TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/21 W176 2164268-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2018
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Entscheidungsdatum

21.12.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2164260-1/19E

W176 2164256-1/8E

W176 2164272-1/8E

W176 2164268-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerden von (1.) XXXX , geboren am XXXX 1964, (2.) XXXX , geboren am XXXX 2010, (3.) XXXX , geboren am XXXX 2011, sowie (4.) XXXX , geboren am XXXX 2012, alle syrische Staatsangehörige, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, jeweils gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017, Zlen. (1.) 1091961108 - 151563175, (2.) 1091961609 - 151563189, (3.) 1097552801 - 151910975, bzw. (4.) 1097552910 - 151910997 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) brachte am XXXX 2015 für sich sowie die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin (BF2) Anträge auf internationalen Schutz ein.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte der BF1 im Wesentlichen Folgendes vor: Er stamme aus XXXX , bekenne sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung und sei illegal aus Syrien ausgereist. Als Fluchtgrund gab er an, er habe auf Grund des Krieges in Syrien seine Familie nicht mehr ernähren können. Er habe keine Arbeit und keine Zukunft mehr gehabt. In XXXX sei es durch den Krieg sehr unruhig gewesen. Zwei seiner Neffen seien auf offener Straße getötet worden. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit seiner Familie befürchte auch er den Tod. Als letzten ausgeübten Beruf gab der BF1 "Mechaniker" an. Weiters legte er seinen syrischen Personalausweis vor, der vom Landeskriminalamt untersucht und als Originaldokument deklariert wurde.

XXXX , mit der der BF1 nunmehr (bloß) traditionell verheiratet ist, die aber nicht die Mutter der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer ist, reiste in der Folge mit der Drittbeschwerdeführein (BF3) und dem Viertbeschwerdeführer (BF4) sowie XXXX und XXXX ebenfalls nach Österreich ein und brachte am XXXX 2015 für diese und sich selbst Anträge auf internationalen Schutz ein.

Bei der Erstbefragung zu ihrem durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte XXXX im Wesentlichen Folgendes vor: Sie stamme aus XXXX und bekenne sich zum Islam. Als Fluchtgrund gab sie an, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben, da sie ihre Familie habe schützen wollen. Die Kinder des BF1 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

2. Am 21.03.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) erstmalig niederschriftlich einvernommen, führte der BF1 - zusammengefasst - Folgendes an: Er sei traditionell mit XXXX verheiratet, die er nach seiner Ausreise aus Syrien in der Türkei kennengelernt habe; sie sei die Mutter von

XXXX und XXXX . Seine Kinder BF2, BF3 und BF4 hätten eine andere Mutter, von der er sich in der Türkei habe scheiden lassen, dies jedoch nicht offiziell. In das Familienbuch sei jedoch XXXX als Mutter aller Kinder eingetragen. Ein Freund von ihm habe es in Azaz, Provinz Aleppo, besorgt und ihm in die Türkei gebracht. Der BF1 habe bis zur Ausreise aus Syrien einen Telefonshop betrieben. In der Türkei habe er als Automechaniker gearbeitet; nebenberuflich sei er als XXXX tätig gewesen. Er werde in Syrien nicht offiziell verfolgt, weder er noch Familienangehörige hätten sich in Syrien politisch betätigt, er habe auch keine Probleme mit den syrischen Behörden gehabt. Nach seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 an, in XXXX seien Sunniten festgenommen worden, weil sie in einer alawitischen Provinz gelebt hätten. Leute von der Regierung hätten Leute von zu Hause mitgenommen. Demonstranten seien von der Regierung beschossen worden. Aufgrund des Wohnortes habe die Regierung gewusst, welche Glaubensrichtung man habe. Er habe auch Angst gehabt, irgendwann auf der Liste für den Reservemilitärdienst zu stehen. Er habe nicht am Krieg teilnehmen wollen, weder für noch gegen die Regierung. Seinen Wehrdienst habe er von 198 XXXX bis Anfang 198 XXXX abgeleistet. Er habe als einfacher Soldat und als Mechaniker gedient. Er habe vor seiner Ausreise keinen Einberufungsbefehl zum Reservemilitärdienst erhalten. Sein Militärbuch habe er im Mittelmeer verloren. Einmal sei er an einem Checkpoint festgehalten worden, man habe ihn beschimpft und ihm Geld abgenommen. Am selben Tag sei von ihm auch verlangt worden, eine Liste der Demonstrierenden zu erstellen. Auch deshalb habe er Syrien verlassen. Selbst habe er nicht an den Demonstrationen teilgenommen.

