Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die Revisionen sowohl der klagenden als auch der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2018, GZ 129 R 30/18g-19, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Jänner 2018, GZ 30 Cg 29/17t-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil laut Pkt 1.a) des Spruchs des Erstgerichts lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,
die von ihr veranstalteten Maturareisen in der Form zu bewerben, dass sie Schüler, insbesondere Schüler der vorletzten und letzten Schulstufe, bei Werbeveranstaltungen in der Schule ohne die erforderliche Bewilligung gemäß § 46 Abs 2 iVm Abs 3 SchUG aufsucht, um die Schüler unter Ausnutzung des so erzeugten Gruppendrucks zur Abgabe von Vertragserklärungen, etwa zum Abschluss von Pauschalreiseverträgen, zu überreden.
Das Mehrbegehren, der beklagten Partei die beanstandeten Schulbesuche auch für den Fall zu untersagen, dass sie dafür über die erforderliche Bewilligung gemäß § 46 Abs 2 SchUG verfügt, wird abgewiesen.“
Im Übrigen bleibt die angefochtene Entscheidung einschließlich der Kostenentscheidung unverändert aufrecht.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ein nach § 14 Abs 1 UWG und § 29 Abs 1 KSchG klagebefugter Verein.
Die Beklagte veranstaltet Maturareisen und bewirbt diese gegenüber Schülern der vorletzten und letzten Schulstufe (Maturanten) bei Besuchen in Schulen sowie über soziale Netzwerke (Facebook und WhatsApp). Dabei geht die Beklagte äußerst hartnäckig vor und erzeugt über ihre Mitarbeiter einen Gruppendruck, um die Schüler zu einer Buchung zu bewegen. Mit Schreiben vom 22. 9. 2011 wurde die Beklagte vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur darüber informiert, dass es den Schulleitungen untersagt sei, die Bewerbung der Produkte der Beklagten an Schulen zuzulassen. Ob und in welcher Form die Beklagte die Zustimmung einzelner Schulleitungen zur Präsentation der von ihr veranstalteten Maturareisen eingeholt hat, kann nicht festgestellt werden.
Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, begehrte der Kläger, der Beklagten zu verbieten,
1.a) die von ihr veranstalteten Maturareisen in der Form zu bewerben, dass sie Schüler, insbesondere der vorletzten und letzten Schulstufe, in der Schule aufsucht, um diese unter Ausnutzung des so erzeugten Gruppendrucks zur Abgabe von Vertragserklärungen, zB zum Abschluss von Pauschalreiseverträgen, zu überreden, oder
1.b) Schüler, insbesondere der vorletzten und letzten Schulstufe, durch nachdrückliches Einwirken auf sie, insbesondere über Medien wie WhatsApp, Facebook und dergleichen, dazu aufzufordern, sich in der Gruppe, also als Schulklasse, ihren Werbemaßnahmen auszusetzen.
Zudem erhob der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren. Zur Begründung brachte er vor, dass die beanstandeten Geschäftspraktiken gegenüber den besonders schutzbedürftigen Schülern im Sinn des § 1a UWG aggressiv seien. Außerdem habe das Unterrichtsministerium die beanstandeten Werbeveranstaltungen untersagt, was der Beklagten auch mitgeteilt worden sei. Dennoch bewerbe die Beklagte ihre Maturareisen weiterhin in den Schulen. Dabei nütze sie den Gruppendruck in den Schulklassen aus und lasse die Schüler angeblich unverbindliche Buchungslisten unterschreiben. Darüber hinaus wirke die Beklagte über Medien wie WhatsApp und Facebook auf einzelne Schüler ein, um ihre Werbemaßnahmen in den Schulen präsentieren zu können. Mit dieser Werbemethode verstoße die Beklagte gegen § 1a UWG im Zusammenhang mit UWG Anh Z 26.
