TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/8 W151 2176132-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.01.2019
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Entscheidungsdatum

08.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2176193-1/7E

W151 2176199-1/7E

W151 2176132-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Asyl in Not, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 03.10.2017, Zl. XXXX wegen § 3 AsylG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geb. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (AsylG) der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Asyl in Not, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 03.10.2017, Zl. XXXX wegen § 3 AsylG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geb. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (AsylG) der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Asyl in Not, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 03.10.2017, Zl. XXXX wegen § 3 AsylG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird abgewiesen

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. XXXX (in Folge: BF 1), XXXX (in Folge: BF 2) und XXXX (in Folge: BF 3), zwei volljährige Schwestern und ein minderjähriger Bruder, stellten nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.02.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab bezüglich BF 1 und BF 2 jeweils einen Treffer im Zusammenhang mit ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung nach illegaler Einreise in Griechenland am 19.01.2016. Eine EURODAC-Abfrage zur Person des minderjährigen BF 3 ergab keinen Treffer.

2. Im Rahmen der durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten Erstbefragungen am 09.02.2016 gaben BF 1 und BF 2 zu ihrem Reiseweg im Wesentlichen übereinstimmend an, dass sie ihren Wohnort im Iran illegal und schlepperunterstützt in Richtung Türkei verlassen hätten. Von dort hätten sie ihre Reise nach Griechenland fortgesetzt und seien sie in der Folge über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer beschrieb die Reiseroute bis nach Griechenland, die er in Übereinstimmung mit seinen Schwestern anführte.

3. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 05.04.2016 Aufnahmegesuche an Kroatien.

Mit Schreiben vom 16.06.2016 teilte das BFA der kroatischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung der Aufnahmegesuche gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO die Zuständigkeit von Kroatien zur Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren eingetreten sei.

4. Mit Telefax vom 22.08.2016 wurde ein die Zweitbeschwerdeführerin betreffendes Schreiben einer Psychotherapeutin vom 19.08.2016 mit den Diagnosen "F 43.1 Posttraumatische Belastungsstörung; F 43.21 längere depressive Reaktion" vorgelegt. Darin wird berichtet, dass die Beschwerdeführer noch während der Flucht gestoppt und in weiterer Folge mit Gewehren geschlagen sowie sexuell misshandelt worden seien.

5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom XXXX , wurde der BF 1 die Obsorge hinsichtlich des minderjährigen BF 3 zur Gänze übertragen.

6. In weiterer Folge wurden die BF 1 und BF 2 am 06.10.2016 niederschriftlichen Einvernahmen durch das BFA, die im Beisein einer Rechtsberaterin nach durchgeführter Rechtsberatung und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari stattfanden, unterzogen.

Dabei gab die BF 1 zu Protokoll, dass sowohl sie als auch ihr Bruder (BF 3), für den ihre Angaben als Obsorgeberechtigte gelten würden, an psychischen Problemen litten. In Bezug auf den Gesundheitszustand des BF 3 wurde ein Schreiben des NÖ Hilfswerks vom 19.09.2016 beigelegt, demzufolge der BF 3 von sexualisierter Gewalt an seinen Schwestern und ihm widerfahrenen Schlägen durch bewaffnete Männer im Iran berichtet habe. Es wurde eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung beim BF 3 diagnostiziert. Eine Abschiebung nach Kroatien sei mit großer Sicherheit als "retraumatisierend" einzustufen.

Zu Kroatien führte die BF 1 an, dass eine Polizistin ihren Bruder von ihr sowie ihrer Schwester getrennt habe und sie ihn erst eine Stunde später in einem anderen Bus gefunden habe.

Die BF 2 gab zu Protokoll, sie sei wegen ihrer Erlebnisse im Iran psychisch angeschlagen und wolle nicht nach Kroatien zurück, da sie dort keinen Asylantrag gestellt habe. Sie sei dort nicht richtig behandelt worden und habe sie dies an die schlechten Vorfälle im Iran erinnert.

7. Mit Bescheiden vom 16.10.2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.) und zugleich die Außerlandesbringung angeordnet.

