Entscheidungsdatum
23.01.2019Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W275 2156398-1/19E
W275 2156403-1/15E
W275 2156401-1/12E
W275 2156405-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX und 4. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2017, Zahlen 1. 1096061602-151834719, 2. 1096061809-151834727, 3. 1096061907-151834751 und 4. 1144444905-170269678, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2018 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Den Beschwerden wird stattgegeben und es wird XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet; sie sind Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 22.11.2015 nach illegaler Einreise für sich selbst sowie für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin wurde im österreichischen Bundesgebiet geboren; für sie stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 02.03.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 23.11.2015 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Der Erstbeschwerdeführer begründete das Verlassen des Herkunftsstaates mit dem dort herrschenden Krieg; die Zweitbeschwerdeführerin brachte keine darüberhinausgehenden eigenen Fluchtgründe vor. Für die Drittbeschwerdeführerin wurden ebenfalls keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
Am 13.04.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Taliban seinem Vater mitgeteilt hätten, dass er (der Erstbeschwerdeführer) sich den Kampfgruppen anschließen solle; sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten.
Mit oben genannten Bescheiden vom 19.04.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt IV.)
Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 nahmen die Beschwerdeführer zu den Länderfeststellungen zu Afghanistan Stellung und betonten insbesondere die schlechte Stellung der afghanischen Frauen.
Am 03.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren persönlichen Lebensumständen in Afghanistan und in Österreich sowie zu ihren Fluchtgründen befragt wurden. Als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder wurde die Zweitbeschwerdeführerin auch zu deren Fluchtgründen befragt. Anwesend waren darüber hinaus die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin, der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer sowie zwei Vertrauenspersonen der Beschwerdeführer.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX ,
die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , geboren am XXXX ,
die Drittbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , und die Viertbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , geboren am
XXXX .
Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährige Drittbeschwerdeführerin sind in der Provinz Baghlan in Afghanistan, die minderjährige Viertbeschwerdeführerin ist in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer haben Verwandte in Afghanistan (insbesondere die Eltern und Geschwister des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweitbeschwerdeführerin).
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben in Afghanistan traditionell geheiratet und sind Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin sowie der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführer stellten am 22.11.2015 (Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin und minderjährige Drittbeschwerdeführerin) bzw. am 02.03.2017 (minderjährige Viertbeschwerdeführerin) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer verfügt über keine Schul- oder Berufsbildung und ist, was seine Erstsprache Dari betrifft, Analphabet. Er hat in Afghanistan als Bauer auf dem Bauernhof seiner Familie gearbeitet.
In Österreich absolvierte der Erstbeschwerdeführer bereits mehrere Deutschkurse, legte eine Prüfung auf dem Niveau A2 ab und kann sich inzwischen auf Deutsch unterhalten. Derzeit besucht er die Übergangsklasse für den Pflichtschulabschluss. Er arbeitet auf Werkvertragsbasis als Zeitungs- und Werbemittelverteiler.
Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über keine Schul- oder Berufsbildung und ist, was ihre Erstsprache Dari betrifft, Analphabetin.
In Österreich hat die Zweitbeschwerdeführerin einen Deutschkurs bis zum Niveau A1 besucht, jedoch bisher keine Prüfung abgelegt. Sie besucht derzeit einen Deutschkurs und kann sich in einfachem Deutsch unterhalten.
Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin geht in Österreich in den Kindergarten.
Die in Österreich geborene minderjährige Viertbeschwerdeführerin wird vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin zu Hause betreut.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Die Zweitbeschwerdeführerin ist eine auf Eigenständigkeit bedachte junge Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition, kleidet sich inzwischen auch nach westlicher Mode und trägt kein Kopftuch mehr. Sie ist nicht mehr gewillt, sich den afghanischen Vorschriften entsprechend zu kleiden und zu verhalten. Sie geht selbstverständlich ohne männliche Begleitung aus dem Haus und verfügt über soziale Kontakte außerhalb der Familie. Sie besucht einen Deutschkurs und kann sich in einfachem Deutsch unterhalten, hat an einem Schwimmkurs teilgenommen und ist in der "Elterngruppe" von "Jugend am Werk" aktiv.
