Entscheidungsdatum
20.12.2018Norm
AHG §8Spruch
L517 2182736-1/37E
Schriftliche Ausfertigung des am 09.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter XXXX als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX, XXXX, StA Türkei, vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen die Festnahmeanordnung, die Festnahme in der PI XXXX am 01.12.2017 um 11:05 Uhr, die zwangsweise Überstellung an das PAZ XXXX, die zwangsweise Überstellung an die XXXX, die Anhaltung von 01.12.2017 bis 04.12.2017 und die Gebietsbeschränkung auf das Gebiet BH XXXX von 04.12.2017 bis 11.12.2017, Zl. 800624210-171342659, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2018, 25.04.2018 und 09.05.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idgF iVm Art. 1 Abs. 3 2. Satz Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 idgF iVm § 40 BFA-VG iVm § 34 Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Festnahmeanordnung, Festnahme in der PI XXXX, Vorführung beim PAZ XXXX, zwangsweise Überstellung an die XXXX, die dortige Anhaltung und die Gebietsbeschränkung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Z 1 und Z 2 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von EUR 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG idgF abgewiesen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Entschädigung in Höhe von mindestens EUR 100,00 pro Tag für die Dauer der rechtswidrigen Anhaltung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
16.07.2010 - Antrag des Beschwerdeführers (in Folge: BF) auf internationalen Schutz
08.09.2011/22.11.2012/14.06.2014 - Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA, belangte Behörde, bB):
Abweisung des Antrages, Status Asylberechtigter nicht zuerkannt, Status subsidiär Schutzberechtigter nicht zugesprochen, Ausweisung verfügt/Erkenntnis des AsylGH: Abweisung der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde/Beschluss des VfGH: Ablehnung der Behandlung
28.07.2014 - BF ehelicht österreichische Staatsbürgerin
30.07.2014 - Antrag des BF auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger"
bzw. "R-W-R-Karte plus"
09.10.2014/07.04.2016/20.07.2016 - Bescheid der BH XXXX: Abweisung des Antrages/Erkenntnis des LVwG: Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde/Beschluss des VwGH: Zurückweisung der dagegen erhobenen Revision
11.07.2016 - Antrag (über die rechtliche Vertretung des BF) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 56 AsylG
21.07.2016 - Verfahrensanordnung: Aufforderung, binnen 4 Wochen den Antrag persönlich zu stellen sowie Reisepass und Geburtsurkunde vorzulegen
26.07.2016/01.09.2016/14.10.2016 - Ersuchen um Ausstellung eines HRZ/Vorführtermin türkisches Konsulat/Ausstellung HRZ (Charterabschiebung am 21.10.2016 in Aussicht genommen)
15.09.2016/02.10.2016 - persönliche Antragstellung des BF/Stellungnahme des BF
17.10.2016/03.11.2016/15.11.2016/01.03.2017 - Bescheid des BFA:
Abweisung des Antrages vom 15.09.2016, Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I), Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gem. § 46 FPG (Spruchpunkt II), gem. § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III), Aberkennung der aufschiebende Wirkung/Beschwerde des BF und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebende Wirkung/Beschluss des BVwG: Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung/Erkenntnis des BVwG, W268 1421575-3: Abweisung der Beschwerde, mit der Maßgabe der ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes III, und Aufschiebung der Durchführung der Abschiebung bis zur rk Erledigung des Auslieferungsverfahrens
22.02.2017/07.08.2017/31.08.2017 - Beschluss des OLG XXXX: Aufhebung des Beschlusses des LG XXXX vom 20.01.2015, mit dem die Auslieferung zur Strafvollstreckung (rk Urteil vom 08.06.2009 wegen "bewusster und absichtlicher Hilfeleistung an eine Terrororganisation") an die Türkei für zulässig erklärt worden war/Beschluss des LG für Strafsachen XXXX: die begehrte Auslieferung wird für nicht zulässig erklärt/Mitteilung des BMJ: Auslieferung in die Türkei wird abgelehnt
12.09.2017 - Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens
01.12.2017 - Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz und Belehrung um 08:15 Uhr bei der PI XXXX/Kontaktierung BFA-Journaldienst um 11:00 Uhr/Festnahme und Durchsuchung nach § 40 BFA-VG um 11:05 Uhr/Überstellung in das PAZ XXXX/Verwaltungsverwahrungshaft von 11:05 bis 15:40 Uhr/Erstbefragung im PAZ XXXX von 13:30 bis 14:20 Uhr/Vorführung in die XXXX um 15:40 Uhr
01.12.2017, 15:40 Uhr, bis 04.12.2017, 14:00 Uhr - Aufenthalt in der XXXX
04.12.2017 - Antrag auf Privatverzug/Ausstellung der Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG, Aufenthalt auf das Gebiet BH XXXX beschränkt
07.12.2017 - Folgeantrag auf internationalen Schutz wird zum weiteren Verfahren zugelassen
11.12.2017 - Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG
12.01.2018 - Maßnahmenbeschwerde
29.01.2018 - Stellungnahme des BFA
29.03.2018/25.04.2018/09.05.2018/14.05.2018 - mündliche Verhandlung vor dem BVwG und Vertagung/Fortsetzung der Verhandlung und Vertragung/Fortsetzung der Verhandlung und Verkündung des Erkenntnisses/Antrag der bB auf Ausfertigung des Erkenntnisses gem. § 29 Abs. 4 VwGVG
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF ist türkischer Staatsangehöriger. Am 16.07.2010 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 08.09.2011 abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des AsylGH wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen und mit Beschluss des VfGH vom 14.06.2014 die Behandlung abgelehnt. Am 28.04.2014 ehelichte der BF eine österreichische Staatsbürgerin. Der am 30.07.2014 gestellte Antrag auf Ausstellung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" bzw. "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" wurde mit Bescheid der BH XXXX vom 09.10.2014 abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des LVwG vom 07.04.2016 ab- und die Revision mit Beschluss des VwGH vom 20.07.2016 zurückgewiesen. In Folge des am 11.07.2016 über die rechtliche Vertretung des BF gestellten Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 56 AsylG erging am 21.07.2016 die Verfahrensanordnung mit der Aufforderung, binnen 4 Wochen den Antrag persönlich zu stellen und Reisepass und Geburtsurkunde vorzulegen.
