Entscheidungsdatum
01.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W261 2192388-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 21.11.2018 und am 25.01.2019 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 10.11.2015 in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 10.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass zwei seiner Cousins bei den Taliban tätig seien. Diese hätten gewollt, dass er sich ihnen anschließe, was der BF jedoch nicht gewollt habe, weil er da mit Sicherheit sterben werde.
Am 03.01.2018 fand eine Verhandlung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) statt, bei der der BF bekannt gab, dass seine Muttersprache Usbekisch sei, und er einen Dolmetscher für Usbekisch beigezogen haben möchte. Daraufhin vertagte die belangte Behörde die Einvernahme des BF.
Am 07.02.2018 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor der belangten Behörde) im eines Dolmetschers für die Sprache Usbekisch. Er gab an, er sei in der Provinz Takhar geboren, wo er auch aufgewachsen sei. Er habe keine Schule besucht, er sei Hirte gewesen. Er habe ein Jahr lang im Iran gelebt. Er sei verheiratet, seine Ehefrau sei seine Cousine mütterlicherseits. Sie lebe jetzt bei seinen Eltern in seinem Heimatort. Er habe keine Kinder. Er habe Afghanistan verlassen, weil sein Cousin gewollt hätte, dass er gemeinsam mit ihm für die Taliban kämpfen solle.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen/14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht und auch nicht schlüssig dargestellt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei, bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative. Der BF sei volljährig, gesund, arbeitsfähig, habe Familie in Afghanistan und könne seinen Lebensunterhalt in urbanen Zentren wie Kabul oder Mazar-e Sahrif bestreiten. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.
Der BF erhob mit Eingabe vom 09.04.2018, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass er entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in seinen Einvernahmen gleichbleibende und substantiierte Angaben machte. Er habe eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten, weswegen er sein Heimatland verlassen habe müssen. Gerade dadurch, dass ein Familienmitglied bei den Taliban sei, und er der Volksgruppe der Usbeken angehöre, laufe er besondere Gefahr rekrutiert zu werden. Dies hätte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Vorbringen des BF sachgerecht auseinanderzusetzen. Dem BF stehe, entgegen den Ausführungen der belangten Behörde, keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Der BF würde im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Lage geraten. Der BF bemühe sich um Integration in Österreich. Aus diesen Gründen hätte die belangte Behörde dem BF zumindest subsidiären Schutz gewähren müssen.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Das BVwG führte am 21.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Usbekisch zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 29.10.2018, den Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne", die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Dürre in Herat und Mazar-eSharif und Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, beantragte in seinem Schriftsatz vom 03.12.2018 die Einvernahme von zwei Zeugen, welche die Angaben des BF bestätigen könnten. Insbesondere würden sie bestätigen können, dass der Cousin des BF ein hochrangiger Talibanführer sei.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich führte in seiner Stellungnahme zu den Länderinformationen vom 07.12.2018 im Wesentlichen aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan höchst volatil sei. Eine inländische Fluchtalternative stehe dem BF nicht zur Verfügung. All diese objektiven Angaben würden nur den Schluss zulassen, dass eine Rückkehr nach Afghanistan mit einer Gefährdung für Leib und Leben verbunden sei. Wegen der landesweiten Vernetzung der Taliban bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative für Menschen, die von den Taliban verfolgt werden würden.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG führte am 16.01.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 19.1.2015 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.
Aus dem vom BvWG am 16.01.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
Das BVwG führte am 25.01.2019 eine weitere öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Im Zuge dieser Verhandlung wurden die beiden vom BF namhaft gemachten Zeugen einvernommen und der BF kurz ergänzend befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den NamenXXXX, geboren amXXXX, im Dorf XXXX, im Distrikt XXXX, in der Provinz Takhar, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Usbeken an, ist sunnitischer Moslem und gesund. Die Muttersprache des BF ist Usbekisch. Neben seiner Muttersprache spricht der BF etwas Dari, Farsi, Türkisch und ein wenig Deutsch.
Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf. Der BF besuchte keine Schule. Er war Schafhirte. Er lebte ca. ein Jahr lang im Iran, wo er als Schweißer und als Hilfsarbeiter am Bau arbeitete. Der BF ist Zivilist.
Der BF ist seit dem Jahr 2015 mit seiner Cousine mütterlicherseits, XXXX, traditionell verheiratet. Die Ehe wurde von seinen Eltern arrangiert. Die Ehe ist kinderlos.
