TE Bvwg Beschluss 2019/2/7 W186 2170891-2

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Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W186 2170891-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin in den von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den jeweils mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. 1050610802-190115446, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen.

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: "BF"), ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte am 23.01.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX geboren worden, stamme aus der Provinz Baghlan, Distrikt Baghlan-e- Markazi, Dorf Mullahkhel, und habe keine Schulausbildung. Er sei Analphabet und habe eine Zeit lang in einer Moschee den Koran lesen gelernt. Der BF gab an, in Afghanistan über eine Familie zu verfügen: Diese bestehe aus seiner Gattin (ca. 20 Jahre alt), seiner Mutter (Alter unbekannt) und zwei Schwestern (ca. 19 und 22 Jahre alt).

Als Fluchtgrund führte er an, dass sein Vater, der seit 18 oder 19 Jahren verschollen sei, Gruppenleiter bei den Taliban gewesen sei. Nach dessen Verschwinden sei der BF von einer ihm unbekannten Familie immer wieder belästigt worden, weil sein Vater angeblich eine Person dieser Familie mitgenommen habe. Vor drei Jahren sei sein Haus mit einer Granate angegriffen worden und sein Sohn sei dabei verstorben. Diese unbekannte Familie sei auch in der Nacht mit Gewehren bewaffnet zum Haus gekommen und habe Steine geworfen. Die Gewehre hätten sie nicht benutzt, nur das eine Mal, als der Sohn des BF ums Leben kam, sollen sie eine Granate geworfen haben. Aus Angst vor dieser Familie habe der BF dann im Monat Hut des Jahres 1390 (Februar/März 2012) Afghanistan verlassen. Zu seinen Befürchtungen im Fall einer Rückkehr in seine Heimat befragt gab der BF an, Angst vor dieser Familie zu haben, Namen könne er jedoch nicht nennen.

Am 13.06.2017 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich/ASt Linz (in der Folge: "BFA" oder "belangte Behörde"). Der BF sei in der Provinz Baghlan, Distrikt Baghlan-e-Markazi, Dorf Mollah Khel, geboren und aufgewachsen. Seine Familie, bestehend aus seiner Mutter und seinen zwei Schwestern, XXXX , ca. 23 Jahre alt, und XXXX , ca. 25 Jahre alt, lebe nach wie vor in seinem Heimatort. Über die Lebensumstände gab der BF an, in einem großen Haus im Eigentum gelebt zu haben; seine Mutter lebe noch dort, das sei sein Elternhaus. Der BF habekeine Schule, sondern vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr nur die Madrassa besucht. Der BF habe früher die Familie versorgt; dazu habe er zunächst als Tagelöhner gearbeitet und dann ein Lebensmittelgeschäft besessen. Der BF habe noch einen Onkel, der im Dorf des BF lebe; zwei Tanten väterlicherseits würden in Baghlan leben, eine Tante in Kabul und eine Tante in Laghman. Die Frau des BF, mit der dieser nur traditionell verheiratet sei, sei etwa 24 Jahre alt, seine Schwiegereltern würden sie versorgen. Der gemeinsame Sohn sei von den Feinden des BF umgebracht worden.

Der BF habe sich vor fünfeinhalb Jahren zur Ausreise entschlossen und sei zwei Monate nach dem Entschluss ausgereist. Die Reise nach Österreich habe mehr als zwei Jahre gedauert; 18 Monate war der BF in Griechenland im Gefängnis, wo zweimal sein Asylantrag abgewiesen worden sei. Das Geld für die Ausreise, USD 5.000,00 und EUR 3.000,00, habe er von seinem Schwager bekommen.

Die Frage nach der Teilnahme an kriegerischen Handlungen sowie nach Problemen mit seinem Herkunftsstaat, wegen einer allfälligen politischen Tätigkeit oder wegen seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit verneinte der BF.