Am 01.09.2016 leistet der BF dem Ersuchen zum Vorführtermin dieses Datums beim türkischen Konsulat Folge, am 14.10.2016 wurde das Heimreisezertifikat ausgestellt und eine Charterabschiebung am 21.10.2016 in Aussicht genommenen. Am 15.09.2016 erfolgte die persönliche Antragstellung durch den BF. Mit Bescheid des BFA vom 17.10.2016 wurde der Antrag vom 15.09.2016 abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig ist, gem. § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III) und die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde und des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom 03.11.2016 wurde mit Beschluss des BVwG vom 15.11.2016 die aufschiebende Wirkung zuerkannt und mit Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017, W268 1421575-3, die Beschwerde abgewiesen, mit der Maßgabe der ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes III und der Aufschiebung der Durchführung der Abschiebung bis zur rechtskräftige Erledigung des Auslieferungsverfahrens.
Der am 20.01.2015 ergangene Beschluss des LG XXXX, mit dem die Auslieferung zur Strafvollstreckung (rk Urteil vom 08.06.2009 wegen "bewusster und absichtlicher Hilfeleistung an eine Terrororganisation") an die Türkei für zulässig erklärt worden war, wurde mit Beschluss des OLG XXXX vom 22.02.2017 aufgehoben. Mit Beschluss des LG für Strafsachen XXXX vom 07.08.2017 wurde die begehrte Auslieferung für nicht zulässig erklärt. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 31.08.2017 wurde dem LG für Strafsachen XXXX mitgeteilt, dass der Bundesminister für Justiz die Auslieferung in die Türkei auf Grundlage des Beschlusses vom 07.08.2017 abgelehnt habe.
Am 12.09.2017 stellte der BF den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.
Am 01.12.2017 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der Antragstellung auf internationalen Schutz wurde eine schriftliche Stellungnahme des BF, durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter, übergeben. In dieser wurde ausgeführt, dass die Auslieferung mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, vom 07.08.2017, für nicht zulässig erklärt worden sei und ihm das Bundesministerium für Justiz, mittels Mitteilung vom 31.08.2017, die Ablehnung seiner Auslieferung in die Türkei zur Kenntnis gebracht habe.
Am selben Tag erfolgte um 08:15 Uhr die Belehrung bei der PI XXXX, um 11:00 Uhr die Kontaktierung des BFA-Journaldienstes, um 11:05 Uhr die Festnahme und Durchsuchung nach § 40 BFA-VG. Nach Überstellung in das PAZ XXXX wurde der BF von 11:05 Uhr bis 15:40 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft genommen und ebendort von 13:30 bis 14:20 Uhr erstbefragt und um 15:40 Uhr in die XXXX vorgeführt. Von 01.12.2017, 15:40 Uhr, bis 04.12.2017, 14:00 Uhr war der BF in der XXXX aufhältig.
Am 04.12.2017 stellte der BF den Antrag auf Privatverzug. Am selben Tag erfolgte die Ausstellung der Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG. Der Aufenthalt des BF wurde auf das Gebiet BH XXXX beschränkt.
Mit Aktenvermerk vom 06.12.2017 merkte das BFA an, dass vor dem Hintergrund des nunmehr vorliegenden Sachverhalts der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zum weiteren Verfahren zugelassen werde.
Am 07.12.2017 wurde der Leitung der EASt-West mitgeteilt, dass der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zum weiteren Verfahren zugelassen wird. Am 11.12.2017 wurde die Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG ausgestellt.
Am 12.01.2018 erhob der BF in rechtsfreundlicher Vertretung Maßnahmenbeschwerde gem. Art 130 Abs. 1 Z 2 und Art. 132 Abs. 2 B-VG. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Festnahmeanordnung, Anhaltung und Gebietsbeschränkung rechtswidrig seien. Die Behörde habe es unterlassen, eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen und sich mit deren Notwendigkeit und negativen Auswirkungen auseinanderzusetzen. Es habe, da der Beschwerdeführer aus freien Stücken und selbständig bei der Behörde erschienen sei, seit 2010 in Österreich lebe, er sich bei seiner Ehefrau in XXXX in der Ehewohnung aufhalten könne und sich unter keinen Umständen dem Verfahren entziehen würde, kein Anlass zur Anordnung einer Festnahme bzw. Anhaltung bestanden. Es widerspreche jeder Denklogik, dass er sich seinem eigenen Verfahren entziehen werden würde. Eine Festnahme bzw. haftähnliche Situation würden ihn, aufgrund der in der Türkei erfolgten und weiterhin drohenden Misshandlungen im Gefängnis im Zuge von staatlicher Zwangsgewalt, in besondere Furcht- und Angstzustände versetzen.
Es wurden die Anträge gestellt,
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auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung,
darauf
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die Festnahmeanordnung vom 1.12.2017 um 11:05 und die daraufhin erfolgte Festnahme in der PI XXXX, und
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die anschließende zwangsweise Überstellung an das Stadtpolizeikommando XXXX, PAZ XXXX Support, und
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die zwangsweise Überstellung durch Organe des BFA am 1.12.2017 an das Erstaufnahmezentrum St. Georgen, sowie
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die dortige Anhaltung vom 1.12.2017 bis zum 4.12.2017 und
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die ausgesprochene Gebietsbeschränkung auf das Gebiet BH XXXX vom 4.12.2017 bis zum 11.12.2017
für verfassungswidrig und/oder rechtswidrig zu erklären und
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dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß aufzutragen und eine angemessene Entschädigung von mindestens 100 Euro pro Tag für die Dauer der rechtswidrigen Anhaltung im Erstaufnahmezentrum zuzuerkennen.
Am 29.03.2018, 25.04.2018 und 09.05.2018 fanden die mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG statt und wurde in der Verhandlung vom 09.05.2018 das Erkenntnis mündlich verkündet.
Zusammengefasst wurde in den Befragungen folgendes angegeben:
RV: Herr XXXX hat sich aus freien Stücken zur PI XXXX begeben. Es wurde ihm dort mitgeteilt, dass die Asylantragstellung im PAZ XXXX zu erfolgen hat. Herr XXXX hat sich im ganzen Verfahren kooperativ gezeigt, er ist seit 2014 in Österreich verheiratet und lebt seit 2010 in Österreich.
