TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/4 L508 2148588-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.12.2018
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Entscheidungsdatum

04.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

L508 2148588-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als

Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA: Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG auf drei (3) Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet erstmals am 7.4.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde er am 8.4.2015 einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, in Parachinar, wo er gelegt habe, sei es sehr gefährlich. Es gäbe ständig Explosionen und es würden ständig Leute getötet werden. Er habe Angst um sein Leben gehabt und sei deshalb geflohen. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

Der Beschwerdeführer wurde am 16.8.2016 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, er sei Pakistani, sei in Parachinar geboren und 31 Jahre alt. Er sei Paschtune. Identitätsdokumente habe er keine, er könne sich aber seinen Führerschein aus Pakistan schicken lassen. Er habe Herzprobleme und Magenschmerzen. Er nehme Medikamente, wie diese heißen würden, wisse er nicht. Er sei verheiratet und habe zwei Söhne. Er habe zwei Brüder und vier Schwestern. Sie alle würden in Pakistan an verschiedenen Orten leben. Er habe gestern (gemeint: am Tag vor der Einvernahme) das letzte Mal mit seiner Mutter und seiner Frau telefoniert. Seine Eltern hätten in Pakistan mehrere Grundstücke gehabt. Er selbst habe vier Jahre die Grundschule besucht. Seinen Lebensunterhalt habe er zunächst durch Feldarbeit bestritten, später sei er auch Taxi gefahren. Nebenbei habe er auch als Maler und Schlosser gearbeitet. Seinen Lebensunterhalt habe er damit finanzieren können, wenn auch nur einigermaßen. Er habe im Jahr 2014 erstmals daran gedacht nach Europa zugehen und er habe Pakistan im Dezember 2014 verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, von 2007 bis 2012 habe es Krieg zwischen den Taliban und den Schiiten gegeben. Er habe in Pakistan einen Freund gehabt und habe er diesen immer in der Nacht zu einem Ort gefahren. Nach drei Tagen habe der Freund dem Beschwerdeführer gesagt, dass er die Taliban nach Afghanistan bringen würde. Damit der Beschwerdeführer nichts sage, hätte ihm der Freund mehr bezahlt. Nach ein paar Tagen habe es einen Bombenanschlag gegeben, bei dem mehrere Kinder getötet worden seien. Diese Tat sei von den Taliban verursacht worden. Er habe daraufhin der Polizei verraten, dass sein Freund die Taliban nach Afghanistan begleite. Zwischen den Taliban und der Polizei habe es eine Schießerei gegeben und sei der Freund von der Polizei festgenommen worden. Nach vier Jahren sei der Freund dann aus der Haft entlassen worden, da er der Polizei Geld gegeben hätte. Als der Freund dann entlassen worden sei, habe er den Taliban gesagt, dass der Beschwerdeführer sie verraten hätte und habe er den Taliban die Wohnadresse und den Identitätsausweis übergeben. Er sei von den Taliban bedroht worden, weswegen er nicht mehr nach Pakistan zurückkönne. Später habe ihm seine Mutter gesagt, dass der Beschwerdeführer seine Grundstücke verkaufen solle und das Land verlassen müsse, damit die Taliban ihn nicht töten würden. Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, er befinde sich in einem Deutschkurs. Er helfe in der Salzburger Bildungswerkstatt und legte eine Teilnahmebestätigung vor, wonach er vom 4. - 12. Juni 2016 an einer näher bezeichneten Veranstaltung mitgeholfen habe. Er legte außerdem ein Schreiben von einer Unterstützerin vor, wonach der Beschwerdeführer, der in dem Schreiben aus Afghanistan kommend angeführt wird, ein sanfter und zurückhaltender Mensch sei. Der Unterstützerin sei die leise Begabung der überfließenden Herzensgüte und Empathie aufgefallen und zwar besonders im nonverbalen Bereich. Er wirke friedensstärkend in der Gemeinschaft und die Schwächsten schützend. Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über die Teilnahme an gemeinnützigen Projekten vor, sowie eine Bestätigung aus Pakistan aus dem Jahr 2016, wonach der Beschwerdeführer von den Taliban bedroht worden sei.

