Entscheidungsdatum
22.01.2019Norm
BBG §40Spruch
W132 2142262-2/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde vonXXXX, geboren am XXXX, bevollmächtigt vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat mit Bescheid vom 21.02.2011 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH festgestellt.
2. Die Beschwerdeführerin hat am 30.06.2016 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 21.09.2016, und Dr. XXXX, Fachärztin für Augenheilkunde, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung 30 vH betrage.
2.2. Seitens der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gegeben zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
2.3. Mit dem Bescheid vom 27.10.2016 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.
Als Beilage zum Bescheid wurden von der belangten Behörde die eingeholten Sachverständigengutachten übermittelt.
3. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in Erledigung der Beschwerde mit Beschluss vom XXXX, den angefochtenen Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass aufgrund des in den vorgelegten Befunden dokumentierten Beschwerdebildes der Beschwerdeführerin, die eingeholten Sachverständigengutachten zur Beurteilung nicht ausreichen. Der belangten Behörde wurde aufgetragen, medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtung Psychiatrie und Augenheilkunde einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der dazu vorgelegten Unterlagen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
4. Im fortgesetzten Verfahren hat die Beschwerdeführerin weitere Beweismittel vorgelegt. Die belangte Behörde hat Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Augenheilkunde, und Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, basierend auf den persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin am 28.04.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 30 vH betrage.
4.1. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin unter Vorlage von Beweismitteln Einwendungen erhoben.
4.2. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine mit 16.08.2017 datierte medizinische Stellungnahme von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen, noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
4.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.
5. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs eingewendet habe, auf Grund von Gewalterfahrungen in der Kindheit, der Traumatisierung des Vaters und weiterer traumatischer Erlebnisse 1992 an Angst, Depressiver Störung, sozialer Phobie und chronifizierter posttraumatischer Belastungsstörung zu leiden. Sie habe bereits Gesprächstherapien und Traumatherapie in Anspruch genommen, eine nachhaltige Besserung des Leidenszustandes habe sich jedoch nicht eingestellt. Als Folge der psychiatrischen Diagnosen habe die Beschwerdeführerin im Zuge von Flashbacks und Alpträumen mit den Zähnen geknirscht, was letztlich zu Zahnprothesen geführt habe. Nach Ansicht der behandelnden Therapeutin sei die Beschwerdeführerin in einem instabilen Zustand, der rasch zu Überforderung bis hin zu massiven Ängsten und Panikattacken führe, dies lasse derzeit keine berufliche Tätigkeit zu. Seit November 2013 werde die Beschwerdeführerin im Haushalt von Heimhilfen unterstützt. Der Leidenszustand führe zu körperlichen und psychischen Einschränkungen mit sozialen Phobien, welche die Teilnahme an beruflichen und gesellschaftlichen Aktivitäten ausschließe. Es sei daher jedenfalls ein höherer Grad der Behinderung gerechtfertigt. Auf die vorliegenden Befunde werde verwiesen. Die belangte Behörde habe sich mit diesem Vorbringen, insbesondere auch mit den zahnärztlichen Problemen nicht auseinandergesetzt. Auch sei die psychische Belastung durch die bestehenden Augenprobleme nicht gewürdigt worden. Auf Grund der Schwere der chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung in Verbindung mit Angst und depressiver Störung und deren Auswirkungen auf das Sozialleben der Beschwerdeführerin, liege eine unter Positionsnummer 03.05.02 einzuschätzende Störung mittleren Grades mit zumindest 50 vH vor. Die Sachverständige sei auch nicht drauf eingegangen, dass die Beschwerdeführerin hochsensibel sei. Es werde diesbezüglich auf die vorgelegte Literatur verwiesen. Es werde die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Psychiatrie/Neurologie und Zahn- und Kieferheilkunde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
5.1. Mit dem - im Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2017 eingelangten - Schreiben vom 14.11.2017 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
5.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, vom 14.02.2018, basierend auf der Aktenlage, und von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.04.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.
Im Zuge der Ladung zur persönlichen Untersuchung bei Dr. XXXX wurde die Beschwerdeführerin auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG hingewiesen.
Im Rahmen der persönlichen Untersuchung Dris. XXXX wurden von der Beschwerdeführerin weitere medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht.
5.3. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat die belangte Behörde keine Einwendungen erhoben.
Zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer Beweismitteln im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin entgegen den Ausführungen im Gutachten Dris. XXXX Gesprächstherapie und Traumatherapie absolviert habe und seit 2015 regelmäßig Psychotherapie in Anspruch nehme. Die Beschwerdeführerin habe 2016 und 2017 Psychopharmaka eingenommen, diese aber aufgrund der Nebenwirkungen, wie verschwommenes Sehen und daraus resultierenden Panikattacken, wieder abgesetzt. Die Angabe im Gutachten Dris. XXXX, dass die Beschwerdeführerin auf alle wissenschaftlichen Hilfen verzichte, sei somit unrichtig und es sei nicht nachvollziehbar, dass der Grad der Behinderung des psychischen Leidens nur mit 30 vH beurteilte werde. Aufgrund der komplexen Persönlichkeitsstörung mit Panikstörung, Somatisierungsstörung und Hypersensibilität sowie bestehender sozialer Beeinträchtigung, sei ein Grad der Behinderung von zumindest 50 vH heranzuziehen. Zum Gutachten Dris. XXXX werde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl an chronischen entzündlichen Veränderungen der Zähne leide und wiederkehrend Antibiotika einnehmen müsse sowie Behandlungen mit Chlorhexamed und Dontisolon benötige. Es werde weiterhin die Einholung eines zahnärztlichen Gutachtens beantragt, da die Beschwerdeführerin nur noch die Hälfte ihrer Zähne habe, Metallprothesen tragen müsse und oft zu Zahnbehandlungen gehe. Sie könne nicht mehr alles essen, weil sie Angst habe, die restlichen Zähne würden ebenfalls geschädigt. Dass sie nicht mehr so gut kauen könne, wirke sich auf ihr Immunsystem aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 20.11.2017 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Die weiteren Beweismittel wurden im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 09.04.2018 sowie im Zuge des Parteiengehörs und somit nach dem 20.11.2017 vorgelegt.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand: schlanker Habitus. Caput/Hals: unauffällig, Kieferfunktion sowie Öffnen des Mundes unauffällig, keine Lippenzyanose, Brille, unauffälliges Hörvermögen, keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich.
Thorax: Cor: Reine Herztöne, rhythmische Herzaktion. Blutdruck:
110/70. Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe. Keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer.
Abdomen: Unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palpabel. Leber am Ribo palpabel. Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig. Nierenlager beidseits frei.
Wirbelsäule: HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt. BWS: gerade. LWS:
Rumpfdrehung und -seitneigung frei beweglich.
Obere Extremitäten: Schultergelenk rechts Beweglichkeit frei.
Schultergelenk links: Beweglichkeit frei, Nackengriff und Schürzengriff beidseits durchführbar, rechts etwas schmerzhaft. Ellenbogengelenke frei beweglich und äußerlich unauffällig. Handgelenke frei beweglich. Fingergelenke beidseits frei. Daumengelenke beidseits frei. Faustschluss beidseits komplett durchführbar. Zangengriff beidseits durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig.
Untere Extremitäten: Hüftgelenk rechts: Flexion, Abduktion und Adduktion altersentsprechend frei. Hüftgelenk links Flexion, Abduktion und Adduktion frei. Kniegelenk rechts Beugung und Streckung frei, bandstabil. Kniegelenk links Beugung und Streckung frei, bandstabil. Sprunggelenke beidseits frei. Zehenbeweglichkeit unauffällig. Fußheben und -senken beidseits durchführbar. 1-Beinstand beidseits durchführbar. Beide unteren Extremitäten können von der Unterlage abgehoben werden. Fußpulse beidseits palpabel.
Venen unauffällig. Ödeme keine.
Psychisch: Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Befindlichkeit klagsam, auf die körperlichen und vor allem Augenbeschwerden focusiert. Neigung sich unverstanden zu fühlen. Stimmung durchgängig schlecht, vermindert affizierbar. Derzeit keine Suizidalität.
Neurologisch: Im Kopf- und Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Posttraumatische Belastungsstörung mit Entwicklung einer komplexen Persönlichkeitsstörung mit Panikstörung, Somatisierungsstörung und Hypersensibilität Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da affektive und somatische Symptome und beginnende soziale Beeinträchtigung.
03.05.01
30 vH
02
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule geringen Grades Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden mit Cervicalsyndrom bei geringen funktionellen Einschränkungen und Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite.
02.01.01
20 vH
03
Hochgradige Kurzsichtigkeit, Astigmatismus und Glaskörpertrübungen beidseits mit Sehverminderung auf ca. 0.7 beidseits. Fixposition
11.02.01 Tab K2/Z2
10 vH
04
Rezidivierende Ellenbogenaffektion beidseits geringen Grades Unterer Rahmensatz, da wiederkehrende Beschwerdesymptomatik bei jedoch Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen.