Der Vater des BF heißtXXXX, er ist ca. 55 Jahre alt. Seine Mutter heißt XXXX, sie ist ca. 45 Jahre alt. Der BF hat einen jüngeren Bruder, XXXX, er ist ca. 16 Jahre alt. Die Eltern, der Bruder und die Ehefrau des BF leben nach wie vor im Heimatdorf des BF. Der Vater des BF ist als Landwirt tätig. Die Mutter des BF ist Hausfrau. Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie und seiner Ehefrau.
Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Heimatdorf des BF.
Der BF hat drei Onkel väterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits, eine Tante väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits, welche alle im Heimatdorf des BF leben.
Der BF reiste im Sommer 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 10.11.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von seinem Cousin väterlicherseits, XXXX, zu den Taliban zwangsrekrutiert zu werden, ist nicht glaubhaft.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat. Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der BF besuchte einen Alphabetisierungskurs und einen Deutschkurs, zuletzt auf Niveau A1, und verfügt über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Er ist aktives Mitglied in einem Judo-Verein. Ein Cousin väterlicherseits des BF,XXXX, lebt in Österreich. Dieser Cousin hat den Status als subsidiär Schutzberechtigter. Der BF hat seit vier bis fünf Monaten wieder Kontakt zu diesem Cousin, sie leben jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Takhar aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz und die seiner Ehefrau, sofern sie dem BF folgen wird, kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat zwar keine Schulausbildung, hat jedoch bereits Berufserfahrung als Hirte, Schweißer und Bauhilfsarbeiter gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können. Zudem lebt seine Familie samt Ehefrau nach wie vor in seinem Heimatdorf, und wird ihn auch diese unterstützen können.
Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1 Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1 Provinz Takhar
Takhar, die Herkunftsprovinz des BF, grenzt im Nordosten an die Provinz Badakhshan - Kunduz liegt im Westen. Baghlan im Süden und im Norden grenzt Takhar an Tadschikistan. Die Provinz hat folgende Distrikte: Warsaj. Farkhar. Khawaja Ghar. Khawajah Bahawodin/Khwaja Bahauddin. Baharak. Hazar Sumuch. Dashti Qala. Yangi Qala. Chahab. Rustaq. Bangi. Ishkamish. Kalafgan. Chal. Namakab und Darqad/Durqad; Taluqan ist die Hauptstadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.017.575 geschätzt.
Im Februar und März 2018 wurde verlautbart, dass Takhar zu den relativ volatilen Provinzen in Nordostafghanistan zählt, in der oft Aktivitäten von Aufständischen und Zusammenstöße zwischen afghanischen Sicherheitskräften und Rebellen registriert werden. Noch im Juni und Oktober 2017 zählte Takhar zu den relativ ruhigen Provinzen, in der, seit dem Fall des Talibanregimes, nur selten Aktivitäten von Aufständischen, registriert wurden. Dennoch haben aufständische Gruppierungen ihre Aktivitäten in der Provinz in den letzten Jahren erhöht. Auch grenzt die Provinz Takhar an gewisse unruhige Provinzen des nördlichen Afghanistan - Aufständische reisen über Takhar, um in andere Provinzen zu gelangen und dort aktiv zu werden. Manchmal finden in der Provinz Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte statt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 77 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt, wobei manchmal hochrangige Anführer der Taliban getötet werden. Aufständische werden getötet und festgenommen, auch Luftangriffe, bei denen auch Taliban getötet werden, werden durchgeführt. Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen finden in der Provinz statt.
Aufständische der Taliban sind in gewissen Distrikten der Provinz aktiv. Die Taliban haben auf etwa 40 Hektar Land (100 Acker) im Distrikt Darqad eine Siedlung errichtet, die u. a. mit Wohnungen, Gesundheitszentren und Geschäften ausgestattet ist. Die Siedlung ist unter dem Namen "Omari Town" bekannt gewesen. Die Taliban verlautbarten, der Distrikt Darqad sei ihr Zentrum in der Gegend. Im Februar 2018 wurde bekannt gegeben, dass die Region wieder unter Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte sei. Eine weitere Siedlung der Taliban soll im Distrikt Khawajah Bahawodin errichtet werden.
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz Takhar registriert.
Bei der Provinz Takhar handelt es sich laut den EASO Leitlinien vom Juni 2018 um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der Antragsteller ernsthaften Schaden im Sinne von
Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte, vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.
