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E1ENorm
AVG §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski und Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des L in T, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. August 2018, Zl. RV/3100246/2012, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Urteil des Landesgerichtes X vom 27. August 2004 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, nämlich durch das Verschweigen der Tatsache, der wirtschaftliche Eigentümer und Betreiber der X AG mit Sitz in Vaduz von Österreich aus gewesen zu sein, und durch Nichtabgabe von Körperschaftsteuererklärungen und Nichtabfuhr von Kapitalertragsteuer, Abgabenverkürzungen bewirkt, und zwar u.a. an Körperschaftsteuer im Jahr 1997 im Betrag von 2,323.842,60 S (168.880,23 EUR). Er habe hiedurch das Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen.
2 Mit Beschluss des OGH vom 3. November 2005 wurde die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit Urteil vom 21. Dezember 2005 gab das Oberlandesgericht X der Berufung teilweise Folge und setzte die verhängte Geldstrafe herab.
3 Mit Bescheid vom 7. Februar 2012 nahm das Finanzamt den Revisionswerber zur Haftung gemäß § 11 BAO für Abgabenschuldigkeiten (Körperschaftsteuer 1997: 168.880,23 EUR) der X AG in Anspruch. Dem Haftungsbescheid beigelegt war eine mit 7. Jänner 2004 datierte Ausfertigung des an die X AG (zu Handen des Revisionswerbers) gerichteten Körperschaftsteuerbescheides 1997
.
4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Er machte geltend, gegenüber dem Hauptschuldner (der X AG) sei betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 1997 bereits Einhebungsverjährung eingetreten.
5 Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. März 2012 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Das Finanzamt führte insbesondere aus, mit Anbringen vom 2. Februar 2010 sei die Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1996 und 1997 zurückgenommen und mit Bescheid vom 23. Februar 2010 für gegenstandslos erklärt worden. Die Einhebungsverjährung sei wegen Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO gehemmt gewesen.
6 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Berufung an den unabhängigen Finanzsenat und erklärte gleichzeitig, gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1997 der X AG zu berufen.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das (nunmehr zuständige) Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Schilderung des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, auf dem Abgabenkonto der X AG seien unter anderem folgende Buchungen ersichtlich: Die Körperschaftsteuer 1997 sei mit Bescheid vom 13. April 2000 in Höhe von 3,910.000 S (entspricht 284.150,78 EUR) festgesetzt worden. Hinsichtlich dieses Betrages sei mit Bescheid vom 24. August 2000 die Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) verfügt worden. Am 7. Mai 2004 sei der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt worden. Am 8. Juni 2004 sei neuerlich die Aussetzung der Einhebung und am 20. Mai 2005 deren Ablauf verfügt worden. Schließlich sei am 13. Juni 2005 neuerlich die Aussetzung der Einhebung und am 18. Jänner 2012 deren Ablauf verfügt worden.
9 Die Erlassung eines Haftungsbescheides sei eine Einhebungsmaßnahme; diese sei innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig.
10 Der dem Haftungsbescheid in Kopie beigefügte Körperschaftsteuerbescheid 1997 sei innerhalb der für hinterzogene Abgaben geltenden Festsetzungsverjährungsfrist erlassen worden. Es könne dahingestellt bleiben, ob anlässlich der erstmaligen Buchung der Körperschaftsteuer 1997 auf dem Abgabenkonto am 13. April 2000 tatsächlich ein Körperschaftsteuerbescheid 1997 wirksam ergangen sei oder ob erst der dem Haftungsbescheid beigefügte, mit 7. Jänner 2004 datierte Körperschaftsteuerbescheid 1997 wirksam ergangen sei, was vom Revisionswerber nicht bestritten worden sei.
