Entscheidungsdatum
27.12.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W241 2192221-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018, Zahl 1100693409-152083945, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 25.10.2018 und 17.12.2018 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 29.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In seiner Erstbefragung am 31.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen Folgendes an:
Er habe den Iran vor eineinhalb Jahren verlassen und sich mehrere Monate in der Türkei aufgehalten. Von dort wäre er nunmehr über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt.
Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er homosexuell sei und Angst habe, im Iran deshalb getötet zu werden.
1.3. Bei seiner Einvernahme am 12.12.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, machte der BF Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen im Iran sowie zu seinen Fluchtgründen, wobei er seine Erlebnisse im Iran schilderte du wiederholt vorbrachte, homosexuell zu sein.
Der BF legte in der Folge folgende Dokumente vor:
* Personalausweis bzw. Geburtsurkunde
* Deutschkursbestätigung
* Kursbesuchsbestätigung Deutsch A1
* Teilnahmebestätigungen von diversen Workshops
1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 01.03.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF in den Iran. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF in den Iran. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation im Iran wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Seine Fluchtgeschichte habe der BF angesichts mehrerer dargelegter Unstimmigkeiten und Widersprüche nicht glaubhaft machen können. Ferner hätte eine homosexuelle Orientierung des BF nicht festgestellt werden können.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage im Iran nicht drohe.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines gewillkürten Vertreters vom 09.04.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.
In der Beschwerdebegründung wurde erneut auf die homosexuelle Orientierung des BF verwiesen.
1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakten langte am 12.04.2018 beim BVwG ein.
1.7. Das BVwG führte am 25.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der der BF in Begleitung eines gewillkürten Vertreters persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
Dabei legte der BF folgende Schriftstücke vor:
* zwei Zertifikate Deutschprüfung A2 und Teilnahme an Kurs Deutsch B1
* Kopie einer Mitgliedskarte für ein Fitnesscenter und eine aktualisierte Vollmacht
Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"RI [Richter]: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie den Iran verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.
BF: Als ich erfahren habe, dass ich homosexuell bin und deshalb mein Leben in diesem Land in Gefahr ist, ich deshalb nicht respektiert werde, nicht wertgeschätzt werde, habe ich mein Land verlassen.
RI: Fangen Sie an, mir das chronologisch zu erzählen. Wann sind Sie auf Ihre Neigung gekommen und was ist dann wann passiert?
BF: Ich kann mich nicht genau an das Datum erinnern. Ich kann mich erinnern, dass ich ungefähr 18 Jahre alt war, als ich das bemerkte. Das erste Mal war das bei mir zu Hause mit meinem besten Freund, den besagten XXXX, gewesen. Ich habe mich oft mit XXXX unterhalten und wir hatten eine sehr vertraute Beziehung zueinander. Eines Tages, als wir alleine zu Hause waren, es ging mir nicht gut und ich habe mit ihm geredet, er versuchte mich zu beruhigen, umarmte und küsste mich und auf einmal habe ich bemerkt, dass wir miteinander schlafen.
RI: Können Sie mir sagen, wann das ungefähr war, zu welcher Jahreszeit?
BF: Ich war damals 18 oder 19 Jahre alt.
RI: Es muss ungefähr 2005/2006 gewesen sein, wenn ich jetzt nachrechne?
RI bittet Dolmetscherin den BF das in den persischen Kalender umzurechnen.
BF: Ja. Ungefähr.
RI: Sie haben gemeint zu Hause. Bei Ihnen zu Hause meinen Sie?
BF: Ja.
RI: Das war eine Zeit, wo Sie gar nicht zu Hause mehr übernachteten. Sie haben gesagt, ab 14 Jahren haben Sie schon in den Produktionshallen übernachtet.
BF: An dem Tag war mein Vater nicht zu Hause. Es war niemand zu Hause. Ich war damals 2 Tage zu Hause, bin von der Arbeit gekommen. Dort, wo ich gearbeitet habe, war auch geschlossen. Es waren Feiertage.
RI: Das war sozusagen Ihr 1. sexueller Kontakt mit diesem XXXX?
BF: Ja.
RI: Wie ist es dann weitergegangen mit diesem Verhältnis, mit dieser Beziehung?
BF: An dem Tag, als das passierte, hat mein Stiefvater uns erwischt und deshalb konnten wir uns nicht mehr regelmäßig sehen.
RI: Sie haben vorher gesagt, Ihr Stiefvater war nicht zu Hause.
BF: Ich wusste nichts davon, dass er nach Hause kommt. Er war nicht zu Hause. Er ist nach Hause gekommen.
RI: In welcher Situation hat er Sie erwischt? Haben Sie im Bett gelegen mit Ihrem Freund? Was hat der Stiefvater überhaupt gesehen?
BF: Wir umarmten uns gerade, als er die Tür aufmachte und hereinkam, wir waren nackt.
RI: Was war dann die Reaktion des Vaters, was ist weiter passiert?
BF: Er ist auf uns beide losgegangen, hat angefangen, auf uns einzuschlagen. Mein Freund ist weggeflohen und somit hat er mich mehr geschlagen.
RI: Sie sind jetzt geschlagen worden. Was ist dann passiert?
BF: Er hat mich dann im Keller des Hauses eingesperrt. Er ist dann jeden Tag zu mir herungergekommen und hat mich mit Händen und Gürtel geschlagen und ist wieder gegangen. Manchmal hat er mich auch verbrannt.
RI: Wo hat er Sie verbrannt?
BF: An meiner Hand. Ich habe davon noch eine Brandnarbe.
BF zeigt diese dem Richter.
