TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2018/08/0034

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §35 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des M C in Wien, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Jänner 2018, W173 2007091-1/7E, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlags nach § 113 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht - unter Bestätigung des betreffenden Bescheids der belangten Behörde vom 25. November 2013 - den Revisionswerber gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlags von EUR 2.300,--, weil er als Dienstgeber unterlassen habe, drei - bei einer behördlichen Kontrolle am 28. Juni 2012 in einem von ihm auf seine Rechnung und Gefahr betriebenen Gastlokal bei der Verrichtung von Arbeiten (Heranschaffen von Waren aus dem Lager, Geschirrabwaschen) betretene - Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden.

Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

3.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von seiner Dienstgebereigenschaft ausgegangen. Da ihm im betreffenden Zeitpunkt der Zutritt zu den Betriebsräumen versagt gewesen sei, habe er auf den Geschäftsbetrieb keinen faktischen Einfluss (mehr) nehmen und nicht entscheiden können, wer dort Arbeitsleistungen erbringe. Mangels Dienstgebereigenschaft könne ihm daher kein Beitragszuschlag auferlegt werden.

3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 erster Satz ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist für die Dienstgebereigenschaft wesentlich, dass die betreffende Person nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, also die Person das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. VwGH 19.10.2011, 2008/08/0030). Im Fall einer Betriebsführung durch Dritte muss der betreffenden Person zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehen (vgl. VwGH 31.7.2014, 2013/08/0213).

Maßgeblich sind demnach die wirklichen rechtlichen Verhältnisse, nicht der nach außen in Erscheinung tretende Sachverhalt (siehe VwGH 28.9.2018, Ra 2015/08/0080). Neben der Risikotragung für den Betrieb genügt jedenfalls die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung, unmaßgeblich ist, ob und inwiefern der Dienstgeber diese rechtliche Möglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt (vgl. VwGH 2.4.2008, 2007/08/0240).

3.3. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen unstrittigen Feststellungen habe der Revisionswerber das Lokal ungefähr ab 2007 betrieben. Auf Grund einer mündlichen Vereinbarung mit A C habe dieser als "stiller Beteiligter" fungiert.

Der Revisionswerber habe den Mietvertrag für das Lokal abgeschlossen, der (erst) mit 31. Dezember 2012 ausgelaufen sei. Er habe über eine Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Gastgewerbes verfügt, die er (erst) am 23. Juli 2012 zurückgelegt habe. Im Betrieb seien mehrere Personen als Dienstnehmer beschäftigt gewesen, die teilweise (wie etwa der Sohn des Revisionswerbers) auch zur Sozialversicherung angemeldet gewesen seien. Von den bei der Kontrolle am 28. Juni 2012 betretenen drei Personen sei B D vom Revisionswerber bereits ab 2009 als Kellner angestellt worden und bis zur Schließung im Gastlokal tätig gewesen; M S sei als Abwäscherin im Lokal tätig gewesen, E C habe den Einkauf und Transport von Waren, die Erstellung der Dienstpläne und die Erteilung von Anordnungen an die Beschäftigten besorgt. Der Revisionswerber habe gegenüber dem Personal "die Funktion eines Chefs" eingenommen.

Am 4. Juni 2012 sei es zu einem Streit zwischen dem Revisionswerber und A C gekommen, in dessen Folge dieser dem Revisionswerber habe ausrichten lassen, das Lokal "nicht mehr zu betreten". Der Revisionswerber als Unternehmer und Dienstgeber habe in der Folge nicht umgehend für eine ordnungsgemäße Beendigung des Betriebs seines Gastlokals oder für einen ordnungsgemäßen Übergang des Betriebs auf A C gesorgt. Vielmehr habe er das Gastlokal jedenfalls bis zum 23. Juli 2012 betrieben und erst ab jenem Zeitpunkt Schritte zur Beendigung des Betriebs gesetzt, indem er die Gewerbeberechtigung zurückgelegt und Abmeldungen der Dienstnehmer bei der Sozialversicherung vorgenommen habe. Im August 2012 habe er die Papiere der Dienstnehmer an A C ausgehändigt, um diesem eine Wiederanmeldung im Rahmen des beabsichtigten Fortbetriebs des Gastlokals bzw. die Ausfolgung der Abmeldungen und Arbeitsbescheinigungen zu ermöglichen.

3.4. Auf Grundlage dieser Feststellungen und der bereits erörterten Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht fallbezogen auf nicht unvertretbare Weise zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber als Dienstgeber zu erachten ist, wurde doch der Betrieb zum Zeitpunkt der Kontrolle am 28. Juni 2012 (noch) auf seine Rechnung und Gefahr geführt.

Auch wenn dem Revisionswerber auf Grund des am 4. Juni 2012 stattgefundenen Streits mit A C das Betreten des Lokals untersagt wurde, ist davon auszugehen, dass er nach rechtlichen Gesichtspunkten - auf die faktischen Verhältnisse kam es nicht an -

aus den Geschäften im Rahmen des Betriebs des Gastlokals weiterhin unmittelbar berechtigt und verpflichtet wurde. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat er nämlich bis zur Kontrolle am 28. Juni 2012 keinerlei Veranlassungen - wie etwa Beendigung der eingegangenen Dienstverhältnisse, Abmeldung der (sofern angemeldeten) Dienstnehmer, Beendigung des bestehenden Mietvertrags für das Lokal, Zurücklegung der Gewerbeberechtigung, Beendigung der Bezugsverträge (für Strom, Wasser etc.), oder alternativ Übertragung der bestehenden Rechtsverhältnisse auf A C als Nachfolger - getroffen, um sich der weiteren Betriebsführung und damit seiner Dienstgebereigenschaft samt den damit verbundenen Verpflichtungen zu entledigen.

Im Hinblick darauf war die Dienstgebereigenschaft des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Kontrolle am 28. Juni 2012 zweifellos (noch) gegeben. Dem angefochtenen Erkenntnis haftet kein diesbezüglicher Fehler an.

4. In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080034.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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