TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/4 W162 1434955-2

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Veröffentlicht am 04.01.2019
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Entscheidungsdatum

04.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W162 1434955-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt VII. des

angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21.08.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen mit sunnitisch-islamischem Glauben sei. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er Afghanistan aufgrund eines Grundstücksstreits verlassen habe.

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2013 in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Zi. 13 AsylG idgF, sowie gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Zi. 13 AsylG idgF auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde gem. § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

3. Nach rechtzeitig eingebrachter Beschwerde wurde der Bescheid durch das Bundesverwaltungsgericht am 15.05.2014 behoben und zurückverwiesen (W191 1434955-1/8E).

4. Am 13.04.2018 und am 16.10.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschto niederschriftlich einvernommen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 19.11.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.08.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), und dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.

Im Zuge der Darstellung des Verfahrensganges wurden mehrere strafrechtliche Verurteilungen aufgrund diverser Delikte (Drogenmissbrauch und gefährliche Drohung) angeführt.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage von Identitätsdokumenten nicht feststehe. Es würden zahlreiche strafrechtliche Verurteilungen in Österreich vorliegen.

Der Beschwerdeführer habe keine gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe glaubhaft gemacht bzw. behauptet. Auch sonst seien im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz hindeuten würden. Es sei durchaus möglich, dass sich der Beschwerdeführer in Großstädten in Afghanistan ansiedle. Der Beschwerdeführer wäre im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keiner Gefährdungssituation ausgesetzt. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er würde daher nicht in eine ausweglose Situation geraten.

Der Beschwerdeführer halte sich seit August 2012 in Österreich auf und sei bereits wiederholt straffällig geworden. Wenngleich er eine Freundin im Bundesgebiet habe, die bei ihrer Mutter lebe, und angekündigt hätte, sie heiraten zu wollen, habe er dies bis dato nicht realisiert und sei er diese Beziehung im Wissen des laufenden Asylverfahrens eingegangen. Der Beschwerdeführer habe keine Familienangehörigen in Österreich, lebe in keiner familienähnlichen Lebensgemeinschaft und es sei ihm zumutbar, sich bei seinen Familienangehörigen im Herkunftsland niederzulassen. Er gehe keiner Arbeit nach und sei kein Mitglied eines Vereins. Er sei mehrfach straffällig geworden, zu insgesamt 27 Monaten verurteilt worden; es wurde ein Einreiseverbot für 10 Jahre erlassen.

Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchpunkt VII.) sowie die Verhängung eines zehnjährigen Einreiseverbots (Spruchpunkt VIII.) wurden im Bescheid mit den rechtskräftigen Verurteilungen und einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet.

6. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der u.a. angeregt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Verwiesen wurde zudem auf ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und mangelhafte Länderberichte, weiters wurden die zeugenschaftliche Einvernahme der Freundin des Beschwerdeführers sowie von deren Mutter beantragt.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und ihm den Status eines Asylberechtigten zuerkennen. In eventu wurde beantragt, den Bescheid aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen, in eventu dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären und eine Aufenthaltsberechtigung erteilen. Weiters wurde beantragt, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu dessen Dauer erheblich zu verkürzen.

7. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 02.01.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang.

Auf Grundlage der Niederschriften über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde, des Beschwerdevorbringens, der Länderberichte zur Lage in Afghanistan sowie anhand des sonstigen Akteninhalts werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu, er spricht auch Urdu und Dari.

Der Beschwerdeführer stellte am 21.08.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v vom 22.03.2013 RK 26.03.2013

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 05.03.2013

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.WIEN 152 HV 63/2013v vom 07.05.2013

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i vom 04.03.2014

02) LG F.STRAFS.WIEN 152 HV 63/2013v vom 07.05.2013 RK 10.05.2013

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 23.04.2013

Freiheitsstrafe 5 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 23.09.2013

03) LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i vom 04.03.2014 RK 04.03.2014

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 20.02.2014

Freiheitsstrafe 7 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 20.09.2014

