TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/21 W109 2161172-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2018
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Entscheidungsdatum

21.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W109 2161172-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 19.09.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.11.2018 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben undXXXX,

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 12.04.2015 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 13.04.2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und in Kabul geboren, wo er auch die Schule besucht und als Taxifahrer gearbeitet habe. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er Christ und werde in seiner Heimat geächtet und als Ungläubiger bedroht.

Am 23.06.2015 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass seine Familie nach einem achtjährigen Aufenthalt im Iran und einer kurzen Rückkehr nach Afghanistan wegen der Sicherheitslage für zwei Jahre nach Pakistan gegangen sei. Dort habe der Vater einen deutschen Religionslehrer kennengelernt. Mit der Machtübernahme durch Karzai sei die Familie nach Afghanistan zurückgekehrt. Dort habe der Religionslehrer den Vater mit Angehörigen von Hilfsorganisationen bekannt gemacht und der Vater eine Hilfsorganisation gegründet. Diese hätte auch Kurse gegeben und auch der Beschwerdeführer habe mitgearbeitet. Nebenbei habe der Vater das Christentum verbreitet. Die Leute hätten erfahren, dass sie Christen seien und ihr Büro sei geschlossen worden. Der Beschwerdeführer habe nebenbei auch als Taxifahrer gearbeitet und auch ein eigenes Unternehmen gehabt. Dieses würde nun der Schwager betreiben. Seiner Firma sei auch ein Auto gestohlen worden, aber als Christ habe er sich nicht verteidigen können. Seine Schwester sei entführt worden, weil sie Christen gewesen seien. Wegen dieser Schande sei die Familie nach XXXX übersiedelt. Der Entführer habe die Schwester geheiratet und diese sich erst drei Jahre später bei der Mutter gemeldet. Auf die Kirche, in der sein Vater arbeite, sei ein Selbstmordattentat verübt worden. Der Beschwerdeführer sei nach islamischem Ritus verheiratet und habe dabei verheimlicht, dass er Christ sei. Seine Frau würde bei seinen Eltern in Afghanistan leben und sei auf dem Weg, Christin zu werden. Er gehöre dem christlichen Glauben protestantischer Richtung an und sei 2007 in Kabul getauft worden. Christ sei er geworden, weil sein Vater Christ sei und die ganze Familie dazu aufgefordert habe. In Österreich bete er morgens und habe auch mehrmals eine Kirche besucht, aber nicht herausfinden können, wann Messe sei. Wegen der Afghanen in seiner Unterkunft mache er das heimlich.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.09.2016, zugestellt am 05.10.2016, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Konversion des Beschwerdeführers sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer kenne weder die Grundsätze des Christentums, noch habe er darlegen können, wie er zu seiner Überzeugung gelangt sei. Er kenne auch den Unterschied zu seiner bisherigen Religion nicht.

3. Am 09.05.2017 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Beschwerde ein und stellte der der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Beschwerde wird ausgeführt, dem Beschwerdeführer drohe im Herkunftsstaat Verfolgung wegen seiner Konversion und der kirchlichen Tätigkeit des Vaters. Der Glaube des Beschwerdeführers habe sich in Österreich vertieft, er besuche regelmäßig die Kirche und einen Hausbibelkreis. Der Beschwerde waren diverse Unterlagen angeschlossen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2017 wurde dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers stattgegeben.

Am 06.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, eine im Akt namentlich genannte Zeugin und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er Christ geworden sei, aufrecht.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Bestätigung über die Gemeindemitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der XXXX Gemeinde XXXX vom 10.10.2018

* Bestätigung BH XXXX, dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht vom 29.06.2018

* Einstellungszusagen der Firma XXXX vom 10.05.2017 und vom 15.06.2018

* Austrittsbestätigung der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 02.08.2018

* ÖSD Zertifikat A1 vom 30.11.2017

* Bestätigung der BH XXXX, dass der Beschwerdeführer kein Verpflegungsgeld aus der Grundversorgung bezieht vom 27.11.2017