Der BF1 sei nur mit der BF2 aus der Türkei nach Österreich gereist, da er sie nicht tragen musste. Er habe sich vor Jahren einer Herzoperation unterzogen. In dieser Hinsicht gab der BF1 bei der Einvernahme weiters an - auf die Frage, ob er noch immer XXXX mache - dass er das nicht mehr könne, da sein Körper "kaputt" sei.

Der BF1 legte zusätzlich zum bereits in der Erstbefragung vorgelegten syrischen Personalausweis das genannte Familienbuch und einen syrischen Führerschein vor. Eine Dokumentenuntersuchung des Landeskriminalamts kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Familienbuch um ein Originaldokument handelt, jedoch an mehreren Stellen Eintragungen mit Korrekturlack überpinselt oder überschrieben wurden.

3. Mit Bescheiden vom 09.06.2017 wies die belangte Behörde die Anträge der BF1 bis BF4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (jeweils Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (jeweils Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (jeweils Spruchpunkt III.).

Zur Abweisung der Anträge im Asylpunkt wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass den BF1 bis BF4 in Syrien eine Verfolgung drohe. Das Fluchtvorbringen des BF1 habe sich als nicht asylrelevant erwiesen. Die BF2 bis BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Die Beschwerdeführer hätten Syrien aufgrund der allgemein schlechten Lage verlassen.

4. Jeweils gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die BF1 bis BF4 fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, der BF1 müsse trotz seines fortgeschrittenen Alters als Mechaniker damit rechnen, noch zum Militärdienst herangezogen zu werden. Die syrische Armee habe stets einen Bedarf an Fachkräften für diesen Bereich. Weiters sei nicht darauf eingegangen worden, dass er als Sunnit Verfolgung fürchte.

5. Mit Schreiben vom 12.07.2017, eingelangt am 13.07.2017, legte die belangte Behörde die Beschwerden samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Am 10.01.2018 wurde der BF1, der am 14.07.2017 beim Verkehrsamt in Linz einen verfälschten syrischen Führerschein vorgelegt hatte, vom Bezirksgericht Linz gemäß § 223 Abs. 2 StGB sowie §§ 15 Abs. 1, 228 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

7. Am 29.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.

Bei seiner Vernehmung gab der BF1 im Wesentlichen Folgendes an: Er sei traditionell mit XXXX verheiratet. Offiziell sei er jedoch noch mit seiner vorherigen Ehefrau verheiratet, denn aufgrund der Unruhen habe er sich nicht scheiden lassen können. Er sei bisher mit drei

Frauen verheiratet gewesen: Eine Frau habe er in Syrien verlassen und sei von ihr geschieden, mit ihr habe er sechs Kinder und habe diese bislang nicht erwähnt. Dann habe er zum zweiten Mal geheiratet und sich von dieser Frau nicht scheiden lassen können, da er bereits in der Türkei gewesen sei. Dort habe er seine dritte Frau kennengelernt und geheiratet. Das vorgelegte Familienbuch habe er von der syrischen Opposition in der Türkei bekommen. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, dass es in Azaz in Syrien ausgestellt worden sei gab BF1 an, er habe an der Grenze als Gepäckträger gearbeitet und sei deshalb zwischen Syrien und der Türkei hin und her gefahren. Er habe das Familienbuch von der gleichen Stelle bekommen wie den Führerschein, den er in Österreich habe umschreiben lassen wollen. Er habe es im Lager von einem Nachbarn eines Freundes bekommen, der das organisiert habe.

XXXX sei die Mutter von XXXX und XXXX . Die BF2, BF3 und BF4 würden von seiner zweiten Frau stammen, die mittlerweile verstorben sei.

