Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §18 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2016/06/0152Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revisionen der R I in B, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, 1. gegen die am 2. September 2016 zugestellte Erledigung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 31. August 2016, 405-3/27/1/22-2016 (protokolliert zu Ra 2016/06/0132), und 2. gegen das am 24. Oktober 2016 zugestellte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 31. August 2016, 405-3/27/1/22-2016 (protokolliert zu Ra 2016/06/0152), jeweils betreffend einen Beseitigungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht jeweils:
Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Gastein, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4/1; weitere Partei jeweils: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Gemeinde Bad Gastein Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis VwGH 29.1.2016, Ro 2014/06/0033, verwiesen.
Daraus ist Folgendes hervorzuheben:
Mit Bescheid vom 10. Mai 1976 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde B der Eigentümerin des Grundstückes Nr. X, J. H., den Auftrag, innerhalb von acht Wochen die auf diesem Grundstück ohne baubehördliche Bewilligung errichteten beiden Ferienhäuser zu beseitigen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B vom 2. August 1999, gerichtet an G. S. als Rechtsnachfolger des J. H., erging eine "neuerliche Berufungsentscheidung" dahingehend, dass die Berufung der J. H. als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 10. Mai 1976 mit der Abänderung bestätigt wurde, dass der Beseitigungsauftrag Rechtswirkung ausschließlich für die auf dem Grundstück Nr. X/1 (Grundstück Nr. X geteilt in X/1 und X/2) bestehenden Objekte entfalte.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 1. September 2009 wurde der Revisionswerberin gemäß § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997 (BauPolG) als Eigentümerin der baulichen Anlage auf dem Grundstück Nr. X/1 der Auftrag erteilt, das (näher umschriebene) Wohnhaus binnen fünf Monaten zu beseitigen. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das gegenständliche Gebäude könne baurechtlich nicht saniert werden, daher sei ein Beseitigungsauftrag zu erlassen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. November 2009 wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Vorstellung, welche mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2013 als unbegründet abgewiesen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem eingangs zitierten Erkenntnis Ro 2014/06/0033 damit, angesichts der gegebenen Aktenlage hätte sich die Behörde damit auseinandersetzen müssen, weshalb trotz des Beseitigungsauftrages vom 10. Mai 1976 bzw. des Berufungsbescheides vom 2. August 1999, in dem der Beseitigungsauftrag auf das Grundstück Nr. X/1 reduziert worden sei, keine entschiedene Sache vorliegen sollte. Die Behörde hätte insbesondere darlegen müssen, weshalb dieser seinerzeitige Beseitigungsauftrag - etwa wegen Änderungen der Rechts- oder Sachlage oder mangelnder Dinglichkeit - für den vorliegenden Fall keine entschiedene Sache begründe. Abgesehen davon, dass mit dem Berufungsbescheid vom 2. August 1999 eine Einschränkung auf das Grundstück Nr. X/1 erfolgt sei, wäre im gegebenen Zusammenhang, wenn man von einem einheitlichen Beseitigungsauftrag für mehrere Objekte auf nunmehr verschiedenen Grundstücken ausginge, darzulegen gewesen, weshalb eine untrennbare Einheit der Objekte vorliegen sollte, die eine Vollstreckung hinsichtlich nur eines der vom Beseitigungsauftrag erfassten Objekte unmöglich machte.
Sollte von keiner entschiedenen Sache auszugehen sein, wäre der Errichtungszeitpunkt der baulichen Anlage festzustellen gewesen, wobei sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages eine Bewilligungspflicht bestehen müsste.
2 Vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) fand in der Folge am 7. April 2016 eine mündliche Verhandlung statt, in der Verwaltungsakten verlesen und die Revisionswerberin sowie Vertreter der Gemeindevertretung der Gemeinde B gehört wurden. Zu nach der Verhandlung weiteren vorgelegten Akten wurde der Revisionswerberin Parteiengehör eingeräumt. Sie erstattete eine Stellungnahme, in der sie mit näheren Ausführungen und Rechtsdarlegungen auf ein Schreiben der Voreigentümerin H (aus dem Jahr 1986) darauf verwies, dass das Vorliegen eines Baukonsenses zu vermuten sei. Die Gemeinde B replizierte.