Eine Festnahme stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit dar und müssen dafür gravierende Gründe vorliegen, die die Festnahme notwendig machen und es muss auch verhältnismäßig sein. Gemäß § 40 Abs. 3 BFA-VG bzw. § 34 Abs. 1 BFA-VG kann eine Festnahme angeordnet werden, sofern es notwendig und verhältnismäßig ist. Es ist daher nicht richtig, dass gemäß § 40 Abs. 3 BFA-VG eine Festnahme nur dann unterbleiben kann, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.
Es stehen der Ausreise des Herrn XXXX rechtliche bzw. faktische Hindernisse entgegen, die aus dem Beschluss des OLG hervorgehen, in dem die Auslieferung an die Türkei untersagt wird. Die Festnahme war nicht notwendig, da Herr XXXX offensichtlich freiwillig zur Asylantragstellung gekommen ist, als rechtmäßiges Alternativverhalten hätte man Herrn XXXX schlicht mitteilen können, er möge sich unverzüglich zum PAZ XXXX begeben, um die Erstbefragung zu seinem Asylantrag durchzuführen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Herr XXXX dieser Aufforderung nicht nachgekommen wäre.
Herr XXXX wurde auch nicht gemäß § 41 Abs. 1 darüber belehrt, warum eine Festnahme notwendig ist. Gemäß § 43 Abs. 1 Z 2b ist dem Asylwerber nur dann in eine bestimmte Betreuungseinrichtung vorzuführen, wenn dies zur weiteren Verfahrensführung notwendig ist.
Da Herr XXXX allen Anordnungen freiwillig nachkommt, ist eine zwangsweise Vorführung keinesfalls erforderlich.
Da im Beschluss des OLG die Auslieferung von Herrn XXXX untersagt wurde und die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt wurde, bestehen auch keine Zweifel, das dem Folgeantrag der faktische Abschiebeschutz zukommt.
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde hinsichtlich der Aufenthaltsdauer von 8 Jahren und der Ehe in Österreich seit 4 Jahren zu einer Verletzung des gemäß Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens führen, sodass allein aus diesem Grund kein Zweifel daran bestehen kann, dass dem Folgeantrag der faktische Abschiebeschutz nicht aberkannt werden kann.
Die belangte Behörde kann somit nicht begründen, warum die Vorführung zur weiteren Verfahrensführung erforderlich war, da bei einem aufenthaltsverfestigten Asylwerber gelindere Mittel zur Anwendung gebracht hätten werden können.
Zur Anhaltung vom 01.12. bis zum 04.12.2017 ist auszuführen, dass kein Grund für die zwangsweisen Übernachtungen in der Asylunterkunft bestanden hat. Da Herr XXXX bereits viele Jahre in XXXX wohnt spricht kein Grund dagegen, dass er dort weiterhin übernachtet und sich die Verfahrenskarte am darauffolgenden Montag abholt. Diesbezüglich wurde ihm laut der Stellungnahme der belangten Behörde auch eine Ladung für den folgenden Montag ausgehändigt, sodass kein Grund für die Annahme bestand, diese Ladung mit zwangsweisen Übernachtungen durchzusetzen.
Hinsichtlich der Gebietsbeschränkung vom 04.12. bis 11.12.2017 ist auszuführen, dass die belangte Behörde je nach ihrem Ermessen eine Verfahrenskarte mit Gebietsbeschränkung, oder auch ohne Gebietsbeschränkung, ausstellen kann. Es müssen daher Gründe vorliegen für die Ausstellung einer Verfahrenskarte mit Gebietsbeschränkung, aus dem bisher gesagten ergibt sich jedoch, dass im Fall von Herrn XXXX keinerlei Gründe für eine Gebietsbeschränkung ersichtlich sind, weshalb die belangte Behörde ihr Ermessen rechtswidrig ausgeübt hat.
Ausgehend von der unrichtigen Ansicht der belangten Behörde, dass die in Beschwerde gezogenen Maßnahmen alternativlos und somit zwingend auszuüben waren, hat die belangte Behörde die konkreten und individuellen Umstände von Herrn XXXX völlig außer Acht gelassen und ignoriert. Bei den Eingriffen handelt es sich um offenkundige Eingriffe in Grundrechte, die jedenfalls einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in Hinblick auf die konkrete Situation des Betroffenen zu unterziehen sind, dazu verweise ich auf die schriftlichen Ausführungen in der Beschwerde.
Ich möchte abschließend noch über meine persönlichen Erfahrungen bei der Asylantragstellung mit Herrn XXXX berichten, dass Herr XXXX, nachdem ihm die weitere Festnahme im PAZ XXXX ausgesprochen wurde, psychisch sehr geknickt und sehr traurig gewirkt hat. Es ist mir persönlich auch sehr schwer gefallen ihn in dieser Situation allein lassen zu müssen und habe ich sehr bedauert, dass die Behörde auf den persönlichen Hintergrund von Herrn XXXX, insbesondere die Haft in der Türkei, keinerlei Rücksicht genommen hat. Herr XXXX hat bei seinem Asylantrag ausgeführt, dieser Asylantrag wurde der belangten Behörde auch zur Kenntnis gebracht, dass er nach der Festnahme und in der Haft in der Türkei misshandelt wurde. Es war für die belangte Behörde ersichtlich bzw. voraussehbar, dass eine Festnahme bzw. Haft für Herrn XXXX überdurchschnittliche bzw. außergewöhnliche psychische Folgen hat. Wenn eine Festnahme grundlos erfolgt, kann dieser Vorgang durchaus als erniedrigend empfunden werden. Man fühlt sich dabei wie ein Verbrecher und wird auch bei der Verbringung zum Polizeiauto öffentlich so wahrgenommen. Es ist nach dem Verfahren in der Türkei, in der mir von der Polizei falsche Beweismittel untergeschoben wurden, für mich auch sehr unangenehm, wenn die Polizei meine Geldbörse durchsucht, in der sich Visitenkarten und ein Rechnungsblock befunden haben, sodass auch dies einen ungerechtfertigten Eingriff in mein Privatleben bedeutet.
