TE OGH 2019/2/27 15Os153/18s

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Melih U***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dervis U***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. April 2018, GZ 34 Hv 138/17g-92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Dervis U***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch eines Mitangeklagten enthält, wurde Dervis U***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (A./2./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (B./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. August 2017 in I*****

A./ Dominik R*****

2./ durch einen wuchtigen Schlag mit einem Bierkrug gegen den Kopf absichtlich eine schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, was eine tiefe Schnittwunde am Kopf und eine Schädelprellung des Genannten zur Folge hatte.

B./ ...

2./ Cornelia M***** mit Gewalt, indem er ihre Hose herunterriss, ihre Schamlippen auseinanderriss, sie mit einer Hand am Arm festhielt und auf die Bank niederdrückte, zur Duldung des Beischlafs genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dervis U*****, die ihr Ziel verfehlt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung von in der Hauptverhandlung zu B./2./ gestellten Anträgen (ON 91 AS 35 iVm ON 87) Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Der Antrag auf Vernehmung des Silas M***** als Zeuge zielte erkennbar darauf ab, die Glaubwürdigkeit der Cornelia M***** (seiner Mutter) zu erschüttern. Ihm kam keine Berechtigung zu, weil dem – auf angebliche Mitteilungen der Cornelia M***** zur Herkunft ihrer blauen Flecken [US 16 f: Prellungen am Rücken und am Ellbogen] aus einem Sturz bezogenen – Vorbringen nicht zu entnehmen war, weshalb das (angestrebte) Beweisergebnis geeignet sei, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen (unfreiwilliger, mit Gewalt abgenötigter Geschlechtsverkehr) anzustellende Beweiswürdigung zugunsten des Genannten maßgeblich zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0116987).

Die zeugenschaftliche Vernehmung des Martin L***** wurde zum Beweis dafür beantragt, dass Cornelia M***** in der Tatnacht stark betrunken gewesen sei, junge männliche Lokalgäste, darunter den Beschwerdeführer und seinen Bruder, sexuell bedrängt habe, und dass die Angaben des Opfers zur zeitlichen Abfolge der Geschehnisse, zum Verlassen und Betreten des Lokals und zu den Kontakten ua mit den Brüdern U***** falsch seien. Auch dieser Antrag ließ nicht erkennen, weshalb dadurch die Unrichtigkeit der Angaben des Opfers zu entscheidenden Tatsachen bewiesen werden könnte.

Über den Beweisantrag hinausgehendes, in der Beschwerde nachgetragenes, Vorbringen ist dem sich aus dem Wesen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden

Neuerungsverbot zufolge unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Die gesetzliche Anordnung, die Nichtigkeitsgründe bestimmt zu bezeichnen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO), schließt in den Fällen, in denen die eingewendete Nichtigkeit nach dem Gesetz aus den Akten zu entwickeln ist (hier: Z 5 zweiter Fall), als logisch ersten Schritt bestimmter Bezeichnung die Notwendigkeit ein, die diesbezüglichen Fundstellen zu nennen. Demnach muss bei umfangreichen Akten wie hier die Aktenseite, auf der die argumentative Basis der Nichtigkeitsbeschwerde zu finden ist, exakt bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0124172).

Hinsichtlich des Vorwurfs der Unvollständigkeit betreffend Angaben des Marco F***** und ein chemisch-toxikologisches Gutachten erfüllt die Beschwerde zu B./2./ dieses Erfordernis nicht.

Das erkennende Gericht ist im Übrigen weder dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher in der Hauptverhandlung vorgekommener Aussagen in extenso zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, noch muss es sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen. Es genügt vielmehr, wenn das Schöffengericht im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum es von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS-Justiz RS0098541, RS0106642).

Inwieweit die von der Zeugin W***** geschilderte Alkoholisierung des Opfers in der Tatnacht („Wir sind beide voll rauschig gewesen“ – ON 31 AS 19 in ON 74) die Glaubhaftigkeit welcher Aussagen der Cornelia M***** zu welchen entscheidenden Tatsachen aus welchen Gründen ernsthaft in Frage stellen sollte, lässt der Beschwerdeführer offen (vgl 11 Os 112/17f).

Nicht erörterungsbedürftig war eine vom Rechtsmittelwerber zu B./2./ isoliert hervorgehobene Passage, wonach ihn die Zeugin W***** bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung einmal irrig für seinen (unmittelbar davor nicht vor dem Vernehmungszimmer wahrgenommenen) jüngeren Bruder gehalten hatte (ON 31 AS 31 f in ON 74), zumal sie über Nachfrage in der Hauptverhandlung keine Unsicherheiten in Bezug auf die Identifizierung und Unterscheidung der beiden (dort gleichzeitig anwesenden) Männer zeigte (vgl ON 84 AS 33, 37).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, nominell zum Teil auch Z 10) zuwider wurden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A./2./ (US 7) zureichend begründet. Ohne Verstoß gegen Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen durften die Tatrichter aus dem objektiven Vorgehen des Angeklagten (Ausholen mit einem vollen Bierkrug und Versetzen eines – ua aus dem Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. A***** [US 12] abgeleiteten – wuchtigen Schlages gegen den Kopf, US 7) darauf schließen (US 13), dass der Beschwerdeführer dabei in der Absicht gehandelt hatte, R***** sogar schwer am Körper zu verletzen (vgl RIS-Justiz RS0116882).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zu B./2./ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Fehlen der Einwilligung des Opfers in den Geschlechtsverkehr, vernachlässigt dabei aber die ohnehin getroffenen Konstatierungen, wonach Cornelia M***** kurz vor der inkriminierten Tat ein Angebot des Beschwerdeführers auf Sex gegen Bezahlung ausschlug, sich aufgrund der nachfolgenden Gewaltanwendung durch den Genannten nicht gegen den Vollzug des Geschlechtsverkehrs wehren konnte (US 9) und es dem Angeklagten bei der Tat darauf ankam, den einem Vollzug des Beischlafs entgegenstehenden Willen des Opfers zu beugen und dessen dagegen gerichteten Widerstand zu brechen oder zu überwinden (US 10).

Unter dem Aspekt der – in diesem Zusammenhang überdies inhaltlich angesprochenen –Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist der insbesondere aus den Angaben des Opfers und dem Vorliegen von Verletzungen gezogene Schluss auf eine Nötigung desselben zum konkreten – besonders schmerzhaften –Geschlechtsverkehr (US 9 f, 15 ff) nicht zu beanstanden.

Entgegen der zu A./2./ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen reklamierenden Subsumtionsrüge (Z 10) brachte das Erstgericht zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer die Tathandlung in der Absicht vornahm, R***** schwer am Körper zu verletzen (US 7, 13). Welcher weiteren Konstatierungen es für einen Schuldspruch nach § 87 Abs 1 StGB bedurft hätte, erklärt die Beschwerde nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E124324

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00153.18S.0227.000

Im RIS seit

20.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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