3 Am 2. September 2016 wurde der Revisionswerberin eine Ausfertigung der erstangefochtenen Erledigung des LVwG vom 31. August 2016 zugestellt, bei der jedoch die Amtssignatur fehlte. Dass es im Zeitraum vom 16. August 2016 bis 29. September 2016 auf Grund technischer Probleme zur Zustellung derart fehlerhafter Entscheidungen kam, wird vom LVwG nicht in Abrede gestellt.
4 Die erstangefochtene Erledigung hat daher keine Erlassung eines Erkenntnisses gegenüber der Revisionswerberin bewirkt (vgl. § 18 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG), weshalb die dagegen erhobene, zu Ra 2016/06/0132 protokollierte Revision, welche sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 2 VwGG stützte, schon deshalb mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war (vgl. dazu VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0103, mwN).
5 Mit dem am 24. Oktober 2016 zugestellten zweitangefochtenen Erkenntnis wurde die nunmehr als Beschwerde zu wertende Vorstellung der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen, und die Frist zur Erfüllung des Beseitigungsauftrages neu festgesetzt. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Zur Begründung führte das LVwG im Wesentlichen aus, im Berufungsbescheid der Gemeindevertretung vom 2. August 1999 sei der Beseitigungsauftrag dahingehend konkretisiert worden, dass sich dieser ausschließlich auf die auf Grundstück Nr. X/1 bestehenden Objekte (Anmerkung: darunter auch das verfahrensgegenständliche Wohnhaus) beziehe. Im vidierten "Lageplan zum Berufungsbescheid" seien die Außenabmessungen des Wohnhauses mit 7,70 x 6,15 m dargestellt. Zum nunmehrigen Zeitpunkt habe das Objekt aufgrund von Zubauten (ein im nördlichen Bereich unmittelbar angebauter, von außen zugänglicher Abstellraum mit einer Breite von insgesamt 1,50 m sowie im südlichen Bereich unmittelbar an das Gebäude angebaut ein mit dem Dach des Haupthauses mitüberdachter Terrassenvorplatz mit einem Kamin in einer Breite von 2,75 m) Außenmaße von 11,95 (Haupthaus 7,70 m, Abstellraum 1,50 m und überdachte Terrasse 2,75 m) x 6,10 m. Vor dem Hintergrund dieser Änderung des dem Beseitigungsauftrag vom 2. August 1999 zugrunde liegenden Sachverhaltes könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung (Hinweis etwa auf VwGH 30.4.1998, 93/06/0192) von entschiedener Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG nicht gesprochen werden. Der Erlassung eines neuen Beseitigungsauftrages, der nunmehr das Gebäude in seiner heutigen, geänderten Form erfasse, stehe res iudicata somit nicht entgegen. Zum Errichtungszeitpunkt der baulichen Anlage führte das LVwG aus, das Gebäude sei zwischen Dezember 1966 und September 1971 errichtet und in der Folge vom Ehegatten der Revisionswerberin (etwa im Jahre 1993) umgebaut worden. Sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages habe für das verfahrensgegenständliche Objekt - nach den jeweils maßgeblichen Bestimmungen der Salzburger Landbauordnung 1952, der Salzburger Landbauordnung 1968 bzw. dem Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG 1997) - Bewilligungspflicht bestanden bzw. bestehe diese nach wie vor. Ein rechtskräftiger Baukonsens für das Objekt sei nicht vorhanden, weshalb die Voraussetzungen für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 16 Abs. 3 BauPolG vorlägen.
6 Dagegen richtet sich die zu Ra 2016/06/0152 protokollierte Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7 Das LVwG legte beide Revisionen und die Verwaltungsakten vor. Die Baubehörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
8 Festzuhalten ist zunächst, dass mangels Erkenntnischarakter der (zu Ra 2016/06/0132) erstangefochtenen Erledigung ein Verstoß gegen den Grundsatz "ne bis in idem" durch das (zu Ra 2016/06/0152) zweitangefochtene Erkenntnis nicht vorliegt (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0103).
