TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/17 95/05/0246

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Veröffentlicht am 17.05.1999
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Index

L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauRallg;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Alois Obermeier in Wien, vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien VI, Rahlgasse 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Juli 1995, Zl. R/1-B-9508/00, betreffend einen Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.432,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. März 1987 trug der Bürgermeister der Marktgemeinde Fischamend der D. und S. GmbH als Eigentümerin des Mietwohnhauses in Fischamend, Dr. Karl-Renner-Straße 4, gemäß § 112 Abs. 1 und 2 NÖ Bauordnung 1976 die Behebung verschiedener Bauordnungswidrigkeiten auf. Unter anderem erfasste der Bauauftrag folgende Maßnahmen:

"1. Große Teile des Fassadenputzes und des Hauptgesims, insbesondere ober des Hauseingangs sind in derart schlechtem Zustand, sodass durch herabstürzende Mauer- und Putzteile eine ständige Gefahr für Passanten gegeben ist. Es ist daher im Bereich des Einganges eine Schutzdachkonstruktion gegen abstürzende Mauerwerksteile anzubringen. Die losen Mauerwerksteile an der Fassade sind zu entfernen.

2. Durch teilweise nicht funktionierende Spüleinrichtungen in den Abortanlagen ist die sanitäre Situation als bedenklich anzusehen. Die nicht funktionierenden Spüleinrichtungen in den Abortanlagen sind zu reparieren.

3. Die unsachgemäß installierten E-Leitungen und Anschlüsse sind den ÖVE-Vorschriften entsprechend herzustellen. In den Waschküchen und dem Gangklosett sind die notwendigen Feuchtraumdosen zu installieren. Weiters ist die nicht mehr funktionstüchtige Blitzschutzanlage zu erneuern."

Über Ansuchen der Baubehörde um Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG drohte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit Schreiben vom 16. November 1988 hinsichtlich der genannten Mängel der Hauseigentümerin die Ersatzvornahme an und setzte für die Erbringung der Leistung eine Frist von drei Monaten.

Mit Schreiben vom 7. Mai 1989 teilte das Gendarmeriepostenkommando Fischamend der Baubehörde und der Vollstreckungsbehörde mit, dass eine R & Co GmbH das Haus gekauft habe. Mit Schreiben vom 20. Juni 1989 drohte die Vollstreckungsbehörde der neuen Eigentümerin die Ersatzvornahme an, wobei abermals eine Dreimonatsfrist gesetzt wurde.

Mit Bescheid vom 21. September 1989 wurde der R & Co GmbH hinsichtlich der mit Bescheid vom 20. März 1987 auferlegten Verpflichtung, deren Ersatzvornahme mit Schreiben vom 20. Juni 1989 angedroht worden war, der Erlag einer Vorauszahlung für die Ersatzvornahme in Höhe von S 990.000,-- binnen Monatsfrist aufgetragen. In der Folge erging von der R & Co GmbH ein Bauansuchen zum Umbau bzw. zur Instandsetzung des Gebäudes, weshalb über Antrag der Baubehörde das Vollstreckungsverfahren mehrfach ausgesetzt wurde.

Am 11. Jänner 1993 führte die Baubehörde einen Lokalaugenschein gemäß § 112 Abs. 2 NÖ BauO durch. Aufgrund des Ergebnisses dieses Lokalaugenscheines ersuchte die Baubehörde die Vollstreckungsbehörde mit Schreiben vom 8. Februar 1993 um Vollstreckung des Bescheides vom 20. März 1987.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 1993 teilte die Baubehörde der Vollstreckungsbehörde mit, dass die Firma I-R GmbH die Liegenschaft Dr. Karl-Renner-Straße 4 erworben hätte und dass der neue Eigentümer die Durchführung einer Totalsanierung zugesagt habe.

Am 18. August 1993 richtete der Beschwerdeführer ein Schreiben an die Baubehörde, welches im vorgedruckten Briefkopf den Absender mit "industrie und immobilien verwaltung" und seinem Vor- und Zunamen ausweist. In diesem Schreiben erklärt der Beschwerdeführer, dass mit Kaufvertrag die Liegenschaft an die I-R GmbH verkauft wurde, dass er der Geschäftsführer der I-R GmbH sei und dieses Haus auch weiterhin verwalte. Mit dem Schreiben wurde ein Kaufvertrag von der R & Co GmbH an die I-R GmbH vorgelegt.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 drohte die Vollstreckungsbehörde der "industrie immobilien verwaltung" die Ersatzvornahme hinsichtlich der eingangs genannten Baumängel unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 20. März 1987 an, wobei abermals eine Dreimonatsfrist gesetzt wurde.

Vom Amtssachverständigen erfolgte mit Gutachten vom 26. Jänner 1995 eine neuerliche Kostenschätzung, wobei allerdings nur die Preise eines früheren Gutachtens auf den letzten Stand gebracht wurden. Dieses Gutachten weist die Behebungskosten mit insgesamt S 1,206.760,-- aus.