2. Mit Bescheid vom 27.1.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte zunächst fest, dass der Beschwerdeführer pakistanischer Staatsbürger sei, Schiite und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Er sei gesund bzw. leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit und er sei arbeitsfähig. Er sei in Österreich noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Beschwerdeführer sein jung und im erwerbsfähigen Alter. Er habe in Pakistan gearbeitet und verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte dort. Seine Identität stehe nicht fest. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zunächst aus, der Beschwerdeführer hätte eine persönliche Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Ebenso hätte das Verfahren keine Gründe hervorgebracht, die zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen und würden fast alle Angehörigen noch in Pakistan leben und dort versorgt sein. Zur Integration des Beschwerdeführers wurde festgehalten, dass dieser sich nicht selbst versorgen könne und einen Deutschkurs besuche, aber kein Deutsch spreche. Ein Abschlusszertifikat sei nicht vorgelegt worden. Er habe in Österreich keine Angehörigen und seien die Bindungen des Beschwerdeführers nach Pakistan viel stärker als nach Österreich. Ein schützenswertes Privatleben habe das Verfahren nicht ergeben.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.02.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde führte im Wesentlichen aus, die belangte Behörde hätte ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und mangelhafte Länderfeststellungen verwendet, so würden relevante Berichte zu den Paschtunen in Pakistan fehlen und fehle eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der speziellen Situation von Turis als religiöse Minderheit. Überhaupt seien die Länderberichte veraltet. Bei Berücksichtigung der - in der Beschwerde angeführten weiteren - Länderberichten hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer drohe aber auch wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit Verfolgung. Alleine der Nachname des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde dazu führen müssen, dass die belangte Behörde von amtswegen Ermittlungen zur Volksgruppenzugehörigkeit durchführe.

Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorwerfe, er habe keine aktuellen medizinischen Unterlagen vorlegen können, sei es aus Sicht des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dies nicht amtswegig eingeholt habe. Der Beschwerdeführer nehme Medikamente ein, die rezeptpflichtig seien, und stehe weiter in Behandlung. Die belangte Behörde stütze ihre Beweiswürdigung hauptsächlich auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme durch die belangte Behörde. Dies sei nicht rechtmäßig. Auch sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde widersprüchlich, zumal werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Wahrheit niemals Probleme mit den Taliban gehabt hätte, andererseits werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Anzeige gegen den Freund eingebracht habe. Es sei sehr wohl lebensnah, dass sich der Freund des Beschwerdeführers an ihm rächen wolle. Der Beschwerdeführer lebte seit der Entlassung des ehemaligen Freundes in ständiger Angst und habe viele Verstecke genutzt. Für den Beschwerdeführer bestünde auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer eine Arbeit finden würde, zumal es ein Überangebot an unqualifizierten Fachkräften gäbe. Es könne dem Beschwerdeführer daher alles in allem nicht zugemutet werden, nach Pakistan zurückzukehren. Es werde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Der Beschwerde beigelegt wurden zwei Schreiben, mit denen eine Tätigkeit auf einem Bauernhof bestätigt werde, sowie ein Tätigkeitsnachweis für den Sozialausweis für Flüchtlinge, Fotos von Medikamentenschachteln des Medikaments "Mefenam", "Pantip", "Seractil forte" sowie "cholib" und eine Bestätigung über den Besuch eines Alphabetisierungskurses.

4. Mit Schreiben vom 19.4.2018 legte die belangte Behörde die Verständigung des LG Salzburg vom 16.1.2018 über die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen §§ 83 Abs. 1 und 15, 84 Abs. 4 StGB, wonach der Beschwerdeführer zu einem Jahr Freiheitsstrafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit verurteilt wurde.

5. Mit Schreiben vom 22.5.2018 wurden dem Beschwerdeführer vom BVwG das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Pakistan mit Stand vom 20.12.2017 sowie der FATA Security Report 2017 des FATA Research Center (FRC) zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

6. Mit Schriftsatz vom 5.6.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten und legte zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen einen Nachweis über eine gemeinnützige Beschäftigung für "das Magistrat" (gemeint offenbar: den Magistrat) Salzburg vor, wonach er vom 30.4.2018 bis zum 23.5.2018 insgesamt 120 Stunden in der Abteilung 6/04 Straßenbauregie, Straßenreinigung und Fuhrpark gearbeitet habe. Mit Schreiben vom 11.6.2018 legte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben von einem näher bezeichneten Biobauernhof vor, wonach der Beschwerdeführer während des letzten Jahres immer wieder bei dringenden Arbeiten auf dem Bauernhof mitgeholfen habe.

