TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/23 W104 2210050-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2019
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Entscheidungsdatum

23.01.2019

Norm

ABGB §1332
AVG §42 Abs3
AVG §44a
AVG §44b
AVG §71
AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 §17
UVP-G 2000 §17 Abs7
UVP-G 2000 §18b
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7

Spruch

W104 2210050-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Baumgartner als Vorsitzenden und die Richter MMag. Dr. Gabriele Fischer-Szilagyi und Dr. Günther Grassl als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX gegen

A)

den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9.11.2018, Zl. RU4-U-736/081-2018, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Genehmigung des Vorhabens "Windpark Höflein West" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Revision ist zulässig;

und

B)

den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19.5.2015, RU4-U-736/030-2015, geändert durch Änderungsbescheid gemäß § 18b Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 vom 6.3.2018, RU4-U-736/073-2015, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Revision ist zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.5.2015, RU4-U-736/030-2015, geändert durch Änderungsbescheid gemäß § 18b Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 vom 6.3.2018, RU4-U-736/073-2015, wurde der "Windpark Höflein West" gemäß § 17 UVP-G 2000 genehmigt. Mit Schreiben vom 19.3.2018 wurde der Baubeginn angezeigt.

Mit Schreiben vom 26.7.2018, präzisiert mit Schreiben vom 16.8.2018, beantragte XXXX die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG. In diesem Antrag behauptete der Antragsteller, sich mit Schreiben vom 28.2.2014 an die Gemeinde Höflein im damals von dieser geführten Flächenwidmungsverfahren gegen das Windparkvorhaben ausgesprochen und Einwendungen erhoben zu haben. Vom späteren UVP-Verfahren sei er nicht informiert worden und man habe ihm den bezeichneten Genehmigungsbescheid nicht rechtzeitig zugestellt. Insoweit habe er keine Möglichkeit gehabt, innerhalb der Rechtsmittelfrist Beschwerde zu erheben. Kenntnis von der Genehmigung des Windparks habe er erstmals am 17.7.2018 erhalten. Insoweit sei sein Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig und er bringe nochmals seine Einwände vom 28. 2. 2014 vor. Da er auf das Schreiben vom 28.2.2014 keine Reaktionen seitens der Gemeinde Höflein erhalten habe, habe er angenommen, das Vorhaben sei aufgegeben worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9.11.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und stellte fest, das infrage stehende UVP-Verfahren sei aktenkundig als Großverfahren gemäß §§ 44a ff. AVG geführt worden. Der Antragsteller habe sich nachweislich nicht an diesem Genehmigungsverfahren beteiligt und keine Einwendungen erhoben bzw. auch keine fristgerechte Beschwerde gegen den zitierten Genehmigungsbescheid erhoben. Der Antragsteller habe es daher verabsäumt, seine Parteistellung im bezeichneten Genehmigungsverfahren durch rechtzeitige Einwendungen zu konstituieren bzw. seine Rechtsinteressen überhaupt wahrzunehmen. Die Annahme, eine Nachbarstellung garantiere ihm apodiktisch eine Parteistellung in diesem Genehmigungsverfahren, entbehre gemäß § 44b Abs. 1 AVG jeglicher Rechtsgrundlage. Der Antragsteller habe aus eigenem Verschulden die Rechtsmittelfrist gegen den Genehmigungsbescheid vom 19.5.2015 versäumt. Er habe nach seiner Beteiligung im Flächenwidmungsverfahren der Gemeinde sich nicht mehr um das Windparkvorhaben gekümmert, was durchaus mehr als ein bloßes Versehen zu erachten sei. Unabwendbare oder unvorhersehbare Ereignisse, die die Wahrung der Rechtsmittelfrist verhindert hätten, seien ebenso wie eine mangelhafte Rechtsmittelbelehrung im zitierten Bescheid vom 19.5.2015 nicht zu erkennen und würden zudem auch nicht behauptet.

