Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin M***** W*****, vertreten durch Dr. Karlheinz Götz und Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen den Beklagten G***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen 12.077,30 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 19. Juli 2018, GZ 13 R 174/17m-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 26. Juni 2017, GZ 6 C 317/16b-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Parteien lebten miteinander in Lebensgemeinschaft und bewohnten während dieser Zeit ein im jeweiligen Hälfteeigentum stehendes Haus. Nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft veräußerte die Klägerin ihren Anteil an die nunmehrige Lebensgefährtin des Beklagten.
Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag mit der Begründung, sie habe im Vertrauen auf den Fortbestand der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten den Nutzungsvertrag mit einer Wohnbaugenossenschaft aufgelöst und den dadurch refundierten Baukostenbeitrag von 30.193,25 EUR auf das für die Errichtung des gemeinsamen Einfamilienhauses eingerichtete Baukonto überwiesen. Infolge Auflösung der Lebensgemeinschaft verlange sie die Hälfte dieses Betrags vom Beklagten, wobei aufgrund der 10-jährigen gemeinsamen Nutzung bzw aufgrund der altersbedingten Abnützung ein Abschlag von 20 % vorzunehmen oder zumindest ein Betrag von 2.000 EUR abzuziehen sei. Die Klägerin anerkannte auch eine Gegenforderung des Beklagten von 660 EUR für diverse Einrichtungsgegenstände sowie von 220 EUR wegen der Beschädigung eines Whirlpools; unter Berücksichtigung dessen stehe ihr der Klagsbetrag zu.
Der Beklagte bestritt die Klagsforderung und wendete Gegenforderungen in einer die Klagsforderung weit übersteigenden Höhe ein. Es sei zwar richtig, dass die Klägerin anlässlich der Errichtung des gemeinsamen Hauses 30.193,25 EUR auf das gemeinsame Baukonto eingezahlt habe, allerdings habe sie damals Schulden in der Höhe von 15.000 EUR gehabt. Der Beklagte habe während der aufrechten Lebensgemeinschaft Darlehensrückzahlungen von 106.700 EUR geleistet, außerdem habe er 33.950 EUR an Betriebskosten gezahlt und Urlaubs- und Weihnachtsgelder in der Höhe von 32.000 EUR auf das gemeinsame Baukonto eingezahlt. Die Klägerin habe keine Betriebskosten für das Haus gezahlt und der Beklagte habe Schulden in Höhe von 650 EUR von der Klägerin übernehmen müssen. Bei ihrem Auszug habe sie Möbel, Einrichtungsgegenstände und Geräte verbracht, wodurch dem Beklagten ein Schaden von 8.150 EUR entstanden sei. Da der Beklagte 172.650 EUR geleistet habe, die Klägerin aber nur 77.700 EUR, habe der Beklagte Anspruch auf die Hälfte des Differenzbetrags, sohin 47.475 EUR, zuzüglich der angeführten 8.150 EUR und 650 EUR. Außerdem schulde die Klägerin dem Beklagten einen weiteren Betrag von 7.742 EUR, weil der Beklagte zwischen September 2013 und September 2014 sämtliche Darlehensrückzahlungen und Zahlungen an Versicherungsprämien geleistet habe. Während der aufrechten Lebensgemeinschaft habe der Beklagte im Vertrauen auf den Fortbestand der Lebensgemeinschaft einen Kredit zur Abdeckung eines Fremdwährungskredits aufgenommen, auf diesen Kredit seien insgesamt 20.010,72 EUR geleistet worden, welche die Klägerin dem Beklagten ebenfalls zu ersetzen habe. Noch vor Begründung der Lebensgemeinschaft der Parteien habe die Klägerin einen Kredit über 15.000 EUR zur Finanzierung des Genossenschaftsanteils für ihre vormalige Wohnung aufgenommen; dieser Kredit sei während der Lebensgemeinschaft der Parteien zurückgezahlt worden.