TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/17 99/05/0086

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Veröffentlicht am 17.05.1999
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO NÖ 1976 §113 Abs2a idF 8200-13;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2b idF 8200-13;
BauO NÖ 1996 §77 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1. des Friedrich Heuschneider und 2. der Rosa Heuschneider, beide in Loimersdorf, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien XVI, Ottakringer Straße 57, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 1998, Zl. RU1-V-97227/00, 01, betreffend Feststellung gemäß § 113 Abs. 2a Nö Bauordnung 1976 i.d.F. LGBl. 8200-13 (mitbeteiligte Parteien:

1. Dipl. Ing. Herbert Lauscha in Wien XXIII,

Anton Baumgartnerstraße 44/A7, 2. Liselotte Lauscha, ebendort, und

3. Marktgemeinde Engelhartstetten, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

Mit Ansuchen des Erst- und der Zweitmitbeteiligten vom 20. April 1995 wurde für die Adaptierung eines Nebengebäudes auf dem Grundstück Nr. 23, EZ 77, KG Loimersdorf, die Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung beantragt. Der Flächenwidmungsplan legt für dieses Grundstück die Widmung Grünland-Landwirtschaft fest. Aus Anlass der Ladung zur ersten mündlichen Bauverhandlung am 18. September 1995 erhoben die beschwerdeführenden Nachbarn mit Schriftsatz vom 12. September 1995 Einwendungen.

Mit Eingabe vom 4. Oktober 1995 beantragten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte eine Feststellung gemäß der Nö Bauordnung 1976 im Sinne der Novelle betreffend die Amnestie für Bauten im Grünland. Die Ladung zu einer weiteren mündlichen Verhandlung betreffend den Antrag auf nachträgliche Bewilligung für den 10. Oktober 1996 ist mit 30. September 1996 datiert. Diese Ladung, die auch einen Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG enthält, wurde der Zweitbeschwerdeführerin am 3. Oktober 1996, wie sich dies aus einer Unterschrift auf der Rückseite des Originals der Ladung ergibt, übergeben. Wie sich aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt, wurde nach der Einleitung "Bauverhandlung betreffend das Ansuchen um nachträgliche baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Nebengebäudes" als Gegenstand der Verhandlung vom 10. Oktober 1996 die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 113 Nö Bauordnung angegeben. In dieser Verhandlung waren die Beschwerdeführer anwesend, gaben mündlich keine Stellungnahme ab und erklärten nur, dass sie mit der dargelegten Vorgangsweise nicht einverstanden seien.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Juli 1997 wurde gemäß § 113 Abs. 2a und 2b

Nö Bauordnung 1976 aufgrund der vorgelegten Pläne festgestellt, dass die Anordnung des Abbruches des Nebengebäudes auf der Parzelle Nr. 23, EZ 77, entfalle. Die Verhandlungsschrift über den Lokalaugenschein liege in beglaubigter Abschrift bei und bilde, mit Ausnahme der in dieser angezeigten Mängel und Auflagen, einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides wie auch der Bauplan und die Baubeschreibung.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Oktober 1997 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen damit begründet, dass die Zweitbeschwerdeführerin, der die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 1996 wirksam zugekommen sei, in dieser mündlichen Verhandlung keine Einwendung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erhoben habe. Sie habe sich lediglich allgemein gegen das Bauvorhaben gewendet. Die Zweitbeschwerdeführerin sei daher als gemäß § 42 AVG präkludiert und somit als dem Bauvorhaben zustimmend anzusehen. In subjektiv-öffentlichen Rechten könne sie nicht verletzt sein. Aber selbst bei rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen durch die Beschwerdeführerin hätten sie aus im Folgenden noch ausgeführten Gründen zu keinem Erfolg geführt.

Der Erstbeschwerdeführer sei zu der Verhandlung am 10. Oktober 1996 nicht ordnungsgemäß geladen worden, da die an beide Beschwerdeführer gerichtete Ladung von der Zweitbeschwerdeführerin persönlich übernommen worden sei. Die Behauptung des Erstbeschwerdeführers, ein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides sei niemals eingebracht worden, sei nicht zutreffend. Es liege ein solcher Antrag vom 4. Oktober 1995 vor. Auch seien die von den bautechnischen Amtssachverständigen vorgeschriebenen Auflagen im Hinblick auf die vorliegenden Befunde und Bestätigungen erfüllt worden. Es liege keine Verletzung des Rechtes auf Einhaltung der Bestimmungen betreffend Brandschutz vor, zumal das Nebengebäude lediglich eine Höhe ca. 2,60 m aufweise, während der Abstand zum Grundstück des Beschwerdeführers 3,70 m betrage. Selbst ein Wohnhaus mit Sauna mit einer Höhe von 6 m müsse bei einem Abstand von lediglich 3 m keine Brandwand zur Grundstücksgrenze aufweisen. Betreffend die Behauptungen einer unzumutbaren Rauchentwicklung werde auf den Befund des Rauchfangkehrerbetriebes J.K. Gesellschaft m.b.H. vom 9. April 1997 verwiesen. In einem Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft liege das örtlich zumutbare Maß an Immissionen höher als in der Widmung Bauland-Wohngebiet, weil eine solche Widmung für eine Massentierhaltung in Betracht komme.