Zum Fluchtgrund brachte der BF Folgendes vor: Der Vater des BF sei von zuhause mit sechs bis sieben Leuten weggegangen, als der BF sechs Jahre alt gewesen sei. Der BF wisse nicht, ob die Leute Taliban gewesen seien oder eine andere Gruppe. Sein Vater sei aber bis heute nicht zurückgekehrt; auch diese Leute seien bis heute spurlos verschwunden. Als der BF siebzehn oder achtzehn Jahre alt gewesen sei, seien immer wieder Angehörige der verschwundenen Leute gekommen und hätten nach seinem Vater gefragt. Sie hätten den BF mehrmals bedroht und gewarnt, dass er seinen Mund aufmachen solle, wo sich sein Vater befinde. Diese Drohungen seien so lange gegangen, bis diese Leute sein Lebensmittelgeschäft verbrannt hätten. Der BF habe diesen Leuten stets gesagt, dass er nicht wisse, wo sein Vater sei und er keine Adresse hergeben könne. Nach der Verbrennung seines Geschäftes hätten die Leute den BF nochmals bedroht und sein Haus mit einer Handgranate attackiert. Durch die Explosion habe er seinen Sohn verloren. Der BF habe befürchtet, dass diese Leute sonst auch ihn umbringen würden; er habe daher, mit Einverständnis seiner Familie, aus der Heimat verschwinden müssen. Zu Bedrohungen durch diese Personen sei es über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren gekommen, im Jahr sei der BF etwa vier- bis fünfmal bedroht worden; der BF gab an, die Namen dieser Personen und auch jene der verschwundenen Personen nicht zu kennen. Der BF gab an, dass der Brand und die Handgranate das auslösende Moment für die Flucht gewesen seien; er sei nach dem Tod seines Sohnes noch ein Jahr in Afghanistan geblieben um "das mit meiner Frau und meiner Mutter" zu klären.

Der BF führte außerdem an, er befürchte, im Falle einer Rückkehr umgebracht zu werden.

Mit Bescheid vom 22.08.2017 wies die Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Mit Schreiben vom 04.09.2017 erhob der BF gegen sämtliche Spruchpunkte Beschwerde.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom 19.09.2017. Am 20.09.2017 langte der Akt beim Bundesverwaltungsgericht (in Folge auch: "BVwG") ein.

Das BVwG führte am 30.01.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Verhandlung wurden dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: Update Q4/2017), EASO-Berichte aus 2017 zur Lage in Afghanistan, die UNHCR-Richtlinien Afghanistan aus 2016 samt Ergänzungen und das Informationsblatt über eine mögliche Rückkehrunterstützung des BMI ausgehändigt und erörtert. Der BF nahm mit Schreiben vom 08.02.2018 Stellung dazu.

Mit Eingabe vom 06.03.2018 reichte der BF Dokumente betreffend einen Lehrvertrag nach und bat um Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung.

2. Das BVwG (W271 2170891 vom 27.03.2018) hat die folgenden Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde gelegt:

"Der BF trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Volksgruppenangehöriger der Paschtunen und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der BF spricht Paschtu als Muttersprache und Dari als Zweitsprache; er beherrscht auch ein wenig Deutsch. Der BF legte eine "Tazkira" vor, aus deren Übersetzung sich ergibt, dass der BF im Jahr 2010 16 Jahre alt gewesen sein soll.

Der BF wurde in der Provinz Baghlan, Distrikt Baghlan-Markazi, Dorf Mullahkhel, geboren und lebte dort mit seiner Gattin und seiner Mutter bis zur Ausreise aus Afghanistan in seinem Elternhaus. Derzeit wohnt die Mutter des BF bei ihrem Bruder, dem Onkel des BF, der die Mutter versorgt. Die Gattin des BF lebt bei ihrem Vater und wird von diesem versorgt.

Der BF hat weitere Familienangehörige in Afghanistan:

Väterlicherseits lebt ein Onkel im Heimatdorf des BF. Zwei Tanten leben in Baghlan, eine in Kabul und eine in Laghman. Eine Tante väterlicherseits wohnt mit ihrem Mann in Kabul. Eine Kontaktaufnahme ist möglich. Diese Tante des BF hat zwei Söhne und vier Töchter, die ebenfalls in der Hauptstadt von Afghanistan wohnen. Jedenfalls drei der vier Töchter sind verheiratet. Der BF kennt Kabul von einem Besuch anlässlich der Hochzeit des Sohnes seiner Tante; er verbrachte zwei Nächte dort. Mütterlicherseits hat der BF noch einen Onkel und eine Tante, die in Baghlan leben. Der Mann einer Tante des BF ist Polizeikommandant in der Stadt Baghlan.

Der BF hat in seinem Heimatort vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr die Madrassa besucht. Der BF kann die Sprachen, die er spricht, lesen und schreiben. Er arbeitete in seinem Heimatdorf als Hilfsarbeiter/Tagelöhner.

Der BF ist volljährig, verheiratet und hat keine Kinder. Er leidet an keinen Krankheiten und nimmt keine Medikamente. Der BF ist arbeitsfähig.

Am 23.01.2015 erfolgte die Erstbefragung des BF, am 13.06.2017 wurde er vom BFA einvernommen; die mündliche Verhandlung fand am 30.01.2018 statt.

Leben und Aufenthalt des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit Januar 2015 in Österreich auf. Er verfügt über keinen Aufenthaltstitel in Österreich. Der BF verfügt über einen Cousin im Bundesgebiet, mit dem er kaum Kontakt hat.