Hier gegenständlich ist der Bescheid der Vollstreckungsbehörde vom 29. März 1995. Er richtet sich an die "industrie immobilien verwaltung", der als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme der Erlag von S 1,210.000,-- aufgetragen wird. Verwiesen wird in diesem Bescheid darauf, dass die Verpflichtung laut Bescheid vom 20. März 1987 nicht erfüllt und die Ersatzvornahme angedroht worden war.

Dagegen richtete der Beschwerdeführer unter Verwendung des oben beschriebenen Briefpapiers eine Berufung. Darin führte er aus:

"Ich erlaube mir daher anzuführen, dass im Jahre 1995 diverse Gespräche gemeinsam mit der Stadtgemeinde Fischamend über die weitere Vorgangsweise und Erfüllung des Bauftrages gesprochen wurde, dies im Beisein von diversen Personen und Personengruppen laut Niederschrift vom 30. Jänner 1995. Weiters teile ich mit, dass die Firma T. GmbH (Bauunternehmen) mit der Sanierung beauftragt wurde. Ersuche höflichst um Kenntnisnahme und zeichne ..."

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung der "industrie und immobilien verwaltung", wobei in einer Klammer der Name des Beschwerdeführers hinzugefügt wurde. Die Berufung wurde gemäß § 10 Abs. 2 VVG im Zusammenhalt mit § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde auf den Bescheid vom 20. März 1987 verwiesen, in dem "der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Einschreiterin" der oben beschriebene baupolizeiliche Auftrag erteilt worden sei. Da "die Berufungswerberin" dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei die Ersatzvornahme zunächst angedroht und in der Folge ein Kostenvorschuss aufgetragen worden. Die angeordnete Vollstreckungsmaßnahme sei als zulässig anzusehen, weil sie sich auf einen rechtskräftigen Titel stütze. Die angefochtene "Vollstreckungsverfügung" stimme mit dem zu vollstreckenden Bescheid überein. Der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung entspreche dem § 2 Abs. 1 VVG. Erhebungen durch die Berufungsbehörde hätten ergeben, dass von "der Berufungswerberin" keine Sanierungsarbeiten am gegenständlichen Gebäude durchgeführt worden seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 112 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 (BO) hat der Eigentümer eines Bauwerks dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird. Er hat Baugebrechen , durch welche die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden können, zu beheben. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Baubehörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden ist, unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des Baugebrechens zu verfügen, wenn der Eigentümer eines Bauwerkes seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nachkommt.

In Entsprechung dieser Gesetzesbestimmung trug die Baubehörde in ihrem Bescheid vom 20. März 1987 dem damaligen Eigentümer die Behebung der festgestellten Baugebrechen auf. Da gemäß § 119 BO allen Bescheiden nach diesem Gesetz, ausgenommen Strafbescheiden, u. a. insofern eine dingliche Wirkung zukommt, als daraus erwachsende Pflichten auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu erfüllen sind, traf die damals ausgesprochene Verpflichtung auch die späteren Eigentümer, das war die R & Co GmbH und in weiterer Folge die I-R GmbH.

Der Beschwerdeführer bekämpft zunächst die Feststellung im angefochtenen Bescheid, er bzw. sein Unternehmen (industrie und immobilien verwaltung) sei Rechtsnachfolgerin des früheren Grundeigentümers. Nach der Aktenlage war der Beschwerdeführer ("industrie und immobilien verwaltung" ist die für sein Unternehmen gewählte Etablissementbezeichnung) niemals Grundeigentümer; soweit die belangte Behörde nunmehr in der Gegenschrift geltend macht, dass die I-R GesmbH als Grundeigentümerin nicht aufgetreten sei und es sich bei diesem Vorbringen um eine Neuerung handle, ist ihr der Akteninhalt, insbesondere das an die Vollstreckungsbehörde erster Instanz gerichtete Schreiben der Baubehörde vom 13. Oktober 1993 entgegen zu halten. Aus dem Akt ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt, aus welchem Rechtsgrund der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, den Bescheid vom 20. März 1987 zu erfüllen.

Die Vollstreckungsbehörde erster Instanz ist mit einem Kostenvorauszahlungsauftrag gegenüber dem Beschwerdeführer unter Anführung der eindeutig zu identifizierenden Etablissementbezeichnung vorgegangen. Die belangte Behörde hat dies insofern modifiziert, als sie dieser Bezeichnung des Adressaten den Namen des Beschwerdeführers hinzugefügt hat. Die ausgesprochene Verpflichtung beruht auf § 4 VVG; diese Bestimmung lautet samt Überschrift:

"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar."

Daraus ergibt sich eindeutig, dass nur dem zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung aufgetragen werden kann. Der Beschwerdeführer ist aber zu keiner Arbeits- oder Naturalleistung verpflichtet, weshalb der Auftrag an ihn durch das Gesetz nicht gedeckt ist.

Nicht unerwähnt soll weiters bleiben, dass der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Slg. Nr. 12.942/A, ausgesprochen hat, keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG darstellt.

Da die belangte Behörde nicht wahrgenommen hat, dass gegen den Beschwerdeführer ohne Rechtsgrundlage mit einem Kostenvorauszahlungsauftrag vorgegangen wurde, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 nach Maßgabe des vom Beschwerdeführer gestellten Begehrens.

Wien, am 17. Mai 1999

Schlagworte

Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995050246.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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