Entscheidungsdatum
15.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L501 2197473-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, VZ. 180767373, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52 und 55 Abs.1a FPG als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG idgF auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung volljährige beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 23.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die bP reiste ihren Angaben nach mit ihren Eltern und den Geschwistern unter Verwendung eines im November 2015 ausgestellten irakischen Reisepasses legal aus. Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sie das Land verlassen habe, "weil ihr Vater mit dem Umbringen bedroht worden sei". Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, dass "ihre Eltern umgebracht würden".
In der Einvernahme beim BFA brachte die bP zur Ausreisemotivation befragt an, dass sie die gleichen Gründe wie ihr Vater habe. Eines nachts sei sie von vier maskierten Männern aufgehalten und nach ihrem Vater gefragt worden. Sie habe ihnen mitgeteilt, dass ihr Vater aufgrund der Scheidung von ihrer Mutter nicht nach Bagdad kommen dürfe, er daher in Erbil wohne und arbeite. Sie wäre jedoch der Lüge bezichtigt und geschlagen worden. Mit Verletzungen im Gesicht und am Kopf sowie gebrochenem Schlüsselbein sei sie nach Hause gegangen. Bis zu ihrer Ausreise habe sie mit ihrer Mutter bei einer zehn Minuten entfernt lebenden Tante gewohnt. Eine Nachbarin habe ihnen erzählt, dass die Milizen ihr Haus abgebrannt hätten. Ihr Vater werde sowohl von den Milizen als auch vom Familienclan ihrer Mutter bedroht; ihr Vater habe nämlich ein Problem mit ihrem ca. eine Stunde entfernt wohnenden Onkel. Sie persönlich werde vom Familienclan der Mutter nicht bedroht.
Dieser erste Antrag auf internationalen Schutz wurde im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Vorbringen der bP zu der von ihr behaupteten Bedrohungssituation in ihrer Heimat mit näherer Begründung als nicht glaubhaft und ging des Weiteren davon aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliegt sowie eine Ausweisung keine Verletzung des Art 8 EMRK darstellt.
I.2. Am 13.08.2018 stellte die bP den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz. Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt, führte die bP aus, dass ihr Vater der österreichischen Polizei im Jahr 2016 Hinweise bezüglich eines IS-Anhängers gegeben habe. Der Vater sei am 30.11.2016 zur Verhandlung beim Landesgericht Innsbruck als Zeuge geladen gewesen; das Verfahren habe mit einem Freispruch für den Angeklagten geendet. Am 22.07.2018 habe ihr Großvater im Irak einen an ihren Vater adressierten Drohbrief erhalten, indem der Verfasser mit dem Tod der gesamten Familie gedroht habe. Die Drohung sei mit dem auf die Verhandlung vom 30.11.2016 bezogenen Verrat begründet gewesen.
In ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 23.08.2018 teilte die bP mit, dass ihr Vater der österreichischen Polizei Informationen über einen syrischen Staatsangehörigen, einem Emir der Miliz Jabhout Al Nusra geliefert habe. Der Syrer habe - wie auch dessen Bruder - viele Menschen getötet und sei für Angriffe in Syrien verantwortlich gewesen. Die von ihrem Vater aufgenommenen Gespräche mit dem Syrer seien diesem vorgespielt worden. Die Brüder seien ca. zwei Monate lang in Österreich inhaftiert gewesen; ob sie verurteilt worden seien, wisse sie nicht. Am 22.07.2018 habe ihr im Irak lebender Großvater einen an ihren Vater adressierten Drohbrief im Vorgarten seines Hauses gefunden. Der Verfasser des Briefes drohe mit dem Tod der gesamten Familie - es sei daher auch das Leben des Großvaters, des Onkels und Tanten bedroht -, da ihr Vater mit der österreichischen Polizei, den Ungläubigen zusammengearbeitet habe; im Briefumschlag seien auch zwei Kugeln gewesen. Ihr Großvater habe den Drohbrief, den Umschlag und die zwei Kugeln fotografiert und via Handy geschickt. Er habe den Vorfall bei der irakischen Polizei angezeigt und die Unterlagen anschließend nach Österreich geschickt; nicht jedoch den Originaldrohbrief und die Kugeln. Sie habe keinen Kontakt mit ihrem Großvater, ihre in Österreich lebenden Familienmitglieder nur ganz selten aufgrund der bereits im Erstasylverfahren geschilderten Probleme. Die bP verneint die Frage, ob sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorasylverfahrens eine Änderung im Privat- oder Familienleben ergeben habe.