Die Beklagte entgegnete, dass ihre Mitarbeiter keine unerwünschte Kommunikation über WhatsApp oder dergleichen durchführten. Werbeveranstaltungen in den Schulen seien nicht unzulässig, weil sie nur dann erfolgten, wenn sie vom jeweiligen Schulleiter genehmigt worden seien. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Urteilsveröffentlichung bestehe nicht, weil das beanstandete Verhalten nur gegenüber Schülern gesetzt worden sei, die die Maturareise mittlerweile bereits absolviert hätten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte setze sich gegen das Werbeverbot in den Schulen hinweg und verschaffe sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Das hartnäckige Anschreiben der Schüler über soziale Netzwerke sei eine aggressive Geschäftspraktik im Sinn des § 1a UWG. Die Urteilsveröffentlichung sei geboten, um die angesprochenen Verkehrskreise über die unzulässige Vorgangsweise der Beklagten zu informieren.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts zu Pkt 1.a) des Spruchs (Werbeveranstaltungen in den Schulen) samt darauf bezogenem Veröffentlichungsbegehren. Das Unterlassungsbegehren zu Pkt 1.b) des Spruchs (werbliche Nachrichten über Fernabsatzmedien) wies es hingegen ab. Zu Pkt 1.a) des Spruchs liege eine unlautere Geschäftspraktik im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor, weil die Beklagte ihre Maturareisen in den Schulen ohne die gesetzlich erforderliche Bewilligung im Sinn des § 46 Abs 2 SchUG bewerbe. Zu Pkt 1.b) des Spruchs liege aber keine aggressive Geschäftspraktik im Sinn des UWG Anh Z 26 vor, weil sich aus den Feststellungen nicht ergäbe, dass die Adressaten der Nachrichten erklärt hätten, weitere Kontaktaufnahmen seien unerwünscht. Das Veröffentlichungsinteresse sei gegeben, weil nicht ausgeschlossen sei, dass auch andere Schüler oder Eltern aufgrund einer unzulässigen Werbung der Beklagten entsprechende Verträge abgeschlossen hätten. Gleichzeitig sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Über Antrag der Parteien nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine elektronische Werbung über soziale Netzwerke, hier gegenüber Jugendlichen, eine aggressive Geschäftspraktik sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen sowohl des Klägers als auch der Beklagten. Die Revision des Klägers zielt darauf ab, auch dem Unterlassungsbegehren (samt darauf bezogenem Veröffentlichungsbegehren) zu Pkt 1.b) des Spruchs des Erstgerichts stattzugeben. Die Beklagte wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens zu Pkt 1.a) des Spruchs sowie gegen die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.
Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, die Revision jeweils der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Demgegenüber ist die Revision der Beklagten zulässig, weil das Unterlassungsgebot zu Pkt 1.a) des Spruchs einer Einschränkung bedarf; die Revision der Beklagten ist daher auch teilweise berechtigt.
I. Zur Revision des Klägers:
1. Auch im Verbandsprozess ist der Oberste Gerichtshof nicht in jedem Fall, sondern nur dann zur Entscheidung berufen, wenn für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind oder wenn die zweite Instanz die Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat (vgl RIS-Justiz RS0121516). Es gilt daher auch hier, dass der Rechtsmittelwerber trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen muss. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
Dies ist hier in Ansehung der Revision des Klägers der Fall.
2. Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, dass sich die zu beurteilende Werbung via Facebook- oder WhatsApp-Nachrichten an einen geschäftlich unerfahrenen und deshalb besonders schutzwürdigen Personenkreis richte. Die ohne Einwilligung über Facebook versandten Nachrichten an Schüler verstießen gegen § 107 Abs 2 TKG. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Adressat dem Werbenden mitteile, keine weiteren Zusendungen zu wünschen.
3.1 UWG Anh Z 26 (aggressive Geschäftspraktik) lautet:
„Die Anwerbung von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten gesetzlich gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen.“
Danach ist das hartnäckige und unerwünschte Anwerben von Kunden durch Ansprechen unter Verwendung von Medien des Fernabsatzes (bzw elektronischer Medien) als jedenfalls aggressive Geschäftspraktik unter allen Umständen unlauter. Mit diesem Tatbestand zielt das UWG im Einklang mit der RL-UGB auf die Praxis „unerwünschter Nachrichten“ vor allem via Telefon, Fax, E-Mail oder SMS ab. Mit der in Rede stehenden Verbotsnorm sollen derartige qualifizierte Belästigungen verhindert werden; beim „cold-calling“ steht die Vermeidung des Überrumpelungseffekts im Vordergrund.
3.2 In den Entscheidungen 4 Ob 174/09f und 4 Ob 74/11b hat der Oberste Gerichtshof zu der in Rede stehenden Verbotsnorm des UWG Anh Z 26 (iVm § 1a UWG) bereits Stellung genommen. Dazu sprach er aus, dass das verbotene Anwerben von Kunden „hartnäckig“ und „unerwünscht“ sein muss, um den Tatbestand zu erfüllen.
„Hartnäckigkeit“ verlangt eine zumindest wiederholte Anwendung und setzt daher zumindest zwei Kontaktaufnahmen im selben Zusammenhang an denselben Adressaten voraus.