02.02.01
10 vH
05
Wiederkehrende Entzündungen der Nasennebenhöhlen Unterer Rahmensatz, da ohne Hinweis auf starke Atembehinderung sowie Komplikationen.
12.04.03
10 vH
06
Hypofunktionelle Dysphonie Unterer Rahmensatz, da Zustand nach logopädischen Therapiemaßnahmen bei im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung unauffälliger und gut verständlicher Stimme.
12.05.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
30 vH
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da die Leiden 2, 4 und 5 mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammenwirken und dieses daher nicht weiter erhöhen. Das Sehleiden (Leiden 3) erreicht kein Ausmaß, welches mit dem führenden Leiden 1 (psychisches Leiden) auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammenwirkt und erhöht nicht weiter. Die dokumentierte und im Rahmen der klinischen Untersuchung objektivierbare Stimmstörung unter Leiden Nr. 6 erreicht kein Ausmaß, welches zu einer weiteren Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führt.
Die geringen degenerativen Veränderungen beider Schultergelenke erreichen bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen keinen Behinderungsgrad.
Die Glaskörpertrübung erreicht nach der Einschätzungsverordnung keinen Grad der Behinderung, es kann nur die durch sie verursachte Vismusminderung beurteilt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass maßgebliche Pathologien im Kieferbereich bzw. behinderungsrelevante Veränderungen der Zähne vorliegen.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und bis 20.11.2017 vorgelegten und Beweismittel:
Die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX sind in Verbindung mit den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris.XXXX und Dris. XXXX vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 20.11.2017 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die bis 20.11.2017 vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt und fassen deren wesentliche Inhalte wie folgt zusammen:
Behandlungskarte physikalische Therapiemaßnahmen vom Februar 2016 bis März 2016.
Bericht des Schlaflabors Krankenhaus Hietzing vom 31.08.2015: es besteht eine Ein- und Durchschlafstörung für die aus der Polysomnografie kein somatisches Korrelat erkennbar ist, insbesondere Fehlen relevante schlafassoziierte Atmungsunregelmäßigkeiten.
Ambulanter Patientenbrief HNO-Ambulanz Hietzing 08.09.2015:
Hypofunktionelle Dysphonie. Indikation für Logopädie gegeben.
Röntgenbefund der Wirbelsäule vom 06.04.2016: geringe- bis mäßiggradige degenerative Veränderungen.
Rehabilitationsbericht Sonnenpark vom 13.01.2016: Posttraumatische Belastungsstörung, Angst und depressive Störung, anamnestisch Glaskörpertrübung und Glaskörperabhebung diagnostiziert, Zustand nach Laserbehandlung linkes Auge Februar 2011. Die Stimmungslage konnte gebessert werden, die Patientin begann sich kräftiger und stabiler zu fühlen und sie konnte nach eigener Einschätzung die Rehabilitation gestärkt beenden.
Nervenärztlicher Befundbericht psychosoziales Zentrum ESRA vom 11.04.2016. Chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung und depressive Störung.
Augenärztlicher Befund Universitätsklinik für Augenheilkunde vom 19.04.2016, augenärztlicher Befund von Dr.XXXX vom 30. 03.2016.
Augenärztlicher Befund von Frau Dr.XXXX vom 01.07.2016 sowie augenärztlicher Befund Physikarium vom 20.03.2017.
Röntgen der Nasennebenhöhlen vom 04.05.2016: zarte Verschattung in der rechten Stirnhöhle, vordere Siebbeinzellen beidseits verschattet, die rechten Kieferhöhle klein (Zustand nach Operation).
Ärztlicher Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. XXXX vom 31.05.2016: hypofunktionelle Dysphonie, Flimmerskotom bei Netzhautdegeneration und Glaskörpertrübung, Posttraumatische Belastungsstörung, akute Gastroenteritis, Verdacht auf Schlafapnoe, Leukopenie, rezidivierende Atemwegsinfekte, Eisenmangel, hypochrome mikrozytäre Anämie, Ovarialzyste rechts.
Arbeitspsychologische Stellungnahme vom 20.12.2014 von Frau Mag. XXXX.
Honorarnote für psychotherapeutische Behandlung Dr. XXXX vom 18.07.2013.
Befundbericht der Psychotherapeutin Frau Mag. XXXX (undatiert).
Fachärztliche Bestätigung psychosoziale Dienste Wien nach Vorstellung am 15.09.2016 nach Traumatisierung (medikamentöse Therapie empfohlen).