Mit E-Mail vom 27.08.2018 legte die rechtsfreundliche Vertretung folgende Schreiben in arabischer Sprache samt Übersetzung vor:
Drohbrief, Anzeige an PI vom 24.07.2018, Schreiben an U-Richter vom 29.07.2018, Schreiben an U-Richter vom 30.07.2018. Laut Angabe der rechtsfreundlichen Vertretung seien ihr Kopien, die mit originalen Stempeln der irakischen Behörden versehen wären, übergeben worden.
Der vorgelegte Drohbrief hat folgenden Inhalt: "Wir sagen dir, dass wir Dich, sämtliche Mitglieder deiner Familie und deinen Sohn [...] und dessen gesamte Familienmitglieder töten werden, weil dein Sohn [...], der der in Österreich wohnt, die österreichische Polizei bei der Festnahme von islamischen Kämpfer (Mujahedin), die gegen den Ungläubigen und Abtrünnigen kämpft, unterstützt. Deshalb sollst du [ihn] dazu bringen dies zu unterlassen, sonst werden wir euch töten.
[...]"
Das Asylverfahren wurde ex lege am 03.09.2018 zugelassen.
In ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 13.09.2018 bekräftigte die bP ihr neues Vorbringen und teilte mit, dass sie keinen Kontakt mit ihrem Großvater habe, den Absender des Drohbriefs zwar nicht kenne, aber es vom Schreibstil her jene Personen wären, die ihr Vater in Österreich verraten habe. Sie habe derzeit keinen fixen Aufenthaltsort, sie lebe in Tirol auf der Straße.
Am 05.09.2018 langte beim BFA die Vorfallsmeldung ein, dass die bP am 04.09.218 ein sehr aggressives Verhalten zu Tage gelegt habe. Am 07.09.2018 langte die zweite Vorfallsmeldung ein, dass die bP am 06.09.2018 an einem Raufhandel beteiligt gewesen sei. Sie wurde daraufhin ins Krankenhaus verbracht, ein Betretungsverbot wurde ausgesprochen. Am 07.09.2018 langte die dritte Vorfallsmeldung ein, dass die bP am 07.09.2018 gegenüber der einschreitenden Exekutive im Laufe des Gesprächs zunehmend ungehalten gewesen sei, aggressiv gestikuliert habe und gegenüber den Beamten Drohgebärden äußerte. Am 07.09.2018 langte die vierte Vorfallsmeldung ein, wonach die bP trotz bestehenden Betretungsverbot die Betreuungsstelle betreten habe. Lt. Berichterstattung der zuständigen Polizeiinspektion wurde die bP wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung zur Anzeige gebracht.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowohl hinsichtlich der Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG werde ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.)