„Unerwünschtheit“ erfordert – im Anwendungsfall der Briefwerbung – einen dem Werbenden erkennbaren (vorbeugend oder aus gegebenem Anlass erklärten) Widerspruch des Adressaten (siehe auch RIS-Justiz RS0125712).
3.3 Im Zusammenhang mit den hier gegenständlichen Nachrichten über Facebook und WhatsApp ist der Hinweis des Klägers auf die besonderen gesetzlichen Regelungen für unerwünschte (bzw unerbetene oder nicht angeforderte) Werbung über Fernabsatzmedien bzw durch elektronische Kommunikation (§ 107 Abs 2 TKG; § 7 ECG) an sich zutreffend. Nach diesen Bestimmungen bedürfen Zusendungen zu Zwecken der Direktwerbung mittels elektronischer Post oder SMS der vorherigen (und widerrufbaren) Einwilligung des Empfängers. Damit sind in Österreich unerwünschte elektronische Werbezusendungen grundsätzlich unzulässig (Opt-in-System).
„Unerwünscht“ (bzw unerbeten oder nicht angefordert) sind daher solche Zusendungen dann, wenn zu der vom Werbenden ausgehenden Übermittlung keine vorherige Einwilligung des Empfängers vorliegt (vgl dazu Brenn, ECG 218), weshalb es keines aktiven Widerspruchs des Empfängers bedarf.
3.4 Allerdings muss der Kläger zu den Tatbestandsvoraussetzungen der angeführten Normen im erstinstanzlichen Verfahren ein geeignetes Vorbringen erstatten und unter anderem darlegen, aus welchen Gründen er davon ausgeht, dass die elektronischen Werbezusendungen ohne Einwilligung des Empfängers übermittelt wurden.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger vorgebracht, dass die Kontaktaufnahme mit den Schülern via WhatsApp, Facebook und dergleichen „als solche nicht beanstandet werde“, sondern nur die Art und Weise, wie die Beklagte über diese Medien auf die Schüler einwirke (ON 5, S 2). Diesem Vorbringen lässt sich kein ausreichendes Tatsachensubstrat dafür entnehmen, dass für die beanstandeten Werbezusendungen die Einwilligung der Adressaten gefehlt hätte. Dementsprechend wurde auch nicht festgestellt, dass die Kontaktaufnahme via Facebook oder WhatsApp ohne die entsprechenden Einwilligungen erfolgte.
3.5 Aus diesem Grund verbleibt für die Annahme der Unerwünschtheit der Werbezusendungen nur die Möglichkeit eines von den Adressaten erklärten Widerspruchs aus Anlass der erfolgten Kontaktaufnahme. Dabei hängt die Beurteilung, ob die Adressaten aufgrund ihrer konkreten Antworten und Reaktionen auf die Werbezusendungen zu verstehen gegeben haben, dass die weitere Kontaktaufnahme durch die Mitarbeiter der Beklagten unerwünscht ist, typisch von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb sie im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage begründet.
Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die kontaktierten Schüler hätten auf Basis der Feststellungen nicht zu verstehen gegeben, dass die weitere Kontaktaufnahme unerwünscht sei, hält sich im Rahmen des dem Berufungsgericht eingeräumten Entscheidungsspielraums.
4. Zur Beeinflussung der Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit des betroffenen Verbrauchers (im Sinn einer sonst aggressiven Geschäftspraktik im Sinn des § 1a Abs 1 UWG) muss das eingesetzte Mittel nach der Rechtsprechung von einer gewissen Intensität oder Nachhaltigkeit und zudem geeignet sein, die Rationalität der Entscheidung des Betroffenen vollständig in den Hintergrund treten zu lassen (RIS-Justiz RS0130684; 4 Ob 75/16g). Auch diese Beurteilung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, wobei im Rahmen der konkret vorzunehmenden Interessenabwägung auf den Kenntnis- und Erfahrungsstand eines durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Gruppe, hier also eines durchschnittlichen Maturanten, abzustellen ist.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ausgehend von den Feststellungen von einer relevanten Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der hier betroffenen Schüler bzw deren Eltern nicht ausgegangen werden könne, hält sich ebenfalls im Rahmen der Rechtsprechung. Weiteren allgemeinen bzw rein theoretischen Überlegungen zur Schutzwürdigkeit von Maturanten kommt keine Bedeutung zu.
5. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.