* Teilnahmebestätigung der XXXX für einen Bibelkurs vom 07.10.2017

* Bestätigung für die Mithilfe bei einer Bibelveranstaltung vom 24.09.2017

* Bestätigung der Taufe und Gemeindeaufnahme des Beschwerdeführers der XXXX Gemeinde XXXX vom 13.09.2017 samt "Zeugnis" des Beschwerdeführers und vom Beschwerdeführer unterzeichnetem Dokument über "Die Verbindlichkeit der Gemeindemitglieder" vom 02.09.2017

* Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs am 19.06.2017

* Diverse Deutschkursbestätigungen

* Bestätigung über die Tätigkeit des Beschwerdeführers als ehrenamtlicher Helfer bei XXXX vom 23.09.2016

* Empfehlungsschreiben des XXXX vom 04.02.2016

* Konvolut an Empfehlungsschreiben von Mitgliedern der XXXX Gemeinde XXXX von Februar 2016

* Diverse Zeitungsartikel

* Bestätigung von XXXX über die Mitarbeit des Vaters des Beschwerdeführers bei einer afghanischen christlichen Organisation und einen Anschlag auf deren Büro vom 02.02.2015

* Taufbestätigung der XXXX über die Gemeindemitgliedschaft und Taufe des Beschwerdeführers am XXXX in Pakistan

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX in Kabul geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er bekennt sich zum christlichen Glauben Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde in Kabul geboren und reiste wegen der schlechten Sicherheitslage im Kindesalter mit seiner Familie in den Iran aus. Nach acht Jahren im Iran kehrte die Familie kurzzeitig nach Afghanistan zurück und lebte dann zwei Jahre in Pakistan.

Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan einige Jahre die Schule.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, vier Brüdern und drei Schwestern, ist in Tadschikistan aufhältig. Zu ihnen besteht gelegentlicher Kontakt

Der Beschwerdeführer ist nach islamischem Ritus verheiratet. Seine "Frau" lebt bei deren Mutter in Kabul.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde als Moslem geboren und lebte im Herkunftsstaat sowie im Iran und Pakistan zunächst als Moslem. Erstmals mit dem Christentum in Kontakt kam der Beschwerdeführer in Pakistan und setzte diesen Kontakt nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat.

Den ersten Kontakt mit der XXXX Gemeinde XXXX hatte der Beschwerdeführer im August 2015. Seither besucht der Beschwerdeführer die Gottesdienste der XXXX GemeindeXXXX und nimmt regelmäßig am Farsi-sprachigen Bibelkreis und Veranstaltungen der Gemeinde teil.

DieXXXX Gemeinde XXXX hat den vom Beschwerdeführer behaupteten Taufakt anerkannt, betrachtet ihn als getauft und hat den Beschwerdeführer in die Gemeinde aufgenommen.

Der Beschwerdeführer hat sich aus tiefer innerer Überzeugung vom Islam abgewandt und den inneren Entschluss gefasst, nach dem christlichen Glauben zu leben. Er ist zum Christentum konvertiert und bekennt sich auch offen zu diesem Entschluss.

Im Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer, weil er sich vom Islam abgewandt hat und seinen neuen Glauben lebt, Übergriffen durch Privatpersonen sowie der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

Im Herkunftsstaat wäre es dem Beschwerdeführer nicht möglich, sich privaten Übergriffen oder staatlicher Strafverfolgung durch einen Umzug innerhalb des Herkunftsstaates zu entziehen.

1. 3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand: 29.06.2018:

15. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nichtmuslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

15.2. Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Lebensumständen bis zur Einreise nach Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Den Umzug seiner Familie nach Tadschikistan hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht plausibel erklärt. Zur "Frau" des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser durchgehend angegeben hat, im Herkunftsstaat geheiratet zu haben, weswegen das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer zumindest wie von ihm in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.06.2015 angegeben nach islamischem Ritus verheiratet ist. Das Bundesverwaltungsgericht betont jedoch, dass eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Ehe auch ordnungsgemäß registriert wurde und damit gültig ist, dezidiert mangels Verfahrensrelevanz dieser Frage nicht erfolgt ist, weswegen auch eine diesbezügliche Feststellung unterblieben ist.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und Fotos sowie aus den Aussagen des Beschwerdeführers und der im Akt namentlich genannten Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.11.2018:

Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.04.2015, als auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde gleichbleibend angegeben hat, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung drohe, weil er Christ geworden sei. Auch im weiteren Verfahren hielt der Beschwerdeführer dieses Vorbringen aufrecht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Moslem geboren wurde und zunächst als solcher gelebt hat, ergibt sich aus seinen eigenen durchgehenden diesbezüglichen Angaben.