Die belangte Behörde stellte zusammengefasst fest, dass ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt nicht festgestellt habe werden können und sich die allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsstaat nicht geändert habe. Sie sprach dem neuen Vorbringen den "glaubhaften Kern" ab und führte diesbezüglich im Rahmen der Beweiswürdigung unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass der vorgelegte Drohbrief keine behördliche Urkunde darstelle, jede Person einen Drohbrief verfassen könne und jede Person aufgrund irgendeines Vorfalles eine Anzeige bei der Polizei erstatten könne und diese - wie gegenständlich erfolgt - die getätigte Anzeigeerstattung bestätige. Hiermit werde jedoch lediglich die Entgegennahme der Anzeige bestätigt, nicht jedoch, dass der angezeigte Vorfall tatsächlich stattgefunden habe. Die vorgelegten amtlichen Bestätigungen zeigten vielmehr, dass die Polizei die Anzeige entgegengenommen und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, sohin schutzwillig sei. Auffallend sei einerseits, dass der Großvater den Drohbrief der Familie nicht sofort habe zukommen lassen, sondern erst nach Einholung zusätzlicher Bestätigungen und andererseits, dass er die Anzeige nicht sofort am 21.07.2018, sondern erst am 24.07.2018 erstattet habe. Im Falle einer solchen Bedrohung würde man sicherlich sofort alle möglichen Schritte zum Selbstschutz einleiten und mit der Verständigung der Polizei nicht drei Tage zuwarten. Des Weiteren sei der Großvater mit dem Umbringen bedroht worden, es sei jedoch bislang nichts geschehen. Die im Drohbrief enthaltene Aufforderung an den Großvater, den Vater der bP dazu zu bringen, weitere Schritte zu unterlassen, sonst würden sie getötet werden, sei unlogisch, zumal dem Verfasser bekannt sein müsste, dass seit 2016 keine weiteren Maßnahmen mehr gesetzt worden seien und der Vater seit über 1,5 Jahren nichts mehr unternehme. Auch wenn man davon ausginge, dass den besagten Brüdern der Name der bP bekannt sei, sei es nicht glaubwürdig, dass eine Privatperson den Großvater nach 1,5 Jahren in Bagdad ausfindig machen könne, zumal sein Name bzw. seine Wohnadresse nie genannt worden sei. Obwohl der Großvater gemäß dem Vorbringen mit dem Umbringen bedroht worden sei, hätten weder die bP noch ihre in Österreich lebenden Familienmitglieder zwischenzeitlich Kontakt mit ihm gehabt. Aufgrund dieser Erwägungen werde davon ausgegangen, dass der Drohbrief nicht authentisch sei und das dazu erstattete Vorbringen nur der Konstruktion einer neuen Verfolgungssituation diene. Zudem sei die bP in die Geschehnisse nie involviert gewesen und habe nicht wirklich Bescheid gewußt; so habe sie angegeben, die Brüder seien verurteilt worden, obwohl das Strafverfahren in Wirklichkeit eingestellt wurde."
Mit Schreiben vom 19.09.2018 erhob die rechtsfreundlich vertretene bP fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher sie eine Verletzung der Ermittlungspflicht moniert, da die Behörde dem neu erstatteten Vorbringen nicht nachvollziehbar komplett die Glaubwürdigkeit versagt habe. Die Aussage, dass Drohbriefe einen geringen Beweiswert hätten, da sie selbst hergestellt werden könnten, sei gemäß Rechtsprechung die Rechtssicherheit beeinträchtigend. Pauschal von falschen oder verfälschten Beweismittel auszugehen sei nicht geeignet die Glaubwürdigkeit zu verweigern. Auch könnten Ermittlungen im Heimatland durch Privatpersonen, sog. Vertrauensanwälte, durchgeführt werden. Bezüglich des Familienlebens gehe die Behörde von einer res iudicata aus, anstatt eine drohende Art. 8 EMRK Verletzung erneut zu prüfen. Es läge eine gehäufte Verkennung der Rechtslage vor, da die Behörde die Ausnahme des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hätte prüfen müssen; der Großvater habe den Drohbrief erst am 21.07.2018 erhalten, die bP hätte dies sohin im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (04.07.218) nicht vorbringen können. Die Behörde hätte daher zur Glaubwürdigkeit des Vorbringens ausführen müssen. Des Weiteren hätte es einer Auseinandersetzung mit der Situation von Rückkehrern bedurft, da diese gemäß den aktuellen Länderfeststellungen keine Chance hätten, sich eine Existenz aufzubauen. Da die Familienmitglieder der bP weiterhin in Österreich aufhältig seien, würde durch den verfahrensgegenständlichen Bescheid Art. 8 MRK verletzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Der Sachverhalt hinsichtlich der Anträge auf internationalen Schutz sowie der Vorbringen samt Vorlagen der nunmehrigen bP im Erstasylverfahren und im Folgeverfahren sowie der ergangenen Entscheidungen des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts entspricht dem unter Punkt I. geschilderten Verfahrensgang und wird diesbezüglich darauf verwiesen.