II. Zur Revision der Beklagten:
1. Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, dass zum Aufsuchen von Schülern in der Schule zu Werbezwecken, zur Ausnützung des Gruppendrucks und zur Frage, ob Schüler der beiden letzten Jahrgänge besonders schutzwürdig seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Das Unterlassungsgebot zu Pkt 1.a) des Spruchs sei zu weit gefasst, weil ihr das Aufsuchen von Schülern in den Schulen schlechthin und nicht nur ohne die erforderliche behördliche Bewilligung verboten werde; auf ein derartiges Verbot ziele das Klagebegehren nicht ab. Das Urteil sei auch aktenwidrig; dieses begründe das Veröffentlichungsinteresse damit, dass möglicherweise andere Schüler aufgrund unzulässiger Werbeveranstaltungen der Beklagten Verträge mit ihr abgeschlossen hätten. Unter diesen „anderen Schülern“ seien solche zu verstehen, die die Maturareise schon einmal unternommen hätten; eine zweite Maturareise komme aber nicht in Betracht.
2. Die gerügte Aktenwidrigkeit (vgl dazu RIS-Justiz RS0043284) liegt nicht vor. Warum sich die Beurteilung der Vorinstanzen zum Veröffentlichungsinteresse nur auf die Aufklärung gegenüber Schülern beziehen soll, die die Maturareise bereits absolviert haben, ist nicht nachvollziehbar. Vor allem das Erstgericht hat sich in seiner Begründung ausdrücklich darauf gestützt, dass die Veröffentlichung gerade zur Aufklärung künftiger Absolventen bzw deren Eltern und auch der Lehrer erforderlich sei.
3.1 Das Berufungsgericht stützt das Unterlassungsgebot zu Pkt 1.a) des Spruchs (Werbeveranstaltung in den Schulen) auf das Vorliegen einer unlauteren Geschäftspraktik im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG, weil die für eine solche Veranstaltung nach § 46 Abs 2 (iVm Abs 3) SchUG erforderliche behördliche Bewilligung von der Beklagten nicht nachgewiesen worden sei und das zuständige Ministerium solche Werbemaßnahmen in der Schule untersagt habe. Das Berufungsgericht geht in dieser Hinsicht somit von einem Rechtsbruch aus.
Die Beklagte tritt dieser Beurteilung nicht entgegen. Das Gleiche gilt für die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Formulierung des Unterlassungsgebots, wonach die Schüler „unter Ausnutzung des so erzeugten Gruppendrucks zum Abschluss von Reiseverträgen überredet werden“, nur der Illustration des Rechtsbruchs diene. Auch die Aktivlegitimation ist nicht strittig.
3.2 Der der Beklagten angelastete Wettbewerbsverstoß besteht somit darin, unzulässigerweise, nämlich ohne die gemäß § 46 Abs 2 iVm Abs 3 SchUG erforderliche behördliche Bewilligung, ihre Produktpräsentation auf Werbeveranstaltungen in den Schulen vorzunehmen und durch dieses Aufsuchen der Schüler einen Gruppendruck zum Vertragsabschluss zu erzeugen.
Im Hinblick auf einen solchen Verstoß nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG kommt den pauschalen Hinweisen der Beklagten, dass zur Ausnützung des Gruppendrucks und zur Frage, ob Maturanten besonders schutzwürdig seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, keine Bedeutung zu.
4.1 Zu dem ihr angelasteten Rechtsbruch führt die Beklagte aus, dass das Klagebegehren auf ein derartiges Verbot nicht abziele und ihr das Aufsuchen von Schülern in den Schulen nicht schlechthin untersagt werden könne.
4.2 Grundsätzlich ist das Gericht zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Begehren und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt (vgl RIS-Justiz RS0039357; RS0041254 [T2, T4, T12, T13]). Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung kann auch von Amts wegen erfolgen (RIS-Justiz RS0039357 [T6]). Bei der Neufassung des Spruchs hat sich das Gericht aber im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten. Diese Grenze wird dann nicht überschritten, wenn der Spruch nur verdeutlicht, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist (4 Ob 13/13k). Ob ein „Aliud“ oder ein „Plus“ anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RIS-Justiz RS0041023).
Ein Unterlassungsgebot aufgrund eines Rechtsbruchs nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG setzt auf Sachverhaltsebene den Verstoß gegen eine generelle abstrakte Norm voraus. Der vom Kläger verfolgte Unterlassungsanspruch besteht demnach nur dann zu Recht, wenn die Beklagte dadurch verbotswidrig (und damit unlauter iSd § 1 UWG) gehandelt hat, dass sie gegen eine der im Sachvorbringen genannten Verbotsnormen verstoßen hat. Ob die Beklagte verbotswidrig gehandelt hat, ist auf Sachverhaltsebene allein am Tatbestand jener Normen zu messen, die die Beklagte nach dem Sachvorbringen des Klägers übertreten haben soll.