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 74,06 EUR und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend und wies die Klage ab. Die Klägerin habe zwar Anspruch auf Ersatz des nach Beendigung der Lebensgemeinschaft verbliebenen Restnutzens des von ihr geleisteten Betrags von 30.193,25 EUR, der auf die Liegenschaftshälfte des Beklagten entfalle, somit 15.096,63 EUR. Nach Abzug von 13 % für die bis zur Auflösung der Lebensgemeinschaft eingetretene Abnützung des Hauses verblieben 13.134,06 EUR. Weiters sei zu berücksichtigen, dass die 30.193,25 EUR von der Klägerin fremdfinanziert worden seien und ein Teil der Rückzahlungen der Kredite während aufrechter Lebensgemeinschaft (vom Konto der Klägerin) getätigt worden sei, wobei es irrelevant sei, von welchem der beiden Konten der Parteien die Rückzahlungen erfolgt seien. Es sei daher nur der die offenen Kreditbeträge zum Zeitpunkt der Begründung der Lebensgemeinschaft der Parteien im Jahr 2000 übersteigende Betrag heranzuziehen. Dessen Höhe ermittelte das Erstgericht nach § 273 ZPO. Unter Berücksichtigung sämtlicher Kredite der Streitteile für ihre gemeinsame Liegenschaft erscheine es sachgerecht, dass der Saldo im Jahr 2000 rund 12.000 EUR betragen habe, was im Ergebnis bedeute, dass der Betrag von 30.193,25 EUR um 28.000 EUR auf 2.193,25 EUR zu kürzen sei. Nach Abzug von 13 % von der auf den Beklagten entfallenden Hälfte dieses Betrags (1.096,63 EUR) wegen Altersabminderung und sodann nach Abzug der anerkannten Beträge von 660 EUR und 220 EUR verbleibe ein Restbetrag von 74,06 EUR; in dieser Höhe bestehe die Klagsforderung zu Recht. Die Gegenforderung des Beklagten bestehe wegen des von der Klägerin verbrachten Hochdruckreinigers jedenfalls bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht. Die Klage sei daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Fallkonstellation fehle, dass während des Bestehens einer Lebensgemeinschaft in eine gemeinsame Liegenschaft die außergewöhnliche Leistung zwar von einem der Lebensgefährten stammt, diese aber kreditfinanziert ist und zumindest zum Teil von den Lebensgefährten gemeinsam zurückgezahlt wird.
Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, sie habe den Betrag von 30.193,25 EUR zur Gänze aus eigenen Mitteln geleistet. Dass die aufgenommenen Kredite zum Teil erst während der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten zurückgezahlt worden seien, sei irrelevant, weil die Kreditrückzahlung ausschließlich durch die Klägerin (aus ihren Mitteln) vorgenommen worden sei. Ihr Rückforderungsanspruch betrage daher nach Abzug von 13 % für die Gebäudeabwertung sowie unter Bedachtnahme auf die unstrittigen Gegenforderungen von 980 EUR 12.194,06 EUR, wovon sie ohnehin nur 12.077,30 EUR begehre.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsbegehrens berechtigt.
1. Die von einem Lebensgefährten während der Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen sind in der Regel unentgeltlich und können daher grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Leistungen und Aufwendungen, die keinen in die Zukunft reichenden Zweck aufweisen, sondern ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum der bestehenden Lebensgemeinschaft bestimmt sind, haben bei einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt. Dies gilt etwa für laufende Zahlungen für den gemeinsamen Unterhalt, die gemeinsame Wohnung (RIS-Justiz RS0033701 [T2]) oder ganz allgemein für die Anschaffung von Sachen, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind (RIS-Justiz RS0033701 [T1, T2, T3], RS0033705 [T2]). Ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB besteht in diesen Fällen nicht, da solche Leistungen ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum bestimmt sind (Meissel/Jungwirth in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht, LebG – Beendigung Rz 95).
2. Außergewöhnliche Zuwendungen hingegen, zum Beispiel für den Erwerb einer Wohnung, die erkennbar in der Erwartung des Fortbestands der Lebensgemeinschaft gemacht werden, sind bei Zweckverfehlung rückforderbar (RIS-Justiz RS0033921). Ein Rückforderungsanspruch wird ganz allgemein dann gewährt, wenn eine Leistung in der dem anderen Lebensgefährten erkennbaren Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft unentgeltlich erbracht wurde und sich diese Erwartung in der Folge nicht erfüllt (RIS-Justiz RS0033914).
