Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 4.500 EUR), Löschung (Streitwert 4.500 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR) und Zahlung von 40.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 1 R 144/18f-27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Geschäftsführer der Klägerin hat als Inhaber einer nicht protokollierten Werbeagentur die Wortbildmarke „Biosativa“ entwickelt. Die Wortbildmarke wurde – nach einer Übertragung der Verwendungs- und Verwertungsrechte auf eine GmbH und nach Registrierung zugunsten von T***** R***** als Markeninhaber – am 8. 3. 2016 gelöscht. Die Urheberrechte verblieben bei der Werbeagentur; sie ist die Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die Beklagte vertreibt unter dem Namen „Biosativa“ ein ökologisches Reinigungskonzentrat, das über die Website „www.biosativa.com“ angeboten wird.
Soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung, begehrte die Klägerin, die Beklagte zur Löschung der Domain „www.biosativa.com“ zu verpflichten. Der Klägerin stünden die Urheberrechte an der von ihrem Geschäftsführer entwickelten Wortbildmarke zu. Die Beklagte vertreibe ein ökologisches Reinigungskonzentrat und verwende dabei den Wortbestandteil der Wortbildmarke ohne Genehmigung der Klägerin.
Das Berufungsgericht wies das Löschungsbegehren – anders als das Erstgericht – mit Teilurteil ab; zu den übrigen Begehren wurde das stattgebende Urteil des Erstgerichts aufgehoben. Der in Rede stehende Begriff sei aus zwei lateinischen Wörtern zusammengesetzt und weise eindeutig auf ein Produkt aus natürlich angebauten Pflanzen hin. Die Verbindung der beiden bekannten Wörter „bio“ und „sativa“ zu einem zusammengesetzten Wort sei keine individuelle sprachliche Wortgestaltung, weshalb es sich um kein Sprachwerk im Sinn des § 2 Z 1 UrhG handle.
Die Klägerin vertritt in ihrer außerordentlichen Revision die Ansicht, dass das vom Rechtsvorgänger der Klägerin entwickelte Wort „Biosativa“ ein Sprachwerk sei. Bei der Beurteilung sei nicht nur auf die semantische Prüfung der beiden lateinischen Wörter und ihrer Kombination, sondern auf das dahinterstehende Gesamtkonzept samt Werbeslogan und Werbegrafik abzustellen. Maßgebend sei, ob es wesentlicher Überlegungen eines Dritten bedürfe, um Rückschlüsse auf das Produkt zu ziehen.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Ausführungen zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1. Wird urheberrechtlicher Schutz für einen Werkteil (hier das Wort „Biosativa“ als Teil einer Wortbildmarke) beansprucht, so muss der betreffende Teil als solcher die gesetzlichen Schutzvoraussetzungen erfüllen und daher für sich allein die notwendige Individualität als eigentümliche geistige Schöpfung im Sinn des § 1 Abs 1 UrhG aufweisen; dies gilt insbesondere auch für Sprachwerke (RIS-Justiz RS0076935; RS0076900).
Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision hat das Berufungsgericht zutreffend die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Wortes „Biosativa“ isoliert geprüft und das von der Klägerin ins Treffen geführte „dahinterstehende Gesamtkonzept“ unberücksichtigt gelassen.
2.1 Die Beurteilung als Werk im Sinn des UrhG erfordert eine individuelle eigentümliche Leistung, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt (RIS-Justiz RS0076397; RS0076841). Sie setzt voraus, dass beim Werkschaffenden persönliche Züge – insbesondere durch die sprachliche Gestaltung und die gedankliche Bearbeitung – zur Geltung kommen (4 Ob 110/10w). Es genügt, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Werk und Schöpfer insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel zum Ausdruck kommt und eine Unterscheidbarkeit bewirkt (RIS-Justiz RS0076367 [T22]). Ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0122254; RS0115469 [T4]).
2.2 Richtig ist, dass auch Zweckschöpfungen (zB Werbeslogans) Sprachwerke sein können, wenn sie Ergebnis einer individuellen eigentümlichen geistigen Leistung sind (RIS-Justiz RS0076499).
Der Oberste Gerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang zu 4 Ob 110/10w (ecolex 2011, 640 [Horak]) ausgesprochen, dass einzelne Wörter zwar ausnahmsweise urheberrechtlichen Schutz genießen können, wenn es sich um individuell eigenartige sprachliche Wortgestaltungen handelt. In der Regel wird dies aber selbst dann nicht der Fall sein, wenn es sich um unterscheidungskräftige Bezeichnungen (zB Fantasienamen, Titel etc) handelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der gedankliche Inhalt der Wörter auf eine naheliegende Assoziation zum damit bezeichneten Produkt beschränkt.
Der EuGH führte in seiner Entscheidung zu C-5/08, Infopaq International A/S, aus, dass Wörter als solche keine vom Urheberrechtsschutz erfassten Bestandteile sind (Rn 46). Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte einzelne Sätze oder Satzteile des betreffenden Textes dazu geeignet sind, dem Leser die Originalität einer Publikation wie etwa eines Zeitungsartikels zu vermitteln, indem sie ihm einen Bestandteil mitteilen, der als solcher Ausdruck einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers dieses Artikels ist. Solche Sätze oder Satzteile können daher Schutzobjekt des Art 2 lit a der Richtlinie 2001/29/EG sein (Rn 47). Bei Zeitungsartikeln ergibt sich die eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers regelmäßig aus der Art und Weise, in der das Thema behandelt wird, sowie aus dem sprachlichen Ausdruck (Rn 44).
2.3 Das Berufungsgericht hat die Rechtsgrundsätze zum urheberrechtlichen Schutz von Sprachwerken, insbesondere zu einzelnen Wörtern bzw Wortkombinationen, richtig wiedergegeben. Seine Beurteilung, dass das zusammengesetzte Wort „Biosativa“ als bloße Kombination der Wörter „bio“ (ökologisch) und „sativa“ (Gepflanztes) die für ein Werk erforderliche individuelle Eigenart nicht erreiche, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0076435; RS0076913 [T6]).
3. Ob das Wort „Biosativa“ gedankliche Rückschlüsse auf ein Reinigungsmittel zulässt oder nicht, ist für die hier zu beurteilende Frage des Werkcharakters nicht entscheidend. Bei den dazu in der außerordentlichen Revision enthaltenen Ausführungen handelt es sich um markenrechtliche Überlegungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht die Unterscheidungskraft eines Wortes für den urheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk nicht aus.
4. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
biosativa,Textnummer
E124351European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00014.19S.0226.000Im RIS seit
21.03.2019Zuletzt aktualisiert am
18.12.2019