TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 G314 2190038-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G314 2190038-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) beantragte am 14.04.2016 die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 30.05.2017 wurde ihr mitgeteilt, dass ihr kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, weil sie weder ein Einkommen noch eine Krankenversicherung nachgewiesen habe. Daher werde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst.

Mit Schreiben des BFA vom 09.10.2017 wurde der BF im Rahmen des Parteiengehörs das Ergebnis des Beweisverfahrens mitgeteilt und sie zur Stellungnahme aufgefordert.

Am 24.10.2017 langte beim BFA eine Stellungnahme der BF samt ergänzender Urkundenvorlage ein, in der sie unter anderem angab, in Österreich mit ihrem am XXXX geborenen Kind XXXX zu leben. Mit Schreiben des BFA vom 27.11.2017 wurde die BF aufgefordert, Beweismittel für ihre Behauptung, dass sie über Ersparnisse verfüge und finanzielle Zuwendungen von Freunden und von den Großeltern ihres Kindes erhalte, vorzulegen, die Geburtsurkunde ihres Kindes zu übermitteln und die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts nachzuweisen. Trotz Fristerstreckung erfolgte keine weitere Stellungnahme der BF; es wurden auch keine Beweismittel mehr vorgelegt.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 04.12.2017 wurde der BF mitgeteilt, dass ihrem Kind XXXX, für das bislang noch keine Anmeldebescheinigung beantragt worden sei, kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, weil sie weder ein Einkommen noch eine Krankenversicherung nachgewiesen habe. Daher werde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wegen einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF seit 13.04.2015 durchgehend über Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet verfüge, seit 31.03.2016 weder als Arbeitnehmerin noch als Selbstständige erwerbstätig sei, den Besitz von ausreichend Existenzmittel für sich und ihre Familienangehörigen nicht nachgewiesen habe und über keine Krankenversicherung verfüge. Daher erfülle sie die Voraussetzungen für einen mehr als drei Monate dauernden Aufenthalt nicht. Eine Interessenabwägung ergebe das Überwiegen der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung gegenüber den privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich.

Mit dem Bescheid des BFA vom 14.02.2018, Zl. XXXX, wurde auch XXXX unter Erteilung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubs aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde sowohl der BF als seiner gesetzlichen Vertreterin als auch dem XXXX als deren bevollmächtigtem Vertreter am 19.02.2018 zugestellt. Eine Beschwerde dagegen wurde nicht erhoben.

Gegen den die BF betreffenden Bescheid erhob sie am 20.03.2018 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängeln Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, festzustellen, dass die Voraussetzungen für ihren Aufenthalt in Österreich vorlägen und ihr eine Anmeldebescheinigung zu erteilen. Hilfsweise werden die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt und ein Rückverweisungsantrag gestellt. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das BFA unrichtige Annahmen über ihre Lebenssituation sowie die ihres Kindes und ihres Lebensgefährten getroffen habe. Sie werde bald ein Einkommen für ihren Aufenthalt erzielen. Aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung sei sie daran gehindert gewesen, nach der Geburt wieder zu arbeiten. Nunmehr werde eine Freundin ihr Kind betreuen, sodass sie ab April 2018 wieder voll ins Arbeitsleben einsteigen könne. Sie und ihr Kind lebten ausreichend sparsam, um mit den vorhandenen Mitteln ein ortsübliches Leben führen zu können. Bei der Beurteilung der Einkommenssituation seien die schwierigen Lebensumstände einer alleinerziehenden Mutter ungenügend berücksichtigt worden. Eine Ausweisung sei in Hinblick ihr Privat- und Familienleben unzumutbar. Weder zum Schutz der österreichischen Rechtsordnung noch zur Abwendung einer Belastung für eine Gebietskörperschaft sei ein Grund erkennbar, der BF den Aufenthalt zu verwehren. Ihr Lebensgefährte der BF, der Vater des gemeinsamen Kindes, sei vorübergehend inhaftiert, sodass es dem Kind bei einer Ausweisung der BF nicht möglich sei, eine Beziehung zum Vater aufzubauen.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten der Verwaltungsverfahren betreffend die BF und XXXX dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 22.03.2018 einlangten, und beantragte, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Mit Schreiben des BVwG vom 28.03.2018 wurde die BF aufgefordert, die Geburtsurkunde ihres Kindes vorzulegen. Am 25.04.2018 langten entsprechende Unterlagen beim BVwG ein.