Mit Beschwerde vom 19.11.2018 macht der Beschwerdeführer geltend, er sei Eigentümer von Flächen im Ausmaß von etwa 7 ha in unmittelbarer Nachbarschaft der gegenständlichen Windkraftanlage. Als Anrainer komme ihm im gegenständlichen Verfahren Parteistellung zu. Die Behörde habe jedoch verabsäumt, ihn über das definitive Bauvorhaben zu informieren. Durch Zufall habe er am 24.6.2018 festgestellt, dass in unmittelbarer Nähe seiner angeführten Flächen Windkraftanlagen errichtet werden sollten. Er habe zu diesem Zeitpunkt seine Anrainerrechte geltend gemacht und sofort Einspruch erhoben. Die Errichtung der Windkraftanlagen stelle für ihn eine grobe Verletzung seiner subjektiven Rechte dar und führe durch Lärm, Schattenschlag, Eiswurf, bedrängende Wirkung, Nichteinhaltung bauordnungsrechtlicher Abstandsflächen zu ökonomischen Verlusten im Weinbau. Er sei lediglich am 20.2.2014 von der Gemeinde Höflein über die geplante Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms informiert worden und habe darauf Einwendungen gegen dieses Projekt erhoben. Diese Einwendungen seien ignoriert und im Verfahren auch nicht gewürdigt worden. Über das UVP-Verfahren sei er aber nicht informiert worden. Das UVP-Verfahren sei angeblich als Großverfahren geführt worden. Er habe jedoch zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von diesem Verfahren erhalten und sei von niemandem über die Durchführung informiert worden. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, sich zu einem früheren Zeitpunkt an dem Verfahren zu beteiligen. Er beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Wiedereinsetzung des Bewilligungsverfahrens in den vorigen Stand gemäß § 17 AVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Eingabe vom 20.3.2014 beantragte die XXXX die Errichtung und den Betrieb des Windparks "Höflein West".

Vorhabensgegenständlich war die Errichtung von fünf Windenergieanlagen mit einer Gesamtnennleistung von 15,9 MW und damit zusammenhängende Einrichtungen. Mit Edikt vom 11.11.2014 wurde dieser Genehmigungsantrag mit Beschreibung des Vorhabens gemäß § 9 UVP-G 2000 sowie gemäß den Bestimmungen betreffend das Großverfahren gemäß §§ 44a ff. AVG im NÖ Kurier, in der NÖ Krone, im Amtsblatt zur Wiener Zeitung, in den amtlichen Nachrichten des Landes Niederösterreich sowie auf der Homepage des Landes Niederösterreich und der Amtstafel der verfahrensgegenständlichen Standortgemeinden Höflein und Scharndorf kundgemacht. In der Zeit vom 11.11.2014 bis 23.12.2014 waren der Genehmigungsantrag und die Projektunterlagen inklusive der Umweltverträglichkeitserklärung in den bezeichneten Standortgemeinden und beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Umwelt-und Energierecht, während der jeweiligen Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt. Währenddessen wurden, abgesehen von einer den Naturschutz betreffenden "anonymen Einwendung," keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben.

1.2. Mit Genehmigungsbescheid vom 19.5.2015 wurde das Vorhaben gemäß § 17 UVP-G 2000 genehmigt und der Genehmigungsbescheid gemäß § 17 Abs. 7 UVP-G 2000 bei der Behörde und in den Standortgemeinden acht Wochen lang zur öffentlichen Einsicht aufgelegt. Die Zustellung des Bescheides an die Projektwerberin erfolgte am 26.5.2015.

1.3. Mit Abänderungsanträgen vom 20.6.2007, 3.7.2017, 9.8.2017 und 19.2.2018 beantragte die Projektwerberin gemäß § 18b UVP-G 2000 Änderungen des Vorhabens. Die entsprechenden Unterlagen sowie die hierzu ergangenen Sachverständigenbeurteilungen wurden mit Edikt vom 22.12.2017 in der NÖ Krone, dem NÖ Kurier, dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung sowie den amtlichen Nachrichten Niederösterreich kundgemacht und vom 22.12.2017 bis einschließlich 2.2.2018 bei den Standortgemeinden Scharndorf und Höflein sowie bei der UVP-Behörde zur öffentlichen Einsicht aufgelegt. Es wurden keine Einwendungen gegen die geplanten Änderungen vorgetragen, die mit Bescheid vom 6.3.2018 genehmigt wurden. Der Bescheid wurde am 6.3.2018 der Projektwerberin zugestellt und am 13.3.2018 auf der Homepage der NÖ Landesregierung kundgemacht.