04) LG WR.NEUSTADT 046 HV 23/2014a vom 28.04.2014 RK 28.04.2014

§ 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 31.01.2014

Freiheitsstrafe 1 Monat

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG WR.NEUSTADT 049

HV 9/2014i RK 04.03.2014

Jugendstraftat

zu LG WR.NEUSTADT 046 HV 23/2014a RK 28.04.2014

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

zu LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i RK 04.03.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 03.11.2014, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG WR.NEUSTADT 044 BE 227/2014g vom 27.10.2014

zu LG WR.NEUSTADT 046 HV 23/2014a RK 28.04.2014

zu LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i RK 04.03.2014

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen

LG F.STRAFS.WIEN 185 BE 318/2014h vom 21.11.2014

zu LG WR.NEUSTADT 046 HV 23/2014a RK 28.04.2014

zu LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i RK 04.03.2014

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG F.STRAFS.WIEN 185 BE 318/2014h vom 25.09.2015

zu LG WR.NEUSTADT 046 HV 23/2014a RK 28.04.2014

zu LG WR.NEUSTADT 049 HV 9/2014i RK 04.03.2014

zu LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 32/2013v RK 26.03.2013

Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.WIEN 154 HV 60/2017y vom 22.09.2017

05) LG F.STRAFS.WIEN 152 HV 178/2014g vom 17.12.2014 RK 22.12.2014

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 19.11.2014

Freiheitsstrafe 9 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 19.08.2015

06) LG F.STRAFS.WIEN 154 HV 60/2017y vom 22.09.2017 RK 26.09.2017

§ 27 (2a) 2. Fall SMG § 15 StGB

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 22.09.2017

Freiheitsstrafe 5 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Im Hinblick auf die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan ist festzuhalten, dass die Sicherheitslage (auch) in den urbanen Gebieten nach wie vor angespannt ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie Muttersprache des Beschwerdeführers stützen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Asylverfahrens.

Das Datum der Asylantragstellung basiert auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die Feststellung zur rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Berichtsmaterial, insbesondere aus den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation und den aktuellen UNHCR-Richtlinien.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 18 BFA-VG lautet wie folgt:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof hierzu fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24.06.2015, Ra 2015/21/0054, im Zusammenhang mit einem bei ihm eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung festgehalten, dass eine Rückkehrentscheidung im Falle der Anhaltung in Strafhaft gemäß § 59 Abs. 4 FPG nicht durchsetzbar sei. Auch ein Einreiseverbot entfalte demnach erst mit der Ausreise des Fremden und des dadurch ausgelösten Beginns der Frist des Einreiseverbotes Wirksamkeit (§ 53 Abs. 4 FPG).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

Die Behörde erblickt in Zusammenschau der in Spruchpunkt VII. zitierten Rechtsgrundlage (§ 18 Abs. 1 Z 2 BVA-VG) und der dem Beschwerdeführer zugeordneten strafrechtlichen Verfehlungen im Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erblickt. Eine Darlegung, ob und inwieweit schwerwiegende Gründe iSd § 18 Abs. 1 Z 2 BVA-VG diese Annahme tatsächlich rechtfertigen, lässt der angefochtene Bescheid jedoch ebenso vermissen wie eine einzelfallbezogene Interessenabwägung.

Eine abschließende Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, ob der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 2 BVA-VG im vorliegenden Fall erfüllt ist und insoweit eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Bestimmung grundsätzlich zu tragen vermag, erübrigt sich jedoch aus folgenden Erwägungen:

Die Beschwerdeausführungen zeigen im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorderhand die reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2, 3 EMRK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers anhand des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan nach allfälliger Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

In Zusammenschau der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vulnerabilität und der von ihm geltend gemachten Gefahren im Falle einer Rückkehr mit der aktuellen Berichtslage kann eine Verletzung des Beschwerdeführers in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Angesichts des im Rahmen eines (binnen einer Woche abzuschließenden) Verfahrens nach § 18 BFA-VG eingeschränkten Prüfungsmaßstabes und des Vorbringens des Beschwerdeführers ist aus vorläufiger Sicht - unvorgreiflich des Ergebnisses der vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - nicht auszuschließen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.

Sohin ist der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen mittels des vorliegenden Teilerkenntnisses ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Angesichts dieses Ergebnisses erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 19.06.2018, C-181716, Gnandi gg. Belgien, grundsätzlich Bestand haben könnte.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die unter Pkt. II.3.2. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal angesichts des vorliegenden Verfahrensergebnisses nicht mehr entscheidungserheblich war, ob die verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 19.06.2018, C-181716, Gnandi gg. Belgien, grundsätzlich Bestand haben könnte. Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 24.02.2015, Ro 2014/05/0097).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W162.1434955.2.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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