Feststellungen:

Die BF ist Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich). Sie spricht englisch. In ihrem Herkunftsstaat schloss sie ein "Business Management"-Studium ab und war nach Absolvierung eines entsprechenden Trainings als Sicherheitskraft am Flughafen erwerbstätig. Bis zu ihrer Ausreise in das Bundesgebiet lebte sie im XXXX Stadtteil XXXX

Die BF hält sich seit XXXX 2015 im Bundesgebiet auf. Seit XXXX.2015 ist sie an verschiedenen Adressen mit Hauptwohnsitz gemeldet; davor war sie seit XXXX.2015 mit Nebenwohnsitz in Wien gemeldet. Seit XXXX.2016 hat sie ein auf drei Jahre befristetes Mietverhältnis über ein Pensionszimmer samt Miniküche, Dusche und WC in XXXX zu einem monatlichen Mietzins von EUR 360; dort ist sie seit XXXX.2016 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass das Zimmer nur für eine Person vorgesehen ist.

Die BF war im Bundesgebiet ab XXXX 2015 immer wieder bei verschiedenen Arbeitgebern, teils auch nur geringfügig, beschäftigt. Von XXXX. bis XXXX.2015, von XXXX. bis XXXX.2016 und von XXXX. bis XXXX.2018 bestanden vollversicherte Beschäftigungsverhältnisse, zwischen XXXX.2015 und XXXX.2016 und zwischen XXXX. und XXXX.2018 war sie geringfügig beschäftigt. Seit XXXX.2018 ist die BF im Bundesgebiet nicht mehr erwerbstätig.

Am XXXX wurde der Sohn der BF, XXXX (nunmehr: XXXX), in XXXX geboren. Er ist seit XXXX.2017 an derselben Adresse wie die BF mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten. Sie ist ledig und mit dem Vater ihres Sohnes, dem am XXXX geborenen afghanischen Staatsangehörigen XXXX, liiert. Dieser beantragte in Österreich 2009 (erfolglos) internationalen Schutz. Zwischen 2012 und 2017 wurde er im Bundesgebiet insgesamt sechsmal strafgerichtlich zu (teil-)bedingten und unbedingten Freiheitsstrafen wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz sowie wegen Vermögens- und Aggressionsdelikten verurteilt. Zuletzt wurde er am XXXX verhaftet und mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, wegen eines Verstoßes gegen das Waffenverbot nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zusätzlich wurde die bedingte Entlassung aus einer zuvor verhängten Freiheitsstrafe wiederrufen. Derzeit verbüßt er die Strafhaft in der Justizanstalt XXXX. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid des BFA vom 11.01.2018 kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung und ein siebenjähriges Einreiseverbot erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan festgestellt. Seine Beschwerde dagegen wurde mit dem Erkenntnis des BVwG vom 19.10.2018, W241 1426612-2, als unbegründet abgewiesen.

Vor seiner nunmehrigen Inhaftierung seit XXXX 2017 wurde XXXX von XXXX bis XXXX im Polizeianhaltezentrum (PAZ) XXXX und vom XXXX bis XXXX im PAZ XXXX angehalten. Davor wurde er nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe von knapp fünf Monaten im XXXX bedingt aus der Strafhaft entlassen. Davor hatte er sich bis zu seiner Verhaftung im Anfang XXXX für vier Monate auf freiem Fuß aufgehalten (XXXX bis XXXX). Auch von XXXX bis XXXX und von XXXX bis XXXX wurde er in Strafhaft angehalten. Ein gemeinsamer Haushalt kann weder mit der - im XXXX 2015 ins Bundesgebiet eingereisten - BF noch mit dem - Anfang XXXX geborenen - gemeinsamen Sohn festgestellt werden.

Der Vater der BF ist bereits verstorben. Ihre Mutter und ihre Geschwister leben im Vereinigten Königreich. Die BF hat wenig Kontakt zu ihrer Familie. In Österreich leben Cousins der BF, mit denen sie keinen Kontakt hat.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie geht aktuell im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie Aussicht auf eine Arbeitseinstellung hat. Sie ist einkommens- und vermögenslos. Die BF und ihr Sohn sind im Bundesgebiet weder kranken- noch unfallversichert.