RI: Als Sie da eingesperrt waren, wo war Ihre Mutter? Überzeugte sie nicht Ihren Stiefvater, dass er Sie wieder aus dem Keller herauslässt?
BF: Bis zu dem Tag, als ich dort wegging, habe ich meine Mutter im Haus nicht gesehen. Er ließ nicht zu, dass meine Mutter mich sieht.
RI: Was verstehen Sie unter "wegging"?
BF: Solange ich im Keller eingesperrt war, habe ich meine Mutter nicht gesehen. Das letzte Mal sagte mir mein Stiefvater, er möchte mich hier im Haus nicht mehr sehen. Er drohte mir und sagte, wenn ich jemanden davon etwas erzähle, dann wird er seine Tat wiederholen.
RI: Ist eigentlich Ihr Freund vom Stiefvater geschlagen worden?
BF: Ja. Er ist auf uns beide losgegangen.
RI: Nach einem Monat hat Sie Ihr Vater sozusagen wieder frei gelassen. Wie ist es dann weiter gegangen?
BF: Ja. Ca. ein Monat. Ich hatte dann mein Leben gelebt. Ich war nur bei der Arbeit und ich habe auch meinen Freund nur sehr selten gesehen.
RI: Sind Sie in dieser Zeit wieder zu Ihrer Mutter zurückgekehrt, ab und zu haben Sie zu Hause geschlafen?
BF: Nein. Meine Arbeitsstelle hat sich auch verlegt. Ich hatte eine andere Arbeitsstelle bei dieser Autoproduktion und dort hatte ich ein eigenes Zimmer. Ich bin nicht mehr nach Hause gegangen. Manchmal ist meine Mutter zu mir gekommen und hat mich besucht.
RI: Wann wechselten Sie die Arbeit nach dem Vorfall mit dem Keller?
BF: Das war ca. nach einem Jahr.
RI: Ca. Ende 2006/2007 kann man ungefähr sagen? Ca. 2005 haben Sie Ihre Homosexualität entdeckt, dass Sie sich zu Ihrem Freund hingezogen fühlten. 2006 kam es zu dem Vorfall im Keller mit den sexuellen Handlungen.
BF: Ja. 2007/2008.
RI: Haben Sie, als Ihre Mutter zu Ihnen gekommen ist, ihr etwas erzählt, dass Ihr Stiefvater Sie so misshandelt hat?
BF: Ich habe es ihr damals nicht gleich gesagt, nach einiger Zeit hat sie schon davon gewusst, denn mein Stiefvater hat es ihr schon gesagt.
RI: Hat Ihr Stiefvater Ihrer Mutter gesagt, warum er Sie bestraft hat, dass er Sie erwischt hat?
BF: Ja, deswegen hat sie ihn auch gefragt, er hat es ihr erzählt.
RI: Was hat die Mutter dazu gesagt? Was war die Meinung der Mutter dazu?
BF: Meine Mutter sagte mir das nicht direkt. Ich schämte mich.
RI: Wie Sie darauf gekommen sind, dass Sie Ihrem Freund näher kommen: War das etwas Positives für Sie? Haben Sie sich geschämt dafür?
BF: Ich war sehr schockiert darüber, aber es war ein schönes Gefühl und ich fühlte mich wohl dabei.
RI: Sie haben XXXX schon vorher länger gekannt? War das ein Jugendfreund von Ihnen?
BF: Ja. Seitdem wir nach Karaj und uns dort die Wohnung genommen haben, seither kannte ich XXXX. Wir haben immer gemeinsam Freizeit verbracht.
RI: Zuerst war es nur eine gute Freundschaft. Von wem ist die Initiative zu sexuellen Handlungen gekommen, von Ihnen oder von XXXX?
BF: Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich weiß nicht, wie das passierte.
RI: Sie haben ein eigenes Zimmer in dieser Autowerkstätte. Sie haben nur mehr Kontakt zu Ihrer Mutter und gehen nicht mehr zu sich nach Hause. Was ist weiter passiert? Hat es weitere sexuelle Kontakte gegeben? Hat XXXX Sie auch besucht in diesem Zimmer?
BF: 7 oder 8 Monate danach,...
RI: Von was danach?
BF: 7 oder 8 Monate nach dem, was passiert ist, habe ich seine Adresse ausfindig gemacht und ihn besucht.
RI: Von XXXX?
BF: Ja. XXXX.
RI: Obwohl Sie mehrere Jahre mit ihm befreundet waren, haben Sie ihn nie zu Hause besucht und wussten nicht, wo er gewohnt hat?
BF: Ich konnte nicht dorthin. Er wohnte in der Nähe von uns, aber ich traute mich nicht, dorthin zu gehen, wegen meines Stiefvaters, ich hatte wirklich Angst.
RI: Unter Freunden ist es üblicherweise so, dass man sich freundschaftlich besucht, wo noch keiner geahnt hat, dass Sie homosexuell sind. Waren Sie da nie bei ihm zu Hause?
BF: Er hatte eine Schwester und eine sehr konservative Familie und seine Eltern ließen nicht zu, dass Fremde zu ihnen nach Hause kommen. Deshalb ist er immer zu mir gekommen. Meistens haben wir uns in einenm Park getroffen oder sind spazieren gegangen.
RI: Was ist 7 bis 8 Monate danach passiert?
BF: Ich bin dorthin. Er hat mich zum Essen eingeladen und sagte, es ist niemand zu Hause außer seiner Mutter und ich soll zum Essen bleiben. Weil wir uns lange nicht gesehen haben, konnten wir uns nicht draußen aufhalten, wegen des Stiefvaters und ich nahm seine Einladung an. In den 7-8 Monaten gab es keinen Kontakt zwischen uns.
