TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W168 2173812-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2173812-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zahl 1045459110/140176082, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.09.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.11.2014 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er wegen der Taliban seine Heimat verlassen habe müssen. Er hätte in Kabul als Soldat gedient. Die Taliban hätten ihm mit der Ermordung gedroht. Der Beschwerdeführer gab an sich ca. 16 Jahre im Punjab, Pakistan aufgehalten zu haben.

3. Am 24.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend zunächst zu seinem Gesundheitszustand befragt aus, dass er wegen gelegentlicher Magenschmerzen Schmerzmittel einnehmen würde. Er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und könne keinen Reisepass vorlegen. Der BF führte aus, dass er in einem Dorf in der Provinz Kunar, Bezirk Norgal geboren und aufgewachsen sei. Er sei nicht zur Schule gegangen und habe bis zur Ausreise in seinem Elternhaus gewohnt. Nach der Hochzeit sei seine Ehefrau zu ihm gezogen und sie hätten vier Kinder bekommen. Derzeit würden seine Ehefrau und seine Kinder bei den Schwiegereltern des BF wohnen. Seit seinem achten Lebensjahr habe er diverse Gelegenheitsarbeiten verrichtet und seinen Vater in der Landwirtschaft unterstützt. Nach seiner Heirat habe er als Verkäufer gearbeitet. Vor seiner Ausreise habe er ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Zu seiner Ehefrau befragt, führte der BF aus, dass diese vor einigen Monaten mit den Kindern nach XXXX gezogen sei und mit der Mutter sowie dem Schwiegervater des BF zusammenlebe, die sie auch unterstützen würden. Seine gesamte Familie lebe nach wie vor in Afghanistan und der BF habe keinen Kontakt mehr mit dieser. Auf Nachfrage gab der BF zu Protokoll, dass er mit seiner Frau und seinen Kindern in Kontakt stehe. Die Fragen, ob er vorbestraft sei oder in seiner Heimat inhaftiert gewesen sei, wurden vom BF verneint. Gegen ihn würde ein Haftbefehl vorliegen. Die Fragen, ob er politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen sei, wurden vom BF ebenfalls verneint. Er habe auch weder Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Probleme mit Privatpersonen gehabt und habe an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen.

