TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/21 W217 2201109-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2019
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Entscheidungsdatum

21.01.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2201109-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den als Bescheid geltenden Behindertenpass des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 29.05.2018, OB:

XXXX , betreffend die Höhe des Grades der Behinderung, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt ab 12.12.2017 70 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: BF) ist seit 22.08.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgestellt.

Sie beantragte am 12.12.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) die Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Beigelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden.

2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 29.05.2018, berücksichtigend die Gutachten vom 12.01.2018 von Dr. XXXX , FA für HNO, sowie vom 19.05.2018 von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, wird von Dr. XXXX in seiner Gesamtbeurteilung vom 29.05.2018 ausgeführt, dass folgende Funktionseinschränkungen bei der BF bestehen würden:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Multiple Sklerose, Zustand nach Teilentfernung eines Meningeoms Unterer Rahmensatz, da Gehen ohne Hilfsmittel möglich. Inkludiert auch den Zustand nach Neuronitis vestibularis, Depression, Kopfschmerzen, Schwindel, Kontinenzbeschwerden

04.08.02

50

2

Hörstörung beidseits Tabelle Z3/K3 eine Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt die resultierende Diskriminationsschwäche

12.02.01

30

3

Abnützung der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Lumboischialgie und Cervikalsyndrom

02.01.01

20

4

Bluthochdruck

05.01.02

20

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 60 % festgehalten.

Weiters wurde ausgeführt, dass das Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe angehoben werde, da Leiden 2 Sinnesleiden. Leiden 3 und 4 würden nicht weiter erhöhen, da ein negatives wechselseitiges Zusammenwirken mit Leiden 1 fehle.

3. Mit Schreiben vom 29.05.2018 wurde der BF der Behindertenpass im Scheckkartenformat zugestellt. Ebenso wurden ihr die Sachverständigengutachten beigelegt.

4. Mit Schreiben vom 29.06.2018 erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.05.2018 und ersuchte unter Anschluss neuer Befunde um Überprüfung ihres Behindertengrades, speziell ihrer Krankheit der Multiple Sklerose, da sich seither ihr Leben sehr eingeschränkt habe.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2018 ein.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens wurde durch das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 02.10.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung 70 v.H. ab Antragstellung betragen würde.

Im Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 02.10.2018 wird festgehalten:

"Anamnese:

61 Jahre alte Frau, die mit 2 Stöcken zur Untersuchung in meine Praxis kommt. Sie sei seit 2 Jahren in Pension, sei in einem Weinbaubetrieb angestellt gewesen. Verheiratet, die Ehe sei aber nicht gut, daher getrennt. 2 erwachsene Kinder. Ein Freund habe sie mit dem Auto hergeführt. Sie lebe in XXXX in NÖ.

Frühere Erkrankungen:

• Seit 1990 Encephalomyelitis disseminata, anfangs schubhaft, zuletzt chronisch progredient. Mittlerweile ataktische Paraparese. Mischinkontinenz.

• Hypertonie

• Depressionen

• Discopathien und degenerative Neuroforamen-Stenosen, Cervicalsyndrom mit Discusprotrusionen, ohne radiculäre Symptomatik

• Hysterektomie 2002

• Innenohrschwerhörigkeit beidseits, Hörgeräteversorgung beidseits, Tinnitus beidseits, Neuronitis vestibularis 4/2016 links

• Steatosis hepatis, Lebercyste im Segment IV

• Strumektomnie 1 981

• Hirnbiospsie wegen gutartigen Tumors im Gehirn 1989

• Meniskus Operation rechts

• Zahlreiche Rehabilitationsaufenthalte (Bad Radkersburg, Bad Gastein, Bad Salzerbad, Bad Tatzmannsdorf, Michldorf, Bad Hall). Auch ambulante Therapien in neurologischen Ambulanzen.

Vegetativ: Größe: 162 cm Gewicht: 76 kg Nikotin: 0 Alkohol: 0

Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:

CBD 5% Tropfen 1-2-3-7 gtt/ Tag, Norgesic Tabletten 1, Trittico retard 150 mg 1, Telmisaåan 40 mg 1, Iterium 1 mg 1, Thrombo Ass 100 mg 1, Pantoloc 20 mg 1, Spasmolyt 1, Vesicare 5 mg 1, Neurobion forte 3x1, Gladem 50 mg 1, Halcion 0,25 mg 1 bei Bedarf, Passedan 20 gtt bei Bedarf. Amlodinova 5 mg bei Blutdruck über 160 mmHg, Nitrolingual 0,4 mg Pumpspray bei Atemnot und hohem Blutdruck über 200 mmHg, Magnonorm bei Krämpfen in der Nacht1, Antiflat bei Blähungen. Sultanol Spray bei Atem- und Luftproblemen.

Wegen MS bekommt sie jetzt seit 8.10.2018 Rituximab von Prof. XXXX .

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten bis auf Hypakusis beiseits. Im Bereich der oberen Extremitäten diskrete Schwäche rechts. Sensibilität rechte obere Extremität herabgesetzt. Links unauffällig. Leichte Dysmetrie rechts. Reflexe rechts vor links lebhaft. Halbseitenzeichen. An den unteren Extremitäten ebenfalls rechts Reflexakzentuierung und Schwäche rechts deutlicher als links. Taubheitsgefühl rechtes Bein. Dysmetrie rechts. Romberg ungerichtetes Schwanken. Unterberger nicht möglich wegen Schwindels und Unsicherheit. Zehen- und Fersenstand links möglich, aber rechts nicht. Gangbild breit, ataktisch und unsicher. Auch mit Verwendung von 2 Stöcken nicht sehr sicher. Versuch, mit den 2 Stöcken einen ca. 20 cm hohen Schemel zu besteigen, gelingt nicht ausreichend sicher. Braucht dazu Hilfe.

Nebenbefund: Braucht wegen Inkontinenz Windeln und Einlagen.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht.

Befindlichkeit herabgesetzt, subdepressiv bis depressiv, vermindert ins Positive zu affizieren.

Teilweise vermehrte fatigué, Instabil. Keine Suizidalität.

Das Beschwerdevorbringen Aktenblatt (AB) 61 und die bereits vorliegenden Sachverständigengutachten AB 39-46 sowie der im Beschwerdeverfahren vorgelegte Befund AB 60 sind zu berücksichtigen.

Zu folgenden Punkten wird um Stellungnahme ersucht:

1.1. Auf Grund der Beschwerde AB 61 sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen AB 9-38, 60 unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Sachverständigengutachten AB 39-46 kommt es zu einer Änderung des Gesamtgrades der Behinderung in Bezug auf das neurologische Leiden der Beschwerdeführerin (BF) betreffend nach der Einschätzungsverordnung (EVO).

1.2.1. Multiple Sklerose Position 04.08.02 50%

Unterer Rahmensatz, da halbseitige Beinschwäche und Ataxie, sowie Schwindel und ausgeprägte fatigué. Harninkontinenz. Includiert den Zustand nach Neuronitis vestibularis, Teilentfernung eines Meningeoms und Kopfschmerzen.

1.2.2. Hörstörung beidseits Position 12.02.01 30%

Tabelle Z3/K3

Eine Stufe über unterem Rahmensatz, berücksichtigt die resultierende Diskriminationsschwäche

1.2.3. Depression Position 03.06.01 30%

2 Stufen über unterem Rahmensatz, da unter Medikation einigermaßen stabil.

1.2.4. Abnützung der Wirbelsäule Position 02.01.01 20%

Oberer Rahmensatz, da recidivierende Lumboischialgie und Cervicalsyndrom

1.2.5. Bluthochdruck Position 05.01.02 20%

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 70%, da Leiden 1 durch Leiden 2 und Leiden 3 um je 1 Stufe wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung erhöht wird. Leiden 4 und 5 erhöhen wegen fehlender funktioneller Relevanz nicht weiter.

1.4. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

1.5. Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen."

7. Mit Schreiben vom 06.11.2018 wurde der BF und der belangten Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens zu äußern. Diese Frist verstrich ungenützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist seit 22.08.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgestellt. Am 12.12.2017 beantragte die BF die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

Die BF ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:

* Multiple Sklerose (Pos.Nr. 04.08.02, 50% GdB)

* Hörstörung beidseits (Pos.Nr. 12.02.01, 30% GdB)

* Depression (Pos.Nr. 03.06.01, 30% GdB)

* Abnützung der Wirbelsäule (Pos.Nr. 02.01.01, 20% GdB)

* Bluthochdruck (Pos.Nr. 05.01.02, 20% GdB)

Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 70 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass die BF seit 22.08.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ist, sowie das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der BF im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

Die Feststellung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung der BF in der Höhe von 70 v.H. beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 02.10.2018 einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF.

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der BF, deren Ausmaß und allfällige wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussungen ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzte sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die im Gutachten angeführt sind, auseinander.

Die Sachverständige setzte den Gesamtgrad der Behinderung mit 70 v. H. fest und begründete dies damit, dass das Leiden 1 durch Leiden 2 und Leiden 3 um je 1 Stufe wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung erhöht werde. Leiden 4 und 5 erhöhen wegen fehlender funktioneller Relevanz nicht weiter.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. ...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

.....

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer FÄ für Psychiatrie und Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 02.10.2018 zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Grad der Behinderung der BF von 70 v.H.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2201109.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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