RI: Wie haben Sie in den 7-8 Monaten Kontakt aufgenommen?
BF: Ich bin dorthin, wo er wohnte, ich wusste, wo er wohnt. Ich habe gewartet, bis er herauskommt und ich habe ihn abgefangen.
RI: Wie haben Sie seine Adresse ausfindig gemacht? Wie ist Ihnen das gelungen?
BF: Ich kannte seine Adresse. Das war ein paar Straßen weiter, als dort, wo wir gewohnt haben.
RI: Sie habe eben gesagt, Sie haben schon immer seine Adresse gewusst?
BF: Seine Adresse kannte ich, aber ich habe ihn gefunden.
RI: Weiter bitte.
BF: Als ich damals zu ihm gegangen bin, war nur seine Mutter da. Wir haben gegessen. Anschließend sind wir in sein Zimmer gegangen und haben uns unterhalten. Wir haben auch über diese Sache, die passiert ist zwischen uns geredet. Wir fühlten uns zwar gut dabei, aber wir beide wunderten uns darüber, dass so etwas passiert ist. Wir versuchten damals das zu wiederholen. Leider war seine Mutter da und sie hat auch davon "Wind bekommen".
RI: Was hat sie mitbekommen?
BF: Wir umarmten uns gerade. Sie hat Tee für uns gebracht und hat uns in dem Zustand gesehen und war schockiert. Das war in XXXX Zimmer.
RI: Waren Sie da schon nackt?
BF: Ich war fast vollkommen nackt. XXXX hatte noch seine Kleidung an.
RI: Warum sind, obwohl Sie wussten, dass in diesem Fall, Ihre Mutter in dem Haus war, in dem Zimmer gewesen, und sperrten nicht das Zimmer ab?
BF: Wir haben nicht damit gerechnet, denn seine Mutter ist nie in sein Zimmer gekommen. XXXX ist selbst immer hinunter gegangen und hat Wasser oder Essen gebracht.
RI: Warum haben Sie sich nicht in der Arbeitsstätte mit eigenem Zimmer getroffen. Wäre das nicht sicherer gewesen?
BF: Diese Firma erlaubte keinen Besuch. Ab einer bestimmten Uhrzeit war niemand mehr dort. Ich war für die Sicherheit zuständig. Niemand durfte mich besuchen, überall waren Kameras installiert. Meine Mutter hat mit denm Chef gesprochen und es war ihr Besuch kein Problem.
RI: Schildern Sie weiter. Als die Mutter in der Tür steht und das sieht, was ist weiter passiert?
BF: Danach hat sie die Polizei gerufen und die Polizei hat uns mitgenommen.
RI: Sie hat ihren eigenen Sohn der Polizei ausgeliefert?
BF: Nein, mich nur. Er musste nur unterschreiben und sagen, dass das nie wieder passiert. Mich haben sie mich mitgenommen.
RI: Die Mutter weiß, dass Homosexualität verboten ist und mit Todesstrafe bedroht ist, und ruft trotzdem die Polizei, weil es hätte auch ihrem Sohn Schlimmeres passieren können.
BF: Nein. XXXX Mutter hatte die Geschichte anders dargestellt. Sie erzählte der Polizei, dass ich XXXX vergewaltigen wollte.
RI: Wenn sie das der Polizei erzählt, warum muss XXXX ein Formular unterschreiben, wenn er das Opfer ist?
BF: Das weiß ich nicht. Er hat etwas unterschrieben.
RI: Was ist dann weiter passiert?
BF: Die Polizei hat mich einige Tage, ich glaube drei oder vier Tage, in eine Zelle gebracht. Danach ist mein Stiefvater gekommen und hat mich mitgenommne.
RI: Hat es in dieser Zeit Misshandlungen gegeben durch die Polizei?
BF: Nein.
RI: Sind Sie verhört worden?
BF: Ja. Aber ich leugnete alles.
RI: Was hat man Sie so gefragt?
BF: Sie wollten, dass ich etwas unterschreibe, dass ich mit Gewalt mit XXXX schlafen wollte, aber ich willigte nicht ein.
RI: Was war Ihre Rechtfertigung, dass Sie der Polizei entgegnet haben?
BF: Ich sagte, dass wir befreundet sind und uns lange nicht gesehen haben, er mich eingeladen hatte, wir nichts besonders vorhatten und uns unterhielten. Ich sagte ihnen, dass wir uns sehr lange kennen und er wie ein Bruder für mich ist.
RI: Vor dem BFA haben Sie gesagt, dass Sie der Polizei gesagt haben, wir haben zusammen gelernt. Das haben Sie jetzt nicht erwähnt?
BF: Ich konnte mich bei dem Interview nicht konzentrieren. Ich hatte sehr viel Stress.
RI: Geht es Ihnen heute gut?
BF: Ich habe heute ein bisschen Stress. Ich fühle mich besser.
RI: Sind Sie derzeit in Österreich in ärztlicher Behandlung?
BF: Derzeit nicht. Mithilfe meines RV ist es geplant im nächsten Monat.
BFV: Bei HEMAYAT ist im nächsten Monat das Erstgespräch geplant.
RI: Sie wurden bei der Polizei einvernommen worden und der Stiefvater hat Sie abgeholt. Was ist weiter passiert?
BF: Danach habe ich mit meiner Mutter beschlossen, dass ich von dort generell wegziehe. Drei oder vier Monate danach haben zwei Kollegen meines Stiefvaters mich auf der Straße angesprochen und gesagt, ich solle zu meinem Stiefvater kommen. Sie brachten mich in eine Art Lager.
RI: Wann, in welchem Jahr, war die Verhaftung, können Sie sich noch ungefähr erinnern?