Die Feststellung zum erstmaligen Kontakt des Beschwerdeführers mit dem Christentum im Herkunftsstaat ergibt sich aus seinen gleichbleibenden diesbezüglichen Angaben, wobei anzumerken ist, dass eine Feststellung dazu, ob der Prozess des Glaubenswechsels im Herkunftsstaat schon so weit fortgeschritten war, dass von einer inneren Überzeugung des Beschwerdeführers, nach der Lehre des christlichen Glaubens zu leben, bereits gesprochen werden könnte, unterbleibt. Für die Frage, ob dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung droht, kommt es - wie noch rechtlich auszuführen sein wird - weniger auf vergangene als auf künftige Ereignisse an. Nachdem der Beschwerdeführer seine innere Überzeugung nach der christlichen Lehre zu leben, wie sie in der XXXX Gemeinde XXXX gelebt wird, glaubhaft machen konnte, wie sogleich ausgeführt wird, ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Geschehnissen im Herkunftsstaat obsolet und erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit diesen.

Die Feststellung zur Anerkennung des vom Beschwerdeführer behaupteten Taufaktes sowie der Aufnahme des Beschwerdeführers in die Gemeinde ergibt sich insbesondere aus dem vorgelegten diesbezüglichen Bestätigungsschreiben vom 13.09.2017, dem auch das "Zeugnis" des Beschwerdeführers sowie die vom Beschwerdeführer am 02.09.2017 unterzeichneten "Verbindlichkeit der Gemeindemitglieder" beigefügt war, und der vorgelegten Mitgliedschaftsbestätigung vom 10.10.2018. Diese vorgelegten Dokumente fügen sich auch konsistent in das Bild, dass die Zeugin in der mündlichen Verhandlung von der Teilnahme des Beschwerdeführers am Gemeindeleben gezeichnet hat.

Zur Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt und den inneren Entschluss gefasst, nach dem christlichen Glauben zu leben, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer insbesondere während seiner eigenen Befragung aber auch während der Einvernahme der Zeugin einen gespannten und emotional bewegten Eindruck machte. Auch die Schilderungen des Beschwerdeführers von der Veränderung im Verhalten seines Vaters, wie er sie wahrgenommen haben will, nachdem dieser konvertiert sei, machten auf das Gericht einen überzeugenden Eindruck. Dass diese den Beschwerdeführer auch dahingehend haben könnten, selbst Interesse am Christentum zu entwickeln, erscheint lebensnah und plausibel. Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung regelrecht ergriffen und spontan dar, was für ihn selbst am Christentum besonders ist und arbeitete auch den Kontrast, den er selbst zwischen Islam und Christentum sieht, nachvollziehbar heraus. Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer somit einen persönlich glaubwürdigen Eindruck vermitteln. Anzumerken ist hierbei auch, dass der Beschwerdeführer die ihm gestellten Wissensfragen im Wesentlichen korrekt zu beantworten vermochte wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass inhaltliches Wissen über die Glaubenslehre nicht einziger Indikator für eine vorliegende innere Überzeugung zum Glaubenswechsel sein kann.

Demnach teilt das Bundesverwaltungsgericht die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend geäußerte Einschätzung, der Beschwerdeführer verfüge nicht über das notwendige Wissen, um eine Konversion glaubhaft zu machen, nicht, wobei hier der belangten Behörde zugute zu halten ist, dass ihre Einvernahme wenige Monate nach der Einreise des Beschwerdeführers erfolgt ist und sich dieser zwischenzeitig bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht intensiv dem Studium seine Glaubenslehre gewidmet hat.