1.5.1.2 Provinz Balkh
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2 Sichere Einreise
Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Provinz Takhar
Die Provinz Takhar ist für Landwirtschaft besonders geeignet. Takhar zählt zu den für ihre Früchte berühmten Provinzen: Angebaut werden Granatäpfel und Birnen sowie auch Zitronen.
Es existiert eine Autobahn, die Kunduz und Takhar verbindet, der zwischen Takhar und Kabul verkehrt. Die Provinz Takhar behält auch im Jahr 2017 den opiumfreien Status, den sie seit dem Jahr 2008 hat. Kleinere Mengen an Mohnanbau (unterhalb der Grenze von 100 Hektar).
1.5.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4 Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5 Ethnische Minderheiten und Usbeken
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die usbekische Minderheit ist die viertgrößte Minderheit Afghanistans und macht etwa 9% der Bevölkerung aus. Usbeken sind Sunniten und siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, Kabul, Kandahar, Laschkargah u.a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden beherrschen Usbeken neben dem Usbekischen in der Regel auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehungen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit. Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6 Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.
1.5.7 Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen.
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.
Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
1.5.8 Aufständische und Taliban
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.
Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Als Fluchtgrund brachte der BF im Wesentlichen vor, dass sein Cousin väterlicherseits, XXXX, ein Mitglied der Taliban sei, und dieser den BF habe zwangsrekrutieren wollen, weswegen der BF Afghanistan habe verlassen müssen.
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine daraus resultierende asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager und unplausibler Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen der vorgebrachten Ereignisse als unglaubhaft. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der BF nicht schlüssig zu erklären vermochte.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
So führte der BF bei seiner Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt aus: "In meiner Familie sind viele Talibanmitglieder. 2 meiner Cousins sind sogar weit oben. Alle wollten, dass auch ich Mitglied werde, aber da ich seit 5 Monaten verheiratet bin, wollte ich nicht, weil ich da mit Sicherheit sterben würde." (vgl. AS 11)
Bei seiner Ersteinvernahme am 07.02.2018 schilderte er, befragt zu seinen Fluchtgründen, dass sein Cousin drei oder 3,5 Monate nach der Hochzeit des BF zu ihm gekommen sei, und ihm gesagt habe, dass er mit ihm kommen und kämpfen solle. Der BF habe ihm geantwortet, dass er sich das überlegen müsse, und ihm später antworten werde. Eine Woche später sei der Cousin wieder zu ihm gekommen, und habe seine Entscheidung wissen wollen. Der BF habe ihm gesagt, dass er noch zwei Tage Zeit bräuchte. Sein Vater habe ihm sodann gesagt, dass er sich nicht den Taliban anschließen dürfe, er müsse Afghanistan verlassen (vgl. AS 79).
Über weiteres Befragen der belangten Behörde führte der BF aus, dass sein Cousin ihn bereits davor bedroht habe, weswegen er in den Iran gegangen sei. Damals sei er ledig gewesen (vgl. AS 79). Bereits damals habe sein Cousin ihn aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen. Sein Cousin habe ihn persönlich bedroht und gesagt, dass er den BF töten werde, wenn er nicht mitkommen würde (vgl. AS 80). Sein Cousin sei Kommandant in der Provinz Takhar (vgl. AS 81) Weder sein Vater, noch sein Onkel, der Vater von XXXX, seien bei den Taliban gewesen (vgl. AS 81f).
Allein schon beim Vergleich dieser Aussagen des BF bei seiner Erstbefragung und bei der Ersteinvernahme zeigen sich Widersprüche. Sprach der BF bei seiner Erstbefragung noch davon, dass viele seiner Familienmitglieder bei den Taliban seien, gab er bei der Ersteinvernahme an, dass nur sein Cousin XXXXein Taliban Kommandant sei. Während er bei seiner Erstbefragung angab, dass zwei seiner Cousins ihn aufgefordert hätten, sich den Taliban anzuschließen, erzählte er bei der Erstbefragung nur von einem Cousin väterlicherseits, XXXX.
Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 21.11.2018 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass niemand sonst aus seiner Familie bei den Taliban ist (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), woraus sich ein weiterer Widerspruch zu seinem Vorbringen bei der Erstbefragung ergibt (vgl. AS 11).