Sein Sohn (aus erster Ehe) werde in Syrien als Reservist gesucht und er wisse nicht, wo er sei.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der BF1 an, in Syrien als Mechaniker gearbeitet zu haben und am Nachhauseweg an einem Checkpoint des Regimes angehalten worden zu sein. Sein Ausweis sei kontrolliert worden, er habe den gleichen Namen wie ein Cousin väterlicherseits, der im Gefängnis gewesen sei. Er sei gefragt worden, ob er an Demonstrationen teilnehme und habe das verneint, obwohl er tatsächlich an Demonstrationen teilgenommen habe. Es sei von ihm verlangt worden, Namen von Demonstranten zu liefern. Dann habe er Geld bezahlt und zugesagt, in den nächsten zwei Tagen die Namen bekanntzugeben. Er habe nur weggewollt und Angst bekommen. Sie hätten gesagt, er könne gehen, sie wüssten jedoch, wo er sei und was er mache und er stünde immer unter Beobachtung. Der BF1 gab an, er habe selbst an Demonstrationen teilgenommen, helfe jedoch auch anderen Demonstranten, er bleibe jedoch unsichtbar für das Regime und deren Ordnungshüter. Nach diesem Vorfall sei er am 20.04.2012 in die Türkei geflohen.

Nachgefragt, ob dies der unmittelbare Anlass für ihn gewesen sei, Syrien zu verlassen, gab BF1 an, ein anderer Sohn aus erster Ehe sei als Reservist einberufen worden und habe auch demonstriert. Er sei in die Türkei gefahren, später jedoch nach Syrien zurückgekehrt. 2015 sei er bei einem Bombenangriff der russischen Einheiten getötet worden.

Der BF1 habe in Syrien als Automechaniker gearbeitet. Auf Vorhalt, dass er vor der belangten Behörde angegeben habe, selbständig einen Telefonshop betrieben zu haben, gab BF1 an, er habe nach der Arbeit als Mechaniker und in der Nacht einen Telefonshop betrieben.

Auf Vorhalt, der habe vor der belangten Behörde angegeben selbst nicht demonstriert zu haben, brachte der BF1 vor, Angst und eine lange Fahrt gehabt zu haben. Er sei von der Türkei mit dem Schlauchboot nach Griechenland gefahren, sei müde gewesen und habe nicht gewusst, was er sage.

Auf Vorhalt, dass er im Oktober 2015 in Österreich angekommen sei und in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.03.2017 davon gesprochen habe, dass er nicht demonstriert habe, sagte der BF1, er habe "von den Leuten" gehört, dass er nicht sagen solle, dass er demonstriert habe. Sie hätten gesagt, wenn er das angebe, würde er nach Syrien zurückgeschickt.

Auf Vorhalt, dass er bei seiner Erstbefragung angegeben habe, im September 2012 über die syrisch-türkische Grenze gegangen zu sein, brachte der BF1 vor, er habe das nicht gesagt, das sei sicher ein Irrtum des Dolmetschers gewesen. Die Unterschrift auf dem Protokoll stamme nicht von ihm bzw. könne er nicht sagen, ob die Unterschrift von ihm stamme.

Auf Vorhalt, dass der BF1 bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.03.2017 die Frage nach Problemen mit Behörden in der Heimat verneint habe und dies in Widerspruch zu seiner Aussage stehe, er habe das Land verlassen, weil er bei einem Checkpoint angehalten worden sei, brachte der BF1 vor, er habe Angst gehabt, denn "die Leute" hätten immer gesagt, er solle nicht sagen, dass er Probleme mit den Behörden hätte.

Nachgefragt, inwieweit er der Opposition angehört habe, da er dies vorgebracht habe, antwortete der BF1, dass er in der Türkei in einem Lager gelebt habe, wo die Oppositionellen gelebt hätten. Er habe sich als Oppositioneller betätigt, indem er in Syrien gegen das Regime demonstriert habe, aber das Regime habe nicht gewusst, dass er das getan habe. Er habe im Geheimen an Demonstrationen teilgenommen. Wenn sie gewusst hätten, dass der BF1 das getan hätte, hätten sie ihn sofort festgenommen.

Nachgefragt, welcher der unterschiedlichen ideologischen Strömungen oder Fraktionen der syrischen Opposition er sich zugehörig fühle, brachte der BF1 vor, ein Oppositioneller zu sein und keiner bestimmten Gruppierung anzugehören. Er sei gegen das syrische Regime, weil seine Söhne zum Militär einberufen worden seien.

Nachgefragt, ob der BF1 befürchte, im Falle einer Rückkehr nach Syrien selbst zum Militär eingezogen zu werden, antwortete der BF1, er habe Angst im Falle einer Rückkehr zu verschwinden oder getötet zu werden. Viele seiner Verwandten seien in Gefängnissen und er befürchte das gleiche Schicksal.