BF: Es war ca. 2008 oder 2009.
RI: Wer ist XXXX?
BF: XXXX. Das war jemand, den ich bei der Arbeit kennengelernt habe. Er hat mir auch gesagt, dass ich homosexuell sei. Er hat vorgeschlagen, dass es besser sei, dass ich das Land verlasse. Das war in der Schneiderei in Karaj. Ich habe das damals noch nicht getan, ich war damals noch im Iran. Es war für mich sehr schwierig wegzugehen, denn ich liebte meine Mutter. Ich war aber gezwungen dazu.
RI: Als Sie der Stiefvater von der Polizeistation abgeholt hat, hat er noch etwas zu Ihnen gesagt?
BF: Er hat mich beschimpft und sagte, du hast mich entehrt. Ich kann deinetwegen meinen Kopf nicht mehr auf der Straße heben und ich war dann einige Zeit zu Hause bei der Mutter, ein paar Tage. Dann bin ich wieder zu meiner Arbeit gegangen.
RI: Beim 1. Mal, als Sie vom Vater erwischt wurden, kam es zu einem Geschlechtsverkehr, Sie wurden danach erwischt. Beim 2. Mal mit der Mutter sind Sie davor erwischt worden, ohne dass es zu einer sexuellen Handlung gekommen wäre?
BF: Auch beim 2. Mal hatten wir Geschlechtsverkehr.
RI: Sie sagten beim 2. Mal waren Sie schon fast nackt, aber der Freund war noch angezogen, haben Sie gesagt.
BF: Wir waren da schon fertig. Ich rechnete nicht damit, dass jemand hereinkommt.
RI: In diesen 7-8 Monaten zwischen Ihrer Freilassung aus dem Gefängnis und mit der Begegnung des Stiefvaters, haben Sie da nochmals mit XXXX Kontakt gehabt?
BF: Ich glaube nicht.
RI: Diese Männer haben Sie mitgenommen. In einem Auto? Sind Sie zu Fuß mitgegangen?
BF: Nein, das war mit einem Auto.
RI: Haben Sie Zivilkleidung getragen oder Uniform?
BF: Sie hatten dieselbe Kleidung an wie mein Stiefvater.
RI: Welche Kleidung hatte Ihr Stiefvater an?
BF: Was er genau getragen hat, weiß ich nicht. Soweit ich erfahren habe, hat er als Fahrer für die Sittenpolizei gearbeitet.
RI: Hat er eine Uniform oder einen Anzug oder eine legere Kleidung getragen?
BF: Manchmal hatte er eine Uniform an. Meistens war er in Zivil gekleidet.
RI: Trugen diese Männer Uniform? Waren sie zivil gekleidet?
BF: Einer war in zivil, der andere in Uniform, die mein Vater auch manchmal trug.
RI: Wo hat man Sie dann angesprochen? Wo waren Sie gerade unterwegs?
BF: Ich war unterwegs zu meiner Arbeit,
RI: Von wo sind Sie zur Arbeit gegangen?
BF: Von zu Hause war ich unterwegs zur Arbeit.
RI: Sie haben immer gesagt, Sie waren nur mehr in Ihrer Arbeit und waren nicht mehr zu Hause. Ihre Mutter hat Sie in der Arbeit besucht. Jetzt sagen Sie, Sie waren von zu Hause in die Arbeit unterwegs?
BF: Ich hatte einen kleinen Bruder und meine Mutter konnte ihn nicht mitnehmen. Ich bin manchmal nach Hause gegangen, um den kleinen Bruder zu besuchen.
RI: Diese Männer, waren diese freundlich zu Ihnen oder haben diese Ihnen gedroht?
BF: Sie waren sehr normal. Sie sagten, sie sind Freunde meines Vaters und sie begleiteten mich zu meinem Vater.
RI: Obwohl Sie wusste, dass der Vater etwas gegen Sie hatte, Sie gefoltert und gedroht hat, sind Sie freiwillig eingestiegen, haben Sie nicht befürchtet, dass etwas passieren könnte?
BF: Ich hatte große Angst vor ihm.
RI: Sie sind aus Angst in das Auto eingestiegen?
BF: Ja. Ich hatte Angst, dass mir die Männer gleich auf der Straße etwas antun.
RI: Hatten sie Sie in ein Gebäude geführt?
BF: Ja. Als ich dort angekommen bin, haben sie meine Hände und Füße festgebunden und ich war einige Zeit dort. Dann haben sie mich geschlagen. Ungefähr 20 Tage haben sie mich dort festgehalten. Ich war an einem Ort, wo ich nicht feststellen konnte, ob es Tag oder Nacht war.
RI: Wie war das mit der Toilette? Hat man Sie hinausgeführt?
BF: Sie haben mir dort etwas zur Verfügung gestellt.
RI: Hat man Ihnen auch Essen gebracht?
BF: Jeden Abend.
RI: Hat man auch etwas von Ihnen verlangt, Sie etwas gefragt?
BF: Nein. Sie haben mich nur gequält. Sie haben mich beleidigt. Sie wussten, dass ich homosexuell bin.
RI: Fahren Sie bitte fort.
BF: Nach diesen 20 Tagen bin ich dann nach Shiraz gegangen. Ich war einige Jahre dann in Shiraz. Da ich permanent in Angst und Schrecken gelebt habe, habe ich entschieden, in die Türkei zu gehen. Ich war weniger als 1 Jahr in der Türkei. Ich habe mich bei der UN vorstellig gemacht. Meine Situation dort war sehr schwierig, denn ich durfte nicht arbeiten. Ich habe gehört, dass die Grenzen offen sind. Ich habe in einem Restaurant gearbeitet und hatte ein bisschen Geld gesammelt. Als die Grenzen sich Richtung Europa öffneten, bin ich mit den anderen mitgegangen.