II.1.2. Die Identität und Herkunft der bP steht lt. BVA fest. Die bP ist Staatsangehörige des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischen Glaubens. Sie kommt aus Bagdad und war bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie verfügt im Herkunftsstaat noch über ein verwandtschaftliches Netz, so lebte sie zuletzt mit ihrer Mutter bei einer Tante in Bagdad. In Bagdad lebt auch ihr Großvater mit seinen beiden Ehegattinnen. Die behauptete Verfolgung des Vaters durch Verwandte der Mutter bezieht sich nicht auf sie.
Die bP hat Schulbildung und Berufserfahrung im Verkauf. Aktuell liegen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen vor, es werden keine Medikamente eingenommen.
Die bP reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Sie hat derzeit keinen fixen Aufenthaltsort, sie lebt auf der Straße. Ihre Eltern sowie ihre minderjährigen Geschwister halten sich derzeit in Tirol auf; deren Anträge auf internationalen Schutz wurden jeweils mit Bescheiden des BFA vom 02.05.2018 in vollem Umfang abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Eltern sowie die Geschwister haben dagegen rechtzeitig Beschwerde erhoben, die diesbezüglichen Verfahren sind derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Eine volljährige Schwester verfügt gemäß § 55 AsylG über einen Aufenthaltstitel. Anderweitige familiäre Beziehungen liegen in Österreich nicht vor. Von 09.2016 bis 07.2017 und 09.2017 bis 07.2018 besuchte die bP die Neue Mittelschule, ein Zeugnis wurde nicht vorgelegt. Von 09.2016 bis 07.2017 besuchte sie die Bundeshandelsakademie, hier erfolgte gleichfalls keine Zeugnisvorlage. Der Besuch des Deutschunterrichtes wird seitens der Schule bestätigt. Sie besucht ein Fitnessstudio. Seitens Privatpersonen wird bestätigt, dass sie höflich, hilfsbereit, zuvorkommend ist und, soweit es die sprachlichen Möglichkeiten erlauben, bemüht ist, sich zu integrieren. Es hat keine soziale oder integrative Verfestigung der bP in Österreich stattgefunden.
Die bP geht seit ihrer Ankunft in Österreich keiner grundsätzlich möglichen und erlaubten Erwerbstätigkeit nach, um sich wirtschaftlich selbst zu erhalten (http://www.ams.at/_docs/400_Asyl-Folder_DEUTSCH.pdf). Sie ist zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich auf staatliche Zuwendungen angewiesen.
Abgelegte Deutschprüfungen, insbesondere solche gemäß dem GER, wurden nicht nachgewiesen. Bestätigt wird die Teilnahme am Kurs Deutsch Niveau A1 zw. 01.2017 und 12.2017. Es langten vier Vorfallsmeldungen beim BFA ein, zuletzt wurde über eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung berichtet. Strafrechtliche Verurteilungen sind seitens der Strafgerichte bzw. Sicherheitsbehörden nicht bekannt gegeben worden.
Die bP hält sich seit ihrer ersten Antragstellung in Österreich auf und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Ihr Aufenthalt war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinne der §§ 382b oder 382e EO.
II.1.3. Der Vater der bP informierte die österreichische Polizei über einen syrischen Staatsangehörigen, der für Angriffe in Syrien verantwortlich gewesen sein soll und legte als Beweis hierfür eine Aufnahme eines mit dem Syrer geführten Gesprächs vor. Die StA eröffnete gegen diesen syrischen Staatsangehörigen und dessen ‚Bruder' ein Ermittlungsverfahren nach § 278b Abs. 2 StGB. Nach einer kontradiktorischen Einvernahme am 30.11.2016 wurde die Untersuchungshaft aufgehoben, das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft am 13.12.2016 eingestellt.