8. Gegen diese Bescheide richten sich die im Wege der nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachten Beschwerden, die mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurden.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2016, GZ. W243 2138800-1/4Z, W243 2138798-1/4Z und W243 2138794-1/3Z, wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017, GZ. W243 2138800-1/7E, W243 2138798-1/7E und W243 2138794-1/6E, wurde den Beschwerden gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.

12. Am 04.07.2017 wurden BF 1 und BF 2 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gaben sie im Wesentlichen übereinstimmend an, dass sie in Afghanistan als Frau keine Rechte gehabt haben und sich auch nicht kleiden konnten, wie sie wollten. Weitere Fluchtgründe wurden nicht geltend gemacht. Der BF 3 mache keine eigenen Fluchtgründe geltend.

13. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 IVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.10.2018 erteilt.

Betreffend BF 1 und BF 2 wurde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass den vorgebrachten Angaben der Beschwerdeführer über den Iran Glauben geschenkt werde, die Beschwerdeführer jedoch kein konkretes Vorbringen geltend gemacht haben, wonach zu erkennen wäre, dass sie aufgrund der Eigenschaft als Frau einer gezielten Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wären. Eine westliche Orientierung der Beschwerdeführer lasse sich aus den Umständen nicht ableiten. Eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Afghanistan erscheine jedoch als unzumutbar, da die Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein würden.

Betreffend BF 3 wurde ausgeführt, dass seine gesetzliche Vertretung für diesen keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe. Da seinen Familienangehörigen der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde, käme dies auch für den BF 3 nicht in Betracht. Gemäß § 34 Abs. 3 AsylG sei jedoch auch dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

14. Mit fristgerecht eingebrachten Beschwerden bekämpften die Beschwerdeführer Spruchpunkt I. der gegenständlichen Bescheide. Dabei wurde begründend ausgeführt, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie aufgrund ihrer westlichen Gesinnung bzw. ihres westlichen Lebenstils in Afghanistan einer GFK-relevanten Verfolgung ausgesetzt seien. Die belangte Behörde habe hierzu keine hinreichenden Ermittlungen angestellt und die Beschwerdeführer nur oberflächlich befragt. Es liege somit eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (westlich Orientierte) vor und hätte die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen.

15. Am 10.11.2017 wurden die Beschwerden sowie der Bezughabende Verwaltungsakt dem dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

16. Aufgrund von Unzuständigkeit wurden die Beschwerden am 22.11.2017 der nunmehr zuständigen Abteilung vorgelegt.

17. Am 16.11.2018 wurde eine öffentlich mündliche Verhandlung vor dem BVwG durchgeführt. Die BF wurden dabei zu ihren Fluchtgründen und ihren Lebensumständen in Österreich befragt.

Die BF 1 gab an, ihr Vater habe sie im Iran bereits zwangsverlobt und würde sie aufgrund ihres westlichen Lebenstils nun als Schande betrachten. In Österreich trage sie westliche Kleidung, sie verwalte ihr Geld und das ihres Bruders und treffe ihre eigenen Entscheidungen.

Die BF 2 brachte vor, im Iran schon allein deshalb, weil sie ein Mädchen war, als Schande betrachtet worden zu sein. Sie sei von ihrem Vater geschlagen worden, wenn sie eigene Entscheidungen treffen wollte. In Österreich wolle sie Kinderbetreuerin werden. Sie könne hier ihre eigenen Entscheidungen treffen. In ihrer Freizeit treffe sie Freunde und treibe Sport.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Verfahren zu XXXX , XXXX und XXXX wurden aufgrund inhaltlichen Zusammenhangs verbunden. Es war jedoch kein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG zu führen, da das Verhältnis zwischen BF1 und BF 2 (Schwestern) sowie BF 3 (Bruder) nicht vom Begriff der Familienangehörigen iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 umfasst ist.

Das zwischen BF 1 und BF 3 durch Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX begründete Obsorgeverhältnis stellt kein Familienverhältnis iSd. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 dar, da dieses nicht bereits vor der Einreise bestanden hat.