Ergänzend führt der RI aus, dass dem RV nach der Übergabe der Stellungnahme an den RV die Möglichkeit eingeräumt worden ist, sich eine längere Zeit mit dem Durchlesen als auch dem Erfassen der sieben Seiten zugebilligt worden wäre. Dies seitens des RV aber abgelehnt wurde.
RI an RV welche Ausbildung der RV hinsichtlich psychischer Erkrankung und dergleichen hat.
RV: Ich war ein Jahr als Rettungssanitäter tätig, das heißt ich habe ein gewisses Gefühl für den Allgemeinzustand eines Patienten entwickelt.
BehV: Der belangten Behörde liegt ein Erkenntnis des BVwG vom 23.04.2018, GZ. W197 2151182-1/5E vor, in dem ein gleichgelagertes Problem verhandelt wurde. Auch hier war es so, dass die BF im Zeitpunkt der Folgeantragstellung gemäß § 43 Abs. 1 Z 2 BFA-VG nicht zum Aufenthalt im Österreichischen Bundesgebiet berechtigt waren.
Das Bundesamt hat die BF auf Grundlage des § 43 Abs1 Z 2 lit. a BFA-VG der Erstaufnahmestelle West vorgeführt. Festnahme und Überstellung sowie Unterbringung fanden sohin im Gesetz Deckung.
Auch im vorliegenden Fall war der BF gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, nach § 43 Abs. 1 Z2 lit. a BFA-VG ist ein nicht zum Aufenthalt berechtigter zur Sicherung des Verfahrens der Erstaufnahmestelle vorzuführen.
Für die Dauer des Zulassungsverfahrens gilt dem Gesetz entsprechend eine Gebietsbeschränkung im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich der Aufenthaltsort der Person befindet, gemäß § 12 Abs. 2 AsylG.
Zur behaupteten schweren psychischen Verfassung des BF führe ich aus, evidentermaßen wird bei Unterbringung in die Betreuungsstelle West im Rahmen der Einquartierung und Unterbringung ein Aufnahmegespräch mit besonders geschulten Sozialarbeitern durchgeführt. Sollte sich ergeben, dass eine Person in einem schwer beeinträchtigten Zustand sich befindet, wird dies entsprechend protokolliert und eine sogenannte Vorfallsmeldung des ORS (Firmenbezeichung) an die Erstaufnahmestelle West/GVS-Abteilung übermittelt. Eine derartige Vorfallsmeldung wurde nicht vorgelegt. Sämtliche Vorfälle, die sich in der Betreuungsstelle West ereignen, werden an die Erstaufnahmestelle West kommuniziert und zwar täglich. Seitens des BF ist der Behörde keinerlei Vorfallsmeldung zur Kenntnis gebracht worden.
RV: Ich möchte zum Vorbringen zur eingeräumten Möglichkeit der Verlängerung zur Durchsicht der Stellungnahme, ich diese abgelehnt habe, vorbringen, weil 10 Minuten für die Lektüre ausgereicht haben, aber ich hier nicht in der Möglichkeit bin Recherchen der Rechtlage anzustellen.
Seitens des RI wurde der RV nochmals befragt, ob er über den Sachverhalt informiert ist, dies wurde bejaht.
RV: Ich ersuche um eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme bezüglich der vorgebrachten aktuellen Judikatur.
Ich möchte ebenfalls vorbringen, dass gemäß §43 Abs. 1 Z 2 a, dass entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde die Vorführung gemäß § 43 Abs. 1 Z 2 a nur zur Sicherung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme rechtmäßig ist und eine solche ist aus rechtlichen bzw. faktischen Gründen nicht möglich.
RevInsp XXXX wird als Zeuge einvernommen.
RI: Sie hatten Dienst als der BF mit seinem RV gekommen ist?
Z1: Ich versah am 01.12.2017 Dienst mit meinem Kollegen XXXX und wurde dann vom Besetzer informiert, dass sich eine Partei auf der PI befindet, welche einen Asylantrag stellen wolle.
Ich begab mich in der Folge mit dem Kollegen, der bereits einschlägige dienstlicher Erfahrung im Bereich des Asylwesens besitzt, zu der Partei. Die Partei war zu diesem Zeitpunkt alleine. Soweit es mir noch in Erinnerung ist, haben sowohl der Kollege XXXX, als auch ich, mit der Partei betreffend seines Anliegens gesprochen. Eine Unterhaltung war auf Deutsch mittelmäßig möglich. Die Partei führte im Zuge des Gespräches aus, dass sie sich rechtmäßig in Österreich aufhalte, diesbezüglich zeigte er uns einen österreichischen Führerschein. Nach kurzer Zeit, nach etwa 5 Minuten, die Partei befand sich noch in der Schleuse zur PI, konnten wir erheben, dass Herr XXXX einen Asylfolgeantrag stellen wolle.
Der Kollege teilte der Partei mit, dass er sich selbstständig zur Supportstelle für Asylanträge nach XXXX begeben möge. Die Partei verließ die PI.
Kurze Zeit später erschien der heute anwesende Rechtsvertreter MMag XXXX auf der PI, ein paar Minuten später traf auch die Partei wieder auf unserer Dienststelle ein. Soweit ich mich noch daran erinnern kann, sprach mein Kollege mit dem Rechtsanwalt über die zugrunde liegende Angelegenheit. Anschließend begaben wir uns in die Kanzlei im ersten Stock. Ob die Partei noch im Erdgeschoss sitzen blieb oder nicht kann ich nicht mehr sagen.
Ich weiß aber, dass der Kollege im Beisein beider mit dem BFA, nach Erfolgter Priorierung telefonierte.
Über den Inhalt des Gespräches kann ich naturgemäß nichts sagen. Es wurde nur seitens des Kollegen dann mitgeteilt, dass der Folgeantrag zulässig ist und eine Vorführung zur Supportstelle nach XXXX zu erfolgen hätte.
Die Festnahme ist von mir in der Folge vorgenommen worden. Mit den Worten "Ich nehme Sie jetzt fest" wurde die Maßnahme ausgesprochen. Inwieweit ich den Grund der Festnahme nannte, kann ich nicht mehr angeben. Anschließend wurde die Partei durchsucht, die Durchsuchung erfolgte auf Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Fremdenrechtes und war das darauf gerichtet diverse Beweismittel wie Rechnungen, Urkunden, Dokumente, andere Ausweise zu finden. Bei der Durchsuchung wirkte Herr XXXX mit und kam der Aufforderung alle Gegenstände, welche er mit sich führte, auf den Tisch zu legen nach. In wie weit ich die Hosensäcke im Zuge der Durchsuchung herauszog, oder diese von der Partei herausgezogen worden sind, kann ich nicht mehr sagen. Sofern die Partei mitwirkt, lasse ich normalerweise diese selbst die Hosensäcke herausziehen, da ich mich dadurch vor eventuellen spitzen Gegenständen in denselben schützen kann.
Ich weiß aber noch, dass die Partei zwei Hosen anhatte. Herr XXXX wurde aufgefordert die Hosen herunterzulassen, um auch eine Besichtigung des Körpers zuzulassen. Eine Besichtigung eines "nackten" Körpers ist aber nicht erfolgt. Ob ich, oder Herr XXXX die Hosen runterzog, weiß ich nicht mehr. Anschließend wurde eine körperliche Visitierung durchgeführt, ein Eindringen in Körperöffnungen fand nicht statt.
Die Gegenstände, die die Partei bei sich hatte, wurden im Effektenbericht aufgenommen. Grundsätzlich war der Rechtsanwalt die gesamte Dauer dieser Amtshandlung anwesend. Soweit ich mich noch erinnere führte er ein Telefonat, ob er die Kanzlei verlassen hat oder nicht kann ich nicht mehr sagen. Der Beschwerdeführer verhielt sich aber im Zuge der gesamten Amtshandlung höflich, korrekt und kooperativ. Es fiel nie ein lautes Wort. Ich habe das Gefühl gehabt, dass er sehr bemüht war, da er etwas von uns wolle.
Seitens des Rechtsvertreters wurde angeführt, dass Herr XXXX einen Wohnsitz in XXXX habe und ob es nicht möglich wäre, die notwendigen Schritte, welche in der Supportstelle XXXX durchzuführen sind, man nicht auch in XXXX umsetzen könne. Inwieweit die Stadt oder der Bezirk gemeint war, kann ich nicht sagen.
In der Folge wurde vom Kollegen mit der LPD-Permanenzdienst XXXX telefonisch Rücksprache gehalten. Wir begaben uns in der Folge zum Funkwagen wo Herr XXXX hinten Platz nahm. Die Anwendung einsatzbezogener Körperkraft bzw. das Anlegen von Handfesseln oder dergleichen erfolgt nicht, da seitens der Partei keine Grundlage dafür geboten wurde. Der Rechtsanwalt wollte mitfahren, was wir aber ablehnten. In XXXX eingetroffen übergaben wir die Partei an die Supportstelle.
Befragt zu den Umständen der Festnahme gab der Zeuge an, Ich habe den Eindruck gehabt, dass mich Herr XXXX verstanden habe wie ich ihm gegenüber die Festnahme ausgesprochen habe. Der Rechtsanwalt war auch während des Ausspruches der Festnahme dabei.
Dass ich konkret ausgesprochen habe, "Sie sind nach dem Asyl oder Fremdenrecht festgenommen", kann ich ausschließen. Ob ich sagte, dass es üblich bei Asylfolgeantrag eine Festnahme durchzuführen, weiß ich nicht.
Diese Amtshandlung ist mir deshalb in Erinnerung geblieben, weil sie so unkompliziert, höflich und unproblematisch abgelaufen ist. Es kommt selten vor, dass ein Rechtsanwalt dabei ist. Auch der Rechtsanwalt verhielt sich während der gesamten Amtshandlung höflich und korrekt, wie man sich unter erwachsenen Menschen verhält.
RV: Haben Sie mit Herrn XXXX besprochen, dass Sie Herrn XXXX festnehmen müssen, wenn er illegal hier ist?
Z1: Das weiß ich so nicht mehr, ich weiß nur noch, dass der Kollege mit dem BFA gesprochen hat. Danach wurde die Festnahme unmittelbar ausgesprochen.
RV: Können sie sich noch erinnern, dass sie mit Herrn XXXX besprochen haben, dass er selbstständig nach XXXX gehen möchte?
Z1: Daran kann ich mich erinnern.
RV: Hat Herr XXXX dann gesagt, dass wir nicht allein nach XXXX fahren können?
Z1: Ich glaube, dass er das gesagt hat, da wir den Auftrag bekommen haben die Partei nach XXXX vorzuführen.
RV: Soweit ich mich erinnern kann war das noch vor dem Telefonat mit dem BFA, hat er da schon gesagt, dass wir jetzt nicht mehr allein nach XXXX fahren können?
Z1: Was mir erinnerlich ist, dass nach der Priorierung das BFA zu verständigen ist. Da hat er dann Kontakt aufgenommen mit dem BFA.
RV: Haben sie gehört, dass Herrn XXXX mir gesagt hat, dass wir nicht alleine nach XXXX fahren können, vor dem Anruf?
Z1: Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich kann nicht mehr sagen ob es davor oder danach war.
RV: Keine weiteren Fragen.
BehV: Ist ihnen etwas zur psychischen Verfassung der Partei aufgefallen?
Z1: Ganz normal, vertrauenswürdige Person.
BehV: Würde es ihnen auffallen, wenn die Person sich in einem besonderen Erregungszustand befindet?
Z1: Durch meine Erfahrung würde ich das schon mitbekommen, wenn sich in einer Ausnahmesituation psychischer Natur befindet.
RI: Ist die Partei "psychisch eingeknickt" nach Ausspruch der Festnahme?
Z1: Nein, ob eine gewisse Fassungslosigkeit sich im Gesicht breit machte, kann ich nicht mehr sagen.
Ergänzend führt der RV aus, dass dieses "psychische einknicken" des Herrn XXXX im PAZ XXXX stattfand. Dies nachdem ihm anscheinend bewusst wurde, dass er in Haft muss und bleibt.
Aufruf des Zeugen RevInsp XXXX (Z2).
Seitens des RV wurde unmittelbar nach Verkündung der Verhandlungspause der RI informiert, dass die anwesenden Polizisten sich untereinander unterhalten und er dies protokolliert haben will. In diesem Zusammenhang wird der Rechtsanwalt aufgefordert sich zu äußern inwieweit her er hier den Tatbestand der Zeugenbeeinflussung im Sinne des StGBs erkennt.
