TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/20 99/20/0119

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Veröffentlicht am 20.05.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1 idF 1999/I/041;
AVG §63 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des am 1. Mai 1978 geborenen JP in Wien, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Oktober 1998, Zl. 205.492/0-XI/34/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste nach seinen Angaben am 29. Juli 1998 nach Österreich ein und beantragte am 3. August 1998 die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. September 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Z 3 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76, als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15. September 1998 durch persönliche Übernahme beim Bundesasylamt zugestellt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer die mit 30. September 1998 datierte und am 5. Oktober 1998 zur Post gegebene Berufung. Die Berufung hatte folgenden Wortlaut:

"Betrifft: Berufung gegen den Bescheid über die Abweisung des Asylantrages.

Antrag auf Abschiebungsaufschub gemäß § Abs. 2 FrG.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes über die Abweisung des Asylantrages erhebe ich innerhalb der offenen Frist das Rechtsmittel der Berufung

Ich bin gegen den Bescheid und werde Ergänzungen dazu

einbringen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß § 63 Abs. 3 in Verbindung mit § 61 Abs. 5 AVG als unzulässig zurück. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass der vorliegenden Berufung eine erkennbare Begründung gefehlt habe und eine solche auch innerhalb der Berufungsfrist nicht nachgereicht worden sei. Dies stelle einen inhaltlich nicht behebbaren Mangel der Berufung dar, sofern eine dem § 61 Abs. 5 AVG entsprechende Rechtsmittelbelehrung dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen gewesen sei. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 21. Februar 1995, Zl. 95/05/0010, festgestellt, mit dem Hinweis des Beschwerdeführers in der Berufung, mit einem weiteren Schriftsatz die Begründung derselben vorzunehmen, werde dem Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages nicht entsprochen. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung (die dem Beschwerdeführer auch in englischer Sprache ausgehändigt worden sei) liege im gegenständlichen Fall vor. Das vorliegende Schreiben des Beschwerdeführers vom 30. September 1998 mit dem Wortlaut "Ich bin gegen den Bescheid und werde Ergänzungen dazu einbringen" erfülle die Mindestvoraussetzungen einer Berufung nicht. Das als Berufung qualifizierte Schreiben sei daher mangels begründeten Berufungsantrages als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. September 1998 wurde dem Beschwerdeführer nach Ausweis der vorliegenden Aktenunterlagen am 15. September 1998 zugestellt. Nach § 32 Abs. 1 AsylG 1997 in der hier maßgebenden Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998, konnte gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurden, nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Darauf wurde auch in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides erster Instanz hingewiesen. Am 6. Oktober 1998 langte die mit 30. September 1998 (und nicht - wie die belangte Behörde auf Seite 2 ihres Bescheides feststellte - mit 3. September 1998) datierte und am 5. Oktober 1998 zur Post gegebene Berufung des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt ein.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., die Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" in § 32 Abs. 1 erster Satz des AsylG 1997 in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998 als verfassungswidrig aufgehoben (siehe die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 4. Februar 1999, BGBl. I Nr. 41) und ausgesprochen, dass die bezeichnete Gesetzesstelle nicht weiter anzuwenden ist. Zu diesem Ausspruch wird in dem genannten Erkenntnis begründend ausgeführt, dass er die in Betracht kommenden anhängigen Verfahren vor dem Bundesasylsenat und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts berücksichtige.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar grundsätzlich einen angefochtenen Bescheid auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen, sodass nachträgliche Rechtsänderungen oder nachträgliche Sachverhaltsänderungen nicht zu berücksichtigen sind (Ringhofer,

Der Verwaltungsgerichtshof (1955) 216 ff). Hat der Verfassungsgerichtshof aber das vom Verwaltungsgerichtshof seiner Kontrolle der behördlichen Tätigkeit zugrunde zu legende Gesetz aufgehoben und - wie hier - die Wirkung seines aufhebenden Erkenntnisses ausdrücklich auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände erstreckt, so ist das aufgehobene Gesetz vom Verwaltungsgerichtshof auch dann nicht zu beachten, wenn es sich nicht um einen Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelt (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 142 f; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1999, Zl. 98/01/0258, m.w.N.).

Für die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. September 1998, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Asylgesetz 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, gilt daher gemäß § 23 Asylgesetz 1997 in Verbindung mit § 61 Abs. 2 und § 63 Abs. 5 AVG eine Berufungsfrist von zwei Wochen. Angesichts dessen, dass die Berufungsfrist somit am 29. September 1998 geendet hatte, wäre die erst am 5. Oktober 1998 zur Post gegebene Berufung auch unter Zugrundelegung der solcherart bereinigten Rechtslage nicht als rechtzeitig eingebracht zu betrachten.

Die Zurückweisung der vorliegenden Berufung, der - wie die belangte Behörde richtig erkannte - kein ausreichend begründeter Berufungsantrag zu entnehmen ist (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1993, Zl. 93/03/0060, sowie vom 10. November 1995, Zl. 95/17/0048), und die sich zudem selbst unter Berücksichtigung der Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG als verspätet erweist, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden. Ergänzend ist zu bemerken, dass § 13 Abs. 3 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden war.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200119.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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