1.1. Zur Person des BF1:

Die BF 1 führt den Namen XXXX . Sie ist afghanische Staatsangehörige, am XXXX in der Provinz Ghazni, XXXX geboren und ist im Alter von 4-5 Jahren in den Iran gegangen. Sie ist ledig und war es auch zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Iran.

Die BF 1 ist Angehörige der Volksgruppe Hazara und bekennt sich zum shiitisch-muslimischen Glauben. Sie spricht Dari/Farsi als Muttersprache.

Sie hat 12 Jahre die Schule im Iran besucht. Sie kann lesen und schreiben in ihrer Muttersprache (Farsi) und in Englisch, Deutsch und Spanisch.

Sie ist mit der BF 2 und dem BF 3 gemeinsam aus dem Iran geflüchtet sowie mit einer anderen Schwester XXXX und deren Ehemann. Sie ist illegal nach Österreich eingereist und stellte am 09.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Sie ist aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX Obsorgeberechtigte hinsichtlich des BF 3.

Ihre weitere Familie (Eltern und ein jüngerer Bruder) lebt weiterhin im Iran. Die BF 1 hat weiterhin ca. alle ein bis zwei Monate Kontakt zu dem jüngeren Bruder und ihrer Mutter. Zu ihrem Vater hat sie keinen Kontakt.

Die BF 1 hat einen Werte- und Orientierungskurs und einen Erste-Hilfe-Grundkurs des Österreichsichen Jugendrotkreuzes absolviert. Sie legte Bestätigungen über die Teilnahme im Verein "eingefädelt - Zusammenleben in Vielfalt" und die Absolvierung eines Schwimmkurses vor. Sie besuchte das Gymnasium XXXX und legte eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2017/18 sowie Empfehlungsschreiben der Klassenvorständin am Bundesgymnasium XXXX und ein weiteres Empfehlungsschreiben vor.

Die BF 1 Ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Sie leidet an keinen Krankheiten, ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zur Person der BF 2:

Die BF 2 führt den Namen XXXX . Sie ist afghanische Staatsangehörige und am XXXX im Iran geboren. Sie gehört der Volksgruppe der Hazara an, bekennt sich zum shiitisch-muslimischen Glauben. Die BF 2 ist die Schwester der BF 1. Sie ist ledig und war es auch zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Iran. Sie spricht Dari/Farsi als Muttersprache.

Sie hat 8 Jahre die Schule im Iran besucht. Sie kann lesen und schreiben in ihrer Muttersprache und in Englisch und Deutsch.

Sie ist mit der BF 1 und dem BF 3 gemeinsam aus dem Iran geflüchtet sowie mit einer anderen Schwester SHARIFI Habiba und deren Ehemann. Sie ist illegal nach Österreich eingereist und stellte am 09.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Ihre weitere Familie (Eltern und ein jüngerer Bruder) lebt weiterhin im Iran. Die BF 2 hat nur über den BF 3 Kontakt zu ihnen.

Die BF 1 hat einen Werte- und Orientierungskurs und einen Erste-Hilfe-Grundkurs des Österreichsichen Jugendrotkreuzes absolviert. Sie legte Bestätigungen über die Teilnahme im Verein "eingefädelt - Zusammenleben in Vielfalt" und die Absolvierung eines Schwimmkurses vor. Sie besucht die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe Fohnsdorf und legte hierzu diverse Bestätigungen sowie ein Referenzschreiben der Klassenvorständin vor.

Die BF 2 Ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Die BF 2 nahm früher Medikamente gegen Schlafstörungen, ist jedoch derzeit gesund und arbeitsfähig.

1.3. Zur Person der BF 3:

Der BF 3 führt den Namen XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und am XXXX im Iran geboren, somit minderjährig. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum shiitisch-muslimischen Glauben. Der BF 3 ist der Bruder der BF 1 und der BF 2. Er ist ledig und war es auch zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Iran. Er spricht Dari/Farsi als Muttersprache. Die BF 1 ist für den BF 3 obsorgeberechtigt.