Die Zweitbeschwerdeführerin erzieht ihre Töchter gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer, sie teilen sich die Betreuung und Haushaltsführung. Einkaufen geht vorwiegend die Zweitbeschwerdeführerin alleine, sie verwaltet auch das Haushaltsbudget der Familie. Sie möchte in Österreich den Hauptschulabschluss und anschließend eine Lehre machen, um als Verkäuferin arbeiten zu können. Für ihre Töchter wünscht sich die Zweitbeschwerdeführerin, dass diese eine Ausbildung absolvieren und ein Leben frei von Zwängen der afghanischen Traditionen führen können.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat durch die in Österreich gelebten Freiheiten einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit der traditionellen afghanischen Lebensweise erfahren - eine Fortsetzung des Lebens, das sie derzeit in Österreich führt, wäre ihr in Afghanistan nicht möglich.
Die von der Zweitbeschwerdeführerin angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Sie lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, (neuerlich) nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die Zweitbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Taliban den Vater des Erstbeschwerdeführers aufgesucht haben, um diesem mitzuteilen, dass der Erstbeschwerdeführer in den Jihad ziehen soll. Der Erstbeschwerdeführer ist in Afghanistan nicht individuell und konkret bedroht (worden).
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte eingefügte Kurzinformation vom 23.11.2018, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:
"[...]
Sicherheitslage in Baghlan
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt (Pajhwok o.D.). Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan (Pajhwok o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt (CSO 4.2017). Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. die Baghlan-Bamiyan-Straße, auch "B2B-Road" genannt, durch eine Förderung von 170 Millionen USD gebaut werden (TWB o.D).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes (NTV 28.2.2017; vgl. DS 1.3.2017). Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen (Khaama Press 12.8.2017; vgl. Pajhwok 28.3.2017). Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (Khaama Press 12.8.2017). Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken (Khaama Press 25.2.2018). Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diesen Gruppierungen vor (Khaama Press 25.2.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018). Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach (Pajhwok 28.3.2017). Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (UNAMA 2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Baghlan
In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien (MENAFN 19.5.2018; vgl. Xinhua 1.3.2018, Xinhua 25.2.2018; Xinhua 18.1.2018; Afghanistan Times 26.11.2017; Tolo News 26.7.2017; AOP 20.7.2017; Pajhwok 21.5.2017). Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische (Xinhua 1.3.2018; vgl. Xinhua 25.2.2018; AOP 20.7.2017; Pajhwok 21.5.2017) und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet (Xinhua 18.1.2018; vgl. Pajhwok 5.2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Baghlan Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv (NYT 23.8.2017; vgl. Khaama Press 12.8.2017 ). Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen (Pajhwok 8.7.2017). In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar (TD 28.2.2018), nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war (IWA 28.2.2017; vgl. TD 28.2.2018). Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen einzuheben (Khaama Press 25.2.2018).
Informationen eines hochrangigen Beamten zufolge war noch im Mai 2017 die Präsenz des IS im Norden Afghanistans schwach; ihm zufolge existierten keine Informationen zu der Anwesenheit des IS in der Provinz Baghlan (TD 18.5.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurde im Süden der Provinz Baghlan Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden (ACLED 23.2.2018).
[...]
Frauen
Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft (BFA Staatendokumentation 4.2018). Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 23.3.2016). Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Trotzdem gilt Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit (AF 13.12.2017). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AF 13.12.2017). Viel hat sich dennoch seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).
Bildung
Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).
In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).
Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).
Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon
77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).
Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).
Berufstätigkeit
Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).
Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. LobeLog 15.11.2017). Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MENA FN 19.12.2017).
Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent (BFA Staatendokumentation 4.2018) und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht (BFA Staatendokumentation; vgl. IWPR 18.4.2017). Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WB 28.8.2017).
Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).
Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind (BFA Staatendokumentation 4.2018). In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. YM 11.12.2017). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden (BFA Staatendokumentation; vgl. USAID 26.9.2017). In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019 (BFA Staatendokumentation; vgl. AKDN 26.7.2017). In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. GABV 26.7.2017).
Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017). Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017).
Politische Partizipation und Öffentlichkeit
Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).
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Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung
Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016). Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).
EVAW-Gesetz
Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018). Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen: Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5.2018).
Frauenhäuser
Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAWInstitutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018).
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5.2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5.2018; vgl. NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5.2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).
Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5.2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018). Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAWGesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017).
Legales Heiratsalter
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5.2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).
Familienplanung und Verhütung
Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5.2018). Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen. Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben (USDOS 3.3.2017). Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle (USDOS 20.4.2018). Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 5.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt (USDOS 3.3.2017).
Ehrenmorde
Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014) und kommen auch weiterhin vor (USDOS 3.3.2017). Laut AIHRC waren von 277 Mordfällen an Frauen im Jahr 2017 136 Eherenmorde (AIHRC 11.3.2018; vgl. Tolonews 11.3.2018).
Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist das Misstrauen eines Großteils der afghanischen Bevölkerung in das juristische System (KP 23.3.2016).