RV: Ich unterstelle den Zeugen keine vorsätzliche Zeugenabsprache.
RI: Schildern Sie den Ablauf der Amtshandlung.
Z2: Wir befanden uns auf Streifendienst, als uns die Bezirksleitstelle informierte, dass eine Amtshandlung auf der PI vorzunehmen ist. Weiter wurde mitgeteilt, dass es sich um eine Asylantragstellung handelt.
Im Zuge der Erhebungen gab uns die Partei bekannt, dass sich seine Fluchtgründe geändert haben und er sich rechtmäßig in Österreich aufhält. Zur Legitimation zeigte er einen österreichischen Führerschein.
Wir kommunizierten Deutsch und ich hatte das Gefühl, dass Herr XXXX mich gut verstanden hat. Ich erklärte ihm dabei, dass er 14 Tage habe, sich selbstständig bei der Supportstelle XXXX einzufinden und dort einen Asylantrag zu stellen.
Da uns die Angaben des Herrn XXXX glaubwürdig erschienen, nahmen wir keine weiteren Maßnahmen, insbesondere Einsichtnahme in das Informationssystem oder dergleichen vor. Herr XXXX teilte uns mit, dass er in XXXX wohne und dort auch gemeldet ist. In der Folge habe ich einen Lageplan von XXXX ausgedruckt und ihm den Weg vom Bahnhof zur Supportstelle markiert. Meiner Ansicht nach hat die Partei dies verstanden.
Die Partei teilte uns gleichzeitig mit, dass sich der Rechtsvertreter auf dem Weg nach XXXX befinde. Von mir wurde Herr XXXX aufgefordert diesen zu kontaktieren und darauf hinzuweisen, dass es sinnvoller wäre, sich gleich in XXXX zu treffen.
Nachdem die Partei die Dienststelle verließ, setzten wir unsere Streifentätigkeit wieder fort. Ich glaube ca. ein bis zwei Stunden später wurden wir von der Bezirksleitstelle verständigt, dass sich nunmehr der Rechtsvertreter des Herrn XXXX auf der Dienststelle eingefunden hat, wir waren zu diesem Zeitpunkt noch auf Streife. Nach einem kurzen Gespräch, in dem ich vom Rechtsvertreter informiert wurde, dass sich Herr XXXX nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, begaben wir uns gemeinsam zu dritt in die Kanzlei.
Während der Priorierung, welche von mir vorgenommen worden ist, kam die Partei selbstständig wieder auf die PI. Nach Einsichtnahme in das Integrierte Zentrale Fremdenregister IZR bekam ich die Information sich mit dem BFA in Kontakt zu setzen. Es erscheint am Bildschirm ein Hinweis "Kontaktaufnahme mit dem BFA". Mit dem Journaldienst des BFA wurde ein telefonischer Kontakt hergestellt und diesen die IZR Zahl, sowie die sonstigen Daten, mitgeteilt.
Seitens des diensthabenden Journaldienstes wurde ich 20 bis 30 Minuten, eher 30 Minuten, später zurückgerufen und mitgeteilt, dass ein Folgeantrag zulässig ist. Er kann auch gesagt haben, dass ein Folgeantrag möglich ist.
Ein konkreter Festnahmeauftrag seitens des BFA Journaldienstes erging aber nicht.
Von mir wurde Herr XXXX über das weitere Prozedere und dass er jetzt festzunehmen ist informiert. Ich teilte ihm in diesem Zusammenhang mit, dass er nach dem BFA-VG festzunehmen ist. Die Festnahme an sich wurde vom Kollegen XXXX vorgenommen, welcher auch die Informationsblätter über die Festnahme aushändigte.
RI an P: Haben Sie das Informationsblatt gesehen?
P: Nein.
RI an Z2: Musste die Partei etwas unterschreiben?
Z2: Nein.
RI: War der Rechtsvertreter die ganze Zeit anwesend?
Z2: Ja.
Seitens des RV wird darauf hingewiesen, dass es sich seiner Ansicht nach um eine Suggestivfrage handelt, welche vom RI im Zusammenhang mit der Festnahme dem Zeugen gestellt habe.
Auf die Frage des RI, ob ein Befangenheitsgrund des Gerichtes nach Ansicht des RV vorliegt, verneinte er.
RI: Wie ist die Amtshandlung weiter gelaufen?
Z2: Vom Kollegen XXXX wurde die Durchsuchung vorgenommen, während ich den XXXX der LPD verständigte.
Seitens des XXXX wurde die Anordnung zur Einlieferung ins PAZ angeordnet. Herr XXXX wurde aufgefordert mitgeführte Gegenstände auf dem Tisch abzulegen. Auch eine körperliche Visitierung fand statt.
Auf die Frage, wie er Herrn XXXX während der gesamten Amtshandlung wahrgenommen hat führte der Zeuge aus, dass er sich ruhig verhalten habe und es keine Probleme gegeben hat. Herr XXXX wirkte kooperativ bei der Amtshandlung mit.
Betreffend von psychischen Auffälligkeiten konnte ich bei der Partei nichts feststellen. Seitens Herrn XXXX wurde nie erwähnt, dass ihm etwas fehle, auch fiel mir keine Wesensänderung nach ausgesprochener Festnahme bei ihm auf.
Wir begaben uns nebeneinander, Herrn XXXX in der Mitte, zum Funkwagen, wo er hinten Platz nahm. Soweit mir erinnerlich ist, lenkte ich das KFZ und mein Kollege saß am Beifahrersitz. Handfesseln bzw. Körperkraft wurde nicht eingesetzt. Während der Fahrt verhielt sich Herr XXXX ruhig. Ich glaube, er sagte nicht einmal ein Wort.
Die Übergabe im PAZ XXXX dauerte nicht lange, da wir bereits angekündigt waren. Nach Übergabe war für uns die Amtshandlung beendet.
RV: Im Register stand kein Festnahmeauftrag?
Z2: Nein.
RV: In wieweit erfolgte ein Gespräch zwischen dem RV und dem Zeugen betreffend ein selbstständiges Einfinden bei der Supportstelle.