Der BF arbeitet seit 19.12.2017 bei Mc Donald's und verdient EUR 740,--. Er bekommt keine staatliche Unterstützung und kann sich selbst erhalten. Der BF war früher einmal bei der Gemeinde Grein ehrenamtlich tätig.

Der BF hat mehrere Deutschkurse absolviert (Niveau A2) und konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung in einfachen Sätzen über seine Tätigkeiten sprechen. Er hat zudem einen Werte- und Orientierungskurs und einen Finanzworkshop absolviert. An seinem früheren Wohnort (St. Nikola an der Donau) hatte der BF mit Österreichern Kontakt, die er beim Fußballspielen in seiner Gemeinde kennengelernt hat. An seiner neuen Wohnadresse (Enns) hat er noch keine Freundschaften geknüpft.

Der BF hatte bis auf eine Verwaltungsstrafe wegen Schwarzfahrens noch keine Probleme mit Behörden und ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF legte mit Eingabe vom 06.03.2018 einen Lehrvertrag Systemgastronomiefachmann vor; die Lehrzeit ist mit dem 19.01.2018 bis zum 18.01.2021 ausgewiesen.

Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaats:

Der Vater des BF war Gruppenleiter bei den Taliban. Als der BF ca. sechs Jahre alt war, verließ dessen Vater zusammen mit anderen Bewohnern des Dorfes den Heimatort. Der Vater des BF kehrte seitdem nicht zurück. Der BF konnte nicht angeben, was mit seinem Vater geschehen ist, wo er verblieben ist und ob er noch lebt; ein Kontakt besteht nicht. Es konnte nicht festgestellt werden, ob es sich bei der Gruppe, mit der der Vater wegging, um Taliban gehandelt hat.

Der BF gab an, Angst vor ihm unbekannte Personen zu haben, weil diese ihn bedroht haben sollen. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass diese Personen den BF persönlich bedroht haben, dass diese sein Geschäft und sein Haus zerstört und bzw. oder seinen Sohn getötet haben sollen. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass diese Personen im Fall einer Rückkehr des BF in seine Integrität eingreifen oder ihn irgendwo in Afghanistan suchen würden.

Der BF hielt sich nach seinem Entschluss zur Ausreise noch einige Monate in seinem Heimatdorf auf, ehe er Afghanistan im Februar/März 2012 verließ. Der BF gelangte über mehrere Etappen nach Österreich, wo er am 23.01.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz stellte. Die Ausreise wurde von der Familie des BF organisiert und finanziert.

Bevor der BF Österreich erreichte, verbrachte dieser achtzehn Monate in einem Gefängnis in Griechenland und stellte dort zwei Asylanträge, denen nicht stattgegeben wurde. Der BF legte "Entlassungspapiere" des griechischen Gefängnisses vor, in denen sein Geburtsdatum mit dem 03.08.1991 vermerkt ist. Der BF erklärte in der mündlichen Verhandlung dazu, sich in Griechenland jünger gemacht zu haben, als er erfahren hat, dass er ins Gefängnis müsse. Der BF führte während der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Video über dieses Gefängnis vor.

Der BF hatte in Afghanistan nie Probleme wegen einer politischen Tätigkeit, seiner Religion oder seiner Ethnie. Seine Familienangehörigen waren nicht Mietglied einer politischen Partei. Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war nicht inhaftiert und hatte keine Probleme mit den Behörden; es gibt keine aktuellen Fahndungsmaßnahmen wie einen Steckbrief oder Haftbefehl gegen ihn."

3. Dieses Erkenntnis wurde am 27.03.2018 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

4. Am 02.01.2019 stellte der Antragsteller den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Zu seiner neuerlichen Asylantragstellung brachte er im Wesentlichen vor, dass sein Leben in Afghanistan schlimm gewesen sei, jetzt aber noch schlimmer würde. Es gäbe dort sein Haus, sein Elternhaus, aber das hätten die Taliban jetzt beschlagnahmt.

Die Gründe seit seiner ersten Antragstellung bestünden nach wie vor, nur dass es schlimmer geworden sei, weil seine Frau den BF verlassen habe.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 24.01.2019, vom Antragsteller am selben Tag übernommen, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen sowie den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.

6. Bei seiner Einvernahme am 04.02.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wiederholte der Antragsteller im Wesentlichen seine bisherigen Angaben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Er spricht Dari und Paschtu.

1.2. Der Antragsteller stammt aus dem Distrikt Baghlan-Markazi, Dorf Mullahkhel. Der Vater des BF ist vor einigen Jahren verschwunden; darauf hat er seinen Antrag gestützt.