Zum Reiseweg befragt, erklärte der BF, dass er sich mit dem PKW eines Bekannten nach XXXX begeben und anschließend nach Kabul gefahren sei. In weiterer Folge sei er auf dem Luftweg in den Iran gelangt und sei schlepperunterstützt über die Türkei, Bulgarien sowie Serbien in Österreich eingereist. Er habe neben Österreich auch in den Niederlanden um Asyl angesucht, sei jedoch wieder nach Österreich zurückgeschoben worden.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF zusammenfassend aus, dass er im Herkunftsstaat ein Lebensmittelgeschäft gehabt habe und auch Taliban Kunden gewesen wären. Da die Mitglieder unerlaubt Sitzgelegenheiten im Geschäft benutzt hätten, sei es zum Streit gekommen. Der BF hätte diesen daraufhin gesagt, dass er keine Schwierigkeiten bei der Lieferung der Gegenstände bekommen wolle. Örtliche Sicherheitsbeamte hätten beim BF oftmals Zigaretten gekauft. Eines Tages seien diese von Taliban Mitgliedern dort attackiert worden. Der Anschlag habe ca. 20 Minuten gedauert und zwei Sicherheitskräfte seien ums Leben gekommen und ein Sicherheitsmann sei schwer verletzt worden. Sein Onkel habe dem BF am nächsten Tag über seine Mutter ausgerichtet, dass er schnellstmöglich das Land verlassen müsse. Im Nachhinein habe der BF erfahren, dass die Taliban annehmen würden, dass es sich beim BF um einen Spitzel handle. Sein Onkel habe ihm zudem darüber informiert, dass er bereits ein Auto für ihn bereitgestellt habe. Nach einigen Monaten in XXXX habe er seine Flucht fortgesetzt. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte der BF, dass er sowohl mit dem afghanischen Staat als auch mit den Taliban Probleme haben würde. Sein Vater sei vor etwa fünf Jahren getötet worden und daher habe der BF die Obsorge für seine Mutter und seine Schwester. Er wisse nicht, wer seinen Vater getötet habe, daher sei er aufgrund des Mordes auch nicht bedroht worden. Sie hätten den Vorfall auch bei der Polizei gemeldet, die jedoch nichts dagegen unternommen habe. Befragt, weshalb gegen ihn ein Haftbefehl bestehe, erwiderte der BF, dass vermutet worden sei, dass er ein Spitzel der Taliban gewesen sei, was jedoch nicht zutreffe. Sein Onkel, der beim Staat arbeite, habe ihm diese Information zukommen lassen, ihm jedoch nicht helfen können. Der Anschlag habe im Jahr 2014 stattgefunden und danach sei er noch drei bis dreieinhalb Monate in Afghanistan geblieben. Der BF selbst oder seine Familie seien jedoch nie persönlich bedroht worden. Von weiteren Problemen seiner Familie aufgrund des Anschlages sei dem BF nichts bekannt. Zur Frage, weshalb er nicht einfach in einen anderen Teil Afghanistan umgesiedelt sei, erwiderte der BF, dass er auch in Kabul keine Sicherheit gehabt hätte, da er Probleme mit dem afghanischen Staat gehabt habe und andere Dorfbewohner verraten hätten, dass er Afghanistan verlassen habe. Auf Vorhalt, weshalb er die geschilderten Probleme nicht bereits im Rahmen der Erstbefragung genannt habe, entgegnete der BF, dass er nicht danach gefragt worden sei. Zum weiteren Vorhalt, dass er angegeben habe, Soldat zu sein und 16 Jahre lang in Pakistan gelebt habe, erwiderte der BF, dass er damals psychisch nicht in bester Verfassung gewesen sei. Er habe nie in Pakistan gelebt, vor 13-14 Jahren sei lediglich seine Mutter krank gewesen und der BF habe sie zur Behandlung nach Pakistan gebracht. Sein Geburtsdatum in Österreich habe er nach Belieben angegeben. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei der BF davon überzeugt, dass es dort keine Sicherheit gebe.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF an, dass er keine Verwandten im Bundesgebiet habe und bereits eine Deutschprüfung auf dem Niveau A 1 absolviert habe und demnächst die Prüfung auf dem Niveau A 2 ablege. Er spiele in seiner Freizeit beim Diskgolf mit und nehme auch an Turnieren teil. Er arbeite derzeit bei der Friedhofspflege und sein Ziel sei es, in Österreich eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF sechs Empfehlungsschreiben, eine Vereinbarung bezüglich der gemeinnützigen Beschäftigung für Asylwerbende vom 06.07.2017, Zeugnisse über die Absolvierung von Prüfungen auf dem Niveau A1 und A2 sowie Kursbestätigungen über die Absolvierung von Deutschkursen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz damit im Wesentlichen zu begründen sei, dass der BF widersprüchliche Angaben erstattet habe. So hätte dieser bei der Erstbefragung am 16.11.2014 befragt zu den Fluchtgründen angegeben, dass er in Kabul als Soldat gedient habe und deswegen von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei. Weitere Fluchtgründe hätte er nicht. In seiner Einvernahme am 27.07.2017 habe er jedoch angegeben, dass bei einem Anschlag der Taliban vor seinem Geschäft zwei Sicherheitsbeamte ermordet worden seien. Zu dem geschilderten Vorfall sei anzumerken, dass er in der Erstbefragung kein einziges Wort davon erwähnt habe. Auch wenn er kurz vor der Erstbefragung einen langen und anstrengenden Weg hinter sich gehabt habe, erscheine es dennoch unglaubwürdig, dass er so gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt lasse. Noch dazu komme, dass der BF bei der Erstbefragung einen komplett anderen Fluchtgrund vorgebracht habe, was das gesamte Vorbringen noch unglaubhafter darstelle. Des Weiteren habe er angegeben, dass er vom Staat verfolgt werde, jedoch habe er ohne Probleme mit seinem Reisepass in den Iran reisen können. Würde er vom Staat verfolgt werden, wäre eine legale Ausreise aus dessen Staatsgebiet völlig unmöglich, was sein Vorbringen noch unplausibler und nicht nachvollziehbar