RI: Hat es außer den Schlägen, noch schlimme Vorfälle gegeben, die Sie jetzt nicht erwähnt haben?
BF: Ja. Sie haben mich vergewaltigt.
RI: War das nur ein Mann? Waren das beide, die das getan haben?
BF: Ich habe sie nicht gesehen, sie hatten meine Hände und Füße festgebunden. Meine Augen waren verbunden.
RI: War der Mann, als er Sie vergewaltigte, alleine mit Ihnen im Zimmer oder waren sie zu zweit?
BF: Als das damals passierte, konnte ich überhaupt nichts feststellen. Meistens waren sie zu weit.
RI: Ist das nur einmal passiert in diesen 20 Tagen oder mehrmals?
BF: Nur einmal.
RI: Wie viel Zeit war das nach Ihrer Festsetzung?
BF: Genau kann ich das nicht sagen, aber ich weiß, dass das nicht am Anfang war, am Anfang haben sie mich nur geschlagen.
RI: Hat man vor Ihrer Freilassung etwas zu Ihnen gesagt oder etwas von Ihnen gefordert?
BF: Sie haben mir 2, 3 Papiere vorgelegt und wollten, dass ich sie unterschreibe, ich habe diese nicht gelesen und unterschrieben.
RI: Hatten Sie danach Kontakt mit der Mutter oder dem Stiefvater?
BF: Ich bin zu der Firma gegangen, habe meine Sachen genommen und bin nach Shiraz gegangen. Den Stiefvater habe ich nicht mehr gesehen. Ich war in Kontakt mit meiner Mutter. Davor habe ich meine Mutter noch gesehen.
RI unterbricht um 15:26 Uhr die Verhandlung.
Fortsetzung: 15:35 Uhr.
RI: Sie sind nach Shiraz gegangen. Hat es zu XXXX noch Kontakt gegeben? Als Sie verhaftet wurden, war das das letzte Mal, wo Sie XXXX gesehen und gesprochen haben? Haben Sie noch irgendetwas mit ihm zu tun gehabt?
BF: Nein. Ich habe ihn danach nicht mehr gesehen.
RI: Hatten Sie in dieser Zeit zwischen Ihrer Verhaftung und der Entführung Kontakte zu Männern?
BF: Nein. Überhaupt nicht.
RI: Wie hat es dann in Shiraz ausgesehen? Sie waren ca. 4-5 Jahre in Shiraz?
BF: Nein. Ich traute mich danach nicht mehr, so etwas zu tun. Der Einzige, wo ich glaubte, mit ihm das machen zu können, war mein Freund XXXX.
RI: Zwischen Ihrem Umzug nach Shiraz und Ihrer Ausreise in die Türkei haben Sie enthaltsam gelebt? Sie versuchten auch nicht Männer kennenzulernen? Es gab keine Vorkommnisse?
BF: Nein. Ich wollte nicht, dass mir so etwas nochmals passiert, denn ich hatte große Angst. Solange ich noch in Shiraz gelebt hatte, hatte ich dauernd Stress. Ich hatte Angst, dass ich verfolgt werde.
RI: Hatten Sie von Ihrem Stiefvater, als Sie in Shiraz waren, etwas gehört?
BF: Meine Mutter sagte mir, dass mich mein Stiefvater noch immer sucht. Meine Mutter hat mir vorgeschlagen, dass ich generell aus dem Iran weggehe.
RI: Wann hat sie Ihnen erzählt, dass der Stiefvater noch nach Ihnen sucht?
BF: Ungefähr 6 oder 7 Monate, bevor ich den Iran verlassen habe.
RI: Sie haben erzählt, dass Ihre Stiefvater 2007 oder 2008 Ihre Mutter verlassen hat und sie dann alleine gelebt hat, wie kann sie wissen, dass Ihr Stiefvater noch nach Ihnen sucht?
BF: Soweit ich weiß, sind sie nicht offiziell auf dem Papier geschieden. Er ist manchmal gekommen und gegangen.
RI: Was war dann das auslösende Moment oder das ausschlaggebende Ereignis, dass Sie von Shiraz in die Türkei gegangen sind?
BF: Als meine Mutter mir sagte, dass es besser sei das Land zu verlassen und auch, als ich an meinen Kollegen dachte, der mir vor langer Zeit sagte, du musst hier weggehen, denn im Ausland wirst du respektiert und wie die anderen gleich behandelt, war dieser Gedanke in meinem Kopf, dass ich im Ausland ein ruhigeres Leben haben werde. Ich konnte nicht mehr dort leben.
RI: Sie sind in der Türkei ein Jahr aufhältig. Haben Sie dort versucht, mit Männern Kontakte zu knüpfen?
BF: Ich hatte auch in der Türkei keine gute psychische Verfassung. Ich hatte eine sehr schwierige Situation und ich hatte keine Ruhe. Aber ich hatte türkische normale Freunde.
RI: Sie haben gesagt, Sie waren bei der UN. Was haben Sie vorgebracht? Was war der Grund, dass Sie die UNO aufgesucht haben?
BF: Ich habe im Iran die Information bekommen, dass ich als Homosexueller mich dort vorstellen kann und sie geben mir die Möglichkeit, im Ausland friedlich zu leben.
RI: Hat die UNO etwas niedergeschrieben, gibt es eine Akte über Sie?
BF: Ja.
RI: Das war 2015 ca., dass Sie dorthin gegangen sind? War das kurz oder länger vor Ihrer Ausreise von der Türkei weg?