1.4. Der Beschwerdeführer hat kein unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis vorgebracht, das ihn daran gehindert hat, Einwendungen im Genehmigungsverfahren oder Beschwerde gegen die jeweiligen Genehmigungsbescheide zu erheben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen unter Punkt 1.1. ergeben sich aus den im Akt einliegenden Genehmigungsbescheiden gemäß § 17 und § 18b UVP-G 2000. Die Feststellungen unter Punkt 1.2. ergeben sich aus dem elektronischen Akt der Behörde. Die Feststellung unter Punkt 1.3. ergibt sich aus den in der Beschwerde unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides und aus dem elektronischen Akt der Behörde. Die Feststellung in 1.4. ergibt sich ebenfalls aus den in der Beschwerde unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides und aus dem elektronischen Akt der Behörde. Der Beschwerdeführer hat zudem in der Beschwerde kein derartiges Ereignis ins Treffen geführt, das ihn gehindert hätte, Einwendungen zu erheben oder die Rechtsmittelfrist zu wahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Wiedereinsetzung bezüglich Erhebung von Einwendungen im behördlichen Verfahren:

3.1.1. Sind an einer Verwaltungssache oder an verbundenen Verwaltungssachen voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt, so kann die Behörde gemäß § 44a AVG den Antrag oder die Anträge durch Edikt kundmachen.

Das Edikt hat u.a. eine Frist von mindestens sechs Wochen zu enthalten, innerhalb derer bei der Behörde Einwendungen zu erfolgen haben. Das Edikt ist im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weitverbreiteter Tageszeitungen und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren. Ist in den Verwaltungsvorschriften für die Kundmachung der mündlichen Verhandlung eine besondere Form vorgesehen, so ist der Inhalt des Edikts darüber hinaus in dieser Form kundzumachen; im Übrigen kann die Behörde jede geeignete Form der Kundmachung wählen. Wurde ein Antrag durch Edikt kundgemacht, so hat dies gem. § 44b AVG zur Folge, dass Personen ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftlich Einwendungen erheben.

Nachdem verwaltungsbehördliche Genehmigungsverfahren mit vielen hunderten Beteiligten - vor allem im Bereich umweltschutzrelevanter Projekte - beträchtlich zugenommen und den Behörden enorme Probleme, insb. hinsichtlich der Vermeidung übergangener Parteien, bereitet hatten, entschloss sich der Gesetzgeber, durch die AVG-Novelle BGBl I Nr. 158/1998 eine spezielle, effiziente Regelung für solche Großverfahren zu treffen. Die Sonderbestimmungen über Großverfahren (§§ 44a bis 44g AVG) betreffen in erster Linie die Kundmachung des verfahrenseinleitenden Antrags, die Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung, den Eintritt von Präklusionsfolgen und Zustellvorgänge, womit der Verwaltung ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden soll, übergangene Parteien als Quelle von Verfahrensfehlern mit gravierenden Folgen möglichst auszuschließen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 44a Rz 1).

In Großverfahren, d.s. Verfahren, an denen voraussichtlich mehr als hundert Personen beteiligt sind, sollte der Behörde die Möglichkeit gegeben werden, die Einwendungen gegen das Vorhaben bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung zu sammeln, damit sie die Verhandlung besser vorbereiten und allfällige ergänzende Sachverständigengutachten frühzeitig einholen kann. Wenn sie den Antrag mit einem "großen Edikt" kundmacht, sind Einwendungen bei sonstiger Präklusion der Parteistellung innerhalb einer von der Behörde zu bestimmenden, sechs Wochen nicht unterschreitenden Frist bei ihr schriftlich zu erheben. Um diese im Interesse der Verfahrensbeschleunigung notwendige Konsequenz für die Beteiligten tragbar zu machen, sieht der Antrag Publikationspflichten vor, wie sie sonst nur bei generell-abstrakten Normen begegnen: Neben der Verlautbarung in zwei weitverbreiteten regionalen Tageszeitungen muss das Edikt im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht werden (dessen Inhalt seinerseits nach § 2a des Verlautbarungsgesetzes 1985 [Art. 14 Z 2] unentgeltlich im Internet bereitzustellen ist). Diese Festlegung eines zentralen Publikationsmediums für Edikte soll außerhalb des betroffenen Bundeslandes lebenden Personen die Chance bieten, durch Lektüre einer einzigen Tageszeitung von allen in Österreich abgeführten Großverfahren Kenntnis zu erlangen. Dies bedeutet aber auch, dass sich niemand darauf berufen kann, er habe auf Grund einer längeren Ortsabwesenheit vom Vorhaben keine Kenntnis erlangt (so die gesetzlichen Materialien zur AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, GP XX AB 1167 S. 25).

Dem Beschwerdeführer ist daher zwar darin Recht zu geben, dass er aufgrund seiner Nachbarschaft zum Vorhaben grundsätzlich Parteistellung hatte, doch hat er innerhalb der Auflagefrist keine Einwendungen erhoben und daher seine Parteistellung verloren.