Von seinem Rechtsvertreter befragt, ob es, als er in der Türkei gewesen sei, ein Ereignis gegeben habe, das er dem Gericht mitteilen wolle, brachte der BF1 vor, dass sein älterer Sohn zum Militär einberufen worden sei und er selbst Angst habe, zur nationalen Milizeinheit einberufen zu werden.

Von seinem Rechtsvertreter befragt, ob er wisse, ob er nun zu dieser Miliz einrücken müsse oder nicht, brachte der BF1 vor, er sei, als er bereits in der Türkei gewesen sei, gesucht worden, da er Mechaniker sei.

Von seinem Rechtsberater befragt, wie er davon erfahren habe, erwiderte der BF1 vor, er habe mit seiner Mutter telefoniert und sie habe ihm erzählt, dass die nationale Milizeinheit bei ihm gewesen sei und sie ihn hätten haben wollen, da er Mechaniker sei. Seine verstorbene Ehefrau habe dies seiner Mutter erzählt.

Auf Nachfrage des Richters, wann dieses Gespräch mit seiner Mutter ungefähr stattgefunden habe, gab der BF1 an, dies sei im Juni oder Juli 2012 gewesen. Eine Militärstreife habe nach seinen zwei Brüdern gefragt. Einer seiner Brüder sei in der Türkei und einer in Jordanien.

Auf Nachfrage des Richters, ob die Militärstreife nach ihm oder nach seinen Brüdern gesucht habe, entgegnete der BF1, sie habe nach ihm und nach seinen Brüdern gesucht, dies seien zwei getrennte Vorfälle gewesen. Sie hätten zuerst nach ihm gefragt und ein paar Tage später nach seinen Brüdern.

Auf Vorhalt, dass er bei seiner Einvernahme bei der belangten Behörde am 21.03.2017 auf Nachfrage verneint habe, dass staatliche Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestünden, brachte der BF1 vor, "die Leute" hätten ihm gesagt, dass er nichts davon sagen solle. Sie hätten gesagt, Österreich und Syrien seien gleich, er solle nichts erzählen, da man ihn sonst nach Syrien zurückschicken werde.

Bezüglich der BF2 bis BF4 gab der BF1 an, diese hätten in Syrien keine Probleme, die über seine Fluchtgründe hinausgingen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

Aktuelle Lage

Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen.

Aus https://syria.liveuamap.com/ (Stand 07.12.2018) ergibt sich, dass in Latakia aktuell die syrische Regierung die Macht inne hat.

Sicherheitskräfte

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe an Techniken, um Syrer einzuschüchtern oder sie dazu zu bringen den Vorstellungen der Sicherheitskräfte entsprechend zu handeln. Diese Techniken beinhalten einerseits Angebote von lukrativen und prestigeträchtigen Positionen oder andere Belohnungen, andererseits jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikane von Individuen und/oder deren Familienmitgliedern, die Androhung von Inhaftierung (ohne Anklage), Verhör und Haftstrafen nach langen Gerichtsverhandlungen. Die bürgerliche Gesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit von den Sicherheitskräften aber auch andere Gruppen und Individuen müssen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen.

Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken. Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt. Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter. Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen.

Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden.

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt. Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst.

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden. Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert.

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird.

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt.

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist.

Religionsfreiheit

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizierten und eine Unterstützerbasis haben, die fast ausschließlich aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt existierten. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei.

Bewegungsfreiheit

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der sogenannte Islamische Staat (IS) wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an. In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung. Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern.

1.2. Zur Person der Beschwerdeführer und den Fluchtgründen des BF1:

Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige arabischer Abstammung und sunnitisch-muslimischen Glaubens. Sie stammen ursprünglich aus XXXX . Der BF1 wurde 1964 geboren.

Die BF2, die BF3 und der BF4 sind die minderjährigen, ledigen Kinder des BF1.

Der BF1 und XXXX sind zwar traditionell, jedoch nicht standesamtlich verheiratet. XXXX nicht die Mutter der BF2, der BF3 oder des BF4.

Der BF1 und die BF2 stellten am XXXX 2015, die BF3 und der BF4 am XXXX 2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es wird festgestellt, dass dem BF1 nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, im Falle seiner Rückkehr nach Syrien als Reservist zum Militär eingezogen zu werden.