11 Aufgrund der Buchungen am Abgabenkonto stehe fest, dass der Lauf der Einhebungsverjährungsfrist in den Zeiträumen 24. August 2000 bis 7. Mai 2004, 8. Juni 2004 bis 20. Mai 2005 und 13. Juni 2005 bis 18. Jänner 2012 gehemmt gewesen sei. Während dieses Zeitraumes seien Einhebungsmaßnahmen unzulässig gewesen. Als das Finanzamt den Haftungsbescheid am 7. Februar 2012 erlassen habe, sei die Einhebungsverjährung noch nicht eingetreten gewesen.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit macht der Revisionswerber geltend, zur entscheidungswesentlichen Frage, ob die vom Finanzamt angeblich (es lägen insoweit keine Bescheide vor, diese ergäben sich nur aus Buchungen auf dem Abgabenkonto der X AG) wiederholt verfügte Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1997 nicht nur gegenüber der Steuerschuldnerin (der X AG), sondern auch gegenüber dem Revisionswerber Rechtswirkungen habe entfalten und damit die Einhebungsverjährung habe hemmen können, liege keine Rechtsprechung vor. Es stehe auch in keiner Weise fest, ob der Revisionswerber die Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer überhaupt habe beeinflussen können. Die Stellung des Revisionswerbers - laut Feststellungen des Strafurteils - als "wirtschaftlicher Eigentümer" betreffe nur die Gesellschaftersphäre, habe aber nichts mit der organschaftlichen Vertretung der X AG zu tun. Hinzu komme, dass das Finanzamt - aus welchen Gründen immer - jegliche Einbringungsmaßnahmen gegen die Steuerschuldnerin unterlassen habe. Die Abgabenbehörde habe insbesondere jegliche Prüfung unterlassen, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer gegenüber der X AG nach § 212a BAO anfangs und im weiteren Zeitablauf vorgelegen seien, womit in der Folge ein rechtzeitiger Widerruf der jeweiligen Aussetzung gemäß § 294 BAO unterblieben sei. Spätestens mit der Löschung der X AG im liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister am 11. August 2005, welche dem Finanzamt mit Schreiben vom 15. Februar 2010 bekannt gegeben worden sei, wäre die Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer von der Abgabenbehörde sofort zu widerrufen gewesen oder hätte ex lege geendet, weil die X AG rechtlich nicht mehr existent gewesen sei. Die Vermutung des Bundesfinanzgerichts, der Revisionswerber wäre am Willensentschluss der X AG zur Antragstellung hinsichtlich der Aussetzung der Einhebung "zumindest entscheidend beteiligt" gewesen, entbehre jeder sachlichen Grundlage.
17 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf.
18 Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.
19 Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stellt eine Einhebungsmaßnahme dar; sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist (vgl. VwGH 6.8.1996, 93/17/0093, mwN). Damit kommt es also darauf an, ob gegenüber dem Hauptschuldner Einhebungsverjährung eingetreten ist. Daraus ergibt sich aber, dass eine gegenüber dem Hauptschuldner ausgesprochene Aussetzung der Einhebung auch die Verjährungsfrist betreffend die Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen hemmt. Im Übrigen ist es seit Entscheidung eines verstärkten Senates (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037, VwSlg 7038/F) ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass (im Hinblick auf die Einhebungsverjährung) Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen wirken; sie unterbrechen die Verjährung gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger - etwa auch als Haftungspflichtiger - in Betracht kommt (vgl. zuletzt VwGH 17.6.2015, Ra 2015/16/0044).
20 Wenn die Revision weiter geltend macht, die Aussetzung der Einhebung hätte nicht bewilligt werden dürfen oder wäre zumindest bereits früher zu widerrufen gewesen, so ist zu erwidern, dass die Einhebungsverjährung gehemmt ist, solange die Einhebung der Abgabe ausgesetzt ist. Selbst unter der Annahme, dass diese Bescheide rechtswidrig wären, entfalten sie Rechtswirkungen, wenn sie dem Rechtsbestand angehören (vgl. VwGH 31.7.2002, 2002/13/0075; 8.7.2009, 2009/15/0112).
21 Der Revisionswerber rügt zwar, dass der Umstand der mehrfachen Aussetzung sich nicht aus entsprechenden Bescheiden nachvollziehen lasse, sondern sich angeblich nur auf dem Abgabenkonto der X AG niedergeschlagen habe; eine konkrete Bestreitung der wirksamen Zustellung der Aussetzungsbescheide an die X AG erfolgt in der Revision aber - auch im Rahmen der Ausführung der Revisionsgründe - nicht. Dort wird vielmehr (im Rahmen des Revisionsgrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) dargelegt, das Bundesfinanzgericht hätte prüfen müssen, ob der Revisionswerber die vom Finanzamt "offenbar mehrfach verfügte Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer gegenüber der (X AG)" hätte beeinflussen können bzw. wer die jeweilige Aussetzung der Einhebung konkret beantragt habe. Darauf kommt es aber nicht an; entscheidend ist lediglich, dass die Aussetzung der Einhebung gegenüber der X AG wirksam verfügt wurde.