Reisefreiheit
Es existieren gewisse Sicherheitsbedenken, wenn Frauen alleine reisen: Manchmal ist es der Vater, der seiner Tochter nicht erlaubt alleine zu reisen und manchmal ist es die Frau selbst, die nicht alleine reisen will. In vielen Firmen, öffentlichen Institutionen sowie NGOs ist die Meinung verbreitet, dass Frauen nicht alleine in die Distrikte reisen sollten und es daher besser sei einen Mann anzustellen. Doch hat sich die Situation wesentlich verbessert. So kann nach eigener Aussage eine NGO-Vertreterin selbst in unsichere Gegenden reisen, solange sie sich dabei an die örtlichen Gegebenheiten hält, also lokale Kleidungsvorschriften einhält (z. B. Tragen einer Burqa) und sie die lokale Sprache kennt (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Während früherer Regierungen (vor den Taliban) war das Tragen des Chador bzw. des Hijab nicht verpflichtend - eine Frau konnte auch ohne sie außer Haus gehen, ohne dabei mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. In der Stadt Mazar-e Sharif wird das Tragen des Hijab heute nicht so streng gehandhabt, wie in den umliegenden Gegenden. Andere Provinzen sind bei diesem Thema viel strenger. In Mazar-e Sharif könnte es in Einzelfällen sogar möglich sein, ganz auf den Hijab zu verzichten, ohne behelligt zu werden. Garantie besteht darauf natürlich keine (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Frauen in Afghanistan ist es zwar nicht verboten Auto zu fahren, dennoch tun dies nur wenige. In unzähligen afghanischen Städten und Dörfern, werden Frauen hinter dem Steuer angefeindet etwa von Gemeindevorständen, Talibansympathisanten oder gar Familienmitgliedern. Viele Eltern unterstützen zwar grundsätzlich die Idee ihren Töchtern das Autofahren zu erlauben, haben jedoch Angst vor öffentlichen Repressalien. Die Hauptstadt Kabul ist landesweit einer der wenigen Orte, wo autofahrende Frauen zu sehen sind. In Kabul sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Jalalabad gibt es einige Fahrschulen; in Kabul sogar mehr als 20 Stück. An ihnen sind sowohl Frauen als auch Männer eingeschrieben. In Kandahar zum Beispiel sind Frauen generell nur selten alleine außer Haus zu sehen - noch seltener als Lenkerin eines Fahrzeugs. Jene, die dennoch fahren, haben verschiedene Strategien um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Manche tragen dabei einen Niqab, um unerkannt zu bleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. HP 31.8.2017). Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 5.2018).
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2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zu Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. die Seiten 8 und 9, 23 sowie 32 und 33 der Niederschrift der Verhandlung). Im Verfahren der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin sind drei verschiedene Geburtsdaten angegeben worden: XXXX (Erfassung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), XXXX (schriftliche Korrektur vom 05.08.2016 durch den Erstbeschwerdeführer) und XXXX (Richtigstellung durch den Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie schriftliche Berichtigung vom 13.12.2017 durch den ehemaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer). Mit Aktenvermerk vom 19.04.2018 über die Änderung der Identität hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass die Angaben zum Geburtsdatum XXXX glaubhaft seien. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Zweitbeschwerdeführerin das Zustandekommen dieser verschiedenen Geburtsdaten und gab an, dass der XXXX das richtige Geburtsdatum sei (vgl. die Seiten 32 und 33 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Soweit in den gegenständlichen Rechtssachen Feststellungen zu Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Beschwerdeführer im Asylverfahren, da ihre Identität - mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente - nicht abschließend geklärt werden konnte.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben (vgl. etwa die Seiten 8 und 9 sowie Seite 23 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung); das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen der Beschwerdeführer zu zweifeln.
Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren Geburtsorten, ihrer Schulausbildung, ihrer Berufsausbildung und Berufsausübung und ihrem Familienstand bzw. ihren Familienverhältnissen waren - soweit dies angesichts des fehlenden Bildungshintergrundes gefordert werden kann - im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel (vgl. etwa die Seiten 8, 9 und 11 sowie 23, 25 und 26 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellungen zu den Aktivitäten der Beschwerdeführer in Österreich - etwa Erwerbstätigkeit des Erstbeschwerdeführers, vom Erstbeschwerdeführer abgelegte Deutschprüfung, Besuch von Deutschkursen sowie eines Werte- und Orientierungskurses durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, Besuch der Übergangsklasse für den Pflichtschulabschluss, Besuch des Schwimmkurses durch die Zweitbeschwerdeführerin) ergeben sich aus den im Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Integrationsunterlagen (vgl. Beilage ./1 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) sowie den glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. etwa die Seiten 13 und 26 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellungen zum Kindergartenbesuch der Drittbeschwerdeführerin sowie der Betreuung der Viertbeschwerdeführerin durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind den diesbezüglichen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen (vgl. Seite 13 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Daten der Antragstellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer beruhen auf den übereinstimmenden und plausiblen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung (vgl. die Seiten 7 und 22 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zur Zweitbeschwerdeführerin als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der Zweitbeschwerdeführerin und auch des Erstbeschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. insbesondere die Seiten 13 bis 19 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin.
Bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um eine junge Frau ohne jegliche Schul- oder Berufsbildung, die ihre Erstsprache weder lesen noch schreiben kann. Es ist in Anbetracht dieses Umstandes davon auszugehen, dass der Zweitbeschwerdeführerin das Erlernen einer fremden Sprache schwerer fällt als Menschen, die eine entsprechende Schulbildung erfahren haben. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zudem glaubhaft dargetan, ihr Leben in Afghanistan fast ausschließlich zu Hause verbracht zu haben (vgl. Seite 11 der Niederschrift der Verhandlung); ihre allgemeine Lebenserfahrung in Afghanistan hat sie demnach aus einem relativ kleinen Umfeld bezogen. Dazu kommt, dass die Zweitbeschwerdeführerin zwei kleine Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren zu betreuen hat und dadurch - wenngleich der Erstbeschwerdeführer seinen Teil zur Betreuung der Töchter und Haushaltsführung beiträgt (vgl. die Seiten 14 und 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) - zeitlich eingeschränkt ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind das aktive Einleben der Zweitbeschwerdeführerin in die österreichische Gesellschaft als ein fremdes Umfeld sowie ihre Fortschritte in sprachlicher Hinsicht besonders hervorzuheben.
Dass sich die Zweitbeschwerdeführerin inzwischen nach westlicher Mode kleidet, konnte sie in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dartun (vgl. Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Sie färbt sich die Haare, schminkt sich und ist zur Verhandlung in figurbetonter Kleidung und Schuhen mit Absatz erschienen (vgl. Seite 19 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dass es sich dabei um einen Entwicklungsprozess gehandelt hat, im Rahmen dessen die nach den strengen afghanischen Verhaltens- und Kleidungsvorschriften aufgewachsene Zweitbeschwerdeführerin die ihr in Österreich möglichen Freiheiten nach und nach zu schätzen gelernt und inzwischen verinnerlicht hat, zeigte sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend auf (vgl. Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (vgl. Beilage ./1 der Niederschrift der Verhandlung) sowie den glaubhaften Angaben der Zweitbeschwerdeführerin (vgl. Seite 16 der Niederschrift der Verhandlung), die auch durch den Erstbeschwerdeführer bestätigt wurden (vgl. Seite 30 der Niederschrift der Verhandlung) ist zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin an einem Schwimmkurs des Institutes für Sportwissenschaft der Universität XXXX teilgenommen hat, wobei sie einen Bikini getragen hat. Auch mit dem Erstbeschwerdeführer und ihren Töchtern ist die Zweitbeschwerdeführerin bereits schwimmen gegangen.
Ebenfalls aus den glaubhaften Angaben der Zweitbeschwerdeführerin und des Erstbeschwerdeführers (vgl. die Seiten 16 und 17 sowie 31 der Niederschrift der Verhandlung) resultiert die Feststellung, dass die Zweitbeschwerdeführerin selbstverständlich ohne männliche Begleitung aus dem Haus geht, über soziale Kontakte außerhalb der Familie verfügt und in der "Elterngruppe" von "Jugend am Werk" (vgl. Beilage ./1 der Niederschrift der Verhandlung) aktiv ist. In der mündlichen Verhandlung konnte die Zweitbeschwerdeführerin überdies glaubhaft darlegen, dass sie die Einkäufe der Familie überwiegend alleine oder in Begleitung ihrer Töchter erledigt (vgl. Seite 14 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und das Haushaltsbudget verwaltet (vgl. Seite 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung); dies wurde auch durch den Erstbeschwerdeführer bestätigt (vgl. die Seiten 28 und 30 der Niederschrift der Verhandlung). Ebenso glaubhaft waren die Angaben der Beschwerdeführer hinsichtlich der gemeinsamen Haushaltsführung (vgl. die Seiten 15 und 29 der Niederschrift der Verhandlung) und Kinderbetreuung (vgl. die Seiten 14 sowie 27 und 28 der Niederschrift der Verhandlung).
