TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W109 2178875-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W109 2178875-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 19.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.11.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.10.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX

, geb. XXXX alias XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 08.10.2015 reiste der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 09.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und im Iran geboren, wo er auch die Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet habe. In Afghanistan sei er noch nie gewesen. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er sei kein gläubiger Moslem und wolle seine Religion wechseln. Das stehe im Iran unter Strafe. Seine beiden mitgereisten Brüder hätten denselben Grund.

Am 09.05.2017 legte der Beschwerdeführer einige Unterlagen vor.

Am 21.08.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er im Iran schiitischer Moslem gewesen und als Hazara nichts wert gewesen sei. Er sei aufgefordert worden, kämpfen zu gehen, wenn er als Schiit akzeptiert werden wolle. Schiiten und Sunniten seien Muslime und würden sich gegenseitig töten. Sein Leben sei im Iran in Gefahr gewesen, weil er seine Religion habe wechseln wollen. Er habe bemerkt, seine Religion sei nicht die richtige. Das Christentum habe er in Österreich kennengelernt. Von seiner Religion habe er nicht viel gewusst, außer Gewalt. In Afghanistan würden Hazara von Taliban und Daesh getötet und nachdem er auch noch Christ geworden sei, gelte er als Ungläubiger. Er sei getauft aber nicht konfirmiert und gehe sonntags in die evangelische Kirche.

Im Zuge der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer eine Schriftliche Stellungnahme vom 17.08.2017 ein, in der unter Berufung auf die UNHCR-Richtlinien ausgeführt wird, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat wegen seiner Religion asylrelevante Verfolgung drohe.

Am 29.08.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 21.08.2017 ausgehändigten Länderfeststellungen ein, in der unter Berufung auf die UNHCR-Richtlinien und andere Berichte ausgeführt wird, die Sicherheitslage in Afghanistan sei katastrophal und drohe dem Beschwerdeführer wegen des Abfalles vom Islam Verfolgung durch islamistische Terroristen und den afghanischen Staat. Auch habe der Beschwerdeführe sein ganzes Leben außerhalb Afghanistans verbracht, habe kein soziales Auffangnetz und würde als verwestlicht angesehen werden. Mit staatlichem Schutz sei nicht zu rechnen.

Am 19.10.2017 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde Urkunden vor.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.11.2017, zugestellt am 14.11.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs, 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Konversion des Beschwerdeführers sei nicht glaubhaft, es liege eine Scheinkonversion vor. Eine anderwärtige Verfolgungsgefahr etwa wegen Verwestlichung oder Volksgruppenzugehörigkeit bestehe nicht. Im Herkunftsstaat verfüge der Beschwerdeführer über familiären Rückhalt, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall in eine existenzbedrohende Notlage gerate würde, sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2017 richtet sich die am 25.11.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde. In dieser wird ausgeführt, die Konversion des Beschwerdeführers sei glaubhaft und drohe ihm daher Verfolgung aus religiösen Gründen. Die Sicherheitslage sei schlecht, wie sich aus den in der Beschwerde zitierten Länderberichten ergebe. Der Beschwerdeführer sei um seine Integration bemüht.

Am 19.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein im Akt namentlich genannter Zeuge und eine Dolmetscherin für die Sprache Farsi teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen aus, er könne nicht in sein Heimatland zurückkehren, weil er seine Religion gewechselt habe und im Fall einer Rückkehr von den Einheimischen getötet würde.

Mit Schreiben vom 25.10.2018 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des am 19.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Glaubenskurs der Evangelischen Kirche XXXX vom 15.10.2018

* Bestätigung der Caritas XXXX über die freiwillige Tätigkeit des Beschwerdeführers vom 12.10.2018

* Empfehlungsschreiben von XXXX vom 08.10.2018

* Bestätigung des ÖIF über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Werte- und Orientierungskurs vom 31.08.2018

* Zeitbestätigungen des ÖIF über die Teilnahme an Informationsveranstaltungen des ÖIF und Übersichtsplan über die für den Beschwerdeführer geplanten Integrationsmaßnahmen

* Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Kurs zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses des WiFi vom 15.06.2018

* Teilprüfungszeugnis des Beschwerdeführers über eine Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 20.06.2018

* Drei Fotos zum Leben des Beschwerdeführers in der Pfarrgemeinde

* Bestätigungsschreiben der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom 08.11.2017 über die regelmäßige Teilnahme des Beschwerdeführers am Filmkurs, am Bibelstudium und am Gottesdienst

* Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Kurs zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses des WiFi vom 02.10.2017

* Schreiben über die Mithilfe des Beschwerdeführers bei einer Veranstaltung des XXXX vom 09.10.2017

* Kursbesuchsbestätigungen der Wiener Volkshochschulen für Deutsch A1

* Taufschein der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom 02.08.2016

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zum christlichen Glauben Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist volljährig.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde im Iran geboren und hat dort acht Jahre die Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er war noch nie in Afghanistan.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus vier Brüdern, zwei Schwestern und seinen Eltern ist im Bundesgebiet aufhältig.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Im Iran gehörte der Beschwerdeführer der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an.

