TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/8 L501 2177238-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2018
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Entscheidungsdatum

08.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L501 2177238-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene Altendorfer als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2018, Zl. 1070176106/180575750, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) vom 21.05.2015 mit Bescheid vom 18. August 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der bP in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 1. Februar 2018, G305 2177238-1/8E, ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Das Erkenntnis erwuchs am 02.02.2018 in Rechtskraft. Die in der Folge beim Verwaltungsgerichtshof erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss vom 28.06.2018, Ra 2018/19/0345-4, zurückgewiesen.

Der von der beschwerdeführenden Partei (bP) am 20.06.2018 gestellte Folgeantrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit verfahrensgegenständlichen Bescheid sowohl hinsichtlich der Status des Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG wurde der bP für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

In ihrer mit Schreiben vom 28.09.2018 fristgerecht erhobenen Beschwerde hob die bP hervor, dass sie zwar schon vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens begonnen habe, die Kirche zu besuchen, sie allerdings zum damaligen Zeitpunkt noch nicht überzeugt gewesen sei, Christin werden zu wollen. Sie sei lediglich am Christentum interessiert gewesen und habe sich zuerst intensiv damit auseinandersetzen wollen. Sie habe im ersten Asylverfahren nichts von einer Konvertierung zum Christentum erzählt, da diese damals nicht bevorgestanden habe und es daher nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Aufgrund des Abfalls vom Islam bzw. der Konvertierung zum Christentum drohe ihr im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Verfolgung. Sie führe zudem mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Beziehung; seit Ende Juli 2018 lebten sie gemeinsam in einer Wohnung, sie möchten gerne heiraten. Es läge sohin ein schützenswertes Privatleben vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Die Feststellungen ergeben sich u.a. aus dem unter Punkt I. geschilderten Verfahrenshergang.

II.1.2. Die bP, eine Staatsangehörige des Irak, begründete Ihren ersten Antrag vom 21.05.2015 auf internationalen Schutz im Wesentlichen mit einer Verfolgung durch Milizen. Am 25.02.2015 seien zwei militärisch gekleidete Personen, die zur Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ gehört hätten, zu ihr ins Geschäft gekommen und hätten von ihr verlangt, mit ihnen zu kooperieren. Sie habe jedoch abgelehnt. Als sie das Geschäft zugesperrt und mit ihrem Onkel das Einkaufszentrum verlassen habe, habe sie beim Haupteingang einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei bewusstlos gewesen. Nach ein paar Stunden habe sie gespürt, dass ihre Hände hinten am Rücken gefesselt und ihre Augen verbunden gewesen wären. Die gleiche Stimme, die sie im Geschäft gehört habe, hätte von ihr verlangt, dass sie kooperieren solle. Als sie erneut ablehnte, habe sie einen Schlag auf die Nase bekommen. Nach ein paar Tagen seien ihnen die Augen geöffnet worden und hätten sie sich in einem Zimmer wiedergefunden. Ihr Onkel sei bei ihr gewesen und er sei am Rücken verletzt gewesen. Dann seien sie wieder gefesselt worden und es sei wieder von ihr verlangt worden, dass sie kooperiere. Nach ein paar Tagen sei sie auch auf ihre Zähne geschlagen worden. Eines Tages habe sich die Lage beruhigt und hätten dann sie und ihr Onkel die Holztür zerbrochen und seien sie hinausgegangen. Sie habe einen Kunden angerufen und habe dieser ein Taxi organisiert. Das sei am 14.03.2015 gewesen. Bis zum 19.03.2015 hätten sie sich bei diesem Kunden aufgehalten und seien sie anschließend ausgereist.

Dieser erste Antrag auf internationalen Schutz wurde im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 1. Februar 2018, G305 2177238-1/8E, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; das Erkenntnis erwuchs am 02.02.2018 in Rechtskraft.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Vorbringen der bP zu der von ihr behaupteten Bedrohungssituation in ihrer Heimat mit näherer Begründung als nicht glaubhaft und ging des Weiteren davon aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Ausweisung keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle.

