TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/14 97/19/0091

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Veröffentlicht am 14.05.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z2 idF 1995/351;
AVG §38;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1991 geborenen D S in Wien, vertreten durch Mag. S, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1996, Zl. 306.042/2-III/11/96, betreffend Aussetzung eines Verfahrens in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte, vertreten durch seine Mutter, am 12. Jänner 1996 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Februar 1996 gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG sei ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt. Die Mutter des Beschwerdeführers verfüge über keine der genannten Aufenthaltsberechtigungen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit Bescheid vom 8. Mai 1996 setzte der Bundesminister für Inneres als Berufungsbehörde gemäß § 38 AVG das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das "derzeit" anhängige Verfahren beim Verfassungsgerichtshof, Zl. B 3099/95, aus. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, da die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers vom Aufenthaltsrecht seiner Mutter abhängig sei und diese aufschiebende Wirkung beim Verfassungsgerichtshof beantragt "und bekommen" habe, warte die Berufungsbehörde "das Verfahren Ihrer Mutter" ab. Gemäß § 38 AVG könne die Berufungsbehörde ein Verfahren aussetzen, wenn eine für die Entscheidung relevante Vorfrage bei der dafür zuständigen Behörde anhängig ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz

BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 3 Abs. 1 Z. 2 und § 4 Abs. 1 und 3 AufG lauteten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.

...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren."

§ 38 AVG lautet:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon der Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde kein Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Ein Fall des § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 liegt daher nicht vor. Auch die Voraussetzungen des § 113 Abs. 7 des Fremdengesetzes 1997 sind nicht erfüllt. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass ein Antrag der Mutter des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Bundesminister für Inneres abgewiesen und der dagegen erhobenen Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof von diesem aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit seiner Mutter, angegeben. Diese war jedoch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unbestritten nicht zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich gemäß § 1 Abs. 1 AufG berechtigt. Die Mutter des Beschwerdeführers, mit der allein Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft angestrebt wurde, war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Fremde, auf die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG zutrafen. Demnach stand dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach § 3 Abs. 1 AufG nicht zu. Eine Anwendung des § 4 Abs. 3 AufG kam daher gar nicht in Betracht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0710).

Dem Beschwerdeführer konnte jedoch auch im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG über seinen Erstantrag keine Bewilligung zum - allein geltend gemachten - Zweck der Familienzusammenführung (mit seiner Mutter) erteilt werden, weil die erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu diesem Zweck jedenfalls voraussetzt, dass sich der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebte wird, aufgrund einer Berechtigung zur Begründung eines Hauptwohnsitzes im Inland befindet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zlen. 96/19/3116 bis 3118).

Maßgeblich war im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer allerdings nicht die Frage, ob seiner Mutter eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG zu erteilen war bzw. gewesen wäre, sondern ausschließlich, ob sie über eine Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 3 Abs. 1 AufG verfügte. War es aber unstrittig, dass die Mutter des Beschwerdeführers über eine solche Aufenthaltsberechtigung nicht verfügte (durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof hatte sie eine solche auch nicht erlangt), so war die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auch nicht von einer Entscheidung über eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG abhängig. Die belangte Behörde hätte demnach das Berufungsverfahren nicht aussetzen dürfen, sondern in der Sache zu entscheiden gehabt. Indem sie dies unterließ, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 14. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190091.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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