebt wegen Geringfügigkeit nicht an.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

a) Die Großzehengrundgelenksarthrose rechts mit Schmerzen bei max. Überstreckung zeigte keine maßgebliche Funktionseinschränkung.

b) Überstreckbarkeit beider Kniegelenke bei freier Funktionsfähigkeit führt zu keiner maßgeblichen Funktionseinschränkung

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

GS1 wurde gleich eingeschätzt.

Die neue GS2 kommt neu hinzu und wurde mit 30vH eingeschätzt.

GS3 wurde aus dem Vorgutachten übernommen und wurde gleich eingeschätzt

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Die psychische Komponente wurde mit 30 vH bewertet, somit kam es zu einer Verschlechterung und einer Neubewertung des GdB auf 10 vH.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.08.2017 wurde ein Grad der Behinderung von 40 v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.

4. Innerhalb offener Frist erhob der BF mittels E-Mail vom 28.08.2017 (bei der belangten Behörde am 29.08.2017 eingelangt) Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde. Darin brachte der BF vor, dass es ihm aufgrund seiner Morbus Crohn Erkrankung nicht möglich sei ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, da es aufgrund seiner Schließmuskelschwäche zu unkontrollierbarem (flüssigem) Stuhlverlust komme. Die ohnehin eingeschränkte Psyche des BF habe sich nach langjähriger Mobbingsituation und der extremen Verschlechterung der Darmerkrankung und den Vorfällen in öffentlichen Verkehrsmitteln verschlechtert. Der BF befinde sich noch immer in psychosozialer Behandlung. Die mehrmals täglichen und nächtlichen Durchfälle mit erheblichen Schmerzen und der Tinnitus (beidseitig mit einer Hochtonsenkung von über 50%) zerren an den körperlichen und psychischen Kräften. Für die Anfahrt zu seiner Dienststelle sei der BF auf seinen PKW angewiesen, da er mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast eine Stunde zu seiner Arbeit unterwegs sei. Wenn der Tageszustand des BF es nicht zulasse, erledige seine Partnerin sämtliche Erledigungen und führe ihn auch mit dem PKW zur Arbeit. Dem BF sei es in der Kürze der Zeit einer solchen Untersuchung nicht möglich spontane Antworten zu geben und die Gesamtheit seiner Erkrankung wieder zu spiegeln, er ersuche höflichst um erneute Prüfung seines Ansuchens.

5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 19.09.2017 beim erkennenden Gericht ein.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Im eingeholten Gutachten vom 20.08.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 10.01.2018, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ Morbus Crohn (Unterer RSW entsprechend den angegebenen wiederkehrenden Durchfallepisoden bei ausgeglichenem Ernährungszustand und medikamentenösen ambulanten Therapiebedarf)

07.04.05

30

2

Anpassungsstörung mit längerandauernder depressiver Reaktion, dzt. in Remission (RSW eine Stufe über dem untersten Rahmensatz bei bedarfsmäßiger Schlafmedikation und derzeit stabilem Zustandsbild)

03.05.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

 

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die GS1 wird mit 30 vH eingestuft. Die GS2 wird mit 20 vH bewertet.

Der GdB wird um insgesamt eine Stufe angehobenen, da sich GS1 und GS2 wechselseitig beeinflussen.

Der GdB beträgt damit 40 vH.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Bleibt unverändert

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Tinnitus mit linksbetonter Hochtoninnenohrschwerhörigkeit bds (übernommen, keine Unterlagen im Akt vorliegend) wegen Geringfügigkeit

Großzehengrundgelenksarthrose rechts wegen Geringfügigkeit

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Die GS1 wird mit 30 vH eingeschätzt. Die GS2 wird mit 20 vH bewertet. Die entspricht einer Korrektur um 1 Stufe nach unten entsprechend dem vorliegendem Zustandsbild und der nicht ausreichenden Behandlung, die allerdings zumutbar ist.

Die GS3 wird wegen Geringfügigkeit nicht einbezogen.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 03.10.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland. Der BF leidet an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung Typ Morbus Crohn und einer Anpassungsstörung mit länger andauernder depressiver Reaktion.

Der Grad der Behinderung beträgt 40 von Hundert.

Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnortes des BF stützt sich auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 20.08.2018 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf im Rahmen persönlicher Untersuchung durch die Sachverständige sowie den auf Grund der vorgelegten medizinischen Beweismittel ausführlich erhobenen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte Sachverständigengutachten kommt im Hinblick auf die Einschätzung der Gesamtgrades der Behinderung des BF zu demselben Ergebnis wie das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten. Die Amtssachverständige begründet die geringere Einschätzung der Position 2 nachvollziehbar mit dem derzeit stabilen Zustand des BF und dem Umstand, dass der BF nicht alle - ihm zumutbaren - Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Die im Gutachten vom 03.08.2017 enthaltene Position 3 (Hochtoninnenohrschwerhörigkeit bds.) wurde von der Amtssachverständigen aufgrund der Geringfügigkeit nicht einbezogen. Demgegenüber gelang es dem BF mit seinem Beschwerdevorbringen nicht, dem Sachverständigengutachten substantiiert entgegenzutreten, zumal die von ihm geltend gemachten Umstände, ebenso wie die in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel, im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX Eingang gefunden haben und in die Einschätzung miteinbezogen wurden.

Das Vorbingen des BF in seiner Beschwerde vom 28.08.2017 bezieht sich im Wesentlichen auf die nicht verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und umfasst keine sachlichen Einwände gegen die Einschätzung bzw. die bescheidmäßige Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung durch die belangte Behörde. Die Beschwerde war nicht geeignet, das eingeholte und schlüssige Sachverständigengutachten substantiiert zu entkräften.

Es konnte ein Grad der Behinderung von 40 v.H. objektiviert werden.

Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Im vorliegenden Fall war wie folgt zu entscheiden:

Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung. Beim BF konnte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung und eine Anpassungsstörung mit länger andauernder depressiver Reaktion festgestellt werden. Es konnte demnach ein Grad der Behinderung von 40 v. H. festgestellt werden.

Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) von Hundert festgestellt wurde, waren die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2170988.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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