Die BF verfügt über keine über die Feststellungen hinausgehenden familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellung, dass gegen den Sohn der BF eine Ausweisung erlassen wurde, beruht auf dem vorliegenden Fremdenakt betreffend

XXXX

Die Feststellungen zu Identität, zum Familienstand und zur Staatsangehörigkeit der BF beruhen auf ihren Angaben sowie auf der vorgelegten Kopie aus ihrem Reisepass. Die Feststellungen zur Geburt ihres Sohnes ergeben sich aus ihrem Vorbringen dazu und aus den vorgelegten Geburtsurkunden, aus denen sich auch die zwischenzeitig erfolgte Änderung seines Familiennamens auf den seines (nunmehr auch in der Geburtsurkunde eingetragenen) Vaters nachvollziehen lässt.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen der BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Es liegen keine Beweisergebnisse vor, dass die BF aktuell arbeitssuchend ist oder Aussicht auf eine Arbeitseinstellung hat.

Der Aufenthalt der BF in Österreich ergibt sich aus den Hauptwohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Der Mietvertrag vom 24.05.2016, aus dem die das Mietverhältnis betreffenden Feststellungen hervorgehen, wurde vorgelegt.

Die Feststellungen zum Partner der BF und Vater ihres Sohnes basieren auf den Angaben der BF, seinen Wohnsitzmeldungen laut ZMR, dem Fremdenregister, dem Strafregister sowie auf den ihn betreffenden Gerichtsakten des BVwG zu W191 1426612-1 und W241 1426612-2. Die Feststellung, dass kein gemeinsamer Haushalt mit der BF oder dem gemeinsamen Sohn bestand, ergeben sich aus den ZMR-Auszügen und den Zeiten behördlicher Anhaltungen, zumal keine entgegenstehenden Beweisergebnisse vorliegen. Ein gemeinsamer Haushalt mit der BF ist auch schon aufgrund der äußerst beengten räumlichen Verhältnisse in ihrer aktuellen Unterkunft nicht anzunehmen.

Die Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus dem Strafregister. Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten liegen nicht vor.

Da die BF in der Beschwerde angab, arbeiten zu wollen, ist davon auszugehen, dass sie arbeitsfähig und gesund ist, zumal keine Anhaltspunkte für Erkrankungen oder Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit zutage getreten sind.

Die Feststellung der Vermögenslosigkeit der BF beruht auf ihrer Erwerbslosigkeit und darauf, dass sie trotz einer entsprechenden Aufforderung keine Beweismittel für die behaupteten (ohnehin relativ geringen) Ersparnisse vorlegte.

Die Feststellung zum Fehlen enger familiärer und privater Bindungen sowie zum Nichtvorliegen einer umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, die in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Für weitere Integrationsmomente gibt es weder im Akteninhalt noch im Vorbringen der BF Hinweise.

Rechtliche Beurteilung:

Die BF ist als Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

§ 66 FPG ("Ausweisung") lautet:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).

Gemäß § 53a NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionrechtliche Aufenthaltsrecht iSd §§ 51 f NAG zukommt, idR nach fünf Jahren des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen (insbesondere ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes) unabhängige Recht auf Daueraufenthalt.

§ 55 NAG ("Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate") lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt folgendes:

Aufgrund ihres Aufenthalts im Bundesgebiet seit XXXX 2015 hat die BF weder das Daueraufenthaltsrecht erworben (§ 53a NAG) noch liegt ein zumindest zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor (§ 66 Abs 3 FPG).

Die BF geht in Österreich weder einer selbständigen noch einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach. Die in der Beschwerde vage geäußerten Absicht, ab XXXX 2018 wieder "voll ins Arbeitsleben einsteigen" zu können, stellt keine begründete Aussicht auf einen Arbeitsplatz dar, zumal es der BF in den seither vergangenen sechs Monaten nicht gelungen ist, eine (längerfristige) Anstellung zu finden. Sie war zwar seit XXXX 2018 zweimal kurz erwerbstätig, jedoch dauerten diese Beschäftigungsverhältnisse jeweils nur einen Monat; bei einem davon handelte es sich außerdem nur um eine geringfügige Beschäftigung.

Die BF, die demnach in Österreich weder Arbeitnehmerin noch Selbständige ist, verfügt auch nicht über ausreichende Existenzmittel iSd § 51 Abs 1 Z 2 NAG. In ihrer Stellungnahme im Oktober 2017 gab sie noch an, über Ersparnisse von bis zu EUR 2.900 und finanzielle Unterstützungen von Bezugspersonen zu verfügen, ohne dazu Nachweise vorzulegen. In der Beschwerde wurde kein Vorbringen bezüglich eines aktuellen Sparguthabens oder allfälliger finanzieller Unterstützungen mehr erhoben. Jedenfalls verfügen aktuell weder die BF noch ihr Sohn über eine gesetzliche Krankenversicherung oder einen anderen vergleichbaren Krankenversicherungsschutz. Die BF erfüllt die Voraussetzungen für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 f NAG somit derzeit nicht.