Erkennbar ans Licht getreten ist die Konversion des Beschwerdeführers durch seine Teilnahme an den Gottesdiensten der XXXX GemeindeXXXX, am Bibelkreis und anderen Veranstaltungen der Gemeinde, weswegen festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer sich offen zu seinem neuen Glauben bekennt. Diese rege Teilnahme untermauert auch die festgestellte innere Überzeugung des Beschwerdeführers, nunmehr nach der Lehre des christlichen Glaubens zu leben.

Die Feststellung zur Teilnahme an den Gottesdiensten der XXXX Gemeinde XXXX, am Bibelkreis und anderen Veranstaltungen der Gemeinde ergibt sich unter anderem aus der glaubwürdigen Erzählung der Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass der Beschwerdeführer am Leben in der Gemeinde teilnimmt, wird insbesondere auch von den zahlreichen im Akt einliegenden Empfehlungsschreiben von Gemeindemitgliedern für den Beschwerdeführer dokumentiert, an deren Echtheit und Richtigkeit zu zweifeln das Bundesverwaltungsgericht in Zusammenschau mit den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Grund sieht. Hierzu ist auch anzumerken, dass die belangte Behörde eine Auseinandersetzung mit diesem bereits am 23.02.2016 ins behördliche Verfahren eingebrachten Beweismaterial im angefochtenen Bescheid 19.09.2016 vollkommen unterlassen und ihre Entscheidung nur aufgrund der niederschriftlichen Einvernahme vom 23.06.2015 erlassen hat. Selbst wenn die Beweiswürdigung der belangten Behörde nur unter Berücksichtigung der Einvernahme nachvollziehbar erscheinen mag, so hätte sie diese neuen Tatsachen berücksichtigen und weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Zur Glaubwürdigkeit der Zeugin ist auszuführen, dass diese einen gewissenhaften und an der Wahrheitsfindung interessierten Eindruck machte. Dem Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass die Zeugin in einem persönlichen Naheverhältnis zum Beschwerdeführer steht und diesen sichtlich ins Herz geschlossen hat. Das Bundesverwaltungsgericht kommt jedoch bedingt durch die Aussagen der Zeugin und dem Eindruck, den diese in der mündlichen Verhandlung machte, zu dem Schluss, dass dieses Naheverhältnis auch wesentlich auf der geteilten Glaubensüberzeugung basiert und durch gemeinsame religiöse Aktivitäten entstanden ist. Aus diesem Grund ist die von der Zeugin dem Gericht mitgeteilte eigenen Überzeugung, der Beschwerdeführer habe wirklich zum christlichen Glauben gefunden und versuche so zu leben, "wie es Gott gefalle", auch als besonders starker Indikator für die Glaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Entschlusses, aus innerer Überzeugung heraus nach der christlichen Lehre zu leben, zu werten.

Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffen durch Privatpersonen sowie der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat ausgesetzt wäre, ergibt sich insbesondere aus den zur Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich den ihm drohenden Übergriffen und der ihm drohenden Strafverfolgung im Herkunftsstaat nicht durch Umzug innerhalb des Herkunftsstaates entziehen könnte, ergibt sich ebenso aus den Länderfeststellungen.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat sind dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand 29.06.2018 entnommen. Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren, womit die länderkundlichen Informationen, die sie zur Verfügung stellt, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchlaufen. Die vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zeichnen bezüglich Konvertiten das gleiche Bild der Lage im Herkunftsstaat. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat daher auf die angeführten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ist für den Flüchtlingsbegriff der GFK entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

3.1. Zur Vorverfolgung im Herkunftsstaat:

Für die Asylgewährung kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Betroffene bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde ("Vorverfolgung"). Insbesondere reicht "Vorverfolgung" für sich genommen nicht aus, weil entscheidend ist, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (zuletzt VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).

Fallbezogen ist dazu auszuführen, dass aus dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch abgeleitet werden kann, dass eine Auseinandersetzung mit der "Vorverfolgung" im Herkunftsstaat überhaupt unterbleiben kann, sofern der Beschwerdeführer glaubhaft machen kann, dass seither Tatsachen entstanden sind, aufgrund derer er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat mit Verfolgungshandlungen rechnen muss. Nachdem der Beschwerdeführer glaubhaft machen konnte, dass er im Bundesgebiet den inneren Entschluss gefasst hat, nach der christlichen Glaubenslehre seiner nunmehrigen Gemeinde zu leben, was - wie sogleich noch rechtlich ausgeführt wird - als subjektiver Nachfluchtgrund zur Asylgewährung führt, kann mit Blick auf die oben zitierte Judikatur eine Auseinandersetzung mit der "Vorverfolgung" im Herkunftsstaat unterbleiben. Folglich konnte auch die beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail mit den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers unterbleiben.

