Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G314 2209505-1/2E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, griechischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid vom 08.10.2018, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids) beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids
wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) befand sich ab 2012 in Österreich und war von Dezember 2012 bis November 2014 selbständig und danach - mit Unterbrechungen - immer wieder unselbständig erwerbstätig. Am 21.11.2016 beantragte er die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer. Mit dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX als Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vom 12.06.2017 wurde ihm mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für ein (unionsrechtliches) Aufenthaltsrecht nicht erfüllt seien, weil er die Nachweise nach § 53 Abs 2 Z 1 bis 3 NAG nicht vorgelegt habe und aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliege. Daher werde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des BF mangels Kostendeckung nicht eröffnet und ausgesprochen, dass er zahlungsunfähig sei.
Der BF wurde vom Landesgericht XXXX zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. XXXX wurde wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs (Datum der letzten Tat: XXXX) eine siebenmonatige, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitstrafe verhängt, die XXXX endgültig nachgesehen wurde. XXXX wurde wegen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen (Tatzeit: XXXX) und schweren Betrugs (Tatzeiten XXXX und XXXX) eine zwölfmonatige Freiheitstrafe verhängt, die ebenfalls für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Aktuell ist der BF seit XXXX in einem Restaurant in XXXX als Arbeitnehmer vollversichert erwerbstätig. Er ist seit XXXX mit Hauptwohnsitz an einer Adresse in XXXX gemeldet, wo er jedoch im XXXX (im Zusammenhang mit der Zustellung des angefochtenen Bescheids) nicht angetroffen werden konnte. Über seinen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer vom XXXX.2018 erging noch keine Entscheidung.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots geboten sei, weil der BF durch sein "oben geschildertes" Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Es hätten sich keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots sprächen. Die Abwägung ergebe, dass aufgrund seines Verhaltens sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurücktrete. Dabei geht das BFA offenbar davon aus, dass sich der Lebensmittelpunkt des BF in Griechenland befinde (Seite 3 des angefochtenen Bescheids), dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtmäßig sei, weil ihm keine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden sei (Seiten 4 und 8 des angefochtenen Bescheids), dass sein Lebensinhalt von einer "fortgesetzten und dauerhaft schädlichen Kriminalität" bestimmt werde (Seite 7 des angefochtenen Bescheids) und dass er keine familiären, privaten oder wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe (Seite 13 des angefochtenen Bescheids). Feststellungen zum konkreten Fehlverhalten des BF, das seinen strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde lag, wurden nicht getroffen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Beschwerde, die den Bescheid ausdrücklich in seinem gesamten Umfang bekämpft, mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, der Beschwerde aufschiebende "Bedingung" (gemeint offenbar: Wirkung) zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot zu verkürzen, in eventu, einen Durchsetzungsaufschub zu erteilen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 15.11.2018 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Die Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags und die Zahlungsunfähigkeit des BF werden anhand der Insolvenzdatei festgestellt.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Aufgrund der Anfechtung des Bescheids "in seinem gesamten Umfang" liegt hier - zumindest implizit - auch eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor.
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hier nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen. Dabei blieb insbesondere unberücksichtigt, dass der BF als EWR-Bürger, der in Österreich Arbeitnehmer ist, gemäß § 51 Abs 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt ist und eine Anmeldebescheinigung insoweit nur deklaratorische Wirkung hat (vgl VwGH 26.04.2016, Ra 2015/09/0137). Da er im Inland wohnt und arbeitet, ist auch nicht davon auszugehen, dass sein Lebensmittelpunkt noch in Griechenland liegt. Aus der XXXXmaligen Verurteilung zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen kann - insbesondere ohne Feststellung des konkreten Verhaltens, das dazu führte - nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass sein Leben von fortgesetzter Kriminalität bestimmt wird, zumal die Straftaten (bis auf ein Mitte XXXX gesetztes Betrugsfaktum) schon mehrere Jahre zurückliegen und eine Strafe bereits endgültig nachgesehen werden konnte. Durch das regelmäßige Erwerbseinkommen des BF ist die Wiederholungsgefahr in Bezug auf Vermögensdelikte aktuell reduziert. Da bislang keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden musste und sich seine Lebensverhältnisse offenbar einigermaßen stabilisiert haben, ist die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufzuheben.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der in diesem Teilerkenntnis behandelte Spruchteil des angefochtenen Bescheids aufzuheben ist.
Zu Spruchteil C):
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall, Durchsetzungsaufschub,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2209505.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.03.2019