Im Verein mit den zuvor angeführten Grundsätzen ergibt sich, dass der Sachvortrag des Klägers als rechtserzeugende Tatsache den Vorwurf einer Gesetzesübertretung enthalten muss, der erst durch die Nennung der nach den Behauptungen übertretenen Normen konkretisiert und individualisiert wird und dessen Vorliegen allein am Verbotstatbestand der genannten Normen zu beurteilen ist. Der Vorwurf eines Verstoßes „gegen Normen der Rechtsordnung“ wäre hingegen unvollständig, weil offen bliebe, welcher Verbotstatbestand das beanstandete Verhalten zum Rechtsbruch macht (4 Ob 65/14h).
4.3 Das Sachvorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen. In der Klage hat er zunächst „eher am Rande“ vorgebracht, dass das Unterrichtsministerium die Landesschulräte und den Stadtschulrat für Wien in seinem Schreiben vom 22. 9. 2011 davon unterrichtet habe, dass das Bewerben der von der Beklagten angebotenen Produkte an Schulen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagt sei, worüber die Beklagte auch informiert worden sei. Im Schriftsatz ON 5 hat er sein Vorbringen dahin ergänzt, dass die Beklagte entgegen dem Schreiben des Unterrichtsministeriums weiterhin ihre Werbemaßnahmen an Schulen betreibe, indem sie entweder Lehrer für solche Werbepräsentationen finde oder hinter dem Rücken des Schulpersonals solche Werbeveranstaltungen in der Schule abhalte. Dabei setze sie sich auch wissentlich über § 46 Abs 3 SchUG hinweg.
Damit beruft sich der Kläger in seinem Vorbringen auch auf die unzulässige Abhaltung von Werbeveranstaltungen in den Schulen nach § 46 Abs 2 und 3 SchUG.
5.1 Die Beklagte weist aber zutreffend darauf hin, dass das Unterlassungsbegehren auch im Fall einer zulässigen allgemeineren Formulierung nicht zu weit gefasst sein darf. Dies bedeutet, dass sich der Spruch immer noch auf den Kern der Verletzungshandlungen beziehen muss (vgl RIS-Justiz RS0000771 [T4]; 4 Ob 61/14w; 4 Ob 184/15k). Wie schon ausgeführt, darf das Gericht unter Berücksichtigung des erkennbaren Rechtsschutzziels (vgl RIS-Justiz RS0039010 [T3]) einen Urteilsspruch abweichend vom Wortlaut an den sachlichen Inhalt des Begehrens anpassen und diesem eine klarere und deutlichere Fassung geben, aber kein „Aliud“ oder „Plus“ zusprechen. Die Einschränkung des Unterlassungsbegehrens im Sinn eines „Minus“ führt zu einer Teilabweisung; auch bei einer Unterlassungsklage ist ein solcher Minderzuspruch zulässig (RIS-Justiz RS0037645 [T12]; RS0037485 [T7 und T13]).
5.2 Richtig ist nun, dass der Beklagten mit dem Unterlassungsgebot zu Pkt 1.a) des Spruchs der Werbeauftritt in den Schulen selbst für den Fall untersagt wird, dass sie über die erforderliche Bewilligung gemäß § 46 Abs 2 iVm Abs 3 SchUG verfügt.
Das hier in Rede stehende Unterlassungsgebot gründet sich – als Rechtsbruch – auf einen Verstoß gegen die angeführten Bestimmungen des § 46 SchUG (Veranstaltungen zu Werbezwecken), weshalb das Unterlassungsgebot zu weit gefasst ist. Da nicht nur eine unpräzise Formulierung eines insgesamt berechtigten Unterlassungsbegehrens vorliegt, kommt eine „Maßgabe-Bestätigung“ nicht in Betracht, sondern das zu weit gefasste Unterlassungsgebot ist durch die Bezugnahme auf den Rechtsbruch als „Minus“ einzuschränken. In diesem Sinn war der Revision der Beklagten teilweise Folge zu geben.
5.3 Auf die Kostenentscheidung (§§ 43 Abs 2, 50 ZPO) wirkt sich dieser geringfügige Teilerfolg nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Mitteilung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur vom 22. 9. 2011, wonach Werbepräsentationen der Beklagten von den Schulleitungen nicht zugelassen werden dürfen, eine Situation besteht, die einem generellem Werbeverbot nahekommt.
Schlagworte
Maturareisen,Textnummer
E124306European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00237.18H.0129.000Im RIS seit
19.03.2019Zuletzt aktualisiert am
20.05.2020