Er übersteigerte sein Vorbringen bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch insofern, als er in Erfahrung gebracht haben will, dass sein Cousin Leute angeheuert hätte, die ihn suchen sollten (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018). Erstmals brachte er auch vor, dass sein Cousin dreieinhalb Monate nach seiner Hochzeit jemanden geschickt hätte, den BF zu holen (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018). Der BF vermochte trotz mehrmaligen Nachtfragen der erkennenden Richterin diesen Vorfall nicht zu schildern (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018), was dafür spricht, dass der BF diesen Vorfall nicht tatsächlich erlebt hat. Sollte der BF dieses derartig einschneidende Erlebnis, das in weiterer Folge zur Flucht ins Ausland führte, tatsächlich erlebt haben, wäre er in der Lage gewesen, genau zu schildern, was ihm damals passierte. Stattdessen übersteigert er sein Vorbringen neuerlich und bringt erstmals vor, dass sein Vater ihm geholfen habe, durch das Fenster zu flüchten, als dieser Bote seines Cousins ihn abholen hätte wollen (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018).
Zudem spricht er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstmals auch davon, dass sein Cousin Leute geschickt habe, die ihm ausgerichtet hätten, dass sein Cousin verlange, dass er mit ihnen zusammenarbeite (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018), obwohl er kurze Zeit davor in seiner freien Erzählung zu seien Fluchtgründen vor dem BVwG selbst ausführte, dass sein Cousin es gewesen sei, der ihn aufgefordert habe, mitzukommen (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018). Darauf angesprochen, dass er auch bei der Ersteinvernahme erzählte, dass sein Cousin ihn persönlich angesprochen habe, führte der BF aus: "Nein, ich habe das nicht gesagt, ich habe sicher gesagt, dass er jemanden geschickt hat. Er ist eine wichtige Person, er wäre selber nicht gekommen."
(vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018). Selbst nach Vorhalt der erkennenden Richterin, dass ihm das Protokoll der Ersteinvernahme wortwörtlich rückübersetzt wurde, blieb der BF bei dieser Aussage (vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 21.11.2018). Auch diese Ungereimtheiten und Widersprüche sprechen dafür, dass es sich beim Fluchtvorbringen um ein Konstrukt handelt, und der BF die geschilderten Vorfälle nicht tatsächlich erlebt hat.
An diesem Eindruck der erkennenden Richterin vermochten auch die beiden bei der fortgesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen nichts zu ändern. Der eine Zeuge, XXXX, der ebenfalls aus dem Heimatdorf des BF stammt, hat zwar den BF schon als Kind gekannt, hat jedoch dessen Cousin XXXX nie gesehen, und hatte auch nichts mit ihm zu tun (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Vom Hörensagen, aus den Berichten seiner Familie, die noch im Heimatdorf lebt, habe er gehört, dass XXXX für einen Anschlag verantwortlich sei, bei dem der Bruder seines Schwagers ums Leben gekommen sei (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Sollte es sich um den Verantwortlichen für diesen Anschlag tatsächlich um XXXX, den Cousin des BF handeln, so bestätigt dies nur, dass dieser kriminell ist, nicht jedoch, dass er ein Taliban ist, und schon gar nicht, dass er den BF zwangsrekrutieren wollte. Zudem gibt der genannte Zeuge selbst an, dass er nicht weiß, ob XXXX Leute zu den Taliban holt (vgl. S 7 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019)
Der zweite Zeuge, XXXX, ein Cousin väterlicherseits des BF, wollte offensichtlich mit seiner Aussage dem BF helfen. Er hatte schon seit ca. acht Jahren keinen Kontakt mit dem BF (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019), und kann daher schon allein aus diesem Grund nichts von den Vorfällen rund um die angebliche Zwangsrekrutierung des BF, die im Jahr 2015 stattgefunden haben soll, wissen. Er kennt XXXX persönlich, dieser ist auch sein Cousin väterlicherseits, beide haben als Kinder die gleiche Moschee-Schule besucht (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Der Zeuge sagte dazu aus, dass XXXX eine "Taliban-Schule" besucht habe, um sich dann einige Sätze weiter selbst zu korrigieren, dass es sich dabei um die genannte Moschee-Schule handelte. (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Dieser Zeuge bestätigte zwar, dass XXXX bei den Taliban ist, und dort eine einflussreiche Position innehat (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Aus der Familie des BF habe er keine weiteren Söhne zwangsrekrutieren wollen (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019), weil es keine weiteren Söhne gebe. Auf mehrmaliges Nachfragen der erkennenden Richterin, ob er wisse, obXXXXLeute aus dem Dorf zwangsrekrutiert habe, gab der Zeuge an, dass er drei bis vier Leute aus dem Dorf mitgenommen habe. Er habe auch gehört, dass XXXX gegen den Staat kämpfe. Er nehme der Bevölkerung gewaltsam Sachen weg. Er sage den Kindern, gemeint den Söhnen, dass sie mit den Taliban gegen die Regierung kämpfen