Darin führte der Beschwerdeführer aus, wegen seiner politischen Verfolgung Bangladesch verlassen zu haben. Die politischen Machthaber hätten auch gedroht, ihm sein Grundstück zu nehmen.

7. Diese Beschwerde wurde - nach Einräumung des Parteiengehörs durch das BVwG - mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.06.2018, Zl: L525 2148588-1/12E, gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, § 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. In diesem Erkenntnis wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der vom BF vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Dieses Erkenntnis erwuchs am 20.06.2018 in Rechtskraft.

8. Am 03.08.2018 stellte der BF seinen zweiten und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu wurde er am 03.08.2018 einer Erstbefragung "Folgeantrag Asyl" durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen neuen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung an, dass er noch immer Angst um sein Leben habe, wenn er in seine Heimat zurückkehren müsste. Es würden noch immer dieselben Fluchtgründe, welche er bei seinem ersten Asylantrag angegeben habe, gelten. Er habe vor ca. drei Tagen einen Anruf von seiner Gattin erhalten und habe diese ihm mitgeteilt, dass er noch immer gesucht werde und wenn sie ihn finden würden, dann würden sie ihn töten. Ferner gab er an, dass er im Verfahren sein Geburtsdatum falsch angegeben habe. Richtig sei das Geburtsdatum 01.01.1976. Dies habe er erst vor kurzem von seiner Mutter erfahren. Neue Fluchtgründe habe er keine.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 03.10.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er einen neuen Antrag stelle, weil er nicht nach Pakistan zurückkehren könne. Er habe einen Negativbescheid bekommen und sei ihm gesagt worden, dass er nach Pakistan abgeschoben werde. Deshalb habe er Angst bekommen und einen neuen Asylantrag gestellt. Neue Gründe habe er keine. Es würden immer noch die alten Probleme gelten. Dazu habe er nichts mehr zu sagen. Abermals nach neuen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass ein paar Männer versucht hätten, seinen Sohn mitzunehmen. Das sei ihnen jedoch nicht gelungen und ei sein Sohn wieder nach Hause gegangen. Der Vorfall habe sich am 12. oder 13. September 2018 ereignet. Seine Frau habe ihm davon berichtet. Leute vom selben Ort, hätten seinen Sohn mitnehmen wollen; man hätte den Sohn mitnehmen wollen, damit man ihn (den BF) finden könne. Die Leute vom Ort hätten Kontakte zu den Taliban und hätte es diese Probleme schon früher gegeben. Befragt zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich gab er an, dass er für die Gemeinde gearbeitet habe. Deutschkurse habe er auch besucht, jedoch ganz wenige. Sonst habe er nichts gemacht. Die Bestätigungen über die Kurse und seine Tätigkeiten habe er bereits im ersten Verfahren vorgelegt. Er befinde sich aktuell in Grundversorgung. Er habe alle Gründe geschildert.

Die anwesende Rechtsberatung gab keine Stellungnahme ab.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.10.2018 wies das BFA den Antrag vom 03.08.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung und wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV. und V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG idgF wurde ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass entschiedene Sache vorliege und das Vorbringen des Beschwerdeführers in einem rechtskräftig beendeten Verfahren bereits als nicht glaubwürdig erachtet worden sei. Insoweit seine gesteigerten Angaben im Folgeantrag auf einen unglaubwürdig befundenen Sachverhalt im ersten Verfahren aufbauen würden, begehre er faktisch die Auseinandersetzung mit seinen bereits im vorangegangenen - rechtskräftig beendeten - Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründen. Ferner wurde das Vorbringen hinsichtlich der versuchten Entführung seines Sohnes im Rahmen der Beweiswürdigung für nicht glaubhaft beurteilt. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Im Hinblick auf seine Integration sowie seine private wie familiäre Situation hätten sich für die belangte Behörde keine Umstände ergeben, die zu einer anderen Einschätzung als in dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren geführt hätten. Auch wurde erläutert, warum keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestüne. Ferner wurde erläutert, weshalb gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Ziffer 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen werde. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes hielt die belangte Behörde fest, dass seine Verstöße gegen das österreichische Rechtssystem eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würden. Der Beschwerdeführer sei dem Ausreisebefehl in sein Heimatland nicht nachgekommen. Er habe behördlichen Anordnungen nicht Folge geleistet und diese gröblich missachtet. Ferner sei er nicht in der Lage die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen und auch zu erwerben und stelle auch dies eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Auch habe er die Betreuungsstelle ohne Hinterlassung einer Meldeadresse verlassen. Darüber hinaus sei er vom LG Salzburg wegen § 83 Absatz 1 StGB und § 15, 84 Absatz 4 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem 1 Jahr (Probezeit 3 Jahre) rechtskräftig verurteilt worden. Die Erlassung des Einreiseverbotes sei daher gerechtfertigt.

11. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

11. Gegen den Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 29.10.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

11.1. In der Beschwerde wird beantragt,

-

den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen;

-

das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu das Einreiseverbot zu verkürzen;

-

der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und

-

eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

11.2. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges wird ausgeführt, dass der BF nach der Einvernahme vor dem BFA erfahren habe, dass seine Frau wegen den genannten Vorfalles bei dem "Assistant Commissioner" des Bezirkes Kuram um Hilfe gebeten habe. Sie habe dem Kommissionär einen Brief geschrieben, welcher als Kopie der Beschwerde beigefügt werde. Aus dem Brief gehe hervor, dass ein Mitglied der Taliban das Haus des BF angegriffen habe und dabei den Sohn entführen habe wollen. Mit Hilfe von anderen Dorfbewohnern sei die Entführung verhindert worden. Der Vorfall sei aber nicht im September, sondern im August gewesen. Der BF habe bei der Einvernahme die Monate verwechselt. Diese aktuellen Ereignisse seien im ersten Asylverfahren noch nicht berücksichtigt worden, weshalb ein neuer Sachverhalt vorliege. Das BFA habe diese neuen Gründe in der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt und sei deshalb von einem mangelhaften Ermittlungsverfahren auszugehen. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass das BFA aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung und der Mittellosigkeit ein Einreiseverbot verhängt habe. Der Strafrahmen sei bei der strafgerichtlichen Verurteilung nicht ausgeschöpft worden, deshalb stehe die verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von 4 Jahren außer Relation und werde die Behebung bzw. Verkürzung des Einreiseverbotes beantragt. Letztlich wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

11.2. Mit diesem Rechtsmittel wurde kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

12. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt des BFA langte am 31.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein. Dieser wurde gem. § 17 BFA-VG mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

14. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Erstverfahrens, in den gegenständlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt):

II.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Pakistan und damit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Die Identität des BF konnte mangels Vorlage von geeigneten Dokumenten nicht festgestellt werden.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller für Pakistan gebräuchliche Sprachen spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen Staatsangehörigen aus Pakistan handelt.

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, stammt aus dem District Kurram, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist schiitischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer reiste im April 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.04.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Seit Abschluss des ersten Asylverfahrens durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.06.2018, Zl: L525 2148588-1/12E, hielt sich der Beschwerdeführer jedenfalls unrechtmäßig in Österreich auf.

Am 03.08.2018 stellte der BF seinen zweiten und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er verfügte noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens. Gegen ihn bestand seit 20.06.2018 (Datum der Zustellung des Erkenntnisses vom 20.06.2018 an den BF) eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Der Ausreiseverpflichtung nach Pakistan kam er nicht nach.

Der Beschwerdeführer stellte in Österreich zweimal einen Antrag auf internationalen Schutz; alle zwei Anträge wurden abgewiesen bzw. wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Er verfügt ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung wiederum über keinen gültigen Aufenthaltstitel für Österreich.

Im gegenständlichen Verfahren ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umständen.

Der Beschwerdeführer stützte seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz auf die gleichen Fluchtgründe, die er bereits im ersten Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht hatte. Ansonsten hat er keine glaubwürdigen neuen Gründe vorgebracht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach Pakistan zurückgekehrt ist.