Er ist mit der BF 1 und der BF 2 gemeinsam aus dem Iran geflüchtet sowie mit einer anderen Schwester XXXX und deren Ehemann. Er ist illegal nach Österreich eingereist und stellte am 09.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF 3 hat 5 Jahre eine illegale afghanische Schule im Iran besucht und hat dort lesen und schreiben gelernt. Er spricht Deutsch.

Die BF 1 Ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Sie leidet an keinen Krankheiten, ist gesund.

Der BF 3 hat die Neue Mittelschule XXXX besucht und legte hierfür Schulbesuchsbestätigungen aus den Jahren 2016/17 und 2017/18 vor. Seit September 2018 besucht er die Polytechnische Schule XXXX . Er legte ein Empfehlungsschreiben des Klassenvorstandes an dieser Schule vor. Er hat österreichische, kroatische und irakische Freunde.

1.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die BF 1 und die BF 2 verließen Afghanistan, da sie dort einer diskriminierenden, nicht selbstbestimmten und somit asylrelevanten Lebensweise ausgesetzt war. Sie konnten sich in Afghanistan nicht frei bewegen. Sie lebten in einer gänzlich patriarchalischen Gesellschaft, waren nicht frei und konnte keine eigenen Entscheidungen treffen. Sie mussten sich den Wünschen des Vaters, etwa betreffend Zwangsverheiratungen unterordnen. Die BF 1 ist bereits im Iran von ihrem Vater zwangsweise verlobt worden. Die Verlobung wurde in der Folge von dem Verlobten aufgelöst, wofür der BF 1 von ihrer Familie und Verwandtschaft die Schuld gegeben wurde. Sie leben in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition, lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Ein selbstbestimmtes Leben ist in Afghanistan für sie nicht möglich.

Die BF 1 besuchte in Österreich einen Deutschkurs und geht jetzt zur Schule. Sie beabsichtigt, in Österreich nach Abschluss der Matura Wirtschaft zu studieren und die finanzielle Leitung eines Unternehmens zu übernehmen. Sie trifft ihre Entscheidungen selbstständig und hat auch dann das letzte Wort, wenn ihr Bruder nicht ihrer Meinung ist. Sie hat ein eigenes Bankkonto und verwaltet das Geld auch für ihren Bruder. Einkäufe erledigt sie alleine oder mit ihrer Schwester oder dem Bruder. Sie lehnt arrangierte Ehen ab und wird selbst darüber entscheiden, wenn sie heiraten will. Falls sie Kinder hätte, würde sie diese ebenfalls selbst bezüglich einer Ehe entscheiden lassen. Sie trifft sich in Österreich auch alleine mit Männern, jedoch nur mit Österreichern, da sie aus ihrer Sicht von iranischen und afghanischen Männern als Objekt betrachtet wird. In ihrer Freizeit lernt sie für die Schule und trifft sich mit Freunden. Sie hat auch einen Schwimmkurs belegt, wo sie Badeanzüge und Bikinis, jedoch keinen Burkini getragen hat. In der Verhandlung war die BF 1 westlich gekleidet und hatte ein selbstsicheres Auftreten (Kleidung, etc.). Die BF 1 hat den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen, da sich dieser an ihrem westlichen Lebensstil störe und sie als Schande für die Familie und die Verwandtschaft betrachte.

Die BF 2 besucht in Österreich eine Fachschule und möchte in Zukunft als Kinderbetreuerin arbeiten und eine diesbezügliche Ausbildung machen. Wenn sie heiraten will, wird sie darüber selbst entscheiden, wen sie heiraten möchte. Auch ihren Kindern oder ihrem Neffen würde sie die Entscheidung selbst überlassen. Sie trifft auch sonst ihre Entscheidungen ohne Einfluss ihres Bruders oder Schwagers selbst. Sie hat ein eigenes Bankkonto. In ihrer Freizeit trifft sie Freunde und betreibt manchmal Sport. Die BF 2 belegte einen Schneiderei- und einen Schwimmkurs. Ihre Freizeitaktivitäten macht sie meistens alleine, Einkäufe gemeinsam mit ihrer Schwester. Sie ist auch schon alleine mit Burschen weggegangen ohne eine Zustimmung einzuholen. In der Verhandlung war die BF 1 westlich gekleidet und hatte ein selbstsicheres Auftreten (Kleidung, etc.) und führt ein selbstbestimmtes Leben.