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision unter anderem die Verletzung der Bindungswirkung im Hinblick auf das hg. Erkenntnis Ro 2014/06/0033; die darin erteilten Aufträge seien nicht erfüllt und der entscheidungswesentliche Sachverhalt unvollständig erfasst worden. Auch habe das LVwG Sachverhaltsfeststellungen getroffen, deren Grundlagen in einer (gemeint: weiteren) mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden seien.
13 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgab, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtzustand herzustellen.
14 Bei der Erlassung der Folgeentscheidung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte somit an die vom VwGH in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte, für die Aufhebung tragende Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0041, mwN).
15 Das LVwG ging in dem angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass der Erlassung des nunmehrigen Beseitigungsauftrages (Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 1. September 2009, bestätigt mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B vom 5. November 2009) mit Blick auf den Beseitigungsauftrag der Gemeindevertretung der Gemeinde B vom 2. August 1999 wegen der zwischenzeitig erfolgten Zubauten am verfahrensgegenständlichen Wohnhaus (siehe Rz 6) res iudicata nicht entgegenstehe und für dieses Wohnhaus, das sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch der Erteilung des Beseitigungsauftrages bauwilligungspflichtig gewesen sei, ein rechtskräftiger Baukonsens nicht vorliege.
16 Nach Ansicht der Revisionswerberin seien hingegen die Zubauten - entgegen den Zulässigkeitsausführungen sind diese im angefochtenen Erkenntnis (Seite 20) detailliert wiedergegeben - bereits vom Beseitigungsauftrag vom 2. August 1999 erfasst gewesen und stehe die rechtliche Beurteilung des LVwG mit dessen eigenen Feststellungen im Widerspruch. Dass Umbauten vom Ehegatten der Revisionswerberin "etwa im Jahr 1993" (Seite 24) vorgenommen und die Zu- und Umbauten, so wie sich das Wohnhaus nunmehr darstelle, im Dezember 2000 bereits durchgeführt worden seien (Seite 20), lässt jedoch für sich allein ohne nähere Konkretisierung, die den Ausführungen zur Zulässigkeit nicht zu entnehmen sind, nicht zwingend den Schluss zu, dass diese bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 2. August 1999 vorgelegen wären.
17 Wenn in der Revision geltend gemacht wird, dass das LVwG gegen die Bindungswirkung gemäß § 63 VwGG des Vorerkenntnisses Ro 2014/06/0033 verstoßen habe, wird übersehen, dass sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Trennbarkeit auf den damals zugrunde liegenden Auftrag bezogen, während die Revisionsausführungen sich mit der Trennbarkeit der vom LVwG festgestellten Um- und Zubauten beschäftigen. Insoweit wird damit kein Verstoß gegen § 63 VwGG aufgezeigt.
18 Dass das Wohnhaus und die Zubauten sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Beseitigungsauftrages baubewilligungspflichtig gewesen sind, wurde vom LVwG ausführlich dargelegt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird in diesem Zusammenhang in den Zulässigkeitsausführungen nicht dargetan.
19 Wenn die Revision im Zusammenhang mit den Überlegungen des LVwG zum Nichtvorliegen eines Konsenses einen Verfahrensmangel im Hinblick darauf geltend macht, dass sich das LVwG diesbezüglich auf nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Unterlagen gestützt habe, wird auch damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die in Rede stehenden Feststellungen beziehen sich auf die Zeit vor dem Jahr 1999 (siehe RZ 2), sodass sie für die Frage, ob für das nach 1999 durch Um- und Zubauten entstandene nunmehrige Objekt ein Baukonsens vorliegt, nicht von Relevanz sind.
20 In der zu Ra 2016/06/0152 protokollierten Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben den Pauschalsätzen der Verordnung ein Kostenersatz aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am 12. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016060132.L00Im RIS seit
21.03.2019Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019