Beiblatt des Allgemeinmediziners Dr. XXXX vom 19.09.2016:
Auflistung der Diagnosen (siehe Befundbericht vom 31. Mai 2016). Zudem akute Panikattacke und akute Belastungsreaktion.
Abschluss-/Endbericht bzw. Entwicklungsplan fit2work vom 25.04.2016: vorliegend sind die Kontakte vom 13.08.2015 bis zum 18.01.2016: Rückenbeschwerden und Schmerzen in den Armen. Eintrag vom 15.02.2016: eine Physiotherapie derzeit laufend und die Kundin glaubt, dass Symptome besser werden. Eintrag vom 25.04.2016: Kundin möchte gerne Kur für Augen und Stützapparat einreichen, für die Kundin sind nicht alle Ziele erreicht, sondern nur teilweise.
Ärztlicher Befundbericht Eurothermen Bad Hall vom 20.03.2017:
Entlassungsdiagnosen: diverse Augendiagnosen, Cervicales
Schmerzsyndrom, Nebendiagnosen: chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung - öfter Panikattacken, hypofunktionelle Dysphonie, chronische Bronchitis, Zustand nach Nasennebenhöhlen- und -Scheidewand-Operation, Appendektomie. Verlauf: die Beschwerdesymptomatik seitens des Bewegungs- und Stützapparates hat sich deutlich gebessert. Schmerzen subjektiv deutlich reduziert. Muskuläre Verspannungen gelockert und die funktionelle Beweglichkeit ausgeweitet. Anfangs beklagte Beschwerden in den Fingergelenken wurden deutlich besser. Therapiemaßnahmen gut vertragen. Subjektiv hat sich die Patientin sehr gut erholt.
Die vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen.
Zusammenfassend hält Dr. XXXX zu den vorliegenden medizinischen Beweismitteln nachvollziehbar fest, dass die darin dokumentierten augenfachärztlichen und psychischen Leiden nach persönlicher Untersuchung am 28.04.2017 durch Dr. XXXX und Dr. XXXX bei der gutachterlichen Beurteilung berücksichtigt wurden und die weiteren befundmäßig dokumentierten Leiden nunmehr aus allgemeinmedizinscher Sicht in Zusammenschau mit der aktuell durchgeführten klinischen Untersuchung berücksichtigt wurden.
Dr. XXXX beschreibt im Einklang mit dem Akteninhalt, dass keine Befunde vorliegen, welche einschätzungsrelevante Entzündungen des Zahnapparates, Veränderungen der Zähne oder des Kieferbereiches beschreiben. Auch lassen sich im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung bei unauffälliger Kieferfunktion keine maßgeblichen behinderungsrelevanten Pathologien erheben. Es ist daher nicht vom Vorliegen einer im Sinne der Einschätzungsverordnung relevanten Funktionsbehinderung des oberen Verdauungssystems nach Punkt 07.02. - wie von Defekten des Kiefers mit Funktionseinschränkung der Kiefergelenke, prothetisch nicht ausgleichbarem Zahnschaden oder ausgedehnten Gaumendefekten - auszugehen. Alleinig das Vorbringen, dass es immer wieder zu Entzündungen im Bereich der Zähne komme, die Zähne brüchig würden und die Behandlung mit Spülungen oder Antibiotika erforderlich sei, kann eine richtsatzmäßige Einschätzung nicht begründen. Es handelt sich bei den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Defekten um behandelbare Defekte bzw. prothetisch ausgleichbare Zahnschäden. So gibt die Beschwerdeführerin selbst an Metallprothesen zu tragen. Zahnersatz - auch in Form von Füllungen oder Prothesen - stellt kein einschätzungsrelevantes Leiden dar.
Hinsichtlich des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden psychischen Leidens beschreibt Dr. XXXX anschaulich, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten psychischen Leiden und Beschwerden nicht in Zweifel gezogen werden, glaubwürdig und nachvollziehbar sind und dass der vorliegenden Symptomatik durch die Erfassung unter der Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung mit Entwicklung einer komplexen Persönlichkeitsstörung" Rechnung getragen wurde. Diese Beurteilung erfolgte im Einklang mit der Einschätzungsverordnung welche Richtsatzposition 03.05.01 für neurotische Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen vorsieht. Durch die Heranziehung eines Grad der Behinderung von 30 vH, wurde der affektiven und somatischen Störung und der beginnenden sozialen Deintegration Rechnung getragen. Da bei der Beschwerdeführerin keine kognitive Störung objektiviert werden konnte - eine solche wird von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet - kann keine höhere Einschätzung dieses Leidens erfolgen. Der nervenärztliche Befundbericht ESRA vom 11.04.2016 ist nicht geeignet eine höhere Einschätzung zu bedingen. Es werden lediglich Diagnosen angeführt und die Angaben der Beschwerdeführerin wiedergegeben. Ein psychiatrischer Befund wird nicht erstellt und ist der angegebene Grad der Behinderung daher nicht nachvollziehbar.