Die persönliche Haltung der BF 1 und der BF 2 über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft stehen somit im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen, wie auch BF 1 und BF 2, dort unterworfen sind.

BF 1 und BF 2 sind in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und es droht ihnen im Zusammenhang damit im Fall ihrer Rückkehr Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen.

Der BF 3 war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates dargetan. Dem BF 3 droht in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.

Der BF 3 war nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara einer Verfolgung ausgesetzt.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:

a) nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Wien vom 29.06.2018 (Gesamtaktualisierung), inkl. Aktualisierung (eingefügte Kurzinformation) vom 23.11.2018 - (auszugsweise werden nur die für die Beschwerdeführer relevanten Stellen angeführt)

b) Zu den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 30. August 2018 sowie den dazugehörigen Begleitbrief:

• Abrufbar unter: http://www.refworld.org

c) EASO Juni 2018

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-KunduzAutobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

Quellen:

AB - Al Bawaba (15.8.2018): Dozens of Afghan Soldiers Killed in Ghazni Clashes With Taliban,

https://www.albawaba.com/news/dozens-afghan-soldiers-killed-ghazni-clashes-taliban-1174140, Zugriff 21.8.2018

AJ - Al Jazeera (15.8.2018): Afghanistan: Dozens of security forces killed in Taliban attack, https:// www.aljazeera.com/news/2018/08/afghanistan-dozens-security-forces-killed-taliban-attack180815065025633.html, Zugriff 21.8.2018

AJ - Al Jazeera (23.7.2018): Several dead in Kabul suicide blast as exiled VP Dostum returns,

https://www.aljazeera.com/news/2018/07/blast-heard-kabul-airport-exiled-vp-dostrum-returns180722123819595.html, Zugriff 20.8.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (14.8.2018): Afghanistan:

talebani conquistano base militare a nord, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120morti_43fcec43-30d1-433b-abe3-4bb6abe7dd32.html, Zugriff 21.8.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (13.8.2018): Afghanistan:

a Ghazni 120 morti, http://

www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120-morti_695579f5-407b4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 21.8.2018

BBC - British Broadcasting Corporation (20.8.2018): Afghan Taliban kidnap dozens of bus passengers near Kunduz, https://www.bbc.com/news/world-asia-45244339, Zugriff 21.8.2018

BBC - British Broadcasting Corporation (15.8.2018): Kabul suicide bomber kills 48 in tuition centre attack, https://www.bbc.com/news/world-asia-45199904, Zugriff 20.8.2018

BZ - Berliner Zeitung (15.8.2018): Erneute Attacken Mindestens 40 Tote bei Taliban-Angriffen in Afghanistan, https://www.berliner-zeitung.de/politik/erneute-attacken-mindestens-40-tote-beitaliban-angriffen-in-afghanistan-31111842, Zugriff 21.8.2018

CBS - CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

https://www.cbsnews.com/news/afghanistan-base-overrun-taliban-faryab-afghan-troops-killedghazni-fight/, Zugriff 21.8.2018

DS - Der Standard (13.8.2018): Taliban töten mindestens 100 Sicherheitskräfte in afghanischer Stadt Ghazni, https://derstandard.at/2000085221814/Dutzende-Tote-bei-Gefechten-umostafghanische-Stadt-Ghazni, Zugriff 21.8.2018

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.8.2018): Totei bei Angriff auf Schiiten-Moschee,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-tote-bei-angriff-auf-schiiten-moschee15721269.html, Zugriff 21.8.2018

France 24 (24.7.2018): Multiple explosions rock Afghan capital Kabul, http://www.france24.com/en/ 20180724-afghanistan-kabul-multiple-blasts-rockets-residential-area-casualties, Zugriff 20.8.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.8.2018): Afghanistan, i Talebani rapiscono 170 persone in viaggio su tre autobus nel nord del paese, https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/08/20/afghanistan-i-talebanirapiscono-170-persone-in-viaggio-su-tre-autobus-nel-nord-del-paese/4569588/, Zugriff 21.8.2018

