TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/18 96/21/0246

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Veröffentlicht am 18.05.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der Z Z, (geboren am 30. April 1976), in Enns, vertreten durch Dr. Maximilian Polak, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Pfarrgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Jänner 1996, Zl. St 413/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Jänner 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 26. Juni 1995 in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist, ohne über einen Sichtvermerk zu verfügen, und halte sich seit dieser Einreise illegal in Österreich auf. Sie verfüge weiters über keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Zuvor habe sie sich bereits von September 1992 bis März 1993 in Österreich als

de facto-Flüchtling aufgehalten, sei jedoch im März 1993 freiwillig zu Verwandten nach Slowenien ausgereist, wo sie sich über zwei Jahre lang aufgehalten habe. Von dort sei sie ihren Angaben zufolge deshalb ausgereist, weil ihr behördlicherseits mitgeteilt worden sei, dass ihr keine Aufenthaltsbewilligung erteilt würde und sie über zu geringe Unterhaltsmittel verfüge. Deshalb habe sie sich entschlossen, zu ihrem in Österreich lebenden Bruder zu fahren. Auch ihr Ehegatte sei laut den Angaben der Beschwerdeführerin in der Berufungsschrift seit 1991 in Österreich aufhältig, besitze eine Aufenthaltsbewilligung und gehe einer regelmäßigen Arbeit nach. Ein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina (BGBl. Nr. 389/1995) komme der Beschwerdeführerin deshalb nicht zu, weil sie zwischenzeitlich (seit zwei Jahren) bei Verwandten in Slowenien Schutz gefunden habe. Die Ausweisung stelle in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Ehegatte sowie der Bruder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhielten, einen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben dar. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar; ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin halte sich seit ca. sechs Monaten illegal im Bundesgebiet auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass die Ausweisung der Beschwerdeführerin zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 6. März 1996, B 790/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin lässt zunächst die Feststellung der belangten Behörde unbestritten, dass sie am 26. Juni 1995, ohne über einen Sichtvermerk zu verfügen, (neuerlich) in das Bundesgebiet eingereist sei und sich zuvor (von März 1993 bis zu diesem Zeitpunkt) bei Verwandten in Slowenien aufgehalten habe.

Die Beschwerdeführerin wendet sich indes gegen die Auffassung der belangten Behörde, ihr komme kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG iVm der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen Bosnien-Herzegowinas zu. Die Tatsache, dass sie sich nach ihrer Ersteinreise nach Österreich zwischenzeitig in Slowenien aufgehalten habe, ändere nichts an ihrer Stellung als de facto-Flüchtling. Denn sie habe auf ihrer Flucht aus dem Kriegsgebiet Österreich als Erstland aufgesucht und um Aufenthalt ersucht.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der von der Beschwerdeführerin erkennbar angesprochenen Regelung des § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten, anderweitig keinen Schutz fanden und nach dem 1. Juli 1993 eingereist sind, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin nach ihrer erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet im September 1992 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG erlangt hatte, denn für die im Beschwerdefall maßgebende Frage, ob sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach § 1 Abs. 2 der mit 10. Juni 1995 in Kraft getretenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 vorübergehend aufenthaltsberechtigt war, ist allein ihre am 26. Juni 1995 erfolgte Einreise nach Österreich entscheidend. Bezogen auf diese Einreise kann aber nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführerin ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, fehlt es doch im Hinblick auf ihren dieser Einreise unbestritten vorausgegangenen ca. zweijährigen Aufenthalt in Slowenien an der nach Wortlaut und Zweck der vorzitierten Verordnungsregelung erforderlichen unmittelbaren zeitlichen Abfolge des Verlassens der Heimat (Bosnien-Herzegowina) und der Einreise nach Österreich und kann nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin gemäss § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung "anderweitig keinen Schutz" gefunden hatte. Da somit die Beschwerdeführerin rechtens nicht in der Lage ist, sich auf ein ihr zukommendes vorübergehendes Aufenthaltsrecht für kriegsvertriebene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina zu berufen und sie im Übrigen nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung der belangten Behörde weder über einen Sichtvermerk noch über eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügte, war - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - gegen sie gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. die Ausweisung zu verfügen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid weiters im Licht des § 19 FrG. Ihre Ausweisung sei wegen des de facto in Bosnien noch vorliegenden Unruhezustandes und der fast völligen Zerstörung ihrer Heimat einerseits und wegen der in Österreich bestehenden Familienbande andererseits eine außerordentliche Härte und widerspreche dem § 19 FrG. Auf Grund der Wohnsitzfolgepflicht ihrem Ehegatten gegenüber, aber auch der erwiesenen Tatsache, dass bei den in Bosnien noch herrschenden unklaren politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Überweisung des ihr zustehenden Unterhaltsbetrages dorthin nicht gewährleistet wäre, verstoße ihre Ausweisung gegen § 19 FrG. Die belangte Behörde habe zu Unrecht ihren in Unkenntnis der Rechtslage in Österreich ohne Einreisesichtvermerk gewählten Aufenthalt, wobei ihre Handlungsweise ausschließlich von ihrer Not getragen worden sei, als schwer wiegenden Gesetzesverstoß bewertet und diesem gegenüber der Bestimmung des § 19 FrG ein höheres Gewicht zugemessen. Die Beschwerdeführerin sei vom Unterhalt ihres in Österreich lebenden Ehegatten abhängig und wäre durch die Ausweisung der Not ausgesetzt.