Der Anwendungsbereich dieser Kondiktion erstreckt sich auf alle jene Fälle, in denen eine Leistung in der Erwartung erbracht wird, dass der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung erbringt, zu der er sich aber nicht verbindlich verpflichten kann oder nicht verpflichten will. Ein solcher Zweck kann der weitere Bestand der Lebensgemeinschaft oder auch die gemeinsame Nutzung eines gemeinsam gebauten Hauses sein (RIS-Justiz RS0033952 [T12]). So kann ein Partner nach dem Ende der Lebensgemeinschaft nach § 1435 ABGB außergewöhnliche Leistungen, etwa Erwerb einer Wohnung oder Errichtung eines Hauses, gemeinschaftliche Bebauung eines Grundstücks (RIS-Justiz RS0033698) zurückfordern, die er erkennbar im Hinblick auf das Weiterbestehen der Gemeinschaft erbracht hat. Der Geschäftszweck fällt aber nur bezüglich eines die Auflösung überdauernden Nutzens weg. Werden die zur gemeinsamen Verwendung angeschafften Sachen von den Lebensgefährten zunächst gemeinsam genutzt und fällt der Geschäftszweck erst später weg, dann kann nur der dem Leistungsempfänger verbleibende Restnutzen zurückgefordert werden (RIS-Justiz RS0009341).
Der Umstand, dass ein Kläger in dem gemeinsam errichteten Haus einige Jahre gewohnt hat, ist daher bei der Höhe des Rückforderungsanspruchs zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0033921 [T1]). Voraussetzung ist, dass bei Beendigung der Lebensgemeinschaft der Nutzen noch vorhanden ist. Der Bereicherungsanspruch ist allerdings nicht auf den vorhandenen, sondern auf den verschafften Nutzen bzw den erlangten Vorteil gerichtet. Maßgeblich ist in der Regel der Leistungszeitpunkt. Der Nutzen ist objektiv-konkret zu ermitteln (Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1437 ABGB Rz 11 mwN, Rummel in Rummel, ABGB3 § 1437 ABGB Rz 3).
3. Auf den konkreten Fall bezogen gilt Folgendes:
3.1. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass sämtliche Rückzahlungen für die von der Klägerin zur Finanzierung des Baukostenbeitrags an die Genossenschaft aufgenommenen beiden Kredite vom Konto der Klägerin erfolgten und dass dieser Baukostenanteil nach Rückzahlung durch die Genossenschaft zur Gänze in den Bau der gemeinsamen Liegenschaft geflossenen ist. Die Klägerin hat somit den Kredit aus eigenen Mitteln zurückgezahlt, die zweckverfehlte Zuwendung stammt von der Klägerin allein. Der Beklagte hatte daran keinen Anteil. Ob die Klägerin ihre Zuwendung mit Eigen- oder Fremdmittel aufbrachte, ist ebenso unerheblich wie der Zeitpunkt ihrer (alleinigen) Rückführung der Fremdmittel. Die von den Vorinstanzen gemäß § 273 ZPO vorgenommene Festsetzung der bei Beginn der Lebensgemeinschaft aushaftenden Kreditsumme ist folglich irrelevant.
3.2. Daraus folgt, dass die Hauptforderung mit dem begehrten Betrag zu Recht besteht.
Aufgrund ihrer – wie dargestellt unzutreffenden – Rechtsansicht haben sich die Vorinstanzen nur rudimentär mit den Gegenforderungen des Beklagten auseinandergesetzt.
Der Revision ist somit Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufzutragen. Im zweiten Rechtsgang wird sich das Erstgericht eingehend mit den Gegenforderungen des Beklagten auseinanderzusetzen und danach zu beurteilen haben, ob und in welcher Höhe der Klage stattzugeben ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E124350European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00197.18A.0129.000Im RIS seit
21.03.2019Zuletzt aktualisiert am
12.12.2019