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (16.8.2018): Bewaffnete greifen Geheimdienst-Einrichtung in Kabul an, https://www.nzz.ch/international/dutzende-tote-bei-selbstmordanschlag-in-kabul-ld.1411834, Zugriff 20.8.2018

Repubblica (15.8.2018): Caos Afghanistan: kamikaze a Kabul tra i giovani diplomati, 34 studenti uccisi,

http://www.repubblica.it/esteri/2018/08/15/news/afghanista_i_talebani_attaccano_una_base_militar e_44_morti-204161975/, Zugriff 20.8.2018

Repubblica (13.8.2018): Afghanistan, Ghazni sotto assedio da quattro giorni,

http://www.repubblica.it/esteri/2018/08/13/news/afghanistan_ghazni_sotto_assedio_da_quattro_gi orni-204035288/, Zugriff 21.8.2018

Reuters (20.8.2018): Taliban reject Afghan ceasefire, kidnap nearly 200 bus passengers,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/taliban-reject-afghan-ceasefire-kidnapnearly-200-bus-passengers-idUSKCN1L50GZ, Zugriff 22.8.2018

Reuters (16.8.2018a): Death toll in suicide attack on Afghan students revised down to 34,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/death-toll-in-suicide-attack-on-afghanstudents-revised-down-to-34-idUSKBN1L10FD, Zugriff 20.8.2018

Reuters (16.8.2018b): Afghan school hit as militants seek soft targets,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack-schools/afghan-schools-hit-as-militantsseek-soft-targets-idUSKBN1L10XI, Zugriff 20.8.2018

Reuters (3.8.2018): Suicide bomb attack on Afghan Shi'ite mosque kills 39, 80 injured,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/suicide-bomb-attack-on-afghan-shiitemosque-kills-39-80-injured-idUSKBN1KO1DF, Zugriff 21.8.2018

Reuters (23.7.2018): Afghanischer Vizepräsident entgeht knapp einem Anschlag,

https://de.reuters.com/article/afghanistan-dostum-idDEKBN1KD0GD, Zugriff 20.8.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (17.8.2018): 'Goodbye, Dad': Father Remembers Afghan Twins Killed In Kabul Bombing, https://www.rferl.org/a/goodbye-dad-father-remembersafghan-twins-killed-in-kabul-bombing/29439516.html, Zugriff 20.8.2018

SI - Sicurezza Internazionale (4.8.2018): Afghanistan: attentato Isis moschea schiita, 39 morti e 80 feriti, http://sicurezzainternazionale.luiss.it/2018/08/04/afghanistan-attentato-moschea-sciita-39morti-80-feriti/, Zugriff 21.8.2018

Tolonews (20.8.2018): 3 Passenger Buses Seized On Takhar-Kunduz Highway,

https://www.tolonews.com/afghanistan/3-passenger-buses-seized-takhar-kunduz-highway, Zugriff 21.8.2018 Tolonews (19.8.2018): Ghani Announces Conditional Ceasefire,

https://www.tolonews.com/afghanistan/ghani-announces-conditional-ceasefire, Zugriff 22.8.2018 Tolonews (12.8.2018): 17 Soldiers Killed in Faryab Army Base Attack,

https://www.tolonews.com/afghanistan/17-soldiers-killed-faryab%C2%A0army-base-attack, Zugriff 21.8.2018

Xinhua - Xinhuanet (15.8.2018): Life returns normal in Ghazni city as Afghan forces drive out militants, http://www.xinhuanet.com/english/2018-08/15/c_137392677_2.htm, Zugriff 21.8.2018

ZO - Zeit Online(15.8.2018): Viele Tote und Verletzte bei Anschlag in Kabul,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-08/afghanistan-anschlag-kabul-tote, Zugriff 20.8.2018

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der USAmerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte

(DZ

30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

• Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

• Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

• Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Karte Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

• Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

• Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

• Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

• In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

• Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

• Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

• Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.200931.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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