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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision des R Z in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 12. November 2018, 405- 10/451/1/20-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 30. November 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen zweier näher konkretisierter Übertretungen der §§ 9 VStG iVm 52 Abs. 1 Z 1 (3. Tatbild) Glücksspielgesetz (GSpG) iVm §§ 1 Abs. 1, 2, 3 und 4 Abs. 2 GSpG zur Zahlung von zwei Geldstrafen verpflichtet. Überdies wurden zwei Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft habe verbotene Glücksspiele, nämlich Walzenspiele, unternehmerisch zugänglich gemacht.
2 In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde bestritt der Revisionswerber jeweils ohne nähere Begründung, dass er Glücksspiele unternehmerisch zugänglich gemacht habe, und brachte vor, dass die wiedergegebene Spielbeschreibung falsch sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Es traf u.a. Feststellungen zum Spielablauf. Beweiswürdigend führte das LVwG u.a. aus, dass sich die Sachverhaltsfeststellungen auf den Verfahrensakt, die Einsicht in das Firmenbuch sowie auf das Ergebnis der durchgeführten Beschwerdeverhandlung stützten. Rechtlich folgerte das LVwG, die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft habe Walzenspiele und damit Glücksspiele unternehmerisch zugänglich gemacht. Das LVwG begründete weiters, warum das Glücksspielgesetz nicht gegen Unionsrecht verstoße. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
außerordentliche Revision.
Die Revision erweist sich als unzulässig:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff, sowie Gmalieva s.r.o. ua., C-79/17, Rn. 22). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.
9 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55 sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).
10 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
11 Die Revision macht darüber hinaus geltend, die Beweiswürdigung sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden; nähere Feststellungen seien nicht nachvollziehbar: Die Spielbeschreibung sei unrichtig, es seien keine virtuellen Walzenspiele angeboten worden, eines der beiden Geräte sei nicht überprüft worden und die verlesene Aussage der Zeugin, deren Arbeitgeberin "ein Hetzportal und ein Spitzelnetzwerk" betreibe, rühre "von der Bespitzelung von Privatpersonen durch andere Privatpersonen" her.
12 Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. etwa VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).
13 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 14.8.2018, Ra 2017/17/0357, mwN).
14 Solches ist hier jedoch nicht erkennbar: Der Revisionswerber wurde wegen der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Tatbestand GSpG bestraft, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer ein bestimmtes Lokal betreibenden Gesellschaft verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Zwar hat der Revisionswerber dieses Zugänglichmachen von Glücksspielen ohne nähere Begründung unsubstantiiert bestritten; sein Rechtsvertreter hat hingegen in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage eines Auszuges aus dem Appstore selbst ausgeführt, dass es sich bei den angebotenen Spielen um Walzenspiele handelt. Das LVwG hat u.a. die Feststellung getroffen, dass auf beiden Geräten virtuelle Walzenspiele angeboten wurden (zur Qualifikation virtueller Walzenspiele als Glücksspiele vgl. z.B. VwGH 12.7.2018, Ra 2018/17/0134) und seine Beweiswürdigung u.a. auf das Ergebnis der durchgeführten Beschwerdeverhandlung gestützt. Die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom LVwG angestellten beweiswürdigenden Überlegungen sind keinesfalls unvertretbar.
15 Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 22.7.2017, Ra 2016/17/0109, mwN).
16 Gemäß § 46 Abs. 3 Z 1 VwGVG dürfen Niederschriften über die Vernehmung von Zeugen verlesen werden, wenn ihr persönliches Erscheinen wegen Krankheit nicht verlangt werden kann.
17 Soweit die Revision vorbringt, die Aussage der Zeugin hätte nicht verlesen werden dürfen, da die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 VwGVG nicht vorgelegen seien, weshalb ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, ist Folgendes auszuführen: Nach den Ausführungen des LVwG - die mit der Aktenlage im Einklang stehen - sei die Zeugin schwer erkrankt und mit ihrer Genesung frühestens im April 2019 zu rechnen gewesen; zu diesem Zeitpunkt wäre die Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG jedoch abgelaufen.
18 Die einzelfallbezogene Beurteilung, dass somit von der Vernehmung der Zeugin Abstand genommen werden konnte, erscheint jedenfalls nicht derart unvertretbar, dass sie eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen würde. Ob sie inhaltlich zutrifft und ob das LVwG im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Verlesung im Einzelfall in jeder Hinsicht richtig vorgegangen ist, berührt - auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Vertreter des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage eines Auszuges aus dem Appstore selbst ausgeführt hat, dass es sich bei den angebotenen Spielen um Walzenspiele handelt - keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
19 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
20 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019170012.L00Im RIS seit
21.03.2019Zuletzt aktualisiert am
26.04.2019