Lässt ein ärztliches Attest nicht erkennen, auf welchem Weg sein Aussteller zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, ist es mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel nicht geeignet. Dies gilt unabhängig davon, dass für den Kausalitätsnachweis nach § 4 Abs. 1 KOVG 1957 Wahrscheinlichkeit ausreicht. Eine Vermutung, dass das in einem "befundlosen" Attest abgegebene Fachurteil nach den Regeln der Wissenschaft erstellt worden sei, besteht nicht. (VwGH vom 06.11.2001, Zl. 94/09/0060)
Dr.XXXX beschreibt im Einklang mit dem Untersuchungsbefund nachvollziehbar, dass sich geringgradige funktionelle Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule objektivieren lassen, wobei maßgebliche motorische Defizite wie Lähmungen nicht erhoben werden konnten, wodurch es zu keiner Änderung der Einschätzung im Vergleich zum Vorgutachten kommt und die objektivierbaren funktionellen Einschränkungen und Beschwerden unter der gewählten Rahmensatzposition nachvollziehbar berücksichtigt sind.
Die abweichende Beurteilung des Ellenbogenleidens gegenüber den der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten resultiert aus der nunmehr durchgeführten allgemeinmedizinischen klinischen Untersuchung, bei welcher objektiviert werden konnte, dass völlig unauffällige Funktionsverhältnisse, und freie Gelenksfunktionen der Ellenbogengelenke ohne Hinweis auf Entzündung vorliegen, wodurch eine Besserung im Vergleich zu den Vorgutachten objektivierbar ist, welche die Reduktion des Grades der Behinderung dieses Leidens um eine Stufe rechtfertigt.
Die im nunmehr vorgelegten ärztlichen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. XXXX vom 31.05.2016 beschriebene hypofunktionelle Dysphonie wurde nunmehr in die Diagnoseliste aufgenommen. Da sich aber - bei Zustand nach logopädischen Behandlungsmaßnahmen - im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung eine unauffällige und gut verständliche Stimme ohne Hinweis auf Funktionsstörung objektivieren ließ, erfolgte die Beurteilung dieses Leidens unter Richtsatzposition 12.05.01 mit dem unteren Rahmensatz. Die steht im Einklang mit der Einschätzungsverordnung.
Die Beurteilung des Ausmaßes der aus dem Wirbelsäulenleidens, der rezidivierenden Ellenbogenaffektion der wiederkehrenden Entzündungen der Nasennebenhöhlen, des Augenleidens und der Dysphonie resultierenden Funktionseinschränkungen wurden von der Beschwerdeführerin auch weder im Rahmen des Beschwerdevorbringens, noch im Rahmen des Parteiengehörs beeinsprucht.
Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Das Beschwerdevorbringen und die im Rahmen des Parteiengehöres erhobenen Einwendungen sind jedoch nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, dass ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften.
Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Zur Erörterung der Rechtsfragen zur Anwendung der Neuerungsbeschränkung, siehe die rechtlichen Erwägungen dazu unter Punkt II 3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
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Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
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Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
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In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015) § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 20.11.2017 vorgelegt worden ist, sind nach diesem Zeitpunkt vorgelegte Beweismittel nicht zu berücksichtigen. Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.
Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.
Die Einwendungen wurden insofern berücksichtigt, als ein psychiatrisches Ergänzungsgutachten eingeholt wurde, eine persönliche allgemeinmedizinische Untersuchung erfolgte und die Dysphonie zusätzlich in die Beurteilung aufgenommen wurde, woraus jedoch keine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert, weil diese nur eine geringe Funktionseinschränkung bewirkt.
Da ein Grad der Behinderung von dreißig (30) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
Soweit die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Kieferchirurgie beantragt wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114). Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die eingeholten Sachverständigengutachte als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. (§ 24 Abs. 2 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Es wurden der Beschwerde keine aufschlussreichen Beweismittel beigelegt, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Die Beschwerdeführerin wurde sowohl im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und bis 20.11.2017 vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten und noch aktuell sind. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W132.2142262.2.00Zuletzt aktualisiert am
19.03.2019