II.1.3. Ihren verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz begründete die bP im Wesentlichen mit einer Hinwendung zum Christentum. In ihrer Einvernahme am 09.07.2018 führte sie aus, sie sei Christin geworden und könne nicht in den Irak zurückkehren; der Pfarrer habe ihr erklärt, dass für die Vornahme der Taufe der Besuch eines Taufkurs erforderlich sei, welcher am 05.09.2018 beginne. Auf die Frage, warum sie im rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren die bereits zu dieser Zeit stattgefundenen Kirchenbesuche nicht erwähnt hätte, gab sie an, dass sie damals noch nicht Christin gewesen sei. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 24.07.2018 legte die bP eine Bestätigung der Stadtpfarre Linz vor, dass sie sich für den Glaubens- und Taufunterricht angemeldet hat, und teilte mit, dass sie in den letzten sechs Monaten das Christentum studiert habe und dieses nunmehr freiwillig angenommen habe.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 10.09.2018 stellte die belangte Behörde zusammengefasst fest, dass das Vorbringen der bP, nunmehr Christ geworden zu sein und deshalb nicht in den Irak zurückkehren zu können, keinen neuen objektiven Sachverhalt darstelle. Dies sei der bP bereits vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens (02.02.2018) bekannt gewesen. Sie habe nämlich selbst angeführt, bereits vor etwa einem Jahr das Christentum kennengelernt zu haben und seit Jänner 2018 "die Kirche zu besuchen".

II.2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen unter Punkt II. ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der belangten Behörde sowie dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes unter Einbeziehung des Bezugsakts (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts 1. Februar 2018, G305 2177238-1/8E). Der Sachverhalt steht sohin bereits aufgrund der Aktenlage außer Zweifel und ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren:

Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Februar 2018, G305 2177238-1/8E, welches mit 02.02.2018 in Rechtskraft erwachsen ist.

Fallbezogen erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP, zum Christentum konvertiert zu sein, als keinen neuen objektiven Sachverhalt. Gestützt wird diese Beurteilung auf die Aussage der bP, dass sie vor etwa einem Jahr das Christentum kennen gelernt habe und seit Jänner 2018 die Kirche besuche; dass sie Christ geworden sei, sei der bP damit bereits vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens bekannt gewesen und hätte sie die Verpflichtung gehabt, diesen Umstand im Erstverfahren auch vorzubringen (vgl. AS 185).

Von der belangten Behörde wird dabei außer Acht gelassen, dass die bP mehrmals ausführte, dass sie zwar schon vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens begonnen habe, sich für das Christentum zu interessieren und die Kirche zu besuchen, sie sich jedoch erst jetzt, nach eingehender Befassung, zum Christentum konvertiert sei. Da für die Vornahme der Taufe der Besuch eines Taufkurses erforderlich sei, habe sie sich hierfür angemeldet (vgl. vorgelegte Bestätigung AS 83).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Änderung nur dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68, Rz 26 mit Judikaturnachweisen; vlg iZm auch VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115: "Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste"; oder etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Nach den bisherigen Ausführungen liegt ein solcher Fall gegenständlich vor: Der belangten Behörde ist zwar beizupflichten, dass die Befassung der bP mit dem Christentum - auch durch Kirchenbesuche - bereits vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens erfolgt ist, sie übersieht dabei jedoch, dass die bP vorbringt, ihre Konversion zum Christentum sei erst nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens erfolgt. Dass sich ihr Vorbringen im Folgeverfahren sohin ausschließlich auf Sachverhalte bezieht, die schon vor Beendigung des Erstverfahrens verwirklicht worden wären, kann daher nicht gesagt werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die bloße Behauptung eines Interesses am Christentum für die Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht ausreicht, es aber auch nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0076).

Im Hinblick auf das Vorgesagte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt sohin nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ein inhaltlich anderslautender Bescheid zumindest möglich wäre.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben. Für das von der belangten Behörde in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag der bP wieder unerledigt ist und über diesen von der Behörde - unter Beachtung der höchstgerichtlichen Judikatur neuerlich, nämlich meritorisch - in der Sache - abzusprechen ist (vgl VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314). Eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache kommt im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht.

Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG und § 52 Abs. 3 FPG nicht vor, weshalb die restlichen Spruchpunkte III. bis VI. mangels einer gesetzlichen Grundlage keinen Bestand mehr haben können und ebenso ersatzlos zu beheben sind.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel, Behebung der
Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe, Christentum,
entschiedene Sache, ersatzlose Behebung, Folgeantrag, freiwillige
Ausreise, Frist, Identität der Sache, Konversion, Rechtskraft der
Entscheidung, Religionsausübung, res iudicata, Rückkehrentscheidung,
Verfolgungsgefahr, Vorbringen, wesentliche Änderung, wesentliche
Sachverhaltsänderung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2177238.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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