In der dagegen erhobenen Beschwerde haben die Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde sind beim erkennenden Senat Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des im vorliegenden Verfahren angewendeten § 113 Abs. 2a und 2b Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, sowie des § 77 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, entstanden und der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. Oktober 1998, Zl. A 83/98, beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmungen wegen Verfassungswidrigkeit gestellt (beim Verfassungsgerichtshof protokolliert zu G 219/98). Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1999, G 132/98-9 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass § 113 Abs. 2a und 2b Nö Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200-13, verfassungswidrig war; weiters wurde § 77 Abs. 1 zweiter Satz Nö Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, als verfassungswidrig aufgehoben. Im Übrigen (betreffend die übrigen Teile des § 77 Abs. 1 leg. cit.) wurde der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zurückgewiesen.

2. Zu den Rechtsgrundlagen:

Durch Z. 1 der 11. Novelle zur Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, wurden nach dem § 113 Abs. 2 folgende Abs. 2a bis 2c eingefügt:

"(2a) Die Anordnung des Abbruches eines wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan nicht genehmigungsfähigen Gebäudes hat zu entfallen, wenn

-

das Gebäude vor dem 29. Juni 1995 soweit fertig gestellt wurde, dass der Grundriss und der beabsichtigte Verwendungszweck erkennbar war;

-

die Ausführung gemäß dem beabsichtigten Verwendungszweck den im Zeitpunkt des Baubeginns geltenden bautechnischen Vorschriften entspricht oder

-

das Gebäude innerhalb angemessener Frist jedoch längstens innerhalb eines Jahres fertig gestellt bzw. den bautechnischen Vorschriften ohne Durchführung eines Zubaues angepasst wird;

-

für das Grundstück kein Bauverbot gemäß § 20 Abs. 2 Z. 3 besteht und

-

bis zum 31. Dezember 1999 ein Antrag gemäß Abs. 2b gestellt wird.

(2b) Das Zutreffen dieser Voraussetzungen ist von der Baubehörde mittels Feststellungsbescheid über Antrag festzustellen. Diesem Antrag sind die erforderlichen Antragsbeilagen (§§ 96 und 97) anzuschließen.

Der Zeitpunkt des Baubeginns ist der Baubehörde nachzuweisen. Dem Feststellungsbescheid hat die Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung von Sachverständigen und Anrainern voranzugehen. Anrainer haben Parteistellung im Rahmen des § 118 Abs. 8 und 9.

Dieser Bescheid berechtigt zur Benützung des Gebäudes und gilt nicht als baubehördliche Bewilligung. Eine zukünftige Instandsetzung solcher Gebäude ist nur im Rahmen des § 92 Abs. 1 Z. 4, sonstige Veränderungen sind nur im Rahmen des § 95 zulässig.

(2c) Ein Antrag nach Abs. 2b kann nicht mehr gestellt werden, wenn von der Baubehörde bereits um die Vollstreckung eines Abbruchsbescheides angesucht wurde."

Gemäß § 78 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nö Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, trat die Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14, am 1. Jänner 1997 außer Kraft.

Die Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, lautet:

"(1) Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren sind nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Anträge nach § 113 Abs. 2b der Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14, dürfen bis zum 31. Dezember 1999 gestellt werden und sind nach der bisherigen Rechtslage zu behandeln.

Sämtliche baubehördliche Bescheide bleiben bestehen."

3. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind aufgehobene Gesetzesbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall, dass für den von dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten gestellten Antrag gemäß § 113 Abs. 2b Nö Bauordnung 1976 in der angeführten Fassung die Rechtsgrundlage zur Gänze weggefallen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bei seiner Entscheidung davon auszugehen, dass die belangte Behörde rechtens nicht annehmen durfte, dass für die Berufungsbehörde die Voraussetzungen für die Erlassung eines derartigen Feststellungsbescheides vorgelegen waren. Weil nunmehr nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof keine Rechtsgrundlage mehr für die von den Baubehörden vorgenommene Feststellung vorliegt, werden die Beschwerdeführer durch die im baubehördlichen Verfahren erfolgte Feststellung, dass die Anordnung des Abbruches des wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan nicht genehmigungsfähigen Gebäudes zu entfallen hat, in ihren Rechten verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Umsatzsteuer in Bezug auf den geltend gemachten Schriftsatzaufwand war im Hinblick darauf, dass die in der angeführten Verordnung genannten Pauschalbeträge die Umsatzsteuer bereits enthalten, abzuweisen.

Wien, am 17. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999050086.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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