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Gemäß § 19 FrG ist eine Ausweisung, wenn damit in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Fälle dringend geboten ist. Es kann der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, dass ihre Ausweisung im Hinblick auf § 19 FrG unzulässig wäre. Dem mit der Ausweisung der Beschwerdeführerin verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben und ihrem daraus erfließenden Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 24. April 1998, Zl. 98/21/0110), gegenüber. Letzteres hat im vorliegenden Fall größeres Gewicht. Die gesamte Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin - selbst unter Berücksichtigung des ihrem Aufenthalt in Slowenien vorangegangenen, siebenmonatigen Aufenthaltes in Österreich - von insgesamt lediglich einem Jahr und einem Monat sowie eine daraus (allenfalls) abzuleitende Integration erreichen nämlich nicht ein Ausmaß, das den geltend gemachten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich ein Gewicht verleihen könnte, dem gegenüber das dargelegte öffentliche Interesse, gegen das die Beschwerdeführerin durch ihren zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend verstoßen hat, zurückzutreten hätte. Was die familiären Beziehungen zu ihrem seit 1991 in Österreich lebenden Ehegatten anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass der Kontakt der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten, wenngleich eingeschränkt, dadurch aufrecht erhalten werden kann, dass dieser seine Frau im Ausland besucht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4.Dezember 1997, Zl. 97/18/0232). Es sind überdies keine Gründe ersichtlich, die es als unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließen, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit dieser das Bundesgebiet verlässt. Im Übrigen steht die vorliegende Ausweisung der Gewährung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen. Selbst wenn - der Behauptung der Beschwerdeführerin entsprechend - auf Grund der herrschenden unklaren politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Bosnien die Überweisung des ihr zustehenden Unterhaltsbetrages dorthin nicht gewährleistet wäre, würde dies, für den Fall der Ausreise der Beschwerdeführerin nach Bosnien-Herzegowina, zwar das Gewicht des durch den angefochtenen Bescheid bewirkten Eingriffs in ihr Privat- und Familienleben verstärken, aber dennoch die Ausweisung im Grund des § 19 FrG nicht unzulässig machen.

Das Vorbringen, wonach es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei, eine Aufenthaltsbewilligung für Österreich zu erhalten, weil ihr Reisepass seine Gültigkeit verloren habe und sie daher erst auf die Ausstellung eines neuen Reisepasses der Republik Bosnien-Herzegowina habe warten müssen, ist nicht zielführend. Denn § 17 Abs. 1 FrG stellt allein darauf ab, ob sich der Fremde unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Trifft dies zu, so ist er - vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG - auszuweisen. Aus welchen Gründen sich der Fremde unerlaubt in Österreich aufhält bzw. weshalb er es verabsäumt hat, seinen Aufenthalt zu einem rechtmäßigen zu machen, ist nach § 17 Abs. 1 FrG rechtlich unerheblich. Abgesehen davon war es der Beschwerdeführerin unbenommen - dass dem ein Hindernis entgegenstand, hat sie nicht dargetan -, ihren bei der zur Behandlung ihres Antrages auf Ausstellung eines neuen Reisepasses zuständigen Behörde deponierten Reisepass kurzfristig zum Zweck der Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz anzufordern (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 97/18/0348).

Schließlich verkennt die Beschwerdeführerin mit ihrem Hinweis auf den in Bosnien herrschenden Unruhezustand und die fast völlige Zerstörung ihrer Heimat, dass mit einer Ausweisung nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210246.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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