TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W230 2185527-3

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W230 2185527-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und - unstrittiger - Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und hatte zunächst am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) mit Bescheid vom 24.01.2018 unter Erlassung einer Rückkehrentscheidung negativ entschieden wurde, was vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.07.2018 bestätigt wurde.

2. Am 15.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz. Dazu erfolgte am selben Tag seine Erstbefragung und am 22.11.2018 eine Einvernahme durch die belangte Behörde. Am 03.12.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz durch mündlich erlassenen Bescheid aberkannt. Mit Beschluss vom 05.12.2018 wurde dieser Bescheid bestätigt. Am 11.12.2018 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15.01.2019 wies die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 AsylG, erließ unter Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot und sprach über eine zuvor mit Verfahrensanordnung verfügte Anordnung der Unterkunftnahme gem. § 15b AsylG ab.

3. Im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2018 konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer "ernsthaft an einer Konversion zum Christentum interessiert war bzw. eine diesbezüglich fortgeschrittene, religiöse Geisteshaltung eingenommen hat". Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Beweislage, die dem angefochtenen Bescheid vom Jänner 2018 zugrunde lag.

In beweiswürdigender Hinsicht begründete das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellung auf Folgendes:

"Die negativen Feststellungen bezüglich einer ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben [ergeben] sich daraus, dass der BF zwar vorgibt, sich seit zwei Jahren (!) mit dem Christentum zu beschäftigen, dass er jedoch weder das wichtigste Gebet der Christen benennen, noch angeben konnte, wie Jesus gestorben ist oder wie viele Apostel es gab. Weiters konnte er nicht einmal drei der zehn Gebote nennen und auch nicht den Satz ‚Vater unser im Himmel ...'

vervollständigen. Angesichts dessen erscheint klar, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Christentum beim BF in keiner Weise stattgefunden hat. Auch die Angaben des BF nach seinem Motiv, um zu konvertieren, nämlich dass er im Islam keinen Hund halten dürfe und keiner Frau die Hand reichen dürfe und er deshalb zum Christentum übertreten wolle, lässt eine ernsthafte Spiritualität im Hinblick auf eine Konversion vermissen. Zudem war der BF im Zeitraum von zwei Jahren, in denen er sich mit dem Christentum beschäftigen will, gerade ein einziges Mal (!) in einer Kirche und hat er auch keinerlei christliche Symbole, die er mit sich trägt. Angesichts dessen erscheint eine ernsthafte Hinwendung zum Christentum völlig unglaubwürdig und ist nach menschlichem Ermessen auch nicht vorstellbar, dass dem BF etwa innerhalb seiner schiitischen Glaubensgemeinschaft ernsthaft der Vorwurf gemacht werden könnte, vom Islam abgefallen zu sein."

4. Im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren war das Vorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen darauf gerichtet, dass er "Interesse am Christentum" habe. Er bezeichnete sich in dem Stadium, in dem er aus Interesse bereits christliche Glaubenskurse besuchte, noch als schiitischer Moslem, allerdings nicht als gläubiger Moslem (Einvernahme durch das BFA am 23.01.2018, AS 133) und gab an, dass er vorhabe, zum Christentum zu konvertieren, allerdings keinen Tauftermin habe.

5. Im nunmehrigen Verfahren bringt der Beschwerdeführer vor, er sei inzwischen konvertiert. Er habe am 14.10.2018 das Sakrament der Taufe erhalten. Bis zu diesem Datum habe er Kontakt zu seiner Familie im Iran gehalten, danach sei der Kontakt abgebrochen, weil die Familie sehr heftig auf seine Taufe reagiert habe. Er legte ein Taufzeugnis der römisch-katholischen Kirche vor.

6. In der Einvernahme zum Folgeantrag vom 22.11.2018 unternahm die belangte Behörde eine inhaltliche Vernehmung des Beschwerdeführers zur Konversionsthematik mit Fragen ua. zum Beginn der Glaubenskurse, zur Motivation und konkretem Gegenstand des Interesses am Christentum, zur früheren Glaubensüberzeugung, zur jetzigen Auswirkung des Christentums auf das Leben des Beschwerdeführers, zu seinen Erwartungen vom Christentum, zum Ursprung seines Interesses am Christentum, zur groben Einteilung und Inhalten der Bibel, zu Geboten und Gebeten, zur Regelmäßigkeit der Gottesdienstbesuche.

7. Im Zusammenhang mit seiner Taufbestätigung legte der Beschwerdeführer auch einen Auszug einer Kopie eines Katechumeneprotokolls vor, von dem die Behörde in weiterer Folge noch die restlichen Seiten einholte.

Im Kontext dieser Bestätigung erwähnte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Einvernahme: "Der Priester hat mir sogar seine Hilfe angeboten, er sagte[,] das BFA kann mich jederzeit anrufen und über dich nachfragen, wenn sie Fragen über deinen Glauben haben".