Z2: Dadurch, dass die Auskunft vom XXXX war, dass wir diesen in das PAZ überstellen müssen und die Festnahme schon ausgesprochen war, war die selbstständige Anreise nicht mehr möglich, da er in unserem Gewahrsam war.
RV: Wäre dies zwischen der Priorierung und der Festnahme möglich gewesen?
Z2: Da er illegal im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist war dies sowieso nicht möglich, dies wäre nur gewesen, wie er uns glaubhaft gemacht hatte, dass er legal im Bundesgebiet aufhältig ist.
RI: Wie wurde Ihnen der rechtmäßige Aufenthalt glaubhaft gemacht?
Z2: Durch das Vorweisen des österreichischen Führerscheines und der Auskunft, einen ordentlichen Wohnsitz zu haben.
RV: Nachdem Sie davon ausgegangen sind, dass er illegal im Bundesgebiet aufhältig ist, war ein freiwilliges Verlassen der PI nicht mehr möglich?
Z2: Das ist richtig, weil er illegal aufhältig ist.
RV: Wann wurde Herr XXXX festgenommen?
Z2: Im Beisein von Ihnen in der Kanzlei.
RI an Z2: Der RV stellte die Frage, zu welchem Zeitpunkt die faktische Festnahme erfolgte.
Z2: Zirka ein, zwei Stunden, nachdem er bei uns auf der Dienststelle war.
RV: Keine Fragen.
BehV: Sie haben vorhin vorgebracht, Sie haben einen Übergabebericht zur Supportstelle mitgenommen, was ist darin angeführt?
Z2: Datum und Uhrzeit der Kontaktaufnahme, von der Festnahme in welcher Materie man sich befindet, Fluchtroute und mitgeführte Beweise, in diesem Fall waren keine da. Erstangaben und wir haben zusätzlich die Effekte der Durchsuchung bzw. der freiwilligen Herausgabe notiert.
BehV: Habe ich das richtig verstanden, steht in diesem Übergabebericht der Festnahmetatbestand?
Z2: Das ist richtig.
RI an Z2: Wie hat sich der RV in die Amtshandlung eingebracht?
Z2: Hauptsächlich ist es dem Rechtsvertreter darum gegangen, dass wir das auf der Dienststelle machen, was eben laut dem Befehl der LPD nicht vorgesehen ist, weil die Abhandlung in der Supportstelle in XXXX durchgeführt wird.
RI: Konnte der Rechtsanwalt mithören, was sie dem Journaldienst telefonisch mitteilten?
Z2: Ja, er ist daneben gesessen und hat das Diktiergerät laufen lassen und war immer dabei, egal was geredet wurde.
RI: Wie die Information hinsichtlich Vorführung Supportstelle durch den Journaldienst erfolgte, konnte dies der Rechtsanwalt mitbekommen?
Z2: Ja, das hat er mitbekommen. Es wäre eigentlich so gewesen, dass der Permanenzdienst uns die Transportstreife von Steyr geschickt hätte, weil dies aber so lange gedauert hätte, haben wir ihn selbst nach XXXX geführt.
RI: Was war der Grund der selbstständigen Verbringung?
Z2: Der PD hat es uns freigelassen ob wir es selbst machen oder die Transportstreife avisiert und wir den Herrn XXXX dann aufgrund der Zeit in den Verwahrungsraum (Zelle) hätten nehmen müssen, darum haben wir uns entschlossen, dass wir selbst nach XXXX fahren.
RI: Bei der Festnahme, welche Personen waren anwesend?
Z2: Herr XXXX, sein Rechtsvertreter, der Kollege XXXX und ich.
RI: Welches Verhalten hat der Rechtsvertreter in diesem Zusammenhang gesetzt?
Z2: Er hat alles mit seinem Diktiergerät alles dokumentiert.
RI fordert den RV zur Beibringung des Bandes des Diktiergeräts als Beweismittel auf.
Nach Aufforderung des RI an den RV wurde seitens des RV angeführt, dass er es wahrscheinlich nicht mehr habe und nicht mitgeschnitten hat.
RV: Ich habe es mit Sicherheit nicht permanent laufen lassen, weitere Angaben kann ich nicht machen, da ich mich nicht mehr erinnere.
RI: War der Rechtsanwalt anwesend, wie Sie Herrn XXXX über das Prozedere informierten?
Z2: Ja, war er.
RI: Darüber hinaus hat er alles mitgehört, was Sie Herrn XXXX gegenüber gesagt haben?
Z2: Ja, hat er.
RI: Gab es Gründe, die den Rechtsanwalt ablenkten, dass er nicht mitbekommen hätte, was sie gemacht haben?
Z2: Wäre mir nichts aufgefallen.
Betreffend BFA Journaldienst wurde erklärend von der bB ausgeführt, dass der BFA Journal rein hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylfolgeantrages zuständig ist. Für die weiteren Maßnahmen bzw. Anordnung zur Vorführung ist der Prognosedienst zuständig.
Aufruf des Zeugen XXXX (Z3) um 13:29 Uhr.
RI: Sie hatten Dienst am 01.12.2017?
Z3: Ja.
RI: Schildern Sie bitten den Ablauf.
Z3: Ich habe vom Supportcenter XXXX eine Erstbefragung bekommen, das war die Erstbefragung zum Folgeantrag, aufgrund diesen habe ich eine Prognoseentscheidung zu treffen gehabt. Der Folgeantrag wurde gesichtet und es wurde dann entschieden, dass der Asylwerber in die XXXX vorzuführen ist.
RI: Auf welcher Grundlage erfolgte diese Entscheidung?
Z3: Der Folgeantrag ist dahingehend zu prüfen, ob der letzte rechtskräftige Asylbescheid innerhalb der vergangenen sechs Monate war, oder ob er länger zurückliegt. In diesem Fall, wesentlich länger zurück.
RI: Die Prüfung erstreckte sich auf was?
Z3: Unsere Asyldatenbank, das IFA, das wir zur Verfügung haben, da sind sämtliche Verfahrensschritte sichtbar, es waren länger als sechs Monate zurück.
RI: Das heißt, sobald ein Asylfolgeantrag gestellt wird, passiert was konkret?
Z3: Wenn dies zu mir zur Prognoseerstellung kommt, ist der Asylantrag bereits gestellt.
RI: In was erschöpft sich Ihre Aufgabe?
