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L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung BebauungsplanNorm
ABGB §1323;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1. des Alois Hobl und 2. der Theresia Hobl in Rohrbach an der Gölsen, beide vertreten durch Dr. Martin Wandl und Mag. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, Kremsergasse 19, gegen den Bescheid der Nö Landesregierung vom 21. Juli 1995, Zl. R/1-E-119/01, betreffend Kosten eines Enteignungsverfahrens nach dem NÖ. Raumordnungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 1. September 1993 beantragte die Gemeinde Rohrbach an der Gölsen die Enteignung der je zur Hälfte im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden, als Vorbehaltsfläche für Bestattungswesen (Friedhof) ausgewiesenen Teilfläche des Grundstückes Nr. 24/1, EZ 7, KG Gölsen im Umfang von ca. 3.500 m2 und die Übertragung des Eigentumsrechtes an die Gemeinde Rohrbach an der Gölsen. Das Grundstück befindet sich im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Hainfeld.
In dem über Ersuchen der belangten Behörde erstatteten Schätzungsgutachten vom 24. Jänner 1994 gelangte der Amtssachverständige für Bodenwertschätzung zum Ergebnis, dass der Verkehrswert dieser Fläche pro Quadratmeter S 416,50, gerundet insgesamt daher S 1,460.000,-- betrage. In der am 22. April 1994 vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung zur Feststellung des Vorliegens der Enteignungsvoraussetzungen sowie der Höhe der Entschädigung brachten die Beschwerdeführer zum Ausdruck, dass eine gütliche Einigung auf der Grundlage des vom Amtssachverständigen angenommenen Entschädigungsbetrages nicht möglich sei. Der Vertreter der Beschwerdeführer ersuchte aus Termingründen um die Einräumung einer dreiwöchigen Frist zwecks Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zum Verhandlungsergebnis. Der Verhandlungsleiter entsprach diesem Begehren und wies darauf hin, dass mit der Bescheiderlassung bis zum Ablauf der gewährten Frist zugewartet werde.
In der Stellungnahme vom 13. Mai 1994 bestritten die Beschwerdeführer den vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert und stellten weitere Beweisanträge. Weder in diesem Schriftsatz noch zuvor in der mündlichen Verhandlung wurden Kosten des Enteignungsverfahrens verzeichnet.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 1994 wurde unter Spruchpunkt I die begehrte Enteignung gemäß § 20 Abs. 11 des Nö Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-9, (ROG) ausgesprochen und im Spruchpunkt II die Entschädigung mit S 1,460.000,-- festgesetzt. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 15. Juli 1994 zugestellt; der Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Eine Anrufung des örtlich zuständigen Bezirksgerichtes zwecks Neufestsetzung der Entschädigung erfolgte nicht.
Hier gegenständlich ist der bei der belangten Behörde am 21. September 1994 eingelangte Antrag der Beschwerdeführer, der Gemeinde Rohrbach an der Gölsen den Ersatz der Anwaltskosten im Enteignungsverfahren in der Höhe von insgesamt S 151.733,62 aufzutragen. Der Antrag wurde auf die "Enteignungsbestimmungen" des Nö Raumordnungsgesetzes in Verbindung mit § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes gestützt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 74 AVG in Verbindung mit § 20 Abs. 11 des "Nö Raumordnungsprogrammes" (gemeint: Raumordnungsgesetzes) 1976 ab. Da die Spezialvorschrift (bzw. Verweisungsnorm) des § 20 Abs. 11 ROG die sinngemäße Anwendbarkeit der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 und somit auch dessen § 44 nur für das gerichtliche Verfahren (aus Anlass eines Antrages eines Beteiligten auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung) vorsehe, komme hinsichtlich der Kostentragung für das Enteignungsverfahren an sich der im § 74 Abs. 1 AVG normierte Selbsttragungsgrundsatz zur Anwendung. Die belangte Behörde ließ dahingestellt, ob der Antrag als "zeitgerecht" im Sinne des § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG anzusehen gewesen wäre oder ob er nicht bereits aus diesem Grunde als nicht zeitgerecht gestellt hätte zurückgewiesen werden müssen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführer im durch § 20 Abs. 9 ROG festgeschriebenen Recht, alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile abgegolten zu erhalten, verletzt erachten. Die Beschwerdeführer begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 74 AVG lautet:
" (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren
erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.
(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Bauschbetrag festgesetzt werden. "
Die Parteien des Verwaltungsverfahrens haben daher grundsätzlich die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen; nur wenn das Materiengesetz dies vorsieht, findet ein Kostenersatz eines Beteiligten durch einen anderen Beteiligten statt.
Ohne diesen Verweis im § 74 Abs. 2 AVG in diesem Zusammenhang zu erwähnen, wollen die Beschwerdeführer ihren Kostenersatzanspruch aus § 20 Abs. 9 ROG ableiten. § 20 ROG regelt die Vorbehaltsflächen; nach dessen Abs. 2 hat der Antragsberechtigte, wenn das Grundstück dem Eigentümer nicht abgekauft werden kann oder eine Einigung über die Gegenleistung nicht erzielt wird, einen Antrag auf Enteignung zu stellen. Die Abs. 9 bis 11 dieser Bestimmung lauten:
"(9) Der Antragsteller hat den Antragsgegner für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile schadlos zu halten. Der entgangene Gewinn und der Wert der besonderen Vorliebe sind nicht zu ersetzen.
