Entscheidungsdatum
10.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L507 2147095-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABERSACK über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen vom 19.01.2017, Zl. 1078630100-150886222/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2017 und 08.05.2018,
A)
I. den Beschluss gefasst:
Das Verfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG iVm § 81 Abs. 36 NAG wird XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger arabischer Abstammung und moslemischer (sunnitischer) Religionszugehörigkeit, stellte am 19.07.2015, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, einen Antrag auf internationalen Schutz.
Hierzu wurde er zunächst am 19.07.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 02.06.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2017, Zl. 1078630100-150886222/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß
§ 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
3. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.01.2017 ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt, wogegen mit Schreiben vom 03.02.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.
Darin wird in Bezug auf die Rückkehrentscheidung insbesondere auf die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers hingewiesen und angeführt, dass dieser sich in Österreich gut aufgehoben fühle und schon gute Beziehungen aufgebaut habe. Der Beschwerdeführer sei unbescholten und grundversorgungsberechtigt, weshalb sein Unterhalt gesichert sei. Er stelle keine Gefährdung für die öffentliche Ordnung dar, spreche gut Deutsch und besuche regelmäßig einen Deutschkurs. Bis zur endgültigen Entscheidung werde er sich noch besser einleben und laufend darüber berichten.
4. Am 28.11.2017 und 08.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
5. In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer zahlreiche Unterlagen hinsichtlich einer Integration in Österreich vorgelegt (Sprachzertifikate, Versicherungsdatenauszug, Unterstützungsschreiben, XXXX, Bestätigungen ehrenamtliche Tätigkeiten).
6. Im Wege der Rechtsberatung erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.07.2018, die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides des BFA vom 19.01.2017 zurückzuziehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe.
Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer hat den Irak im Mai 2012 verlassen, hält sich seit Juli 2015 ununterbrochen und aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz, rechtmäßig in Österreich auf, wobei ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist. Es leben keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat seinen bisherigen Aufenthalt für maßgebliche Integrationsschritte genutzt: Er konnte sich Deutschkenntnisse auf den Niveau B1+ und A2 aneignen, die ihn dazu befähigten, die an ihn in der Beschwerdeverhandlung teilweise auf Deutsch gestellten Fragen in gutem Deutsch zu beantworten.
Er ist ehrenamtlich unter anderem als Dolmetscher für Flüchtlinge im Rahmen des Projektes XXXX tätig und hat den Kurs XXXX sowie den Kurs XXXX besucht. Er beteiligt sich zudem aktiv an Veranstaltungen und Aktivitäten bei XXXX, wo er Projekte (Sprach- und Begegnungsprojekte) in seinem Bekannten- und Freundeskreis bewirbt und bei der Kommunikation mit der Pfarre hilft. Seine Vernetzung sowohl mit Einheimischen, als auch mit zugewanderten Menschen kommt ihm dabei zugute.
Der Beschwerdeführer ist abgesehen von seinen psychischen Problemen gesund, erwerbsfähig, strafgerichtlich unbescholten und arbeitswillig. Er lebt aktuell von der Grundversorgung. Von Dezember 2017 bis März 2018 war der Beschwerdeführer als Koch tätig.
Weiters liegen eine gute Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft sowie zahlreiche sozialen Kontakte vor.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den Verwaltungsakt des BFA;
* mündliche Verhandlung am 28.11.2017 und 08.05.2018;
* Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden:
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt und den vorgelegten Dokumenten.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und die diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.
Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers bzw. dessen Teilnahme an Deutschkursen ergeben sich aus den entsprechenden Teilnahmebestätigungen. Die festgestellten Deutschkenntnisse gründen sich zudem auch auf die Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der Beschwerdeverhandlung.
Die Feststellungen zu den (ehrenamtlichen) Tätigkeiten des Beschwerdeführers gehen aus den vorgelegten entsprechenden Bestätigungen hervor.
Die sozialen Kontakte sowie die Integration in die österreichische Gesellschaft bekräftigen die vorgelegten Unterstützungsschreiben und Bestätigungen der XXXX.
Die Tätigkeit als Koch ist dem Sozialversicherungsauszug zu entnehmen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Koch von Dezember 2017 bis März 2018 sowie seine weiteren Erwerbsabsichten erörtert und scheint eine baldige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers aufgrund seines persönlichen Engagements im Falle der Gewährung eines Aufenthaltstitels auch als wahrscheinlich. Angesichts seiner bisherige Bemühungen in Österreich bestehen auch keine Zweifel an seiner Arbeitswilligkeit.