3.1.2. Die Bestimmung des § 71 Abs. 1 AVG, wonach einer Partei gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, kann im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen, weil der Beschwerdeführer seine Parteistellung verloren hat. Eine Wiedereinsetzung nach § 71 Abs. 1 AVG setzt die Parteistellung voraus und ist somit auf Personen, die ihre Stellung als Partei (wenn auch unverschuldet) verloren haben, nicht anwendbar. Einschlägig ist vielmehr die spezielle Regelung des § 42 Abs. 3 AVG. Diese ermöglicht Präkludierten unter ähnlichen Voraussetzungen, wie sie für die Wiedereinsetzung nach § 71 AVG gelten, die verlorene Parteistellung wieder zu gewinnen (Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 50).

§ 42 Abs. 3 AVG lautet:

"§ 42. [...]

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist."

Diese Bestimmung beschränkt allerdings - im Gegensatz zur allgemeinen Bestimmung des § 71 Abs. 1 - die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in zeitlicher Hinsicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Sache. Da die Rechtskraft der Genehmigungsbescheide lange vor dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers eingetreten ist, ist schon aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Frist zur Erhebung von Einwendungen ausgeschlossen.

Abgesehen davon gelingt dem Beschwerdeführer auch nicht der Nachweis, dass es sich bei dem Versäumen der Beschwerdefrist um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis höchstens aus einem minderen Grad des Versehens handelt. In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der belangten Behörde geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer, der von der Umwidmung wusste, bei Aufwendung der notwendigen Sorgfalt wissen musste, dass ein Genehmigungsverfahren für das Vorhaben bevorstand. Da die Großverfahrensbestimmungen nun bereits seit dem Jahr 1998 bestehen und weitreichende Publikationspflichten enthalten, hätte der Beschwerdeführer bei Aufwendung der von ihm als Nachbarn, der vom Vorhaben wusste, zu verlangenden entsprechenden Sorgfalt von der Auflage der Unterlagen in der Standortgemeinde erfahren müssen. Er hätte dann den Untergang seiner Parteistellung durch Erhebung entsprechender Einwendungen verhindern können.

3.2. Wiedereinsetzung bezüglich Beschwerdefrist:

3.2.1. Die Behörde hat den zum angefochtenen Bescheid führenden Antrag jedoch offenbar auch als Wiedereinsetzungsantrag gegen die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gedeutet und auch darüber abgesprochen. Angesichts der sehr allgemeinen Formulierung des Antrages auf "Wiedereinsetzung des Bewilligungsverfahrens Energiepark Bruck/Leitha GmbH, ‚Windpark Höflein West' gemäß § 17 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000" kann dieser Auslegung nicht entgegengetreten werden.

3.2.2. Beschwerde an das Verwaltungsgericht können gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG nur Personen erheben, die in ihren Rechten verletzt zu sein behaupten. Dies kann nur auf jene Personen zutreffen, die bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung hatten oder hätten haben müssen (VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055), oder denen diese Befugnis aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen zukommt (vgl. hiezu Eberhard/Ranacher/Weinhandl, Rechtsprechungsbericht:

Landesverwaltungsgerichte, Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof, ZfV 3/2016, 369).

Der Beschwerdeführer hatte, wie oben dargelegt, keine Parteistellung (mehr) im vorangegangenen Verwaltungsverfahren. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15.10.2015 in der Rechtssache C-137/14 ist nun jedoch davon auszugehen, dass aufgrund Art. 11 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU (also einer unionsrechtlichen Bestimmung) Personen mit subjektiven Rechten, die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben haben, zwar nach dem innerstaatlichen Verwaltungsverfahrensrecht ihre Parteistellung verloren haben bzw. mit ihren Einwendungen präkludiert sein mögen, sie aber dennoch Zugang zu einem unabhängigen Gericht und ein dementsprechendes Rechtsmittel zur Verfügung haben müssen (vgl. zuletzt BVwG 29.9.2017, W104 2120271-1/202E A5 Nord/Weinviertelautobahn Abschnitt Poysbrunn-Staatsgrenze; für viele: Bachl, Alles neu bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Verfahren? JÖR 2016, 259; Niederhuber, Erweiterte Beschwerderechte für Projektgegner, ÖZW 2016,72).