Die Zweitbeschwerdeführerin vermochte weiters zu überzeugen, dass sie gewillt ist, eine Ausbildung zu machen und einen Beruf zu ergreifen, zumal sie schon sehr genaue Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft und die hierfür erforderlichen Ausbildungsschritte hat (vgl. Seite 13 der Niederschrift der Verhandlung). Sie wird in diesen Bestrebungen auch durch den Erstbeschwerdeführer unterstützt (vgl. die Seiten 28 und 29 der Niederschrift der Verhandlung). Ebenso überzeugend drückte die Zweitbeschwerdeführerin den Wunsch aus, dass ihre Töchter ein selbstbestimmtes Leben führen und eine umfassende Ausbildung erhalten sollen; die Zweitbeschwerdeführerin kann sich nicht vorstellen, ihre Töchter nach der traditionellen afghanischen Lebensweise zu erziehen (vgl. die Seiten 17 und 18 der Niederschrift der Verhandlung) und findet darin wiederum die Zustimmung des Erstbeschwerdeführers (vgl. die Seiten 31 und 32 der Niederschrift der Verhandlung).
In der Verhandlung hat sie deutlich gemacht, dass sie sich vor - in Afghanistan für Frauen üblichen - traditionellen Einschränkungen und gesellschaftlichen Vorgaben fürchtet.
Dass der Zweitbeschwerdeführerin eine Fortsetzung ihres selbstbestimmten Lebens, das sie nun schon seit geraumer Zeit führt, in Afghanistan nicht möglich wäre bzw. sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte junge Frau angesehen werden würde, ergibt sich aus den diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Länderfeststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan sowie den berücksichtigten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 (denen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Beachtung zu schenken ist; "Indizwirkung"; vgl. etwa VwGH 22.09.2017, Ra 2017/18/0166; 16.12.2010, 2006/01/0788, mwN), welchen zu entnehmen ist, dass Frauen in Afghanistan in der Ausübung ihrer Grundrechte sowie in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sind, regelmäßig von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind und die ein Sicherheitsrisiko für Frauen beschreiben, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, wozu beispielsweise die Nichteinhaltung strenger Kleidungsvorschriften und das Auftreten in der Öffentlichkeit ohne männliche Begleitperson gehören.
Mangels Glaubwürdigkeit konnte der vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach die Taliban seinem Vater mitgeteilt hätten, dass er (der Erstbeschwerdeführer) in den Jihad ziehen solle, nicht festgestellt werden. Zunächst stellt sich das diesbezügliche Vorbringen des Erstbeschwerdeführers vage und knapp dar; eine konkret nachvollziehbare Erlebnissituation vermochte der Erstbeschwerdeführer nicht zu schildern (vgl. Seite 33 der Niederschrift der Verhandlung). Die Frage der erkennenden Richterin, ob der Erstbeschwerdeführer selbst eine unmittelbare Wahrnehmung von der Mitteilung der Taliban an seinen Vater habe, beantwortete der Erstbeschwerdeführer zuerst ausweichend und auf Wiederholung der Frage mit allgemeinen Ausführungen zur Angst um seine Familie (vgl. die Seiten 33 und 34 der Niederschrift der Verhandlung). Zudem erklärte der Erstbeschwerdeführer erst auf mehrmaliges Nachfragen, selbst bei dem Vorfall nicht anwesend gewesen zu sein; sein Vater hätte ihm bloß davon erzählt (vgl. die Seiten 33 und 34 der Niederschrift der Verhandlung). Auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt sich der Erstbeschwerdeführer hinsichtlich der vorgebrachten Mitteilung der Taliban an seinen Vater kurz (AS 66 und 67 des Verwaltungsaktes); in der Erstbefragung erwähnte er diesen Fluchtgrund überhaupt nicht, sondern begründete das Verlassen seines Herkunftsstaates mit der dort allgemein schlechten Sicherheitslage (AS 27 des Verwaltungsaktes). Insgesamt ist das diesbezügliche Vorbringen des Erstbeschwerdeführers unsubstantiiert, widersprüchlich und im Verfahren nicht gleichbleibend, sodass eine individuelle und konkrete Bedrohung des Erstbeschwerdeführers durch die Taliban nicht angenommen werden kann.
Für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und die minderjährige Viertbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht (Seite 21 der Niederschrift der Verhandlung).
Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergeben sich aus der Aktenlage, der durchgeführten mündlichen Verhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht haben bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (insbesondere Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte eingefügte Kurzinforma