Vor dem Hintergrund der Einkommens- und Vermögenslosigkeit der BF kann nicht erkannt werden, dass sie die notwendigen Existenzmittel für sich und ihren zweijährigen Sohn im Bundesgebiet nachhaltig von sich aus aufbringen kann. Die Großeltern des Sohnes der BF können ihn und sie auch außerhalb des Bundesgebiets finanziell unterstützen.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Die BF lebt in Österreich mit ihrem minderjährigen Sohn in einem gemeinsamen Haushalt. Beide sind Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs. Zusätzlich ist die Beziehung der BF zum Vater des gemeinsamen Sohnes zu berücksichtigen, mit dem jedoch auch vor seiner letzten Inhaftierung XXXX 2017 kein gemeinsamer Haushalt bestand und der nicht zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet berechtigt ist, zumal gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wurde.

Da die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der BF und ihres Sohnes eingreift, ist sie nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessem Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind (vgl VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049).

Da die BF und ihr Sohn gleichermaßen von einer Ausweisung betroffen sind, zumal auch gegen letzteren eine Ausweisung erlassen wurde, liegt insoweit kein Eingriff in das schützenswerte Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, 2012/22/0221 mwN).

Die Beziehung der BF zum Vater ihres Kindes entstand in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus der Beteiligten. Eine besondere Intensität und Dauer der Beziehung liegt nicht vor, zumal sich der Partner der BF nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet im XXXX 2015 lediglich ab XXXX 2015 für knapp zwei Monate, ab XXXX 2015 für knapp vier Monate sowie ab XXXX 2016 für zehn Monate auf freien Fuß befand und ansonsten in Haft war, wobei zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt bestand. Der Kontakt zwischen der BF und ihrem Partner bzw. zwischen ihm und dem gemeinsamen Sohn ist derzeit haftbedingt wieder auf Besuchskontakte beschränkt. Außerdem wurden gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen, sodass er nach der Haft ohnedies nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet oder in anderen, vom Einreiseverbot umfassten Staaten berechtigt ist. Da der Herkunftsstaat der BF und des gemeinsamen Sohnes nicht vom Einreiseverbot umfasst ist, ist es möglich und zumutbar, dass die wechselseitigen Kontakte dort gepflegt werden.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der BF oder ihres Sohnes in sprachlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht sind nicht erkennbar. Selbst unter der Annahme einer schnelleren Verwurzelung von minderjährigen Kindern im Aufnahmestaat kann angesichts der erst kurz zugebrachten Zeit im Bundesgebiet nicht gesagt werden, dass der Sohn der BF eine tiefgreifende Verwurzelung in Österreich bei gleichzeitigem Abbruch der Beziehungen zum Herkunftsstaat erfahren haben. Vielmehr attestiert der EGMR Kindern, selbst im Falle ihrer Geburt im Aufnahmestaat, eine hinreichende Anpassungsfähigkeit in Bezug auf deren Rückkehr in den Herkunftsstaat (vgl. EGMR 26.01.1999, Zl. 43279/98, Sarumi). Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind ihre besten Interessen und ihr Wohlergehen, die Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Ausweisungsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Dabei kommt den Fragen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (die grundsätzlich für Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren angenommen wird), maßgebliche Bedeutung zu (VwGH 21.04.2011, Zl. 2011/01/0132). Der zweijährige Sohn der BF lebt in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter; zu seinem inhaftierten Vater bestehen allenfalls Besuchskontakte. Er besucht im Bundesgebiet keine außerhäusliche Kinderbetreuung. Da es sich um ein Kleinkind handelt und keine Trennung von seiner Mutter als seiner Hauptbezugsperson beabsichtigt ist, ist eine Eingliederung des knapp zweijährigen Sohnes der BF in seinem Herkunftsstaat jedenfalls zumutbar.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA unter Beachtung des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062) zum Schutz der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der BF im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte hat, ein Studium abschloss und erwerbstätig war, gesund und arbeitsfähig ist, bis 2015 ihren Lebensmittelpunkt im Vereinigten Königreich hatte, die Landessprache spricht und mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut ist. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde nicht klärungsbedürftig ist, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052). In der Beschwerde wurde kein relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausweisung, Durchsetzungsaufschub, Einkommen, Vermögensverhältnisse,
Zahlungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2190038.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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