Seit Jänner 2016 nimmt der Beschwerdeführer in der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX an einem Farsi-sprachigen Glaubenkurs und Gesprächsgruppen und Bibelstunden teil. Er besucht regelmäßig am Sonntag die Messe.

Am 10.07.2016 wurde der Beschwerdeführer in der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX getauft.

Der Beschwerdeführer hat sich aus tiefer innerer Überzeugung vom Islam abgewendet und den inneren Entschluss gefasst, nach dem christlichen Glauben zu leben. Er ist zum Christentum konvertiert und bekennt sich auch offen zu diesem Entschluss.

Im Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer, weil er sich vom Islam abgewandt hat und seinen neuen Glauben lebt, Übergriffen durch Privatpersonen sowie der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand: 29.06.2018:

15. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nichtmuslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

15.2. Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Lebensumständen bis zur Einreise nach Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer volljährig ist, ist auszuführen, dass das Geburtsdatum mehrmals unterschiedlich protokolliert wurde. Mangels Verfahrensrelevanz des genauen Alters des Beschwerdeführers und weil sich die Volljährigkeit des Beschwerdeführers im Antragszeitpunkt aus allen aktenkundig in Europa protokollierten Geburtsdaten ( XXXX , XXXX und XXXX ) ergibt, unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Frage, wann genau der Beschwerdeführer geboren ist.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und Fotos sowie aus den Aussagen des Beschwerdeführers und des im Akt namentlich genannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.10.2018:

Der Beschwerdeführer machte insbesondere während seiner eigenen Befragung und der Einvernahme des Zeugen einen gespannten und emotional bewegten Eindruck, sodass das Bundesverwaltungsgericht von der Glaubwürdigkeit seines Glaubenswechsels ausgehen muss. Dieser Eindruck wurde auch von den nachvollziehbaren Schilderungen des Beschwerdeführers für die Gründe dafür, dass er zunächst den Glauben an den Islam verloren und dann zur christlichen Lehre gefunden hat, verstärkt. Für das Gericht überzeugend waren auch die Schilderungen des Beschwerdeführers, was für ihn selbst das Christentum und Jesus bedeuten würden, insbesondere mit Blick auf die bereits, nach Ansicht des Beschwerdeführers dazu im Kontrast stehende Bedeutung des Islam. Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer einen persönlich glaubwürdigen Eindruck zu vermitteln.

Die Ansicht der belangten Behörde - die im Übrigen an der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht teilgenommen und daher nicht über einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gewinnen konnte - der Beschwerdeführer habe kein ausreichendes Wissen über seinen neuen Glauben, teilt das Bundesverwaltungsgericht nicht, konnte dieser doch in der mündlichen Verhandlung Wissensfragen zu seinen neuen Glaubensinhalten beantworten, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass inhaltliches Wissen von der Glaubenslehre nicht einziger Indikator für eine vorliegende innere Überzeugung zum Glaubenswechsel sein kann. Es muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer sich nunmehr seit bereits zwei Jahren dem Bibelstudium widmet. Unter Berücksichtigung dieses Zeitraumes und seiner Sprachkenntnisse vermochte er sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde ein umfassendes Wissen zu präsentieren.

Zusätzlich zeigt sich der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers auch an seiner Teilnahme am Leben in seiner Pfarrgemeinde insbesondere durch Gottesdienstbesuche, Teilnahme am Glaubenskurs und Diskussionsgruppen, die einerseits durch die mit den Angaben des Beschwerdeführers im Wesentlichen übereinstimmenden Erzählungen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.10.2018 und den im Akt einliegenden Bestätigungen und Fotos dokumentiert ist.