BF: Das war vor fünf Jahren ungefähr.
RI: Sind Sie in die Türkei gegangen und gleich zur UN gegangen oder etwas später vor Ihrer Weiterreise nach Österreich?
BF: Als ich in die Türkei gegangen bin, bin ich ca. 1 Monat später dorthin gegangen. Ich hatte keine Adresse von denen. Es hat ungefähr 1 Monat gedauert, bis ich erfahren habe, dass sich die UN in Ankara befindet. Ich bin dorthin gefahren. Ich habe mich dort vorgestellt. Ich glaube, dass war 1393 (= 2014).
RI: Was war die Antwort von diesen Beamten dort, von den Angestellten?
BF: Sie nannten mir eine Stadt namens Nideh. Ich bin dorthin. Ich habe mich bei der Polizei vorgestellt und ich habe begonnen zu arbeiten. Ich bin aber nicht richtig interviewt worden. Es fand eine Vorbefragung statt.
RI: Sie haben in der Türkei einen offiziellen Asylantrag gestellt?
BF: Ja. Bei der UN. Wenn es zu einem Interview gekommen wäre, hätten sie mich in ein zuständiges Land, entweder in die USA oder nach Kanada geschickt.
RI: Bei der UN sind Sie unter der Identität aufgetreten, wie heute?
BF: Ja.
RI: Das, was Sie heute erzählt haben, haben Sie den UN-Beamten auch erzählt?
BF: Ja. Ich habe nicht die ganze Geschichte erzählt. Es gab kein richtiges Interview, nur ein ganz kurzes, darin habe ich gesagt, dass ich homosexuell bin und ich sagte auch weshalb. Ca. eine Stunde hat das gedauert.
RI: Haben Sie dabei auch diesen Vorfall mit der Entführung angesprochen?
BF: Nein. Das sollte in der Hauptbefragung stattfinden.
RI: Haben Sie die Verhaftung mit der Polizei erwähnt?
BF: Ja.
RI: Wie hat sich in Österreich Ihre Homosexualität weiter entwickelt? Wie haben Sie diese hier ausgelebt?
BF: Ich habe hier zwei, drei Personen schon kennengelernt. Ich konnte meine Beziehung nicht intensivieren. Meine Situation im Heim lässt das nicht zu.
RI: Warum können Sie das nicht frei ausleben?
BF: Ich lebe mit denselben Personen im Heim, mit denen ich in meinem Land gelebt habe. Wenn sie davon erfahren, dann werden sie mich auslachen.
RI: Was erzählen Sie dann den anderen Flüchtlingen im Heim als Fluchtgrund?
BF: Ich brauche ihnen nichts erzählen.
RI: Spricht man nicht darüber, was man erlebt hat und warum man hier ist?
BF: Ich habe mit niemandem über meinen Fall gesprochen.
RI: Sie haben hier schon 2 Kontakte geknüpft. Was wissen Sie darüber? Erzählen Sie, wie Sie die Personen kennengelernt haben, wie man daraufgekommen ist, dass beide Personen homosexuell sind und wo haben Sie sie kennengelernt?
BF: Der Erste, den ich kennenlernte, habe ich bei einer Einladung kennengelernt. Ein Bekannter hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Ich glaube, es war seine Geburtstagsparty. Jemand kam zu mir, hat angefangen mit mir zu reden und schlug vor, ich solle ihm meine Telefonnummer geben. Wir haben Nummern ausgetauscht. Über Whatsapp hat er mir offenbart, dass er homosexuell sei. Wir waren ca. 2 Monate zusammen. Er war auch ein Iraner. Er ist dann von hier weggegangen.
RI: Können Sie mir den Namen sagen?
BF: XXXX. Er hat mir den Nachnamen gesagt. Ich kann mich daran nicht mehr genau erinnern.
RI: Er ist zurück in den Iran gegangen?
BF: Er sagte mir, dass er in eine andere Stadt ziehen wird. Ich hatte seine Nummer in einem Handy, das gestohlen wurde, somit habe ich auch keine Nummer mehr von ihm.
RI: Sie haben bei der ARGE Rechtsberatung gesagt, dass Sie mit 14/15 Jahren nach Shiraz gezogen sind und dort XXXX kennenlernten. Sie haben Ihre Beschwerde mit Ihrem Vertreter verfasst. Das Ganze hat sich in Karaj zugetragen und nicht in Shiraz.
BF: Nein. Ich habe ihn in Karaj kennengelernt, damals ich mit meiner Familie mit ca. 11 Jahren nach Karaj gezogen bin.
RI: Dort haben Sie von 3 Personen gesprochen, die Sie entführt haben? Heute haben Sie von 2 Personen gesprochen.
BF: Einer ist am Steuer gesessen und zwei haben mich mitgenommen.
RI: Haben diese Entführer Ihnen Fragen gestellt?
BF: Dort, wo ich gefangen war?
RI: Ja. Dort während dieser Gefangenschaft.
BF: Sie haben mich meistens beschimpft. Es war keine richtige Befragung. Sie haben mich immer beschimpft und gefragt.
RI: Was gefragt?
BF: Darüber, dass ich homosexuell bin und ich kann diese Schimpfworte nicht sagen. Sie wollten nichts wissen, sie wollten mich nur quälen. Sie wollten sicher gehen, ob ich homosexuell bin oder nicht.
RI: Zu Ihren Beziehungen in Österreich: Wann war diese Beziehung mit XXXX?
BF: Das war am Anfang, als ich hergekommen bin. Es ging nicht sehr lange, danach ist er gegangen. XXXX hat nicht in einem Heim gewohnt. Ich bin eingeladen worden auf diese Feier. Er ist dorthin gekommen. Er hatte ein Zimmer.