Z3: Ob der Asylwerber in die XXXX vorzuführen ist oder nicht.
RI: Hat dies eine Relevanz, ob er einen ordentlichen Wohnsitz hat?
Z3: Nein
RI: Warum nicht?
Z3: Weil das zu einem späteren Zeitpunkt im zulassungsverfahren geprüft wird.
RI: Beschreiben Sie mir Ihre Prüfung, was wird von Ihnen geprüft?
Z3: Es wird grundsätzlich einmal die Art des Asylantrages geprüft, ob es ein Erstantrag oder Folgeantrag oder Botschaftsantrag ist, das ist die grundsätzliche Prüfung. In diesem Falle ist es ein Folgeantrag, der eben wie vorhin ausgeführt geprüft wurde, ob innerhalb von sechs Monaten oder außerhalb eine Entscheidung vorliegt.
RI: Kennen Sie die Entscheidung des BVwGs vom 01.03.2017?
Z3: Mir ist das Erkenntnis vom 01.03.2017 des BVwG, GZ. W268 1421575-3 nicht bekannt, da sich meine Aufgabe auf die Prüfung des Folgeantrags in Bezug auf die Erstbefragung.
Wie bereits ausgeführt gebe ich nach konkreter Befragung durch den RI an, dass die "Nichtdurchführbarkeit" einer Abschiebung erst im Zulassungsverfahren geprüft wird.
RI: Gibt es Fälle, wo ein Folgeantrag nicht mit einer Vorführung verbunden ist?
Z3: Ja. Wenn die letzte rechtskräftige Entscheidung innerhalb von sechs Monaten war, dann besteht kein Anspruch auf Grundversorgung und daher passiert auch keine Vorführung in die XXXX.
RV: Sinn und Zweck der Vorführung ist die Zuführung zur Grundversorgung, heißt das, dass bei Nichtvorliegen der Gründe der Zuführung eine Vorführung unterbleibt?
Z3: Ja.
RV: Keine weiteren Fragen.
BehV: Was ist der weitere Zweck der Vorführung in XXXX?
Z3: ein weiterer Zweck ist, dass der Asylwerber für die weiteren Verfahrensschritte im Zulassungsverfahren greifbar ist.
BehV: Gibt es noch einen Zweck der Vorführung?
Z3: Es gibt noch einen Zweck der Vorführung, dass der Asylwerber in den Genuss der ihm zustehenden Leistungen aus der Grundversorgung, die medizinischen Leistungen beziehen kann.
BehV: Keine weiteren Fragen
RV: Welche gesetzliche Grundlage hat diese Prüfung auf sechs Monate?
Z3: Es gibt eine dienstliche Anweisung.
RV: Eine Abschiebung spielt in diesem Zeitpunkt noch keine Rolle?
Z3: Nein.
RV: Wird geprüft, ob die Vorführung eine Ultima Ratio ist oder werden auch alternative Vorgehensweisen geprüft, wenn der konkrete Fall dies erfordert?
Z3: Diese Entscheidung war alternativlos.
RV: Wären andere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, um die Vorführung - Festnahme zu vermeiden, damit der Asylwerber greifbar ist?
Z3: In diesem Schritt bei der Prognose nicht.
RV: Ist die Wohnsitzgreifbarkeit in diesem Stadium irrelevant?
Z3: Ja. Ausschlaggebend für diese konkrete Entscheidung war die Sechs-Monats-Frist. An sich gäbe es die Möglichkeit des Privatverzuges, dies aber erst zu den Amtsstunden.
RV: Keine weiteren Fragen.
RI an BehV und RV, ob die beiden Polzisten für eine weitere Befragung noch benötigt werden.
RI an P: Konnten Sie der bisherigen Verhandlung folgen?
P: Ja.
RI: Schildern Sie mir aus Ihrer Sicht die Festnahme.
P: Mein Rechtsanwalt hat mich telefonisch kontaktiert und gemeint, dass ich einen Asylantrag stellen sollte. Mir wurde ein Datum mitgeteilt, dass ich zu diesem Termin zur Polizei XXXX schauen sollte.
Ich bin selbstständig zur Polizei gegangen und habe gefragt, mein Rechtsanwalt hat mir mitgeteilt, dass er in zwei Stunden da sein werde. Als ich die Polizei fragte, wurde mir von ihnen gesagt, dass ich fünf Minuten warten sollte. Der Polizist hatte kurz Rücksprache gehalten und mir dann mitgeteilt, dass ich zum Support XXXX schauen müsste. Er gab mir die Adresse. Dann ging ich nach draußen und kontaktierte meinen Rechtsanwalt.
Ich habe meinen Rechtsanwalt mitgeteilt, dass er nach XXXX kommen sollte, er fragte nach dem Grund und meinte, ich sollte in XXXX warten, denn er werde jetzt kommen.
Daraufhin bin ich wieder zur Polizeistation in XXXX, der Rechtsanwalt war schon eingetroffen.
RI: Wie war die Festnahme?
P: Der Polizist hatte die Festnahme ausgesprochen, am Anfang hatte ich etwas Angst. Der Polizeibeamte meinte, dass es nichts weiter geben würde, ich nicht besorgt sein müsste, ich müsste nur den Anweisungen folgen. Er hatte mich abgetastet. Nach ca. ein bis zwei Stunden fuhren wir nach XXXX. Die Polizeibeamten waren sehr nett, sie haben mir nichts getan.
RI: Wussten Sie, warum Sie festgenommen wurden?
P: Ja, er hatte mir gesagt, dass es eine Anweisung sei.
RI wiederholt die Frage.
P: Er sagte, wenn ich einen Asylantrag stelle, dann sei das Prozedere so. Nachgefragt gebe ich an, dass ich abgetastet wurde und mir wurde mitgeteilt, dass ich zum Support XXXX vorgeführt werden musste.
RI: Wussten Sie Bescheid, dass Sie festgenommen wurden?
P: Ja, das hatte er mir gesagt. Der Rechtsanwalt hat das verweigert, er wollte, dass wir gemeinsam dorthin fahren, aber die Polizeibeamten haben das nicht genehmigt.
RI: Wie waren die Beamten zu Ihnen?
P: Ganz gut, alle beide.
RI: Wie war die Art und Weise der Durchsuchung?