Allerdings ist unbestritten, dass die Ausgestaltung des Gerichtszugangs im Rahmen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter Beachtung des unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes Beschränkungen, etwa in Form von Rechtsmittelfristen, unterworfen werden kann (Bachl, 269; Niederhuber, 75). Gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG gilt eine vierwöchige Beschwerdefrist ab Erlassung des Bescheides.

3.2.3. Die Beschwerdefrist beginnt jedoch erst mit dem Tag der Verkündung oder der Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer. Eine individuelle Zustellung ist nie erfolgt.

§ 17 Abs. 7 UVP-G 2000 lautet:

"§ 17. [...]

(7) Der Genehmigungsbescheid ist jedenfalls bei der Behörde und in der Standortgemeinde mindestens acht Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Der Bescheid hat die Entscheidungsgründe sowie Angaben über die Beteiligung der Öffentlichkeit und eine Beschreibung der wichtigsten Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen vermieden, verringert und überwacht sowie, soweit möglich, ausgeglichen werden, zu enthalten. Die Auflage ist in geeigneter Form, jedenfalls auch im Internet, kundzumachen. Mit Ablauf von zwei Wochen nach dieser Kundmachung gilt der Bescheid auch gegenüber jenen Personen als zugestellt, die sich am UVP-Verfahren nicht oder nicht rechtzeitig (§§ 42, 44a iVm 44b AVG) beteiligt und deshalb keine Parteistellung erlangt haben. Ab dem Tag der Kundmachung im Internet ist solchen Personen, die glaubhaft machen, dass ihnen ein Beschwerderecht zukommt, Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren."

Die letzten beiden Sätze dieser Bestimmung wurden mit dem Verwaltungsreformgesetz BMLFUW, BGBl. I Nr. 58/2017, eingefügt und traten am 26.4.2017 in Kraft (§ 46 Abs. 27 UVP-G 2000). Die Bestimmung schafft seither eine Zustellfiktion für all jene Personen, die sich wie der Beschwerdeführer in der Lage befinden, ihre Parteistellung verloren zu haben, weil sie sich nicht oder nicht rechtzeitig am Verfahren beteiligt haben. Sie wurde geschaffen, um für die Praxis eine klare Regelung über die Zustellung von Genehmigungsentscheidungen (und damit über den Beginn des Fristenlaufs der vierwöchigen Beschwerdefrist an das Verwaltungsgericht) hinsichtlich von "Nicht-mehr"-Parteien zu schaffen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, RV 1456 Blg. NR 25. GP, Erläut. zu Art. 2 Z 9 und 14). Diese Bestimmung ist eindeutig auf den Änderungsbescheid vom 6.3.2018 anzuwenden.

Diese 2017 eingeführte Regelung scheint auch "erforderlich" im Sinn des Art. 11 Abs. 2 bzw. des Art. 136 Abs. 2 B-VG, da sie auf die besonderen, sich aus der UVP-Richtlinie für UVP-Verfahren ergebenden Verpflichtungen reagiert, auch "Nicht-mehr-Parteien" des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens den Zugang zu einem Gericht zu gewähren und dafür eine Zustellfiktion festlegt, um den Lauf der Beschwerdefrist in Gang zu setzen. Sie scheint aufgrund der weitreichenden Publikationswirkung der Kundmachung nach § 9 UVP-G 2000 auch nicht unverhältnismäßig und ist daher anzuwenden.

§ 33 Abs. 1 VwGVG lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG schützt - wie die Wiedereinsetzung im behördlichen Verfahren - die Partei gegen Nachteile aus der Versäumung einer befristeten Rechtshandlung dadurch, dass sie die Partei in die Lage versetzt, die versäumte Handlung nachzuholen und die aus der Säumnis resultierenden negativen Konsequenzen abzuwenden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 2; zur Heranziehung des § 33 Abs. 1 VwGVG anstelle des § 71 AVG vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113).

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Partei durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erlitten hat (VwGH 17.11.1981, 11/2551/80; 07.10.1993, 92/01/0864; 14.12.1994, 94/01/0762, alle zu § 71 AVG). Ein solcher Rechtsnachteil tritt dann ein, wenn die Partei eine Prozesshandlung, die zur Wahrung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen notwendig und zweckmäßig bzw. möglich ist, nicht mehr vornehmen kann (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71, Rz 31).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - VwGH, ergangen zum in diesem Punkt gleichlautenden § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, ist ein Ereignis "unabwendbar", wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Ein Ereignis ist "unvorhergesehen", wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft. Ein solcher "minderer Grad" des Versehens (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.01.1992, 91/13/0254).

Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen (VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559; 29.01.2004, 2001/20/0425).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag gestellt wird (vgl. VwGH 22.02.2001, 2000/20/0534). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.03.2000, 99/01/0268 unter Bezugnahme auf die Entscheidung 28.01.1998, 97/01/0983).

Für die Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer bei der Versäumung der Beschwerdefrist nur ein minderer Grad des Versehens unterlaufen ist, kann auf das unter Pkt. 3.1.2 Angeführte zurückgegriffen werden: In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der belangten Behörde geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer, der von der Umwidmung wusste, bei Aufwendung der notwendigen Sorgfalt wissen musste, dass ein Genehmigungsverfahren für das Vorhaben bevorstand. Da die Großverfahrensbestimmungen nun bereits seit dem Jahr 1998 bestehen und weitreichende Publikationspflichten enthalten, hätte der Beschwerdeführer bei Aufwendung der von ihm als Nachbarn, der vom Vorhaben wusste, zu verlangenden entsprechenden Sorgfalt von der Auflage der Unterlagen in der Standortgemeinde erfahren müssen. Er hätte dann den Untergang seiner Parteistellung durch Erhebung entsprechender Einwendungen verhindern und/oder nach Erlassung des Genehmigungsbescheides rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben können.

Aus diesem Grund kommt auch eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist betreffend den Änderungsbescheid vom 6.3.2018 nicht in Frage.

3.2.4. Zur Anwendbarkeit des § 17 Abs. 7 UVP-G 2000 i.d.F. BGBl. I Nr. 58/2017 führen die zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage an, im Hinblick auf Bescheide, die vor der Entscheidung des EuGH vom 15.10.2015 erlassen wurden, dürften die Genehmigungswerber im Sinne des vom Verfassungsgerichtshof - VfGH anerkannten Vertrauensschutzes auf die Gültigkeit dieser Bescheide, soweit sie nach den damaligen Regelungen rechtskräftig geworden sind, vertrauen. Eine Rückwirkung des Judikates auf Altbescheide sei in verfassungskonformer Interpretation nicht gegeben.

Ausgehend von diesen Äußerungen des Gesetzgebers wird die Frage, welche Wirkung das Urteil des EuGH vom 15.10.2015 und die nachfolgende Änderung des § 17 Abs. 7 durch BGBl. I Nr. 58/2017 auf die Frage der Zustellung bzw. Anfechtbarkeit des Genehmigungsbescheides vom 19.5.2015 haben, vom Bundesverwaltungsgericht folgendermaßen beurteilt:

Gemäß § 46 Abs. 27 UVP-G 2000 trat § 17 Abs. 7 UVP-G 2000 i.d.F. BGBl. I Nr. 58/2017 am 26.4.2017 in Kraft. Eine Rückwirkung dieser Bestimmung wird nicht angeordnet.

Die Zustellungsfiktion dieser Bestimmung gilt in Bezug auf den Bescheid vom 19.5.2015 daher nicht. Der Bescheid gilt daher als dem Beschwerdeführer nicht zugestellt. Würde man nun annehmen, dass das angeführte Urteil des EuGH vom 15.10.2015 rückwirkend auf dieses Genehmigungsverfahren anzuwenden wäre, so würde das bedeuten, dass die Präklusion in Form des Verlusts der Parteistellung keinen Einfluss auf die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführer hätte, dieser die Bescheidzustellung begehren und danach binnen der gesetzlichen vierwöchigen Beschwerdefrist - quasi nachträglich - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben könnte. Dies würde einer Beseitigung der Bestandskraft des vermeintlich seit 2015 rechtskräftigen Bescheids entsprechen, weil aufgrund der Beschwerde die Entscheidung neuerlich zur Disposition stünde. Fraglich ist jedoch, ob das Unionsrecht eine derartige rückwirkende Beseitigung der Bestandskraft aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 15.10.2015 verlangt, wovon der Gesetzgeber in den Materialien zu BGBl. I Nr. 58/2017 offenbar nicht ausgeht.