Es wird festgestellt, dass dem BF1 nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, im Falle seiner Rückkehr nach Syrien aufgrund (unterstellter) oppositioneller Gesinnung Repressalien ausgesetzt zu sein.

Es wird festgestellt, dass der BF1, die BF2, die BF3 und der BF4 im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Syrien stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 25.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 24.08.2018). Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte wurden den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht, welche die Richtigkeit der Berichte nicht in Abrede stellten.

2.2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer basieren auf den vom BF1 vorgelegten Unterlagen und seinen diesbezüglichen Angaben hinsichtlich seiner eigenen Person sowie seiner Kinder. Der BF1 hat selbst im Verfahren angegeben, mit Amal SITAYF nicht standesamtlich verheiratet zu sein, sowie dass die BF2, die BF3 und der BF4 eine andere Mutter hätten.

2.2.2. Die (negative) Feststellung zur Gefahr einer Einziehung des BF1 zum syrischen Militär basiert sich auf folgenden Erwägungen:

Wie oben festgestellt ist die obere Altersgrenze für die Einberufung als Reservist zum syrischen Militär mit 42 Jahren fixiert. Der BF1 wurde 1964 geboren und ist derzeit 54 Jahre alt. Es liegen aber auch einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für Reservisten erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt. Z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Der BF1 brachte in der Beschwerdeverhandlung vor, er sei während seines Militärdienstes Mechaniker gewesen, im erstinstanzlichen Verfahren hatte er zusätzlich noch angegeben, während seines Wehrdienstes von 198 XXXX bis 198 XXXX als einfacher Soldat gedient zu haben. Darin kann jedoch keine Qualifikation erkannt werden, die den BF1 in vergleichbarer Weise für eine Einziehung attraktiv machen würde, wie es für die oben explizit angeführten Personengruppen der Fall ist. Zudem liegt die Zeit, in der der BF1 seine militärische Ausbildung erhalten hat, schon sehr lange zurück, ohne dass er seither je zu Waffenübungen oder Ähnlichem einberufen worden wäre. Überdies ist das fortgeschrittene Alter des BF1 zu beachten. Der BF1 hat auch selbst angegeben, dass sein Körper "kaputt" sei und er sich bereits einer Herzoperation unterzogen habe. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das syrische Militär ausgerechnet den BF1 einziehen sollte. Aus seinem eigenen Vorbringen ergibt sich auch, dass er zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht von den syrischen Militärbehörden gesucht wurde. Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers angeht, seine Mutter habe ihm 2012 erzählt, dass seine mittlerweile verstorbene (vorige) Ehefrau ihr erzählt habe, dass die nationale Milizeinheit bzw. eine Militärstreife ihn zu Rekrutierungszwecken gesucht habe, als er sich schon in der Türkei aufgehalten habe, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass dieses Vorbringen tatsachenwidrig ist. Der BF1 hat diesen Sachverhalt, der sich angeblich schon 2012 zugetragen hat, erstmals in der Beschwerdeverhandlung und auf wiederholte Nachfrage seines Rechtsberaters vorgebracht. Bei seiner Erstbefragung 2015 hatte der BF1 nichts bezüglich Reservedienst vorgebracht (sondern nur, dass zwei seiner Neffen getötet worden seien), bei seiner Einvernahme 2017, dass er Angst habe, irgendwann auf der Liste für den Reservemilitärdienst zu stehen, vor der Ausreise keinen Einberufungsbefehl erhalten zu haben und sein Militärbuch verloren zu haben. Selbst in der Beschwerdeverhandlung brachte es der BF1 - vom Bundesverwaltungsgericht zu seinen Fluchtgründen befragt - nicht initiativ vor.