II.1.4. Der bP droht im Irak keine individuelle Gefährdung oder psychische und/oder physische Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte. Das Vorbringen der bP zur Begründung ihres verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz weist keinen glaubhaften Kern auf.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak. Die bP ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit Berufserfahrung. Sie verfügt über familiäre Beziehungen im Irak und ist ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Auskommens möglich und zumutbar.
II.1.5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der bP werden die bereits von der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid getroffenen länderkundlichen Feststellungen auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt.
II.1.6. Eine entscheidungsmaßgebliche Änderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP ist seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E, nicht eingetreten.
II.2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten sowie den Gerichtsakten.
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen unter Punkt II. ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde zum gegenständlichen und dem vorangegangenen Verfahren sowie der Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes zum gegenständlichen und dem vorangegangenen Verfahren. Der Sachverhalt steht sohin bereits aufgrund der Aktenlage außer Zweifel und ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung der belangten Behörde weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität auf.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu A)
II.3.1. Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache)
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren
Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zu dem rechtskräftig entschiedenen Erstasylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783); im vorliegenden Fall somit das in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E.
Wie sich bei einem Vergleich der Verfahrensinhalte des ersten und sowie des gegenständlichen Verfahrens zeigt, stützt die bP ihren Folgeantrag im Wesentlichen nicht auf die von ihr bereits im Vorverfahren getätigten Angaben, sondern auf einen vom Großvater am 21.07.2018 in Bagdad erhaltenen Drohbrief, welcher auf eine Anzeige des Vaters der bP bei der österreichischen Polizei im Jahr 2016 Bezug nimmt; die vorgebrachte Bedrohung entstand sohin nach Rechtskraft der letzten Entscheidung (09.07.2018). Die belangte Behörde hat daher im Sinne der Rechtsprechung zutreffend geprüft, ob diesem neuen Vorbringen ein glaubhafter Kern zukommt oder nicht. Ihre diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen werden vom Bundesverwaltungsgericht als logisch konsistent, schlüssig und nachvollziehbar erachtet. Dies insbesondere aus folgenden Gründen:
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurden der Drohbrief bzw. die Bestätigungen der amtlichen irakischen Stellen seitens des BFA keineswegs a priori als gefälschte Beweismittel angesehen, sondern vielmehr im Kontext mit den geschilderten Geschehnissen und Verhalten aller Beteiligten einer Würdigung unterzogen. In die Überlegungen einbezogen wurde insbesondere die bis zur Erstattung der Anzeige bei der Polizei verstrichene Zeit von drei Tagen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung als unverhältnismäßig lang zu bewerten ist. Eine mit dem ausgeführten Drohungsszenarium konfrontierte Person wäre jedenfalls bestrebt, ehest möglich alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen; ein Zuwarten von drei Tagen ist daher mit den vorgebrachten Todesdrohungen nicht in Einklang zu bringen. Wie das BFA des Weiteren richtigerweise ausführte, fügt sich auch das im Brief beschriebene Ziel der Drohung, nämlich den Vater der bP von einer "Zusammenarbeit" mit der österreichischen Polizei abzuhalten (vgl. Übersetzungen des Drohbriefs: "du musst deinen Sohn auffordern, diese Arbeit zu verlassen" "Deshalb sollt du [..] dazu bringen dies zu unterlassen), nicht stimmig in die Geschehnisse in Österreich ein. Die Verfahren gegen die syrischen Staatsbürger wurden bereits im Jahr 2016 eingestellt, eine "Zusammenarbeit" des Vaters der bP mit der Polizei ist seit ca. 1,5 Jahre nicht mehr erfolgt. Der vom BFA vorgenommenen Einschätzung des mit der Drohung verfolgten Zwecks als "unlogisch" ist sohin nicht entgegenzutreten.