Sowohl der VfGH als auch der VwGH vertreten die Auffassung, dass eine nachträgliche Entscheidung des EuGH, die bestimmte Rechtsfragen anders beurteilt, rechtskräftige Bescheide grundsätzlich nicht wieder zur Disposition stellt. So hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 21.9.2009, 2008/16/0148, klargestellt, dass ein Erkenntnis etwa des VwGH, mit dem ein Tatbestandswirkung entfaltender Bescheid aufgehoben wird, sich auf den Sachverhalt eines anderen, darauf aufbauenden Verfahrens auswirke. Demgegenüber komme einem Urteil des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht in einem Vorabentscheidungsverfahren die Wirkung zu, eine bereits vorher bestehende Rechtslage zu klären. Es verschaffe daher allenfalls eine neue rechtliche Erkenntnis, die zu einer anderen rechtlichen Würdigung eines verwirklichten Sachverhaltes führe, lasse aber den Sachverhalt (und auch etwa einen früheren, Tatbestandswirkung entfaltenden Bescheid) unberührt. Dass durch den Anwendungsvorrang des durch ein solches EuGH-Urteil ausgelegten Gemeinschaftsrechts ein nationales Gesetz nicht angewendet wird, vermöge für sich noch keine Änderung der Sachverhaltsgrundlage zu bewirken. Die "erga-omnes-Wirkung" bedeute noch nicht eine Änderung der Sachverhaltsgrundlage anderer Verfahren und somit keine neu hervorgekommene Tatsache, sondern betreffe die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes in einem anderen Verfahren. Eine Tatbestandswirkung komme einem solchen Urteil des EuGH nicht zu. Die belangte Behörde durfte den angefochtenen Bescheid daher nicht auf den Wiederaufnahmegrund neu hervorgekommener Tatsachen stützen. Der VfGH habe in seinem Erkenntnis vom 22.6.2009, G 5/09 u.a., mit näherer Begründung auch ausgeführt, die Auslegung, dass das Hervorkommen einer Entscheidung eines innerstaatlichen Höchstgerichtes keine Berechtigung zur Wiederaufnahme aller rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nach dem Vorfragentatbestand vermittle, entspreche dem bisher üblichen Verständnis dieses Wiederaufnahmegrundes im österreichischen Recht. Der VwGH sehe keine Veranlassung, von dieser auch in der Rechtsprechung des VwGH vertretenen Ansicht abzugehen. Der VfGH verneine eine gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit, solche EuGH-Urteile anders als nationale höchstgerichtliche Entscheidungen zu behandeln.

Der VfGH betonte in der erwähnten Entscheidung G 5/09 auch ausdrücklich, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH dessen Urteile verpflichtend in allen offenen Verfahren zu beachten seien, aus der Rechtsprechung des EuGH aber gleichzeitig folge, dass die Wirkung seiner Entscheidungen nicht auch generell die Pflicht zur Beseitigung entgegenstehender innerstaatlicher Entscheidungen beinhalte. Insoweit sei nach der Judikatur des EuGH vielmehr den Mitgliedstaaten Autonomie bei der Ausgestaltung ihres Verfahrensrechts eingeräumt (Hinweis auf EuGH 1.6.1999, Rs. C-126/97 Eco Swiss China Time, Rz 46 f.; EuGH 16.3.2006, Rs. C-234/04 Kapferer, Rz 20). Das Gemeinschaftsrecht verlange nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (Hinweis auf EuGH 13.1.2004, Rs. C-453/00 Kühne & Heitz, Rz 24). Die Rechtsnatur von Entscheidungen (Judikaturänderungen) des EuGH bilde keine Rechtfertigung dafür, die Rechtskraft in einem größeren Ausmaß als bei Entscheidungen anderer Gerichte zu durchbrechen; auch das rechtsschöpferische Element der Entscheidungen bilde keine Grundlage für eine derartige Differenzierung.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung in der Rechtssache C-453/00 Kühne und Heitz vom 13.1.2004 ausgesprochen, dass die Rechtssicherheit zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehöre und die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, zur Rechtssicherheit beitrage. Das Gemeinschaftsrecht verlange daher nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Dies sei aber dann der Fall, wenn wie im Ausgangsverfahren

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die Behörde nach nationalem Recht befugt sei, diese Entscheidung zurückzunehmen,

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die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden sei,

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das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeige, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe, die erfolgt sei, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht worden sei, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt gewesen sei, und

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der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt habe.