2.2.3. Die (negative) Feststellung zur Gefährdung des BF1 aufgrund (unterstellter) oppositioneller Gesinnung basiert auf folgenden Erwägungen:

Im Laufe des erstinstanzlichen und auch des Beschwerdeverfahrens brachte der BF1 mehrere, unterschiedliche Sachverhalte vor, aufgrund derer ihm vom syrischen Regime eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt werden könnte, welche Anlass für Verfolgung bieten könnte. Dabei verwickelte er sich jedoch in erhebliche Widersprüche, da er teilweise diametral entgegen gesetzte Aussagen traf und auf Nachfrage diese Widersprüche auch nicht aufklären konnte. Auf mehrmaligen Vorhalt von Widersprüchen in der Beschwerdeverhandlung brachte der BF1 als Erklärung lediglich mehrmals vor, "die Leute" hätten ihm gesagt, er habe nicht sagen sollen, dass er demonstriert habe, dass er Probleme mit den Behörden gehabt habe oder dass staatliche Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestünden. Während der BF1 am 21.03.2017 am Beginn seiner Einvernahme zu seinen Fluchtgründen - wo er auch angab, sich nicht politisch betätigt zu haben - verneinte, Probleme mit den syrischen Behörden gehabt zu haben, brachte er im weiteren Verlauf dieser Befragung vor, dass er die anlässlich einer Kontrolle an einem Checkpoint an ihn gerichtete Aufforderung, eine Liste von Demonstranten zu erstellen, abgelehnt und Syrien deshalb auch verlassen habe. Weiters gab er auf Nachfrage explizit an, selbst nicht an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Demgegenüber brachte der BF1 in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, auch selbst an Demonstrationen teilgenommen zu haben, wobei er aber für das Regime unsichtbar geblieben sei. Auch bezeichnete er sich in der Beschwerdeverhandlung als Oppositioneller, konnte jedoch nicht darlegen, worin sich diese oppositionelle Gesinnung äußere bzw. welcher ideologischen Strömung er angehöre.

Aufgrund der zahlreichen Widersprüche kann dieses Vorbringen ebenso wenig der Entscheidung zugrundgelegt werden (wobei zur Teilnahmen an Demonstrationen überdies festzuhalten ist, dass diese nach den Angaben des BF1 den Behörden nicht bekannt worden sei) wie seine erst in Beschwerdeverhandlung gemachte Behauptung, einen Sohn mit einer weiteren Frau zu haben, der als Reservist gesucht werde.

Weiters ist festzuhalten, dass der BF 1 aus XXXX und somit - anders als XXXX - nicht aus einer Region stammt, deren Bewohnern von einer syrischen Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird. Außerdem kann aufgrund der Aussagen des BF1 zur unterbliebenen Registrierung seiner Ehe mit der Genannten nicht angenommen werden, dass die syrischen Behörden davon ausgehen, dass er mit XXXX verheiratet ist. Dieser Annahme steht das vorgelegte Familienbuch schon deshalb nicht entgegen, da es in der unter der Kontrolle der Opposition stehenden Stadt Azaz ausgestellt wurde.

Des Weiteren kann aus dem Umstand, dass der BF1 ohne kontrolliert zu werden, verlassen hat, nicht abgeleitet werden, dass er deshalb hier maßgebliche Verfolgung zu befürchten hätte:

Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, S. 3). Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte (iSv Angestellten des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren (UNHCR, ebendort, S. 3 f). All das trifft auf den BF1 nicht zu.

Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können (UNHCR, ebendort, S. 3). Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, ebendort, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischer Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, ebendort, S. 4 f) überprüft. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der BF1 zu mehr als Geldstrafe verurteilt werden sollte.

2.2.4. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten haben, ergibt sich aus obigen Erwägungen sowie daraus, dass für die BF2, die BF3 und den BF4 keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden und im gesamten Verfahren auch keine solchen hervorgekommen sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d.F. BGBl. I Nr. 70/2015, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf inter-nationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zu-rückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Im Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine Furcht kann vielmehr nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in derselben Situation auch fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132).

3.2.2. Es ist dem BF1 nicht gelungen, eine drohende Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen:

Denn wie oben festgestellt kann nicht angenommen werden, dass der BF1 im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Verfolgungshandlungen von hinreichender Intensität ausgesetzt wäre.

Gemäß § 22 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die BF2 bis BF4 sind die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen ledigen Kinder von BF1. Mangels Zuerkennung des Status des Asylberechtigten können sie diesen nicht von ihrem Vater im Familienverfahren ableiten, sie haben weder im erstinstanzlichen, noch im Beschwerdeverfahren eigene Verfolgungsgründe dargelegt.

Schließlich ist festzuhalten, dass weder der BF 1 noch die BF2 bis BF4 Familienangehörige (iSv § 22 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) von Amal SITAYF sind.

3.2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung (vgl. die oben unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

3.3.2. Das Bundesverwaltun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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