erscheinen lasse. Es sei weiters nicht nachvollziehbar, warum der Onkel des BF, der als Beamter für den Staat tätig gewesen sei, nicht helfen hätte können, die Situation zu klären. Hierzu habe er einerseits angegeben, sein Onkel habe ihm nicht geholfen, weil dies verboten gewesen sei, andererseits jedoch erklärt, dass ihm sein Onkel ein Taxi die Flucht organisiert habe. Zudem beschränke sich der BF auf allgemein gehaltene Darlegungen, konkrete oder detaillierte Angaben über seinen Onkel oder warum ihn der Sicherheitsdienst verdächtigt habe, habe er trotz Nachfrage nicht machen können. Es entspreche jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen, die für ihr Leben einschneidende Erlebnisse hinter sich hätten, sich sehr wohl an Einzelheiten erinnern und diese lange Zeit nicht vergessen und verarbeiten könnten. Der BF selbst scheine jedoch von den Ereignissen wenig beeindruckt, Details habe er nicht schildern können oder habe dazu widersprüchliche Angaben gemacht. Die Behörde sei demnach zu dem Schluss gelangt, dass dem von dem BF behaupteten Sachverhalt kein Glauben geschenkt werden könne. Noch dazu komme, dass der BF selbst angegeben habe, nie persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein. Zusätzlich sei anzuführen, dass er nicht nur legal ausreisen habe können, sondern sich auch noch weitere vier Monate nach dem Vorfall bei einem Freund in XXXX aufhalten habe können. Zusammenfassend erscheine das gesamte Vorbringen des BF unglaubwürdig und nicht plausibel. Somit lasse sein geschilderter Fluchtgrund in keinem Fall eine personenbezogene Gefährdung erkennen. Weiters erscheine unplausibel, woher die Taliban überhaupt erfahren sollten, dass der BF ausgereist sei. Die Angabe, dass seine Familienmitglieder es verraten würden, könne die Behörde nicht nachvollziehen, zumal bekannt sei, dass Paschtunen einen sehr starken Familienbezug hätten. Der BF könnte ohne Probleme in Kabul leben und von den Verwandten in XXXX und XXXX unterstützt werden. Kabul sei durch den dortigen Flughafen sicher zu erreichen. Auch wenn die Sicherheitssituation in Kabul als nicht konfliktfrei angesehen werden könne, sei sie jedoch stabil. Anschläge und Gewalttaten würden vorkommen, es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Anwesenheit in diesem Gebiet die tatsächliche Gefahr begründe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der BF verfüge seinen Angaben zufolge über eine mehrjährige Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen. Mit seiner Berufserfahrung sei es möglich, in Kabul neu Fuß zu fassen, ohne in eine ausweglose Lage gedrängt zu werden. Er könnte sich zumindest eine Weile mithilfe von Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt verdienen. Die Behörde verkenne nicht, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Heimatland im Vergleich zu Österreich schwierig seien, jedoch sei der BF in einem erwerbsfähigen Alter und habe schon lange unter Beweis gestellt, dass er für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen könne. Auch wenn in der Provinz Kunar derzeit eine volatile Sicherheitslage herrsche, durch die eine Rückkehr dorthin nicht zumutbar sei, sei dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul möglich und zumutbar. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass er ein arbeitsfähiger Mann sei, der seinen Unterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs finanzieren könnte. Er habe bereits unter Beweis gestellt, dass er für sich und seine Familie sorgen könne, auch wenn er keine Berufsausbildung habe, so habe er sich bereits als Lebensmittelverkäufer selbstständig gemacht. Zudem habe er sehr viele Verwandte in Afghanistan, die ebenfalls zu seinem Unterhalt beitragen könnten. Es sei ihm weiters zumutbar, Unterstützung von Seiten humanitärer Organisationen in Anspruch zu nehmen. Durch eine Rückverbringung würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und Art. 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Der BF sei alleine in Österreich aufhältig und habe keine Verwandte in Österreich. Es liege somit kein im Sinne von Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor. Es sei zwar aufgrund seiner Bemühungen. Da eine gewisse Integration in Österreich zu erkennen, sein privates Interesse an einem Verbleib in Österreich sei im gegenständlichen Fall aber jedenfalls geringer zu werten als das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens. Da dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, sei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass der BF sein Fluchtvorbringen insgesamt nachvollziehbar und glaubhaft geschildert habe. Gemäß § 45 Abs. 2 und § 60 AVG ergebe sich die Verpflichtung zur Bescheidbegründung. Auch bezüglich der Beweiswürdigung habe sie Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, welchen Argumenten sie aus welchem Grund größeres Gewicht beimesse. Sie habe darzulegen, auf welche Ermittlungen und Darlegungen sie ihre Entscheidung stütze. Diesen Voraussetzungen habe die belangte Behörde mit ihren Ausführungen nicht genügt und damit den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Bei richtiger Beurteilung des vom BF erstatteten Fluchtvorbringens hätte die Erstbehörde dem BF zumindest -schon alleine angesichts der prekären Sicherheitslage in ganz Afghanistan- den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen müssen. Der BF habe sich bereits fortgeschritten integriert, er habe sich Deutschkenntnisse angeeignet und könne sich problemlos auf Deutsch verständigen. Er sei in regelmäßigem Einsatz für die Stadtgemeinde