Dass der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben. Seine psychischen Probleme und die ledigliich vorübergehende Arbeitsunfähigkeit (Krankenstandempfehlung von weiteren vier Wochen) gehen aus dem vorgelegten fachärztlichen Befund vom 15.03.2018 hervor.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers geht aus dem Strafregisterauszug des Bundesministeriums für Inneres hervor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.1. Zu Spruchteil A) I. Einstellung hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des BFA vom 19.01.2017, Zl. 1078630100-150886222/BMI-BFA_SZB_RD, mit Schreiben vom 05.07.2018 sind die Spruchpunkte I. und II. dieses Bescheides in Rechtskraft erwachsen, weshalb das diesbezügliche hg. Verfahren mit Beschluss einzustellen war.
3.2. Zu Spruchteil A) II. Stattgebung hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides
3.2.1. Gemäß § 10 AsylG 2005 wird Folgendes normiert:
"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:
"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:
"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels
(Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."
Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:
"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."
3.2.2. In § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG wird festgehalten, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden ist, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird, sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
Dadurch, dass durch die Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides die entsprechend negative Entscheidung des BFA in Rechtskraft erwachsen ist, liegt eine im Ergebnis mit § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG vergleichbare Situation vor.
3.2.3. Es liegen keine Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
3.2.4. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).
Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).
Fallbezogen spricht zunächst gegen den weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich und für die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der Umstand, dass er unrechtmäßig in Österreich eingereist ist und sein Aufenthaltsstatus grundsätzlich unsicher war. Demgegenüber hält sich der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt rechtmäßig in Österreich auf, wobei ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist. Es handelt sich im vorliegenden Fall auch um den ersten und einzigen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer hat sich unmittelbar nach seiner Ankunft in Österreich bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen und mehrere Kurse besucht bzw. die ÖSD Deutsch Prüfung für das Niveau A2 erfolgreich absolviert. Er verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und hat der Beschwerdeführer auf Deutsch gestellte Fragen in der mündlichen Verhandlung problemlos in deutscher Sprache beantwortet.
Zudem hat er an Integrationskursen teilgenommen und beteiligt sich aktiv bei dem Projekt XXXX der XXXX, im Rahmen dessen er auch Übersetzungen durchführt.
Zwar lebt der Beschwerdeführer in Österreich aktuell noch von der Grundversorgung, allerdings kann anhand seines dargestellten, bisher in Österreich gezeigten Engagements und seiner Bemühungen in Verbindung mit der bereits ausgeübten Tätigkeit als Koch in der Wintersaison 2017/2018 von seiner Arbeitswilligkeit, sowie davon ausgegangen werden, dass er in Zukunft in der Lage sein wird, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Schließlich ist der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten.
In Anbetracht der gegenständlichen Umstände überwiegt das private Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privatlebens in Österreich das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Es ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsste.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt im konkret zu beurteilenden Fall aufgrund des Inhaltes des vom BFA vorgelegten Verfahrensaktes und des zusätzlich in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2017 und 08.05.2018 verschafften persönlichen Eindrucks hinsichtlich der bereits erfolgten Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft zu dem festgestellten Sachverhalt.
Im Ergebnis ergibt sich daraus, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles den privaten Interessen des Beschwerdeführers ein so großes Gewicht zukommt, dass die Auswirkung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Es erweist sich daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unzulässig und eine Rückkehrentscheidung daher auf Dauer unzulässig.
Das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers entstand zwar zu einem Zeitpunkt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste, berücksichtigt man jedoch alle genannten Aspekte, so überwiegen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im konkreten Einzelfall letztlich die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet dauerhaft die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens (vgl. dazu auch VwGH 28.01.2015, Zl. Ra 2014/20/0121), weshalb eine Rückkehrentscheidung/Ausweisung einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein durch
Art. 8 EMRK geschütztes Recht darstellen würde.
3.2.5. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 81 Abs. 36 NAG lautet:
"(36) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."
§ 14a NAG lautete:
"§ 14a. (1) ...
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1.-einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2.-einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß
§ 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,
3.-über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des
§ 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder
4.-einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1."
[...]"
§ 14b Abs. 2 NAG lautete auszugsweise:
"(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß
§ 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule
(§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat,
[...]."
§ 9 IV-V (Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse) lautete:
"§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne
des § 14a Abs. 4 Z 2 und § 14b Abs. 2 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:
1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2. Goethe-Institut e.V.;
3. Telc GmbH
(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt.
(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, dann gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht.
(4) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 gelten Zeugnisse des ÖIF nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau oder B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Das Zeugnis hat dem Muster der Anlage B zu entsprechen."
Der Beschwerdeführer verfügt über ein ÖSD Zertifikat Deutsch A2 (ausgestellt am XXXX), weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG ist ihm somit der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.
Das Bundesamt hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, dieser hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
In Hinblick auf die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung wird der Vollständigkeit halber noch ausgeführt, dass dadurch die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG 2005, § 52 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak nicht vorliegen. Somit liegt auch eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Abschiebung, Asylantragstellung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L507.2147095.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.03.2019