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L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1965 geborenen VS, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1997, Zl. 121.568/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 17. Juni 1996 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In diesem, am 21. Juli 1996 bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz eingelangten Antrag gab sie als Aufenthaltszweck den der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehegatten an. Dem Antrag legte sie u.a. eine Verpflichtungserklärung ihres Ehegatten (für sich und ihre beiden Kinder) vom 16. Juni 1996 sowie eine Lohn- und Gehaltsbestätigung vom 4. Juli 1996 bei, aus welcher hervorgeht, dass ihr Ehegatte monatlich einen Betrag von S 9.709,30 netto ins Verdienen brachte.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 9. Jänner 1997 diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung ab. Als Begründung wurde angeführt, das genannte monatliche Einkommen stelle keine ausreichenden Mittel zum Unterhalt der Beschwerdeführerin dar.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde darauf hingewiesen, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin regelmäßig auch Trinkgeld bekomme. Im Falle einer Aufenthaltsbewilligung hätte die Beschwerdeführerin schon eine Arbeitsstelle in Aussicht, sodass die Eheleute gemeinsam ca. S 25.000,-- ins Verdienen bringen würden.
Am 1. April 1997 wurde bei der Behörde erster Instanz in Ergänzung der Berufung eine Einkommens- und Arbeitsbescheinigung vom 28. März 1997 eingebracht, aus welcher hervorgeht, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin eine monatlichen Lohn inklusive Zulagen, Überstunden und Trinkgeld in der Höhe von netto S 13.973,-- durch die Tätigkeit bei einem näher genannten Abendrestaurant verdiene; aus einer weiteren Lohnbestätigung vom 4. März 1997 geht hervor, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit 1. März 1997 zusätzlich als Koch für eine dreitägige Arbeitszeit von 18 Stunden bei einem näher genannten Cafe beschäftigt sei und einen Monatsbezug von netto S 4.211,10 ins Verdienen bringe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. März 1997, welcher nach dem Ausweis der Verwaltungsakten erst am 2. Mai 1997 zugestellt wurde, wurde die von der belangten Behörde der Beschwerdeführerin zugerechnete Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde machte geltend, der Ehegatte der Beschwerdeführerin hätte ein monatliches Nettoeinkommen von S 9.709,-- belegt. Aufgrund der Richtsätze des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin bzw. deren Ehegatte über ein monatliches (Mindest)Einkommen von ca. 13.500,-- verfügen müsste. Da die zur Verfügung stehenden Mittel gravierend unter diesem monatlichen Mindesteinkommen lägen, dürfe der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. In diesem Fall greife auch der Rechtsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 AufG nicht. Die Abwägung im Sinne des Art. 8 MRK habe ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen sei, weil die Unterhaltsmittel in der Höhe von S 9.709,-- für vier Personen nicht als ausreichend zu betrachten seien. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsse der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, weshalb auf den vorliegenden Beschwerdefall - entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz - die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 sowie des § 115 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung findet.
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG durfte eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerkversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorlag, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert war.
Bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt eines Fremden im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG gesichert sei, steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu, sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war es zulässig, dass die belangte Behörde ihrer Beurteilung, ob die von ihr festzustellenden, der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel ausreichend seien, den Sozialhilferichtsatz für das jeweilige Bundesland (hier: Wien) zugrunde legte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 96/19/2396). Eine daran orientierte Berechnung des Bedarfes an Unterhaltsmitteln begegnet aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561 m.w.N.). Dabei wäre allerdings zu beachten, dass sich die Behörde im Regelfall an demjenigen Gesamtbetrag orientieren kann, welcher nach Auffassung der Wiener Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien für 1997 zur Deckung des Bedarfes für einen Hauptunterstützten und drei Mitunterstützte auch dann ausreichend ist, wenn für die letztgenannten keine Familienbeihilfe bezogen wird (wenn auch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der zur Verfügung stehenden Mittel dennoch einzubeziehen sind, vgl. auch die unten stehenden Ausführungen sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, Zl. 96/19/0529).
Dem so zu berechnenden Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde aber sämtliche Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt, über die die Beschwerdeführerin (bzw. deren Ehegatte) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, das war der 2. Mai 1997, verfügte. Die belangte Behörde stellte diesbezüglich fest, der Ehegatte der Beschwerdeführerin bringe einen Betrag von S 9.709,-- pro Monat ins Verdienen. Damit stützte sich die belangte Behörde auf die im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vorgelegte Lohn- und Gehaltsbestätigung des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 4. Juli 1996.
Die Beschwerdeführerin hat aber während des Berufungsverfahrens, durch Urkundenvorlage am 1. April 1997, dargelegt, dass ihr Ehegatte monatlich einen Betrag von insgesamt S 18.184,10 ins Verdienen bringe. Die belangte Behörde hätte sich daher mit den genannten Angaben über die aktuelle Einkommenssituation des Ehegatten der Beschwerdeführerin auseinandersetzen und diese - ihr Zutreffen vorausgesetzt - der Berechnung der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Mittel zugrundelegen müssen. Dazu zählt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 95/19/1381) auch das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte, ihrem Ehegatten zufließende Trinkgeld (nach dem Inhalt der zitierten Einkommensbestätigung in der Höhe von S 4.000,--). Soweit die belangte Behörde meint, Trinkgeld sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil der Ehegatte der Beschwerdeführerin diesen Einkommensbestandteil im Falle einer unvorhergesehenen Krankheit nicht ansprechen könnte, so ist dazu grundsätzlich zu bemerken, dass bei der Ermittlung des einem Antragsteller zur Verfügung stehenden Einkommens von den regelmäßig vorliegenden Verhältnissen auszugehen ist. Die ohne konkrete Feststellungen hinsichtlich einer aktuellen und längerfristigen Krankheit angenommene, bloß abstrakte Möglichkeit einer Erkrankung und eines dadurch bedingten Entfalles bestimmter Einkommensbestandteile kann nicht zur Grundlage dafür genommen werden, diese Einkommensbestandteile bei der Berechnung der Höhe des zur Verfügung stehenden Einkommens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
Der in der Versäumung der Zugrundelegung aller von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Unterhaltsmittel liegende Verfahrensfehler ist für das Verfahrensergebnis aber von entscheidender Bedeutung.
Legte man nämlich das genannte und entsprechend belegte neue Einkommen des Ehegatten der Beschwerdeführerin der Berechnung der dieser zur Verfügung stehenden Mittel zugrunde, ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführerin Geldmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung stünden, um davon ausgehen zu können, dass sie ihren (auf Grundlage des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien und der oben dargestellten Berechnungsgrundsätze zu berechnenden) Unterhaltsbedarf für die Dauer der angestrebten Bewilligung bestreiten könnte.
Ergänzend wird bemerkt, dass es die belangte Behörde auch verabsäumt hat, von der Ausbezahlung eines bekannt gegebenen Nettomonatsgehaltes 14 x jährlich auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 97/19/0709, 0710). Auch die Ansprüche auf Bezug von Familienbeihilfe (gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967) für die beiden Kinder der Beschwerdeführerin sind bei der Beurteilung des zur Verfügung stehenden Unterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. November 1998).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes kann ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht angesprochen werden. Stempelgebührenersatz war nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabegebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen.
Wien, am 14. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191164.X00Im RIS seit
01.06.2001