In Bezug auf die individuelle Lage des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann keine, sich in Bezug auf jenen Zeitpunkt, in dem letztmalig über den Antrag inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich andere Situation festgestellt werden.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Selbst wenn man sein gesamtes Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass der BF seitens der Taliban bzw. seitens Dorfbewohnern bedroht und verfolgt worden war, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass sein Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative), zumal dem BF jedenfalls auch eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar wäre. Es wären dort die existentiellen Lebensgrundlagen des Beschwerdeführers angesichts einer finanziellen Unterstützung durch seine im District Kurram lebenden Familienmitglieder (Eltern, Ehefrau und Geschwister) - etwa durch Überweisungen - oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. In den Großstädten leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Menschen, die die Polizei wegen Mordes sucht, können in einer Stadt unbehelligt leben, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt (AA 21.08.2018). Die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher. Das Hauptstadtterritorium Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 verzeichnete das Hauptstadtterritorium Islamabad drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen terroristischen Angriff (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018), weshalb hier von einer stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Diese Stadt ist für den Beschwerdeführer auch direkt erreichbar.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF befindet sich in Pakistan. Er verfügt in Österreich über keine familiären oder sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen. Der BF verfügt über normale soziale Kontakte. Es wurden keine aktuellen Unterstützungserklärungen in Vorlage gebracht. Der BF verrichtete zuletzt keine gemeinnützigen Arbeiten. Der BF geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Er nahm im Jahr 2016 an gemeinnützigen Projekten seiner Heimatgemeinde teil. Er besucht(e) einen Alphabetisierungskurs und einen Deutschkurs und verfügt aufgrund seines mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich über einfache Deutschkenntnisse, jedoch kann mangels vorliegender Zertifikate nicht festgestellt werden, dass er einen Deutschkurs erfolgreich absolviert hat. Sonstige Kurse oder Ausbildungen hat er ebenso weder besucht noch abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des LG Salzburg vom 12.1.2018, GZ 569 063 HV 151/17z wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, bedingt nachgesehen auf drei Jahre Probezeit, verurteilt.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

II.1.2. In Bezug auf die zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan zu treffenden Feststellungen schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den seitens des BFA getroffenen Feststellungen an:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 31.7.2018: Wahlen am 25.7.2018 (betrifft: Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 25. Juli 2018 fanden in Pakistan Wahlen statt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass zwei gewählte Regierungen in Folge ihre volle Amtszeit dienen konnten (EUEOM 27.7.2018). Neben der Nationalversammlung wurden auch vier Provinzversammlungen (Punjab, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan) gewählt (NDTV 26.7.2018).

Laut offiziellem Resultat der Wahlkommission erlangte die Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) von Imran Khan 115 Sitze im Parlament in Islamabad. Die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) unter Shehbaz Sharif folgte mit 64 Sitzen, die Partei Pakistan Peoples Party (PPP) von Bilawal Bhutto kam mit 43 auf den dritten Platz (Dawn 30.7.2018). Khan hat noch keinen Koalitionspartner. Um alleine regieren zu können, hätte die PTI 137 Sitze benötigt (NZZ 28.7.2018). Die PML-N und PPP kündigten bereits an, in der Opposition gegen Imran Khan zusammenzuarbeiten (Dawn 30.7.2018). Imran Khan begann zunächst Koalitionsgespräche mit der Partei Muttahidda Qaumi Movement (MQM) (Dawn 28.7.2018).

Die Armee hatte am Wahltag 370.000 Soldaten eingesetzt, die die Wahllokale sichern sollten (NZZ 28.7.2018; vgl. EUEOM 27.7.2018). Zusätzlich waren 450.000 Polizisten im Einsatz. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals wurden im Vergleich zur vorigen Wahl erweitert (EUEOM 27.7.2018). Erstmals waren Soldaten nicht nur vor, sondern auch in den Wahllokalen anwesend, auch während der Auszählung der Stimmen. Der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, Michael Gahler, sagte am Donnerstag gegenüber lokalen Medien, dem ersten Eindruck nach hätten sich die Soldaten strikt an ihren Einsatzbefehl gehalten (NZZ 28.7.2018).

Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission landesweit bei 51,7 Prozent (ECP o.D.). Etwa 106 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Neun Millionen Frauen hatten sich erstmals als Wählerinnen registrieren lassen. Obwohl es vereinzelt Beschwerden gab, dass Frauen von der Stimmabgabe abgehalten wurden, war die Wahlbeteiligung von Frauen anscheinend höher als früher. Die Wahlkommission hatte angeordnet, dass die Ergebnisse von Distrikten, in denen die Stimmen der Frauen unter 10 Prozent blieben, ungültig seien. Fast alle Parteien umwarben deshalb in diesem Jahr die Pakistanerinnen, wählen zu gehen (NZZ 28.7.2018). In den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) stieg die Zahl der Frauen, die als Wählerinnen registriert waren, um 66 Prozent gegenüber der vorhergehenden Wahl (EUEOM 27.7.2018; vgl. NZZ 28.7.2018).