In ihrer niederschriftlichen Befragung am 13.09.2018 verneinte die bP die Frage, ob sie oder ihre in Österreich aufhältigen Familienmitglieder mit ihrem Großvater im Herkunftsstaat Kontakt aufgenommen hätten. Auch wenn nun zwischen dem Großvater im Irak und der in Österreich lebenden Familie kein spezielles Naheverhältnis bzw. eine besondere Verbundenheit bestünde, so entspricht es doch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Verwandte in einer derartigen Bedrohungssituation nach dem Befinden ihres Angehörigen erkundigen; insbesondere zumal auch die bP und ihr Familie in Österreich zuvor vom Großvater über die Gefahr informiert und entsprechende Beweismittel übermittelt worden waren. Der belangten Behörde ist schließlich auch beizupflichten, wenn sie das mangelnde Wissen der bP über die Ereignisse in Österreich ins Treffen führt. Wer mit dem Tode bedroht wird, interessiert sich im Allgemeinen näher für den Grund der Drohung.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt folglich aus oben dargelegten Erwägungen die Beurteilung des BFA, wonach das im gegenständlichen Verfahren neu erstattete Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweist.
Soweit die bP in ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 28.08.218 die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhielt und sich darauf bezog, so liegt - wie bereits von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wurde - kein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern wird lediglich die Würdigung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E, in Frage gestellt bzw. jener Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.
Ausweislich der von der belangten Behörde in die Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen konnte auch eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage im Irak im Sinne einer Verschlechterung seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E, nicht festgestellt werden bzw. sind von Amts wegen seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens keine Änderungen der allgemeinen Situation im Irak notorisch.
Durch die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2018, L504 2197473-1/3E wurde rechtskräftig darüber abgesprochen, dass der bP im Falle ihrer Rückkehr in den Irak kein reales Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht bzw. relevante exzeptionelle Umstände nicht vorliegen. Die Rechtskraft dieser Entscheidung wäre daher nur durchbrochen, wenn die bP im gegenständlichen Folgeverfahren den Beweis des - im gesamten Irak bestehenden - realen Risikos einer derartigen Behandlung bzw. des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände erbracht hätte.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Derartige Nachweise hat die bP im vorliegenden Fall nicht erbracht. Die in der Beschwerde enthaltenen, nicht substantiierten Ausführungen zur Sicherheits- bzw. Versorgungslage im Herkunftsstaat sind nicht geeignet, eine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu bewirken; eine Lageänderung wurde nicht wirklich vorgebracht. Besondere, in der Person der bP (neu) begründete Umstände, die dazu führten, dass gerade bei ihr ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko bestünde, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wurden - wie bereits oben dargelegt - nicht glaubhaft vorgebracht und sind nicht ersichtlich.
Mit dem gegenständlichen zweiten Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs. 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
II.3.2. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels)
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde von der bP selbst nichts dahingehend dargetan. Der bP ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.
II.3.3. Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides (Erlassung einer Rückkehrentscheidung)
§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn etwa - wie hier - der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Z 3 leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird.
Soweit die belangte Behörde in Ansehung dessen zum Ergebnis gelangte, dass eine Rückkehrentscheidung zu erlassen war, so kann dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im Kontext der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beigetreten werden, der zufolge § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung darstellt (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 mwN). Dass in § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG nicht auch - wie in § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG - Entscheidungen nach § 68 Abs. 1 AVG ausdrücklich genannt sind, steht dieser Sichtweise nicht entgegen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 war diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden:
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts der bP auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16928/2003).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat (vgl. EGMR U 16.6.2005, Sisojeva u.a. gegen Lettland, Nr. 60654/00). Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR U 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97; VfSlg 10.737/1985; 13.660/1993).
Die volljährige bP verfügt im Bundesgebiet über ihre Eltern und ihre Geschwister, die sich derzeit als Asylwerber in Österreich aufhalten bzw. eine Schwester mit einem Aufenthaltstitel. Die bP lebte bis vor einiger Zeit gemeinsam mit ihren Eltern, laut ihrer letzten Einvernahme vor dem BFA ist sie nunmehr unsteten Aufenthalts.