22 Soweit in der Revision schließlich geltend gemacht wird, die Aussetzung der Einhebung habe mit der Löschung der X AG im liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister am 11. August 2005 (worüber das Finanzamt mit Schreiben vom 15. Februar 2010 verständigt worden sei) ex lege geendet, ist zu bemerken, dass die Löschung einer juristischen Person im Firmenbuch im Allgemeinen nur deklarativ wirkt; solange Vermögen vorhanden ist, führt dies nicht zum Verlust der Parteifähigkeit (vgl. - zu einer österreichischen GmbH - VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035, VwSlg. 8952/F).
23 Ob und welche Wirkungen ein Wegfall der Parteifähigkeit im Zusammenhang mit der Verjährungshemmung nach § 238 Abs. 3 lit. b BAO hätte, kann aber hier offen bleiben.
24 Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten nach § 79 BAO die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, wobei bei Sachverhalten mit Auslandsbezug auch die Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts heranzuziehen sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79 Tz 5; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 9 Tz 4).
25 Nach § 12 IPRG ist die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Das Personalstatut einer juristischen Person ist nach § 10 IPRG wiederum das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat. Das Personalstatut (Gesellschaftsstatut) ist insbesondere auch für das Ende der Gesellschaft (ihre Rechtsfähigkeit) maßgeblich (vgl. OGH 19.10.2011, 4 Ob 119/11w).
26 Für eine in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (vgl. Jung in Schwarze, EU-Kommentar4, Art. 54 AEUV Tz 1, unter Hinweis auf die Parallelregelung in Art. 31 und 34 EWR-Abkommen) nach dessen Vorschriften wirksam errichtete Gesellschaft ist aber abweichend von § 10 IPRG das Recht des Gründungsstaats maßgebend (vgl. z.B. OGH 17.9.2014, 6 Ob 185/13v mwN; vgl. auch VwGH 20.9.2006, 2005/14/0124, VwSlg. 8158/F; 25.2.2009, 2008/03/0179, VwSlg. 17634/A).
27 Die Parteifähigkeit der X AG bestimmt sich daher (auch unabhängig davon, ob diese nur in Österreich tätig wurde, was aus dem Strafurteil abgeleitet werden könnte) nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein (vgl. auch Art. 232 und Art. 235 des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) des Fürstentums Liechtenstein).
28 Fremdes Recht ist nach § 3 IPRG wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Es kommt dabei in erster Linie auf die dort durch die herrschende Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis an (vgl. RIS-Justiz RS0080958; VwGH 26.6.2014, 2013/15/0062, VwSlg. 8929/F).
29 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs des Fürstentums Liechtenstein (vgl. - in einer Abgabensache - den Beschluss vom 20. Jänner 2011, VGH 2010/029, unter Verweis auf die Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 23. Oktober 2009, StGH 2008/118) können auch gegen eine gelöschte oder sonst beendigte Verbandsperson - wie in dieser Entscheidung ausdrücklich dargelegt wird: im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage - Rechtsansprüche geltend gemacht werden; auch eine gelöschte Verbandsperson ist partei- und prozessfähig. Selbst gegen eine vollbeendete Verbandsperson kann ein Rechtsanspruch geltend gemacht werden (wobei in diesem Zusammenhang insbesondere auch auf die Möglichkeit einer Haftung durch eine dritte Person verwiesen wird).
30 Demnach führte auch die Eintragung der Löschung der X AG im Öffentlichkeitsregister nicht zum Wegfall ihrer Parteifähigkeit, selbst dann, wenn diese - wie aus dieser Eintragung hervorzugehen scheint - mangels Aktiven und Passiven ohne Durchführung eines förmlichen Liquidationsverfahrens beendet wurde. Es ist daher auch von der Wirksamkeit der Aussetzung der Einhebung über den gesamten Zeitraum auszugehen.
31 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Februar 2019
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130010.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019