8. Im Dezember 2018 wurde der Beschwerdeführer abgeschoben (in seinen persönlichen Gegenständen, die bei der Verwaltungsverwahrungshaft am 03.12.2018 festgehalten wurden, befand sich unter anderem der Gegenstand "1x Rosenkranz"; vgl. AS 27 im Verwaltungsakt zum Folgeantrag).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Der Beschwerdeführer hat im Folgeverfahren ein Vorbringen erstattet, das sich von jenem im vorhergehenden, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren insofern unterscheidet, als damals primär das "Interesse" am Christentum vorgebracht (jedoch dessen Ernsthaftigkeit vom Bundesverwaltungsgericht verneint) wurde, während im vorliegenden Verfahren (erkennbar im Sinne einer weiteren Entwicklung) die bereits erfolgte und durch Taufe manifestierte Konversion vorgebracht wird. Selbst die belangte Behörde hat dieses neue Vorbringen angesichts ihrer weiteren Verfahrensführung offenbar nicht als bereits rechtlich irrelevant oder abstrakt ungeeignet behandelt, sondern hat eine eingehende Einvernahme des Beschwerdeführers unternommen, wie sie für Fälle der inhaltlichen Überprüfung eines Konversionsvorbringens üblich ist und ist damit ohnehin in eine gleichsam inhaltliche Prüfung des neuen Antrages eingetreten. Dieses Verfahren blieb aber unvollständig, weil der Beschwerdeführer auch ein Vorbringen unter Erwähnung des Taufpriesters erstattet hatte (s. oben Pkt. I.7.), das von der belangten Behörde als Zeugenangebot zum Beweisthema seiner zwischenzeitigen Konversion und der (nunmehrigen) Ernsthaftigkeit seiner Beschäftigung mit dem christlichen Glauben zu verstehen gewesen wäre. Die belangte Behörde darf sich über einen solchen Antrag nicht begründungslos hinwegsetzen (vgl. mutatis mutandis VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010, Rz. 36).

2. Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz verpflichtet eine behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen -, wenn dieser Änderung rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 mwN).

Dieses Kriterium, wonach das neue Vorbringen zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, erwähnte die belangte Behörde zwar in der Einleitung ihrer Beweiswürdigung, legt aber in den weiteren (auf den Fall konkret bezogenen) Ausführungen ihres Bescheides nicht dar, inwiefern das neue Vorbringen einer nunmehr eingetretenen (ernsthaftigen) Konversion nicht einmal einen "glaubhaften Kern" haben sollte; dies ist auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne weiteres ersichtlich. Auch dass dieses neue Vorbringen für die potentielle Asylzuerkennung im Fall eines afghanischen Staatsangehörigen bereits von vornherein irrelevant wäre, legt die Behörde nicht dar (Derartiges widerspräche im Übrigen auch den notorischen Tatsachen und dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts).

3. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass in der rechtskräftigen Entscheidung vom 31.07.2018 eine Beweiswürdigung zum Ausdruck kam, die das frühere Vorgehen des Beschwerdeführers so deutete, dass eine "ernsthafte" Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum als "völlig" unglaubwürdig zu bewerten war. Dass dieses frühere Vorgehen des Beschwerdeführers als asylmissbräuchlicher Schritt hin zur Scheinkonversion gewertet wurde (womit auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Indizien in diese Richtung fortbestünden), geht aus der rechtskräftigen Entscheidung allerdings nicht hervor. Bei Gegenüberstellung der rechtskräftigen Entscheidung mit dem nunmehrigen Vorbringen bleibt für die Annahme eines glaubhaften Kerns der Behauptung, dass eine Konversion nunmehr ernsthaft verinnerlicht und gelebt ist, zumindest Raum.

Zur Begründung ihrer Einschätzung, dass das neue Vorbringen keinen zulässigen Folgeantrag begründet, hat sich die belangte Behörde darauf berufen, dass die neu behauptete Tatsache "nur eine weitere

Steigerung der ... im ersten Verfahren angeführten Gründe darstellt,

jedoch nicht dazu geeignet ist, einen neuen, bis dato noch nicht bekannten Sachverhalt aufzuzeigen". Der Bescheidbegründung zufolge könne "auch keine Änderung der Entscheidung herbeigeführt werden, da bereits im ersten Verfahren [das] Vorbringen, welches nunmehr durch [die] Taufe untermauert werden soll, als unglaubwürdig qualifiziert wurde und kein neuer Sachverhalt vorliegt".

Mit dieser Begründung hat die belangte Behörde verkannt, dass die behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraufhin zu überprüfen gewesen wären, ob sie einen "glaubhaften Kern " aufweisen oder nicht.

Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626, mwN; VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Die belangte Behörde hat die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen. Dieser mangelhafte Sachverhalt konnte vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" abspricht (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

4. Der angefochtene Bescheid ist daher daher (einschließlich der auf die zurückweisenden Spruchpunkte I. und II. aufbauenden Spruchpunkte

III. bis VIII.) zu beheben. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung erfolgen (§ 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (zB VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 ; 12.12.2018, Ra 2018/19/0010, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Christentum, Einzelfallprüfung, entschiedene Sache,
Glaubwürdigkeit, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W230.2185527.3.00

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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