In der Entscheidung Kempter C-2/06 vom 12.2.2008 stellte der Gerichtshof klar, dass eine Vorabentscheidung zwar nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur sei und daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurückwirke. Daraus folge, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eine so ausgelegte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts von einer Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch auf Rechtsbeziehungen anzuwenden ist, die vor dem Erlass der Vorabentscheidung des Gerichtshofs entstanden ist. Diese Rechtsprechung sei jedoch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu lesen, der zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört. Insoweit sei festzustellen, dass die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder nach Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, zur Rechtssicherheit beitrage und das Gemeinschaftsrecht daher nicht verlange, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet sei, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Auch sei die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Angesichts der weitreichenden Publizität des UVP-Verfahrens, insb. bei Anwendung der Großverfahrensbestimmungen des AVG (Kundmachung und öffentliche Auflage des Genehmigungsantrags, Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung, Kundmachung des Genehmigungsbescheides im Internet), und der Tatsache, dass einem Dritten, nämlich der Projektwerberin, durch die Genehmigung Rechte erwachsen sind, die er im Vertrauen auf die Geltung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Anspruch genommen hat, ist es unter Zugrundelegung des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes und des Äquivalenzgrundsatzes nicht unangemessen, potentiell Betroffene auf die im Rahmen der "Quasi-Wiedereinsetzung" gemäß § 42 Abs. 3 AVG innerstaatlich vorgesehene Frist zu verweisen, in der sie Parteistellung mit dem Recht auf Bescheidzustellung und in Folge Beschwerdelegitimation beim Verwaltungsgericht erwerben können. Unter der Annahme, dass jenen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, die sich tatsächlich am Verfahren beteiligt haben, und die die Rechtsmittelfrist absichtlich ungenützt verstreichen ließen, eine neuerliche Rechtsmittelerhebung verwehrt ist, wäre es unverständlich, warum jenen Vertretern der betroffenen Öffentlichkeit, die sich nicht einmal am Verfahren beteiligt haben, nunmehr die Möglichkeit offenstehen sollte, das Verfahren neu aufzurollen (vgl. dazu auch Berl/Forster, Nachträgliche Rechtsmittel der betroffenen Öffentlichkeit, RdU-U&T 2017, in: RdU 1/2017).

Nach alledem geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass auch die Entscheidung des EuGH vom 15.10.2015 nichts daran ändert, dass der Beschwerdeführer gem. § 44b i.V.m. § 43 Abs. 3 AVG binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen hätte erheben müssen, um seine Parteistellung wieder zu erlangen und so die Zustellung des Bescheides und die Möglichkeit zu erhalten, binnen vier Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

Die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels richtet sich - bei Fehlen anderslautender Übergangsbestimmungen - nach der in dem für den Eintritt der Rechtskraft maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Rechtsmittelfrist geltenden Rechtslage (VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066). Nach der insofern maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Genehmigungsbescheides für den Windpark Höflein West vom 19.5.2015 hatte der Beschwerdeführer seine Parteistellung verloren und nach Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG i.V.m. § 7 VwGVG als Nicht-Partei auch keine Beschwerdelegitimation, weil die Verletzung von subjektiven Rechten nicht in Frage kam.

Eine Beschwerde gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 19.5.2015 ist daher nicht mehr möglich. Eine Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer und eine Wiedereinsetzung in Bezug auf die Beschwerdefrist kommt nicht in Frage.

3.2.5. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen die Genehmigungsbescheide als verspätet und mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen.

3.2.6. Die Entscheidung der Behörde erweist sich daher insgesamt im Ergebnis als nicht zu beanstanden.

3.3. Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da zur Frage der Rückwirkung einer Entscheidung wie der des EuGH vom 15.10.2015 (zur Frage des Einflusses der Präklusion im Verwaltungsverfahren auf den Zugang zu einem Gericht) auf individuelle Verwaltungsakte, die vor Erlassung dieser Entscheidung erlassen wurden, keine aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert. Würde man nämlich eine derartige Rückwirkung annehmen, müsste man zum Schluss kommen, dass dem Beschwerdeführer die Genehmigungsentscheidung zuzustellen wäre und ihm die Beschwerde dagegen noch offenstünde.

Schlagworte

Bescheidabänderung, Beschwerdefrist, Beschwerdelegimitation,
Beschwerderecht, Fristablauf, Fristüberschreitung, Fristversäumung,
Genehmigungsverfahren, Glaubhaftmachung, Kundmachung, minderer Grad
eines Versehens, Nachbarrechte, Nachweismangel, Parteistellung,
Rechtsmittelfrist, Rechtsschutzinteresse, Rechtzeitigkeit, Revision
zulässig, Umweltverträglichkeitsprüfung, unabwendbares Ereignis,
unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis,
Wiedereinsetzungsantrag, Windpark, Zurückweisung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2210050.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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