3.2. Zum Fluchtvorbringen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung wegen Apostasie:

Nach § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie), nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet: "Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind."

Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung nunmehr begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen können. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0323).

Bedingt dadurch, dass der Beschwerdeführer im Verfahren seinen im Bundesgebiet gefassten inneren Entschluss, nach der christlichen Lehre seiner Gemeinde zu leben, glaubhaft machen konnte, macht er mit seinem Vorbringen einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat wegen seiner Konversion einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität der Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (zuletzt VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).

Dabei stellt der Verwaltungsgerichtshof bei einer Konversion zum Christentum nicht darauf ab, ob der Religionswechsel bereit - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist nur, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität der Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076 mwN).

Fallgegenständlich ergibt sich aus dieser Judikatur, dass für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr dem Taufakt keine Relevanz zukommt. Ob der Beschwerdeführer getauft ist und wo er getauft wurde, kann damit dahingestellt bleiben. Wie beweiswürdigend ausgeführt und festgestellt konnte er allerdings den nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen inneren Entschluss glaubhaft machen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der staatlichen Strafverfolgung im Allgemeinen keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn zu erblicken. Unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn die strafrechtliche Verfolgung auf ein nationalen Normen zuwiderlaufendes Verhalten des Betroffenen im Einzelfall, das etwa auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht, abzielt und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Es kommt somit auf die angewendeten Rechtsvorschriften, die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an. (VwGH, 20.12.2016, Ra 2016/01/0126 mwN)

Fallbezogen ist auszuführen, dass sich aus den Feststellungen ergibt, dass der Beschwerdeführer einen inneren Entschluss zur Konversion zum Christentum glaubhaft machen konnte und dass ihm als früherer Moslem, der sich vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist, im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unter dem Einfluss der Scharia strafrechtliche Verfolgung durch die staatlichen Behörden bis hin zur Todesstrafe droht, der der Beschwerdeführer nur entgehen könnte, indem er sich nicht offen zu seinem Glauben bekennt oder seine Konversion widerruft. Damit ist nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Konnex zum GFK-Fluchtgrund der Religion gegeben. Nachdem die bloße Abwendung vom Islam bereits strafbewehrt ist, fehlt der drohenden Sanktion auch jede Verhältnismäßigkeit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ist auch zu entnehmen, dass im Herkunftsstaat nicht nur eine allgemein feindselige Stimmung gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Konvertiten vorherrscht, sondern dass es auch zu Übergriffen durch Privatpersonen und insbesondere islamistische regierungsfeindliche Kräfte wie etwa die Taliban oder Daesh kommt. Demnach droht dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat auch Verfolgung durch Privatpersonen im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Staatlicher Schutz ist bedingt durch die auch vom Staat selbst ausgehende Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer konnte damit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

Es sind keine Asylausschlussgründe gemäß § 6 AsylG hervorgekommen.

3.3. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Nachdem die Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer vom Staat selbst ausgeht bzw. der Staat vor privater Verfolgung aus diesem Grund keinen Schutz gewährt, ist das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer zu verneinen.

3.4. Zur Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs. 4 AsylG:

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 nach § 75 Abs. 24 AsylG auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt haben, nicht anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 12.04.2015 gestellt hat, ist § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 daher nicht anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Dass eine Konversion als subjektiver Nachfluchtgrund zur Asylgewährung führe kann, ergibt sich klar aus der unter A) zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Ob ein Glaubenswechsel tatsächlich vollzogen wurde und dessen mögliche Folgen für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat sind dagegen auf Tatsachenebene zu beurteilen.

Schlagworte

Apostasie, asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes
Staatsgebiet, Konversion, Nachfluchtgründe, Religion,
Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W109.2161172.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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