Zur Glaubwürdigkeit des Zeugen ist auszuführen, dass dieser einen gewissenhaften und an der Wahrheitsfindung interessierten Eindruck machte. Er schilderte den Ablauf der Aufnahme des Beschwerdeführers Gemeindelebens nachvollziehbar und spricht insbesondere davon, die persönliche Überzeugung des Beschwerdeführers sei nach seinem Eindruck mittlerweile gewachsen. Es ist auch anzumerken, dass der Zeuge kein persönliches Interesse daran hat, dem Beschwerdeführer zu einem Aufenthaltstitel zu verhelfen, sodass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Zeuge wahrheitsgetreue Angaben gemacht hat und es war der Entschluss des Beschwerdeführers, aus innerer Überzeugung heraus nach der christlichen Lehre zu leben, festzustellen.

Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffen durch Privatpersonen sowie der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat ausgesetzt wäre, ergibt sich insbesondere aus den zur Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen.

Wegen Entscheidungsreife braucht auf das übrige Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht eingegangen zu werden.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat sind dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand 29.06.2018 entnommen. Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren, womit die länderkundlichen Informationen, die sie zur Verfügung stellt, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchlaufen. Die vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zeichnen bezüglich Konvertiten das gleiche Bild der Lage im Herkunftsstaat. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat daher auf die angeführten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ist für den Flüchtlingsbegriff der GFK entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

3.1. Zum Fluchtvorbringen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung wegen Apostasie

Nach § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie), nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet: "Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind."

Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung nunmehr begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen können. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0323).

Mit dem Vorbringen einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat wegen seiner Konversion, macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität der Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (zuletzt VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der staatlichen Strafverfolgung im Allgemeinen keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn zu erblicken. Unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn die strafrechtliche Verfolgung auf ein nationalen Normen zuwiderlaufendes Verhalten des Betroffenen im Einzelfall, das etwa auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht, abzielt und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Es kommt somit auf die angewendeten Rechtsvorschriften, die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an. (VwGH, 20.12.2016, Ra 2016/01/0126 mwN)

Fallbezogen ist auszuführen, dass sich aus den Feststellungen ergibt, dass der Beschwerdeführer einen inneren Entschluss zur Konversion zum Christentum glaubhaft machen konnte und dass ihm als früherer Moslem, der sich vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist, im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unter dem Einfluss der Scharia strafrechtliche Verfolgung durch die staatlichen Behörden bis hin zur Todesstrafe droht, der der Beschwerdeführer nur entgehen könnte, indem er sich nicht offen zu seinem Glauben bekennt oder seine Konversion widerruft. Damit ist nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Konnex zum GFK-Fluchtgrund der Religion gegeben. Nachdem die bloße Abwendung vom Islam bereits strafbewehrt ist, fehlt der drohenden Sanktion auch jede Verhältnismäßigkeit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ist auch zu entnehmen, dass im Herkunftsstaat nicht nur eine allgemein feindselige Stimmung gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Konvertiten vorherrscht, sondern dass es auch zu Übergriffen durch Privatpersonen und insbesondere islamistische regierungsfeindliche Kräfte wie etwa die Taliban oder Daesh kommt. Demnach droht dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat auch Verfolgung durch Privatpersonen im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Staatlicher Schutz ist bedingt durch die auch vom Staat selbst ausgehende Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer konnte damit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

Es sind keine Asylausschlussgründe gemäß § 6 AsylG hervorgekommen.

3.2. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Nachdem die Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer vom Staat selbst ausgeht bzw. der Staat vor privater Verfolgung aus diesem Grund keinen Schutz gewährt, ist das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer zu verneinen.

3.3. Zum übrigen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Zum weiteren Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, nämlich, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und aufgrund von Verwestlichung drohe, ist auszuführen, dass sich aufgrund der bereits bejahten Verfolgungsgefahr wegen der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum eine Auseinandersetzung mit weiteren möglichen Fluchtgründe erübrigt hat.

3.4. Zum auf den Iran bezogenen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit sich das fluchtkausale Vorbringen des Beschwerdeführers auch darauf bezieht, dass ihm auch im Iran Verfolgung wegen seiner Abwendung vom Islam bzw. seines Wunsches zum Glaubenswechsel drohe, ist ihm entgegen zu halten, dass § 3 Abs. 1 AsylG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit das Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

3.5. Zur Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs. 4 AsylG:

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 nach § 75 Abs. 24 AsylG auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt haben, nicht anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 08.10.2015 gestellt hat, ist § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 daher nicht anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - oben wiedergegebenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen; in vielen Punkten stehen Tatsachenfragen im Vordergrund.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Konversion, Nachfluchtgründe,
private Verfolgung, Religion, Schutzunfähigkeit, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W109.2178875.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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