RI: Haben Sie ihn dort auch besucht?
BF: Ja. Ich glaube einmal, zweimal war ich dort.
RI: War diese Beziehung auch sexuell? Ist es auch zu sexuellen Kontakten gekommen und wie oft?
BF: Ja. Die Zweimal, als ich ihn besuchte.
RI: Wie ist es dann weitergegangen? Sind Sie noch eine 2. Beziehung eingegangen. Wer war das? Wo haben Sie ihn kennengelernt?
BF: Ich habe die Information bekommen, dass ich auf einer Internet-Plattform Kontakte finden kann. Diese ist speziell für Homosexuelle gedacht. Badoo heißt diese Plattform.
RI: Ist das rein nur für Homosexuelle oder für alle Richtungen?
BF: Generell, um Partner zu finden, es sind auch Homosexuelle dabei.
RI: Haben Sie dort ein Profil?
BF: Ja.
RI: Wie finde ich Sie dort?
BF: Mein Name umgekehrt. XXXX.
RI: Haben Sie heute ein Handy mit?
BF: Das Handy, mit dem ich ins Internet gehe, habe ich heute nicht dabei. Ich habe nur im Heim Internet.
BFV wird aufgefordert, einen Link des Profils dem Richter zu schicken.
BFV folgt dieser Aufforderung.
BF stimmt zu.
BF: Sie müssen das Programm herunterladen. Dann kann man schon über eine App hineingehen.
BF setzt fort: Wir hatten eine zeitlang miteinander gechattet. Dann haben wir uns verabredet und uns gesehen. Er ist in Österreich geboren. Ursprünglich stammt er von woanders, ich weiß nicht, woher.
RI: Haben Sie diesen Mann, den Sie kennengelernt haben, gesucht oder hat er Sie angeschrieben? Haben Sie aktiv nach Namen gesucht und nach Männern?
BF: Nein, anhand der Fotos. Man muss einen liken, wenn einem der andere auch gelikt hat, dann kann man zusammen chatten.
RI: Sind Sie mit Ihrem Foto drinnen?
BF: Ja.
RI: Haben Sie nicht auch befürchtet, dass Sie dort andere Flüchtlinge entdecken könnten?
BF: Das ist eine Plattform, wo Männer und Frauen sind. Ich muss es akzeptieren, wenn sie mit mir chatten.
RI: Haben Sie beim Einrichten des Profils angegeben, Sie suchen nach Männern?
BF: Es gibt kein Feld, wo man schreiben muss, ob man mit Männern oder Frauen Kontakt sucht. In meinem Profil habe ich nicht vermerkt, dass ich auf Männersuche bin.
RI: Wann haben Sie sich da angemeldet?
BF: Vor ungefähr eineinhalb Jahren.
RI: Warum haben Sie dann vor dem BFA im Dezember 2017 gesagt, dass Sie bei keiner Dating-Plattform angemeldet sind und keine einschlägigen Internet-Seiten kennen?
BF: Ich wusste nicht, dass das so wichtig ist. Das hatte ich nicht im Kopf. Das ist nur eine Plattform, wo man Freunde findet.
RI: Wann haben Sie diesen Mann kennengelernt? Wann haben Sie begonnen, sich mit ihm zu treffen?
BF: Nachdem wir miteinander gechattet haben, relativ schnell. Eine Woche später haben wir uns gesehen.
RI: Wann war das?
BF: Das war vor sechs, sieben Monaten ungefähr.
RI: Können Sie noch den Namen nennen?
BF: XXXX.
RI: Haben Sie eine Telefonnummer von ihm?
BF: Über Baboo habe ich mit ihm gechattet.
RI: Was ist nach dem Treffen passiert?
BF: Ich war bei ihm bis in der Früh und dann bin ich wieder gegangen.
RI: Ist es wieder zu sexuellen Handlungen gekommen?
BF: Ja.
RI: Haben Sie sich wieder getroffen?
BF: Ja. Bei ihm.
RI: Wie lange ist das dann gegangen?
BF: Ich glaube, das letzte Mal war vor zwei, drei Monaten.
RI: Dann war das keine richtige Beziehung, sondern eher etwas Sexuelles zwischen Ihnen? Haben Sie etwas als Pärchen unternommen?
BF: Nein. Nur geschlechtliche Beziehung.
RI: Sie haben eingangs erwähnt, Sie haben einem Freund beim Umzug geholfen. War das einer dieser Männer? War es ein guter Freund?
BF: Nein. Das ist ein anderer Freund. Wenn ich etwas brauche, dann hilft er mir. Sie wissen auch nichts davon.
RI: Zweimal haben Sie mir Kontakte mit Männern erzählt. Hatten Sie andere Kontakte mit Männern bisher?
BF: Nach dem besagten XXXX gab es dann noch jemanden. Ich sagte ihm, dass ich einen negativen Bescheid bekommen habe und dass mein RB mir gesagt hat, dass es besser wäre, wenn er für mich aussagt. Ich fragte ihn, ob er zur Verhandlung mitkommt und mir hilft. Er sagte, nein, ich bin nicht bereit, dir dabei zu helfen. Ich glaube, er hat einen festen Freund.
RI: Haben Sie diesen auch über BADOO kennengelernt?
BF: Ja.
BFV: Haben Sie seine Telefonnummer?
BF: Ja. Er hat mich gebeten, die Nummer nicht herzugeben.
BFV: Ich habe nie mit diesem Freund gesprochen.
RI: Haben Sie noch Kontakt mit ihm?