Obwohl Schritte unternommen wurden, die Beteiligung von Minderheiten an den Wahlen zu sichern, blieb die Situation der Ahmadiya-Gemeinschaft unverändert. Ahmadis werden weiterhin in einem separaten Wählerverzeichnis geführt Eine Novelle des Wahlgesetzes 2017 hätte Ahmadis ins generelle Wählerverzeichnis inkludiert, diese Änderung wurde jedoch am 23.11.2017 nach Massenprotesten wieder rückgängig gemacht (EUEOM 27.7.2018).

Die Wahlverlierer prangerten auch Wahlfälschung an und erklärten, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen. Sharif erklärte, das Militär habe die Abstimmung zugunsten Khans manipuliert. Auch Bilawal Bhutto sprach, ebenso wie Vertreter islamistischer Parteien, von Wahlfälschung (NZZ 28.7.2018). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlvorgang als transparent und gut durchgeführt ein, bemerkte jedoch Schwierigkeiten bei der Auszählung. Die Wahlhelfer hielten die Prozeduren nicht immer ein und hatten Schwierigkeiten, die Formulare für die Resultatsübermittlung korrekt auszufüllen (EUEOM 27.7.2018). Bei der pakistanischen Wahlkommission wurden bis kurz nach Schließung der Wahllokale 654 Beschwerden registriert, die ausschließlich Verstöße gegen die Wahlordnung betreffen würden. Über das Militär habe es keine Beschwerde gegeben (Standard 26.7.2018). Durch technische Probleme im erstmals eingesetzten Result Transmission System (RTS) kam es zu Verzögerungen der Bekanntgabe von Sprengelergebnissen an die Wahlkommission (EUEOM 27.7.2018).

Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale (EUEOM 27.7.2018). Bei einem Selbstmordanschlag in Quetta kamen 31 Menschen ums Leben, darunter auch Kinder und Polizisten, 35 Personen wurden verletzt. Der IS reklamierte den Anschlag für sich (Standard 26.7.2018; vgl Dawn 26.7.2018). In Khuzdar wurde bei einem Granatenangriff auf ein Wahllokal ein Polizist getötet (Dawn 26.7.2018; vgl. Standard 25.7.2018). Weiters gab es regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018). Bereits im Vorfeld der Wahl waren bei mehreren Anschlägen auf Parteien und Kandidaten mehr als 180 Menschen getötet worden (Standard 25.7.2018; vgl. Kurzinformation vom 18.7.2018).

Reporter ohne Grenzen berichten von zahlreichen Einschränkungen für Journalisten während des Wahlkampfes. In den vergangenen Monaten seien unabhängige Medien wiederholt zensiert und kritische Journalisten bedroht, tätlich angegriffen und entführt worden (ROG 25.7.2018). Auch die Wahlbeobachtermission der EU sah deutliche Hinweise für Einschränkungen der Redefreiheit durch staatliche und nicht-staatliche Akteure (EUEOM 27.7.2018). Gemäß Reporter ohne Grenzen versuchten insbesondere das Militär und die Geheimdienste eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern (ROG 25.7.2018). Weit verbreitete Selbstzensur der Berichterstatter hinderte gemäß EU-Wahlbeobachtermission Wahlberechtigte daran, eine qualifizierte Wahlentscheidung zu treffen (EUEOM 27.7.2018).

Quellen:

* Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 30.7.2018

* Dawn (28.7.2018): Imran starts preparations for formation of govt at Centre,

https://www.dawn.com/news/1423370/imran-starts-preparations-for-formation-of-govt-at-centre, Zugriff 30.7.2018

* Dawn (30.7.2018): PPP, PML-N join hands to give Imran tough time, https://www.dawn.com/news/1423776/ppp-pml-n-join-hands-to-give-imran-tough-time, Zugriff 30.7.2018

* ECP -Election Commission of Pakistan (o.D.a): Assembly Wise Voters Turnout, https://www.ecp.gov.pk/frmstats.aspx, Zugriff 30.7.2018

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 30.7.2018

* NDTV - New Delhi Television Limited (26.7.2018): Pakistan Election Results Live Updates: "Want To Fix India-Pak Ties," Says Imran Khan, https://www.ndtv.com/world-news/pakistan-election-result-2018-live-updates-imran-khan-on-brink-of-victory-after-millions-vote-in-pak-1889205, Zugriff 30.7.2018