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479). Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 8 EMRK Rz 76). Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten vorliegen.
Ein Zusammenleben konnte in Ansehung der in Österreich aufhältigen Eltern sowie der gleichfalls im gemeinsamen Haushalt lebenden Geschwister festgestellt werden und wird bei der folgenden Abwägung zu berücksichtigen sein, als bis vor kurzem ein gemeinsamer Wohnsitz bestand, der nunmehr aufgehoben wurde. Ein anderweitiges Abhängigkeitsverhältnis ist indes nicht zu Tage getreten.
Die bP ist mit ihren 22 Jahren als erwachsen anzusehen, ist gesund, im arbeitsfähigen Alter und kann daher durchaus für sich selbst sorgen. Es hat sich nicht ergeben, dass die bP trotz ihres Alters zur besonderer Unselbständigkeit neigen würde. Angesichts dieser Umstände, der persönlichen Eigenschaften der bP, kann nicht gesagt werden, dass eine Abhängigkeit der bP von ihren Eltern (oder anderen Personen) vorliegt. Die bP hat auch diesbezüglich nichts dargetan. Abhängigkeit ist hier im Sinn eines tatsächlichen Angewiesenseins zu verstehen, etwa dass eine Person aufgrund ihres schlechten körperlichen Zustandes, jungen Lebensalters oder Unselbständigkeit tatsächlich auf die Betreuung oder Unterstützung eines Angehörigen angewiesen ist, anderenfalls das Fortkommen nicht gesichert wäre. Insbesondere wurde auch nicht vorgebracht, dass die Familienangehörigen der bP im Bundesgebiet auf finanzielle oder anderweitige Zuwendungen der bP angewiesen wären. Da die Familienangehörigen der bP Asylwerber sind und Leistungen der Grundversorgung beziehen, ist auch keine Abhängigkeit von Zuwendungen der bP indiziert.
Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Art 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).
Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vgl. VfSlg. 18.223/2007).
Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M. C. G. gegen Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99; vgl. VwGH 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann - ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99).
Bereits vor Inkrafttreten des nunmehrigen § 9 Abs. 2 BFA-VG entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erkenntnissen VfSlg. 18.224/2007 und VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Leitlinien, welche im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen sind. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.203/2010 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (vgl. auch VfSlg. 19.357/2011).
Nach der vorstehend zitierten Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist bei der Bewertung der Zulässigkeit des Eingriffs in familiäre und private Beziehungen darauf zu achten, ob die vorhandenen Familienbande zu Staatsbürgern des Aufenthaltsstaates während einer rechtmäßigen Niederlassung des Fremden begründet wurden oder nicht und ob sich im Fall einer Unrechtmäßigkeit der Niederlassung der Fremde dieser der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst sein musste (VwGH 31.03.2008, Zl. 2007/18/0483 mwN). Werden die Familienbande zu einem Zeitpunkt begründet, in dem der Fremde im Inland weder rechtmäßig niedergelassen war, noch mit einer Bewilligung seiner Niederlassung rechnen konnte, so erfahren die aus der familiären Bindung abzuleitenden persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet eine wesentliche, die Interessenabwägung nachteilig beeinflussende Minderung (VwGH 27.02.2003, Zl. 2002/18/0207).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der bP bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn sie sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.
Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art 8 Abs. 2 EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).
Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.
Schließlich entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in der Konstellation, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom Fremden missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt worden ist, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib des Fremden in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168 mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung können ungeachtet eines längeren Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiesen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0165) oder Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (25.04.214, Ro2014/21/0054).
In Abwägung der gemäß Art. 8 EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung der bP ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:
Die bP stellte am 23.11.2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Sie ist seither als Asylwerberin in Österreich aufhältig. Das Gewicht des sohin im Ergebnis erst dreijährigen faktischen Aufenthalts in Österreich ist noch dadurch abgeschwächt, dass sie ihren Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, sie konnte alleine durch die Stellung eines Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen - insbesondere seit der rechtskräftigen Abweisung ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.201