XXXX tätig, indem er dort für die Straßenreinigung mithelfe. Da er von sich aus sehr offen und freundlich auf Menschen zugehe, habe er schon zahlreiche Kontakte knüpfen und habe sich mittlerweile einen beträchtlichen Freundeskreis aufgebaut, wie die beiliegenden Unterstützungserklärungen belegen würden. Zudem sei er auch aktiv auf Arbeitssuche und habe diesbezüglich auch schon das AMS aufgesucht. Die Rückkehrentscheidung hätte daher für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen und es hätte dem BF daher gemäß § 58 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen erteilt werden müssen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurde mehrere Empfehlungsschreiben, eine Vereinbarung über die gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerber, Zahlungsbestätigung/Rechnung einer Fahrschule, Bestätigung einer Volkshochschule über die Absolvierung von Deutsch als Fremdsprache, Kursbestätigung über Deutsch A2 Teil 1 für AsylwerberInnen, Teilnahmebestätigung über Deutsch A1 Teil 2 mit 75,00 Unterrichtseinheiten und eine Teilnahmebestätigung über einen Deutschkurs für Anfänger sowie Zertifikate über absolvierte Deutschprüfungen vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 28.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 30.05.2018, wurde ein Prüfungszeugnis hinsichtlich der Sprachen -und Integrationsprüfung des BF auf dem Niveau B1 übermittelt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.09.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Insbesondere wurde der Beschwerdeführer hierbei umfassend betreffend die Gründe für die Erhebung der Beschwerde sowie zu dem genauen Ablauf und einzelnen Details der bereits bei der ersten Instanz angeführten Fluchterzählung befragt.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, erklärte der BF, dass er in Afghanistan in der Provinz Kunar gelebt habe und sich seine Familienmitglieder nunmehr in der Provinz XXXX befinden würden. Er sei mit seinen Kindern alle zwei bis drei Tage in telefonischem Kontakt, sein Schwiegervater sei pensionierter Lehrer und kümmere sich um diese. In Afghanistan habe der BF ein Lebensmittelgeschäft betrieben und monatlich in etwa 20.-30.000 Afghani verdient. Im Heimatstaat würden zudem noch vier Schwestern und ein Bruder des BF leben, eine Schwester sei verheiratet und die restlichen drei Schwestern würden bei der Mutter leben. Zu einem Bruder, der als Soldat bei der Nationalarmee tätig sei, bestehe kein Kontakt. Auf Vorhalt, dass er im Verfahren einen Onkel erwähnt habe, mit welchem er nach den zu Protokoll gegebenen Vorfällen in Kontakt gewesen sei, entgegnete der BF, dass er seit seiner Flucht keinen Kontakt mehr mit diesem habe. Die Ehefrau des BF habe aufgrund der Anschuldigungen gegen den BF das Heimatdorf verlassen und ihr Vater habe die gemeinsamen Kinder weggebracht.

Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der BF bei der Verhandlung vor dem BVwG zusammenfassend aus, dass er im Herkunftsstaat ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe und seine finanzielle Situation gut gewesen sei. Gegenüber seinem Geschäft habe sich eine Moschee samt Wasserquellen befunden, in denen Talibanmitglieder gebadet hätten. Eines Tages sei dort eine Bombe gezündet worden und nach einer Auseinandersetzung zwischen Regierungsmitglieder und Taliban sei es zu Toten und Verletzten gekommen, woraufhin der BF nach Hause geflüchtet sei. Sein Onkel habe seine Mutter noch am selben Tag angerufen und ihr mitgeteilt, dass der BF Gerüchten zufolge selbst an diesem Anschlag beteiligt und auch als Spion tätig gewesen sein soll. In weiterer Folge habe der BF seinen Onkel persönlich angerufen und dieser habe ihn darüber informiert, dass man dem BF unterstelle, für den geschilderten Anschlag mitverantwortlich zu sein. Sein Onkel habe dem BF daher vorgeschlagen, in Richtung XXXX zu flüchten und von dort aus für seine Weiterreise abgeholt zu werden. Befragt, welche Funktion sein Onkel innehabe, entgegnete der BF, dass er in der Distriktverwaltung tätig sei und Neugeborene registriere. Zur Frage, wer ihn verdächtige, mit den Taliban zusammenzuarbeiten, erwiderte der BF, dass es sich dabei um die örtliche Polizei handle. Auf Vorhalt, dass sein Onkel bezeugen könnte, dass der BF nicht mit den Taliban zusammenarbeite, erklärte der BF, dass in Afghanistan jeder das mache, was er für richtig halte und man sich bereits für wenig Geld bestechen lasse. Er sei verdächtigt worden, da die Mitglieder der Taliban beim BF sogar eingekauft hätten. Zum weiteren Vorhalt, dass die örtlichen Sicherheitsbehörden ihn zum besagten Vorfall möglicherweise nur befragen hätten wollen, erklärte der BF, dass man sich in Afghanistan nicht verteidigen könne, sondern direkt eingesperrt werde. Bei ähnlichen Fällen würde man über den Verbleib der Verdächtigen nichts mehr wissen, was er selbst in Erfahrung gebracht habe. Auf die Frage, weshalb gerade er für die Taliban von besonderem Interesse sein sollte, entgegnete der BF, dass er dies zwar nicht genau wisse, sie ihm jedoch unterstellt hätten, dass er sie an den Staat verraten habe, weswegen sie bereits sein Elternhaus aufgesucht hätten und seine Mutter eingeschüchtert hätten. Befragt, ob er ein Dokument vorweisen könne, das bestätigen könne, dass nach ihm gesucht werden würde, entgegnete der BF, dass er kein offizielles Dokument besitzen würde, aber sich irgendein Dokument ausstellen lassen könnte, da dies in Afghanistan einfach möglich sei. Auf Vorhalt, dass er vor öffentlichen Stellen darlegen hätte können, nicht mit den Taliban zusammenzuarbeiten, erklärte der BF, dass er man die Verhältnisse in Afghanistan nicht mit jenen in Europa vergleichen könne. Selbst große Städte wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat seien nicht sicher. Befragt, ob er konkrete Hinweise habe, dass es sich bei seinen Kunden um Taliban gehandelt habe, erwiderte der BF, dass es sich um Männern mit langen Bärten gehandelt habe und Waffen mit Raketenaufsetzer getragen hätten. Zum weiteren Vorhalt, dass nicht nachvollziehbar sei, dass Talibanmitglieder gegenüber dem Geschäft des BF baden gehen würden, obwohl zur selben Zeit afghanische Sicherheitskräfte patrouillieren würden, erwiderte der BF, dass die Streitkräfte nur gelegentlich vorbeikommen würden und die Taliban erst abends gebadet hätten. Die Frage, ob er über besondere Kenntnisse, Fähigkeiten oder sonstiges besonderes Wissen verfüge, wurde vom BF verneint. Er sei ein gewöhnlicher Geschäftsmann gewesen. Auf weitere Frage, weshalb die Taliban auch viele Jahre nach seinem Verlassen Afghanistans ein konkretes Interesse daran haben sollte, ihn zu suchen und konkret zu bedrohen, erwiderte der BF, dass man in Afghanistan mit einem Verfolgten nicht so leicht abschließen würde. Vor dem bereits geschilderten Vorfall habe er zudem eine Auseinandersetzung mit einem Talib gehabt, der ihn dafür geächtet habe, keinen Bart zu tragen. Bevor der BF aus Afghanistan ausgereist sei, habe er lediglich mit seiner Mutter Kontakt aufgenommen, um ihn davon abzuraten, in den Heimatstaat zurückzukehren, da sie zuvor mit seinem Onkel gesprochen habe. Befragt, ob er vor seiner Ausreise noch versucht habe, mehr über die Umstände seiner Verfolgung durch die Taliban in Erfahrung zu bringen, erklärte der BF, dass es sich um eine außergewöhnliche Situation gehandelt habe, da er Angst gehabt habe, dass man ihn finden könnte und einsperre.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, dass ihn der Schlepper von XXXX aus mit seinem Auto nach Kabul gebracht habe und auch alle Ausreisemodalitäten für ihn erledigt habe. In XXXX habe er sich etwa drei Monate versteckt aufgehalten. Zum Vorhalt, dass er sich mit dem aufgewendeten Geld für die Schleppung einen Rechtsbeistand leisten hätte können, erwiderte der BF, dass er in Heimatstaat keine Aussicht auf ein faires Verfahren habe und die Möglichkeit bestehe, einfach getötet zu werden. Die Schlepperkosten in Höhe von 13.000 Dollar habe er durch Geschäfte in Afghanistan sowie mithilfe einer Erbschaft bezahlt. Im Iran habe der BF keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Familie im Herkunftsstaat Kontakt aufzunehmen. An den Grenzen sei auf Flüchtende geschossen worden. Der BF habe erst in Österreich um Asyl angesucht, da er vernommen habe, dass Asylwerber in Bulgarien misshandelt worden seien und ihn der Schlepper erst in Österreich aussteigen habe lassen. Zum Vorhalt, ob er versucht habe, sich in einem anderen Landesteil Afghanistans niederzulassen, entgegnete der BF, dass er überall Angst gehabt habe, gefunden zu werden, da man in Afghanistan niemandem vertrauen könne.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er von der Grundversorgung lebe, er jedoch beabsichtige, in Zukunft eine legale Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Bislang habe er ausschließlich durch Unterstützungsleistungen am Friedhof oder bei Überflutungen einen Beitrag geleistet. Seinen Alltag in Österreich verbringe der BF mit dem Erlernen der deutschen Sprache und dem kulturellen Austausch mit Österreichern.

Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vom BF eine Mappe mit integrativen Unterlagen in Vorlage gebracht: Hierunter befinden sich insbesondere Zeugnisse betreffend Integrationsprüfungen zum Erwerb der Sprachkompetenz A2 bzw. B1, Schreiben betreffend Arbeitszusagen, drei Unterstützungsschreiben, sowie mehrere Fotos. Sämtliche Unterlagen wurden zum Akt genommen.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde einer mit dem Beschwerdeführer zur Verhandlung erschienenen Vertrauensperson die Möglichkeit geboten ihre Wahrnehmung betreffend den Beschwerdeführer darzulegen.

9. In einer Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 10.09.2018 wurde auf die Richtlinien der UNHCR vom 30.08.2018 verwiesen und ausgeführt, dass darin über willkürliche Inhaftierungen und einen fehlenden Zugang zu Rechtsschutzmechanismen berichtet werde. Es sei dem BF daher nicht zumutbar gewesen, die Unterstützung eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen, um über diesen aufklären zu lassen, welcher Verdacht gegen ihn tatsächlich bestehe und zu versuchen, diesen zu entkräften. Das Länderinformationsblatt bestätige die weiterhin stattfindenden Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban. Aus dem Länderinformationsblatt ergebe sich erstmals klar, dass man überall in Afghanistan schwierig unbemerkt bleibe, weil es, obwohl Afghanistan kein zentrales Bevölkerungsregister habe, "Mittel und Wege gebe", um Personen ausfindig zu machen. Trotz der Bemühungen der afghanischen Regierung und humanitärer Organisationen ergebe sich aus dem Länderinformationsblatt, dass sowohl die Lage der Binnenvertriebenen als auch die Lage der RückkehrerInnen beunruhigend sei. Es werde auf das Gutachten von Frau Stahlmann verwiesen, nach deren Ausführungen es in Afghanistan keinen Ort geben würde, an dem Leben und Gesundheit der Menschen in Sicherheit vorzufinden wären.

10. Mit Schreiben vom 14.09.2018 wurden weitere Empfehlungsschreiben, sowie eine ergänzende schriftliche Darstellung betreffend integrativer Schritte dem BVwG übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Paschtu als Muttersprache. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Kunar aufgewachsen. Die Gattin, die Kinder, sowie der Schwiegervater und die Mutter des BF sind in der Stadt XXXX , Provinz Nangarhar, wohnhaft. Mit seinen in Afghanistan wohnhaften Familienangehörigen, seiner Frau und den 4 Kindern, steht der Beschwerdeführer in regelmäßigen telefonischen Kontakt. Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2014 im Bundesgebiet auf.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend der zu Protokoll gegebenen Fluchtgründe ist als nicht glaubwürdig zu qualifizieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen, ihn unmittelbar persönlich treffenden asylrelevanten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse besucht, Prüfungen auf A2 und B1 Niveau absolviert und verrichtet gemeinnützige Arbeiten. Er verfügt in Österreich über keine Verwandte, hat jedoch österreichische Freunde. Der Beschwerdeführer lebt jedoch von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben des BF im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG):

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5%

erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In . Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(The Guardian 31.5.2017) [Anm.: man beachte, dass die Opferzahlen in dieser Grafik, publiziert am Tag des Anschlags, noch überhöht angegeben wurden]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 201

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017). .

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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