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (28.7.2018): Imran Khan triumphiert in Pakistan,

https://www.nzz.ch/international/wahlen-in-pakistan-imran-khan-triumphiert-ld.1406380, Zugriff 30.7.2018

* ROG - Reporter ohne Grenzen (25.7.2018): Pakistan - Einschränkungen während Wahlkampfes, http://www.rog.at/pm/pakistan-einschraenkungen-waehrend-wahlkampfes/, Zugriff 30.7.2018

* Standard, der (25.7.2018): Dutzende Tote in Pakistan bei Anschlag am Wahltag,

https://derstandard.at/2000084092243/Dutzende-Tote-bei-Anschlag-am-Tag-der-Parlamentswahl-in-Pakistan, Zugriff 30.7.2018

* Standard, der (26.7.2018): Ex-Cricketstar Imran Khan steuert auf Wahlsieg in Pakistan zu,

https://derstandard.at/2000084154112/Pakistans-Regierungspartei-PML-N-spricht-von-Wahlfaelschung, Zugriff 30.7.2018

KI vom 18.7.2018: Anschläge und Proteste im Vorfeld der Wahlen am 25.7.2018 (betrifft: Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Im Vorfeld der Wahlen am 25. Juli 2018 kam es zu zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern (Dawn 13.7.2018a).

Am 13. Juli sind bei einem Selbstmordanschlag in Mastung, Provinz Belutschistan, nach offiziellen Angaben 149 Menschen ums Leben gekommen und über 200 Menschen verletzt worden (CNN 16.7.2018). Das Attentat hatte einer Veranstaltung der Baluchistan Awami Partei gegolten (Dawn 13.7.2018a; vgl. ORF 13.7.2018, CNN 16.7.2018). Es ist der schwerste Anschlag in Pakistan seit vielen Jahren - ähnlich viele Tote gab es zuletzt beim Angriff der Taliban auf die Armeeschule in Peschawar im Dezember 2014 mit ca. 150 Toten (Standard 14.7.2018) - und der Terrorangriff mit den zweitmeisten Todesopfern in der Geschichte Pakistans (CNN 16.7.2018). Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (ORF 13.7.2018; vgl. CNN 16.7.2018, Standard 14.7.2018), ebenso wie die Ghazi-Gruppe der radikalislamischen Taliban (Standard 14.7.2018). In Folge des Anschlages wurden die Wahlen im Wahlkreis PB-35 (Mastung) verschoben (Nation 14.7.2018).

Ebenfalls am 13. Juli wurden in Bannu [Provinz Khyber Pakhtunkhwa, nahe der Grenze zu den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA)] bei einem Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung des Chief Minister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Akram Khan Durrani, vier Menschen getötet und 32 Menschen verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. News 13.7.2018). Durrani wurde bei dem Anschlag nicht verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. Dawn 13.7.2018b). Durrani tritt im Wahlkreis NA-35 (Bannu) als Kandidat der Partei Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) an (Dawn 13.7.2018b; vgl News 13.7.2018). Ebenfalls in Bannu wurden wenige Tage zuvor am 7.7. bei einem Bombenangriff auf einen Konvoi des Kandidaten der Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) für den Wahlkreis PK-89, Sherin Malik, sieben Personen, darunter der Kandidat, verletzt (Dawn 7.7.2018).

Am 10. Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag in Peschawar, Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 22 Menschen getötet und 63 Personen verletzt (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 11.7.2018). Unter den Toten befindet sich Haroom Bilour, Provinzvorsitzender der Awami National Party (ANP) (Dawn 10.7.2018a) und Kandidat für den Wahlkreis Peschawar PK-78 (Nation 11.7.2018; vgl. Dawn 10.7.2018a). Die Pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die ANP war bereits im Vorfeld der Wahlen 2013 ein Hauptziel der Taliban (Nation 11.7.2018). Gemäß Angaben der Taliban wurde der Angriff auf Bilour aufgrund deren "anti-islamischen Politik" durchgeführt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die Behörden gaben an, dass der Bombenanschlag ein gezieltes Attentat auf Haroom Biloor gewesen sei. Als Folge des Angriffes wurden die Wahlen im Wahlkreis PK-78 verschoben (Dawn 10.7.2018a).

