Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thekra A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagen Mohanad S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 2018, GZ 84 Hv 19/18f-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche und Freisprüche enthält, wurde Mohanad S***** im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang siehe 15 Os 34/18s) eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B./I./) sowie eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B./II./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 26. Oktober 2016 in Wien jeweils durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper Matin G***** zu einer Handlung genötigt bzw zu nötigen versucht, indem er
B./I./ eine Hand erhob, als wollte er zu einem Schlag in ihr Gesicht ausholen, und sie aufforderte, einen Ausweis vorzuzeigen,
B./II./ ihr androhte, er werde sie schlagen, wenn sie ihm nicht sage, wo sie das angeblich gestohlene Geld versteckt habe.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mohanad S*****, die ihr Ziel verfehlt.
Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert, die Tatrichter hätten keine hinreichende Begründung dafür angeführt, dass die Drohungen geeignet waren, dem Opfer begründete Besorgnisse einzuflößen, wird verkannt, dass es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt (RIS-Justiz RS0092538). Das Fehlen einer rechtlichen Begründung schafft keine Urteilsnichtigkeit (RIS-Justiz RS0100877 [T3]).
Die Feststellungen zur Ernstlichkeit der Drohungen ließ das Erstgericht entgegen dem weiteren Beschwerdevorwurf nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), sondern stützte sich dabei auf das näher beschriebene aggressive Vorgehen der drei Angeklagten (US 8).
Mit der – im Übrigen nicht zutreffenden – Behauptung, die Feststellungen zu den Drohungen stünden im Widerspruch zur Aussage des Opfers in der Hauptverhandlung, wird Nichtigkeit aus Z 5 dritter Fall nicht angesprochen (RIS-Justiz RS0117402 [T1, T8]).
Ebensowenig ist dem Schöffengericht, das sich in der Beweiswürdigung auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin G***** stützte, diesbezüglich eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) unterlaufen, sagte diese in der Hauptverhandlung doch aus, der Rechtsmittelwerber habe ihr gedroht, sie zu schlagen, wenn sie das Geld nicht hergebe oder ihm den Ausweis nicht zeige. Das Beschwerdevorbringen, nach der Erzählung der Zeugin hätte sich der Rechtsmittelwerber an den Tathandlungen gegen sie gar nicht beteiligt, findet im zitierten Hauptverhandlungsprotokoll keine Deckung (ON 63 S 8).
Die Feststellungen zum Vorliegen von zwei getrennten Taten (ohne einheitlichen Vorsatz des Angeklagten [US 6]; vgl 15 Os 34/18s) haben die Tatrichter ebenfalls nicht unbegründet gelassen (Z 5 vierter Fall), sondern sich auch diesbezüglich auf die Zeugenaussage des Opfers gestützt (US 8).
Der Rechtsmittelwerber behauptet, er wäre durch eine Dienstpflicht gegenüber seiner Dienstgeberin gerechtfertigt gewesen, weil das Opfer zuvor eines Diebstahls zu deren Nachteil verdächtigt worden war (Z 9 lit b). Er legt aber nicht dar, weshalb er als Privatperson vorliegend den Rechtfertigungsgrund der Ausübung einer Dienstpflicht beanspruchen können sollte, obwohl er nicht als Beamter iSd § 74 Abs 1 Z 4 StGB tätig wurde (vgl Leukauf/Steiniger/Tipold, StGB4 § 3 Rz 14 f).
Soweit der Sache nach der Rechtsfertigungsgrund nach § 105 Abs 2 StGB (vgl RIS-Justiz RS0093180, RS0089837) angesprochen wird, weil es bei den Straftaten um die Durchsetzung von von ihm angenommenen, gegenüber seiner Dienstgeberin bestehenden Ansprüchen ging, legt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht dar, weshalb eine Drohung mit einer Körperverletzung der Mittel-Zweck-Relation im Sinn des § 105 Abs 2 StGB nicht grundsätzlich widerstreiten sollte (Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 78, Kienapfel/Schroll, StudB BT I4 § 105 Rz 64; 12 Os 8/17v), und nicht ein qualitatives Missverhältnis von Mittel und Zweck vorliegen sollte (RIS-Justiz RS0131502).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E124322European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00169.18V.0227.000Im RIS seit
20.03.2019Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019