1.3. Der Antragsteller ist volljährig und hat keine Kinder. In Bezug auf den Antragsteller besteht kein hinreichend schützenswertes Privatleben und kein Familienleben im Bundesgebiet. Er ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Der Antragsteller ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich. Es bestehen keine Hinweise, dass beim Antragsteller etwaige physische bzw. psychische Erkrankungen vorliegen, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden.

1.4. Eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts oder im Herkunftsstaat des Antragstellers ist seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.08.2018 nicht eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in die Stadt Kabul oder nach Herat oder Mazar-e Sharif in eine ausweglose Lage bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Antragstellers, seiner Herkunft, Schulbildung und Berufserfahrung beruhen auf seinen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des bereits abgeschlossenen Asylverfahrens. Auch im gegenständlichen Verfahren hat er diese Angaben bestätigt bzw. keine gegenteiligen Aussagen getroffen.

2.2. Die Feststellungen zu der aktuellen privaten und familiären Situation des Antragstellers in Österreich gründen auf dessen Vorbringen in beiden Asylverfahren.

Änderungen seit Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.08.2018 wurden seitens des Antragstellers nicht behaupte und es haben sich für das Bundesverwaltungsgericht keine Hinweise dahingehend ergeben, dass sich die Situation des Antragstellers entscheidungsrelevant geändert hätte oder einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würde.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Das Bundesverwaltungsgericht folgt hinsichtlich des Vorbringens betreffend die Taliban der Beurteilung des BFA, dass diesbezüglich kein neuer Sachverhalt vorliegt, da dem Antragsteller dies bereits vor Rechtskraft des Erstasylverfahrens bekannt war. Darüber hinaus erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund dieses Vorbringens keine Verfolgungsgefahr für den Antragsteller, da das dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, aktualisiert am 23.11.2018, keine Hinweise darauf gibt, dass jeder Rückkehrer aufgrund seines Aufenthalts in Europa von den Taliban verfolgt würde und hat der Antragsteller keine ihn im Speziellen betreffende Verfolgungsgefahr in diesem Zusammenhang dargelegt.

Ebenso teilt das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht des BFA, dass es sich betreffend das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Streitigkeiten um keinen neuen Sachverhalt handelt, da der generelle Fluchtgrund ident geblieben ist, lediglich die beteiligte Gegenpartei hat sich gemäß dem neuen Vorbringen des Antragstellers geändert. Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Verfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten, wovon sich das Bundesverwaltungsgericht durch Einsicht in das aktuelle, dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, aktualisiert am 23.11.2018, überzeugen konnte. Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall somit verneint werden. Die Lage stellt sich diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar.

Auch wenn im Jahr 2018 vermehrt Anschläge in der Stadt Kabul stattgefunden haben, so weisen diese keine solche Intensität auf, dass eine Rückkehr nach Kabul generell eine Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) darstellt, zumal ein großer Teil der zivilen Opfer auf einzelne "high-profile" Angriffe zurückzuführen ist, die sich nicht in Wohngebieten, sondern insbesondere im Diplomaten- bzw. Regierungsviertel ereignet haben.

Die Lage in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, die im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.08.2018 als innerstaatliche Fluchtalternative für den Antragsteller festgestellt wurden, kann daher insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln.

Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

Zu A)

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 31.10.2018 und 29.11.2018 befragt und wurde ihm die Möglichkeit der Stellungnahme zu den maßgeblichen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat eingeräumt. Mit der entsprechenden Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Folgeantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen.

Gegen den Antragsteller liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

Wie bereits oben dargestellt, hat der Antragsteller das Vorliegen eines neuen asylrelevanten Sachverhaltes nicht einmal ansatzweise vorgebracht. Weder kann sein Vorbringen betreffend eine behauptete generelle Verfolgung von Rückkehrern durch die Taliban einen asylrechtlich relevanten Grund begründen, noch hat er hinsichtlich seines bereits im Erstasylverfahren vorgebrachten Fluchtgrund von Grundstückstreitigkeiten einen neuen Sachverhalt dargelegt (s. II.2.3.). Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Auch die für den Antragsteller hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiären Schutz maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2018 im Wesentlichen gleich geblieben, wie ebenfalls in der Beweiswürdigung dargelegt.

Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Der vorliegende Folgeantrag wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Im ersten Verfahren wurde ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Artikel 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den Antragsteller im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden. Auch seitens des Antragstellers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt bzw. seitens des Bundesverwaltungsgericht als nicht vorliegend erachtet (s. zur Beurteilung hinsichtlich seines Vorbringens zu seinem Gesundheitszustand unter II.2.2.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Artikel 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Identität der
Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2170891.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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