(10) Die Höhe der Entschädigung ist nach dem Verkehrswert der Fläche vor Ausweisung als Vorbehaltsfläche zu ermitteln. Die nach dem Inkrafttreten der Vorbehaltswidmung vorgenommenen Investitionen sind bei Bestimmung des Verkehrswertes nicht zu berücksichtigen.
(11) Über die Enteignung hat die Landesregierung mit einem schriftlichen Bescheid zu entscheiden, in diesem ist auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen. Sowohl der Enteignete als auch der Antragsteller kann binnen 3 Monaten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides beim örtlich zuständigen Bezirksgericht die Neufestsetzung der Entschädigung begehren. Mit dem Einlangen eines solchen Antrages bei Gericht tritt die Festsetzung der Höhe der Entschädigung durch die Landesregierung außer Kraft. Für das gerichtliche Verfahren sind die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71/1954, in der Fassung BGBl. Nr. 137/1975, sinngemäß anzuwenden. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Höhe der Entschädigung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Wenn der Antrag zurückgenommen wird, gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart."
Die Formulierung, "Der Antragsteller hat den Antragsgegner für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile schadlos zu halten", entspricht dem § 18 Bundesstraßengesetz, BGBl. Nr. 286/1971, wobei die Novelle BGBl. Nr. 63/1983 insoferne keine Änderung herbeigeführt hat: "Dem Enteigneten gebührt für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB)". Im Bericht des Rechts-Ausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Raumordnung in Niederösterreich wurde zum § 20 Abs. 9 und 10 ausgeführt:
"Die Begriffe "Schadloshaltung" und "Entschädigung" sind im Sinne anderer Enteignungsbestimmungen zu verstehen (z.B. § 18 BStG 1971). Eine Restflächeneinlösung ist jedoch nicht vorgesehen."
Daraus erhellt aber unzweifelhaft, dass auch der niederösterreichische Landesgesetzgeber mit der Bestimmung des § 20 Abs. 9 ROG die eigentliche Enteignungsentschädigung, keineswegs aber Kosten eines Enteignungsverfahrens im Auge hatte. Verfahrenskosten unterliegen nicht dem § 1323 ABGB, sondern werden von den jeweiligen Verfahrensvorschriften geregelt (vgl. Reischauer in Rummel ABGB2/2, RZ 22 zu § 1323 ABGB mit ausdrücklichem Hinweis auf § 74 AVG). § 20 Abs. 9 ist keine Verfahrensbestimmung; das Verfahren wird im § 20 Abs. 11 ROG geregelt. Aus § 20 Abs. 9 ROG kann eine die Grundregel des § 74 Abs. 1 AVG ausschließende Kostenersatzregelung keinesfalls entnommen werden.
§ 20 Abs. 11 ROG wird aber nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, "eng" interpretiert, wenn sich schon dem Wortlaut dieser Bestimmung entnehmen lässt, dass "für das gerichtliche Verfahren" die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes sinngemäß anzuwenden sind. Damit unterscheidet sich diese Bestimmung wesentlich von jener des § 20 BStG, nach der über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes entscheidet.
Im Übrigen war das Kostenersatzbegehren gemäß § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG verfristet. Die nicht zeitgerechte Geltendmachung des Kostenersatzanspruches bewirkt nämlich dessen Verlust (Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1689, Anmerkung 4 zu § 74 AVG; in diesem Sinne auch Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, RZ 674, mit Hinweis auf § 54 ZPO und Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren I8, 425). Gegen die gegenteilige Meinung von Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I, 504, spricht nicht nur der eindeutige Gesetzeswortlaut, sondern auch die Erwägung, dass dem AVG-Gesetzgeber des Jahres 1925 wohl die vorgefundene Bestimmung des § 54 ZPO vor Augen stand, welche an eine nicht zeitgerechte Übergabe des Kostenverzeichnisses und etwa erforderlicher Belege den Verlust des Kostenersatzanspruches knüpfte.
Dass hier eine zeitgerechte Geltendmachung im Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen wäre, ist nicht hervorgekommen; den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen steht der oben wiedergegebene Inhalt des Verhandlungsprotokolls entgegen.
Das zwei Monate nach Bescheiderlassung an die Behörde gerichtete Kostenersatzbegehren war somit jedenfalls verfristet; im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1993, Slg. Nr. 13.777/A, in welchem es um die Kosten des Enteignungsverfahrens für eine Bundesstrasse (im Sinne des § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz) ging, wurde in der Sachverhaltsdarstellung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Ersatz der Anwaltskosten so rechtzeitig eingebracht wurde, dass der Ausspruch über die Kosten in den Enteignungsbescheid hätte aufgenommen werden können.
Dadurch, dass die belangte Behörde nicht mit einer Zurückweisung vorging, sondern die materielle Rechtsfrage (richtig) löste und deswegen zu einer Abweisung des Begehrens gelangte, konnte eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer nicht eintreten. Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995050255.X00Im RIS seit
21.02.2002