TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/21 W217 2210488-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2019
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Entscheidungsdatum

21.01.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2210488-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 12.11.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) verfügte über einen Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50%. Am 14.02.2017 begehrte sie die Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Mit Bescheid vom 30.10.2017 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 % nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

2. Am 12.09.2018 begehrte die Beschwerdeführerin erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses. Hierzu wurde ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln beigelegt.

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, FÄ für Neurologie, vom 15.10.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, lautet wie folgt:

"Anamnese:

Letztbegutachtung (Aktengutachten) 10/2017 mit Zuerkennung Gesamt-GdB 30 v.H., Bipolare Störung mit Panik und Schlafstörungen 30%, Deg. WS-Veränderungen 20%, Chronisch spontane Urticaria 10%

Alkohol: einige Drinks zB Ouso/Tag

Nikotinabusus: 40 Zig./Tag

Derzeitige Beschwerden:

Die Antragstellerin gibt an, dass sie einige Jahre auf 50% Behinderung eingestuft war und ihr dies vor 2 Jahren aberkannt wurde. Frau XXXX möchte nun ihren Behinderungsstatus wieder zurück haben.

Die Antragstellerin würde seit Jahren an akuter Urticaria leiden, welche sich aber in letzter Zeit verschlechtert hätte. Seit einer ‚Spitze, welche eigentlich für Asthmatiker ist', würden derzeit keine Urticaria bestehen.

Seit einem kürzlich zurückliegenden Urlaub würde Frau XXXX wieder mehr Alkohol trinken - es würde jedoch auch Phasen geben, in denen sie monatelang keinen Alkohol trinken würde.

Die letzte Panikattacke wäre am Wochenende in der Straßenbahn aufgetreten.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Cipralex, Ziprasidon, Quetiapin, Dependex, Alprazolam b. Bed., Mogadon b. Bed., Temesta expedit b. Bed., CetirHexal b. Bed.

seit 2008 in fachärztlicher Behandlung bei Dr. XXXX

Sozialanamnese:

verwitwet, 1 Tochter, in Pension

Beschäftigungstherapie beim Verein Reintegra, dzt. pausiert

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Dr. XXXX/FA für Neurologie und Psychiatrie 10/2018: Diagnosen: Verd.

a. Meralgia paraesthetica, Nikotinabusus, Hypophysenadenom, Panikattacken, Symptomatischer Alkoholabusus, endogene bipolare Depression

Medikation: Cipralex 10mg 1-0-0, Ziprasidon 40mg 0-0-1, Quetiapin 25mg 1-0-0, Quetiapin ret. 50mg 0-0-1, Dependex 50mg 1x1, Alprazolam 0,5mg b.Bed.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

57-jährige Antragstellerin in gutem AZ, kommt alleine ohne Hilfsmittel zur Untersuchung.

Ernährungszustand:

unauffällig

Größe: 171,00 cm Gewicht: 76,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS frei beweglich, Sprache unauffällig

Hirnnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN V und VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

OE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR mittellebhaft bds. auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

UE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, PSR und ASR mittellebhaft bds. auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. zielsicher, Laseque bds. neg., keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilität: Hypästhesie lat. OSCH re, Lumbalgie

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild unauffällig

Status Psychicus:

wach, ausreichend orientiert, anamn. Konzentrationsprobleme, Aufmerksamkeit im Gespräch unauffällig, Antrieb gut, Stimmung schwankend, in Untersuchungssituation weinerlich, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik, keine suizidale Einengung, Durchschlafstörung

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Bipolare Störung mit Panik- und Schlafstörung 2 Stufen über Rahmensatz, da unter Dauermedikation affektive Schwankungen erhebbar.

03.06.01

30

2

Schädlicher Konsum von Alkohol 1 Stufe über Rahmensatz, da episodenhaft schädlicher Substanzgebrauch vorliegt mit Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie.

03.08.01

20

3

Deg. WS-Veränderungen Oberer Rahmensatz, da radiologisch nachgewiesene Abnützungen, jedoch ohne relevantes neurologisches Defizit.

02.01.01

20

4

Chronisch spontane Urticaria

01.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht den GdB um 1 Stufe, da eine ungünstige, wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Leiden 3 und 4 erhöhen nicht weiter, da ohne maßgebliche Zusatzrelevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hypophysenadenom, Vd.a. Meralgia paraesthetica, da ohne funktionelles Defizit.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Hinzukommen von Leiden 2, Gleichbleiben von Leiden 1, 3 und 4.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Der Gesamt GdB erhöht sich um 1 Stufe im Vergleich zum VGA."

Die medizinische Sachverständige diagnostizierte "Dauerzustand".

3. Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs unterblieb eine Stellungnahme durch die Beschwerdeführerin.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.11.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 15.10.2018 und führte dazu aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der Beschwerdeführerin aufgrund des sachverständig festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 40 v. H. nicht vorliegen würden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, sie sei an zwei Tagen (29. 10. und 30.10.) wegen Herzproblemen im Krankenhaus ambulant versorgt worden. Sie sei mit Punkt 2 der Einschätzung:

"Schädlicher Konsum von Alkohol - 1 Stufe über Rahmensatz" nicht einverstanden. Mit 10 % Behinderungsgrad bei diesem Leiden (Suchterkrankungen) werde sie auf die niedrigste Stufe eingestuft und das finde sie ungerecht.

6. Am 30.11.2018 langte die Beschwerde samt Fremdakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1 Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren, österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland inne.

1.2 Sie begehrte am 12.09.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses unter Vorlage eines Konvolutes an medizinischen Beweismitteln".

Aufgrund des sachverständig festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 40 v.H. wurde mit Bescheid vom 12.11.2018 festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen.

1.3 Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

GdB %

1

Bipolare Störung mit Panik- und Schlafstörung

03.06.01

30

2

Schädlicher Konsum von Alkohol

03.08.01

20

3

Deg. WS-Veränderungen

02.01.01

20

4

Chronisch spontane Urticaria

01.01.01

10

1.4 Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

1.5 Bei der Beschwerdeführerin liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu 1.1 bis 1.2) Die Feststellungen gründen sich auf den diesbezüglich widerspruchsfreien Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.

2.2 Zu 1.3 bis 1.5) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkung gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 15.10.2018.

In diesem Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX basiert auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde mit 40 v. H. festgestellt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft in ihrer Beschwerde ausschließlich Leiden 2, "Schädlicher Konsum von Alkohol". Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Schädlicher Konsum von Alkohol" (Leiden2), fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idgF unter die Positionsnummer 03.08.01 (Suchterkrankung mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen), für welche die Einschätzungsverordnung folgende Rahmensätze vorsieht: 10-20%:

Abhängigkeit liegt vor, 1 bis 2 klinische Suchtkriterien, Therapie und Medikation fallweise, sozial integriert. 30 %: Abhängigkeit liegt vor, 3 bis 4 klinische Suchtkriterien, Therapie und Medikation, sozial integriert, Arbeitsleistung erhalten. 40 %: Wie bei 30 % aber ein stationärer Entzug innerhalb der letzten zwei Jahre Probleme im sozialen Umfeld, mäßige soziale Beeinträchtigung.

Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 03.08.01 mit 20 % aus und begründete die Wahl eine Stufe über dem Rahmensatz, dass episodenhaft schädlicher Sustanzgebrauch vorliegt mit der Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie.

So führte die Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung selbst an, seit einem kürzlich zurückliegenden Urlaub wieder mehr Alkohol zu trinken, es gebe aber auch Phasen, in denen sie monatelang keinen Alkohol trinken würde (siehe unter "Derzeitige Beschwerden")

Diese getroffene Einstufung wird auch durch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte fachärztliche Bestätigung vom 24.10.2018 belegt, wonach bei ihr aufgrund der langjährigen Anamnese und der zusätzlichen Begutachtung während des stationären Aufenthaltes im XXXX ein Alkoholabhängigkeitssyndrom diagnostiziert habe werden müssen. Dies deckt sich auch mit der Anmerkung im Ambulanzblatt vom 30.10.2018 des KH der XXXX unter VE:

"Alkoholkrankheit".

Weiters erscheint das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei mit einem Grad der Behinderung von 10% bei Leiden 2 auf die niedrigste Stufe eingestuft, tatsachenwidrig, da sie mit 20% eine Stufe über dem (unteren) Rahmensatz eingestuft wurde.

Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Zur Entscheidung in der Sache

Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs. 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger für Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40ff des BBG in negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 12 BBG sind die Gesetzesstellen § 1, §41 Abs.1 und 2, § 55 Abs 4 und 5 idF BGBl 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft getreten.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 leg.cit.) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung:

§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Abs. 2 Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Abs. 3 Der Grad der Behinderung ist nach durch den zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. XXXX zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Die Einwendungen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind nicht geeignet, das vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Eine Verhandlung ist demnach in jenen Fällen durchzuführen, wenn ‚civil rights' oder ‚strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte betroffen sind und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten.

Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkung im Hinblick auf deren Einschätzung des durch sie bedingten Grades der Behinderung.

Im gegenständlichen Fall bildet das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind. In diesem werden die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin, wie oben bereits ausgeführt, nachvollziehbar, vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei mit einem Grad der Behinderung 40 v.H. festgestellt.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen. Da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin durch ein medizinisches Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die dort nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen bedurfte es keiner weiteren Klärung der Rechtssache. Überdies wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die Beschwerdeführerin nicht beantragt.

Daher wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2210488.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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