BF: Ja. Aber nicht mehr so wie früher. Denn danach hat er sich ein bisschen zurückgezogen.
RI: War das nur etwas Sexuelles?
BF: Es war nur auf das beschränkt.
RI: Würden Sie über BADOO neue Männer kennenlernen wollen?
BF: Die Meisten sind nur kurzfristig.
RI: Sie haben XXXX und den, den Sie nicht nennen dürfen. Sie treffen Männer von dieser Plattform regelmäßig?
BF: Ich chatte mit ihnen, ich habe sie nicht getroffen.
RI: Sie haben XXXX und den Unbekannten getroffen?
BF: Ja.
RI: Wie schaut Ihre Freizeit aus? Gehen Sie in einschlägige Lokale, wo man Männer treffen könnte oder machen Sie das nur über diese Plattform?
BF: Ich war einmal, zweimal dort. Das hat mir nicht gut gefallen.
RI: Wissen Sie noch, wo Sie waren?
BF: Am Karlsplatz oder am Stephansplatz. Den Namen weiß ich nicht.
RI: In Ihrer Flüchtingsunterkunft würden Sie nicht sagen, dass Sie homosexuell sind. Vor anderen Österreichern würden Sie dazu stehen, dass Sie homosexuell sind?
BF: Wenn ich meine Privatsphäre habe, ist es mir nicht wichtig.
RI: Wenn Sie in Ihren Heimatstaat Iran zurückkehren würden, würden Sie trotz der Gefahren versuchen, mit Männern in Kontakt zu treten, oder so wie in Shiraz aus Angst keine Kontakte suchen?
BF: Meinen Sie jetzt, wenn ich zurückgeschickt werde?
RI: Bei einer theoretischen Rückkehr, wie würden Sie mit Ihrer Homosexualität umgehen?
BF: Das ist etwas, was ich bin. Ich kann mich nicht ändern.
RI: Der Islam ist Ihnen nicht mehr wichtig. Ist Ihnen Religion wichtig, interessieren Sie sich für andere Religionen oder wollen Sie mit Religion nichts mehr zu tun haben?
BF: Ich fühlte mich schuldig, wenn ich mir eine andere Religion aussuchen würde, meine Eltern haben mich als Moslem erzogen. Deshalb ist es mir schwer gefallen, mich für eine andere Religion zu interessieren. Aber ich bete immer wieder zu Gott und bin ihm dankbar und rede mit ihm. Auch er hat mir geholfen, dass ich heute vor Ihnen sitze.
RI: Haben Sie jemals irgendjemanden erzählt, dass Sie nicht mehr an den Islam glauben? Hat es irgendwelche Probleme gegeben?
BF: Ja.
RI: Welche? Was ist passiert?
BF: Hier ist es frei. Hier kann man seine Meinung kundtun. Viele haben hier ihre Religion gewechselt.
RI: Äußerten Sie im Iran, dass Sie ungläubig sind? Wurden Sie bedroht?
BF: Nein. Das habe ich mich nicht getraut.
RI: Es hat Sie niemand gezwungen, dass Sie in Shiraz beten sollten oder in die Moschee gehen sollten?
BF: Nein. Ich hatte dort mein eigenes Zimmer. Zu niemandem hatte ich dort eine Beziehung.
RI gibt BFV die Möglichkeit, zu den bisherigen Angaben der Parteien eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.
BFV: Möchten Sie sich noch überlegen, dass Sie den Richter anrufen lassen?
RI: Ich könnte mit dieser Person telefonieren. Mich interessiert nur die Geschichte mit Ihnen. Ich würde ihm einige Fragen über Sie stellen, ob es eine sexuelle Beziehung gegeben hat.
BF: Ich versuche es."
1.8. Mit Schreiben vom 07.11.2018 legte der BF Screenshots seines Badoo-Profils vor und gab die Telefonnummer seines Badoo-Kontaktes bekannt.
1.9. In der fortgesetzten Verhandlung am 17.12.2018 unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi gab der BF Folgendes an:
"RI: Sie haben gesagt, dass Sie auf Badoo ein Profil haben. Haben Sie heute Ihre Login-Daten mit?
BF: Ja.
RI: Ich habe heute hier einen Laptop und Sie können sich hier einloggen. Ich würde mir gerne ein Bild über dieses Profil machen. Ich brauche noch Ihre Erlaubnis, dass ich das machen darf.
BF: Das ist kein Problem.
RI: Sie haben die Telefonnummer Ihres Freundes bekannt gegeben. Wäre es heute möglich diesen Freund anzurufen in der Verhandlung? Haben Sie ihm gesagt, dass heute ein Anruf kommen könnte?
BF: Es ist kein Problem, nur ist er derzeit krank und es kann sein, dass er beim Arzt ist.
RI: Könnten Sie sich bitte auf dem Badoo-Profil hier auf diesem PC einloggen?
BF: Ich gehe über Facebook hinein.
BF loggt sich auf Badoo ein.
RI: Schreiben Sie den Männern oder die Männer Ihnen?
BF: Sowohl als auch.
RI: Die erste Nachricht, die ich hier bei Ihnen sehe, dass Ihnen ein Mann geschrieben hat, war am 26.10.2018. Warum gibt es keine Nachrichten weit vor dem Verhandlungstermin?
BF: Ich habe auf meinem anderen Handy die Aktivitäten gehabt und damit ich mein Handy heute mitnehmen kann, habe ich alles auf das neue Handy übertragen.
RI: Man hat ja einen Chat, der überall verfügbar ist. Das hat nichts mit dem Gerät zu tun. Das ist Ihr Account und die Nachrichten bleiben dort gespeichert, egal welches Gerät man verwendet.