Am 13. Juli kehrten der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif und seine Tochter Maryam aus Großbritannien nach Pakistan zurück. Sie wurden bei ihrer angekündigten Ankunft am Flughafen Lahore verhaftet, nachdem sie eine Woche zuvor wegen Korruption in Abwesenheit zu zehn bzw. sieben Jahren Haft verurteilt wurden (CNN 13.7.2018; vgl. New York Times 13.7.2018). In Lahore kam es zu Protesten von Anhängern der Partei Pakistani Muslim League-Nawaz (PML-N), die vom ehemaligen Chief Minister der Provinz Punjab und derzeitigem Parteiführer der PML-N Shahbaz Sharif - Bruder des ehemaligen Premierministers - angeführt wurden (CNN 13.7.2018). Im Vorfeld der angekündigten Proteste wurden etwa 500 Mitglieder der PML-N von den Sicherheitskräften verhaftet (CNN 13.7.2018).

Am 9. Juli veröffentlichte die Nationale Behörde für Terrorismusbekämpfung (National Counter Terrorism Authority - NACTA) die Namen von sechs Persönlichkeiten, für die besondere Gefahr durch terroristische Angriffe bestünde: Imran Khan, Vorsitzender der Pakistan Tehreek-i-Insaf; Asfandyar Wali und Ameer Haider Hoti, Vorsitzende der Awami National Party; Aftab Sherpao, Vorsitzender der Qaumi Watan Party; Akram Khan Durrani, Vorsitzender der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl; und Talha Saeed, Sohn von Hafiz Saeed. Weitere Bedrohungen bestünden gegen die Führungsebenen der Pakistan Peoples Party und der Pakistan Muslim League-Nawaz. Das Innenministerium wurde angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Parteiführungen zu erhöhen (Dawn 10.7.2018b). Für den Wahltag am 25.7. werden etwa 372.000 Sicherheitskräfte eingeteilt, um einen sicheren Ablauf der Wahl zu gewährleisten (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 14.7.2018).

Quellen:

* CNN (11.7.2018): Pakistani Taliban claims responsibility for deadly election suicide attack, https://edition.cnn.com/2018/07/11/asia/pakistan-peshawar-taliban-suicide-attack-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (13.7.2018): Former Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif arrested after return,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/nawaz-maryam-sharif-return-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (16.7.2018): At least 149 killed in Pakistan terror strike targeting political rally,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/pakistan-suicide-attack-balochistan-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018a): TTP claims responsibility for Peshawar blast; ANP's Haroon Bilour laid to rest, https://www.dawn.com/news/1419202, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018b): Nacta names six politicians under threat from terrorists, https://www.dawn.com/news/1419042, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018): Mastung bombing: 128 dead, over 200 injured in deadliest attack since APS, IS claims responsibility, https://www.dawn.com/news/1419812, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018b): Blast targets convoy of JUI-F leader Akram Khan Durrani in Bannu, 4 killed,

https://www.dawn.com/news/1419792/blast-targets-convoy-of-jui-f-leader-akram-khan-durrani-4-killed, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (7.7.2018): 7 including MMA candidate injured in Bannu blast, https://www.dawn.com/news/1418562, Zugriff 17.7.2018

* Express Tribune, the (13.7.2018): Four die as blast targets Durrani,

https://tribune.com.pk/story/1756834/1-least-four-killed-16-injured-akram-durranis-convoy-comes-attack/, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (11.7.2018): Peshawar attack: death toll rises to 22, https://nation.com.pk/11-Jul-2018/peshawar-attack-death-toll-increase-to-20, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (14.7.2018): BAP candidate among 128 killed in Mastung blast,

https://nation.com.pk/14-Jul-2018/bap-candidate-among-128-killed-in-mastung-blast?show=preview/, Zugriff 17.7.2018

* News, the (13.7.2018): Four killed in bomb attack on Akram Durrani's rally in Bannu,

https://www.thenews.com.pk/latest/341264-several-injured-in-bomb-attack-near-convoy-of-ex-kp-cm-akram-durrani, Zugriff 17.7.2018

* ORF (13.7.2018): Anschlag in Pakistan: Zahl der Opfer steigt auf 128, http://www.orf.at//stories/2446861/, Zugriff 17.7.2018

* Standard, der (14.7.2018): Nach Selbstmordanschlag: Zahl der Toten steigt auf 140,

https://derstandard.at/2000083427458/Zwei-Bomben-im-pakistanischen-Wahlkampf-mindestens-20-Tote, Zugriff 17.7.2018

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

1. AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

2. AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

3. CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

4. Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate,

https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

5. Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill,

https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

6. Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP,

https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

7. Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

8. Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

9. NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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