sollen. Er habe Kontakte nach Kabul, Kandarhar, Herat und Mazar-e Sharif. Diese Personen seinen wichtige Taliban, mit denen er Kontakt habe. Der Zeuge will dies alles von seiner Frau erfahren haben (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019). Es ist gänzlich unglaubhaft, dass der Zeuge diese Informationen von seiner Frau erhalten haben will. Zum einen ist es in Afghanistan nicht üblich, Frauen darüber zu informieren, welche Kontakte Taliban in welchen Orten haben sollen. Zum anderen ist es auch nicht lebensnah, dass in der Zeit, in der ein Ehemann mit seiner Ehefrau telefoniert, ausgerechnet ein Cousin väterlicherseits, den der Zeuge zuletzt als Kind gesehen hat, und von dem er nicht einmal wissen will, ob dieser Geschwister hat (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.01.2019) Gesprächsthema sein soll. Vielmehr bestätigt sich der Eindruck der erkennenden Richterin, dass dieser Zeuge dem BF helfen wollte, indem er dessen Konstrukt mit Geschichten, die der Zeuge selbst nur gehört haben will, zu untermauern versuchte. Im Zusammenhang mit der vom BF behaupteten Zwangsrekrutierung konnte auch dieser Zeuge aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen.
Die zitierten Länderfeststellungen (siehe 1.5.8) bestätigen zwar, dass Personen, die die Mitarbeit mit den Taliban verweigern, in deren Visier kommen, dies gilt jedoch nur für jene Personen, die zur Mitarbeit auch tatsächlich aufgefordert wurden. Gerade diesen Umstand, dass die Taliban den BF dazu auch aufgefordert haben, konnte der BF aus den oben genannten Erwägungen nicht glaubhaft machen, so dass davon auszugehen ist, dass dem BF weder von seinem Cousin, XXXX, noch von Seiten der Aufständischen Gefahr droht.
Nachdem der BF selbst kein Vorbringen erstattete, dass er aus politischen, religiösen, ethnischen oder sonstigen Gründen von irgendjemanden bedroht worden sei, werden die entsprechenden Feststellungen getroffen.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Tarkhar zu den relativ instabilen Provinzen im Nordosten Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist, ohne dass ihm ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.
Die Feststellungen, dass der BF in der Lage sein wird, in Mazar-e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar-e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die unter Punkt
1.5.3.2 genannte Basisinfrastruktur steht dem BF zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.
Aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse als Hirte, Schweißer und Bauarbeiter sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF und seiner Ehefrau, sofern sie ihm folgen wird, im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert. Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Gefährdungsfaktoren, wie es der BF ist, dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (vgl. S 134f der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 in der deutschen Übersetzung). Es ist auch davon auszugehen, dass er auch mit seiner Gattin in Mazar-e Sharif wird leben können.
Fredericke Stahlmann, eine Afghanistanexpertin, die der BF in seinen Stellungnahmen zitiert, zieht zwar den Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in diesen Ausführungen aufgrund einer subjektive Quellenauswahl und Quelleninterpretation vorgenommen wird. Von regionalen Einzelfällen werden Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen. Frau Stahlmann trifft zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen, die im Übrigen einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen, und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Insbesondere weisen diese Aussagen von Frau Stahlmann nicht denselben Beweiswert für das erkennende Gericht auf, wie länderkundliche Informationen (z.B. Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien, EASO Leitlinien zu Afghanistan), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, und vermag daher die auf objektiven und für jedermann nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderinformationen nicht zu entkräften.
Im gegenständlichen Verfahren nahm das BVwG eine individuelle Einzelfallprüfung vor, wie sie sowohl von EASO als auch von UNHCR für die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative gefordert wird. Das erkennende Gericht kommt zu dem Schluss, dass entgegen dem Vorbringen des BF, in seinem Fall eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar ist.
Der BF ist nach seinen eigenen glaubhaften Angaben gesund. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der BF auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des BF in seinen Heimatstaat entgegenstehen.
2.5 Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht. Die vom BF in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen. Insoweit in der Beschwerde und seinen Stellungnahmen auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass der BF, folgend der Empfehlung der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif, nicht jedoch nach Kabul verwiesen wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar