TE Bvwg Beschluss 2019/2/8 W240 2214022-1

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Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W240 2214022-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2019, Zl.:

1214284009-181170367, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Absatz 3, 2. Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 05.12.2018 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Person des Beschwerdeführers scheint eine EURODAC-Treffermeldung vom 24.08.2015 nach Asylantragstellung in Belgien auf.

Im Verlauf der Erstbefragung am 05.12.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass seine Ehefrau, seine zwei minderjährigen Kinder in Österreich sowie zwei Brüder und eine Schwester in Belgien über einen Asylstatus verfügen. Er sei in Belgien seit XXXX 2015 bis zur Einreise nach Österreich aufhältig gewesen. Er habe keine Entscheidung im Asylverfahren in Belgien erhalten. Er wolle in Österreich bleiben, weil hier seine Ehefrau und seine Kinder leben würden.

Das BFA richtete sodann unter Hinweis auf den belgischen Eurodac-Treffer am 14.12.2018 ein für den Beschwerdeführer auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Belgien.

Mit Schreiben vom 21.12.2018 stimmten die belgischen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zu.

Am 16.01.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Der Beschwerdeführer legte seinen syrischen Reisepass, seinen syrischen Personalausweis, sein syrisches Familienbuch, die Geburtsurkunden seiner zwei Kinder im Original sowie die Kopie seiner Heiratsurkunde vor.

Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, dass seine Ehefrau und seine zwei Kinder in Österreich aufhältig seien und einen Asylstatus hätten. Zwei seiner Brüder und eine Schwester seien in Belgien asylberechtigt. Er habe im Sommer 2018 erfahren, dass seine Frau und seine Kinder in Österreich seien, seit zwei oder drei Monaten wisse er, dass seine Familie in Österreich über einen Asylstatus verfüge. Der Beschwerdeführer gab an, dass er und seine Ehefrau Probleme gehabt hätten und es zu Streitigkeiten gekommen sei, er habe sich von seiner Frau jedoch nie getrennt. Es hätte Probleme zwischen den Familien der Ehefrau und seiner Familie gegeben, er sei psychisch sehr belastet gewesen, weil er keinen Ausweg gefunden habe, er liebe jedoch seine Ehefrau und seine Kinder. Er wolle mit seiner Familie zusammenleben und seine Familie wieder unterstützen.

Die anwesende Rechtsberaterin beantragt eine Zulassung des Verfahrens durch Selbsteintritt, da eine Rücküberstellung des Beschwerdeführers Art. 8 EMRK widersprechen würde.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Belgien für die Prüfung des Antrags des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Belgien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Das BFA stellte fest, dass die Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers in Österreich leben und seit 30.07.2018 asylberechtigt seien. Der Beschwerdeführer habe seit rund dreieinhalb Jahren kein Familienleben mit seiner Ehefrau und seinen Kindern sowie keinen gemeinsamen Haushalt mehr geführt. Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer nunmehr den Kontakt zu seiner Frau wiederaufgenommen habe, um in Österreich ein Aufenthaltsrecht zu lukrieren. In Österreich habe er keine familiären oder sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden.

Beweiswürdigend wurde festgestellt, dass aufgrund der Vorlage der originalen, unbedenklichen Identitätsdokumente die Identität und die Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers feststehen würden. Auszugsweise wurde die Befragung der Ehefrau des Beschwerdeführers vor dem BFA vom 03.07.2018 wiedergegeben, darin führte sie aus, dass sie mit dem Beschwerdeführer verheiratet sei und die zwei in Österreich asylberechtigten Kinder vom Beschwerdeführer seien. Sie habe jedoch keinen Kontakt mehr mit dem Beschwerdeführer, dieser habe sie verlassen, weil er mit den libanesischen Behörden Probleme gehabt hätte. Sie habe und wolle sich jedoch nicht vom Beschwerdeführer scheiden lassen.

Der Beschwerdeführer habe laut Einschätzung des BFA nicht plausibel darlegen können, weshalb er den Kontakt zur Ehefrau abgebrochen habe. Dementsprechend gebe das BFA dem Antrag der Rechtsberatung auf Zulassung des Verfahrens und auf inhaltlichem Selbsteintritt Österreichs nicht statt. Der Beschwerdeführer habe nach illegaler Einreise missbräuchlich einen Asylantrag gestellt und versuche nun mit seinem faktischen Aufenthalt in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erzwingen. Besondere private Kontakte oder Abhängigkeitsverhältnisse in Österreich habe er nicht angegeben. Aufgrund seiner kurzen Aufenthaltsdauer seien solche auch nicht anzunehmen. Besondere Integrationsmaßnahmen habe der Beschwerdeführer nicht erwähnt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der auf die Ausführungen des Beschwerdeführers verwiesen wurde. Es wurde zusammenfasst ausgeführt, dass die schwangere Ehefrau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers in Österreich asylberechtigt seien. Er habe sich in Belgien drei Jahre lang aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt. Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung verletze massiv und unverhältnismäßig das Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich iSd Art. 8 EMRK, was eindeutig ein Abschiebehindernis darstelle. Das BFA habe vielmehr eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob die getroffene fremdenpolizeiliche Maßnahme - auch iSd Art. 8 MRK - als verhältnismäßig angesehen werden könne. Ob außerhalb des Bereichs zwischen Ehegatten bzw. zwischen Eltern und minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahendes Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ein Familienleben zwischen Erwachsenen vorliege, hänge nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab. Für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung seien gegebenenfalls auch die Intensität des Zusammenlebens, genauso im Hinblick auf ein Abhängigkeitsverhältnis von Bedeutung. Es wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme vor dem BFA aufgrund der Nervosität vergessen habe anzugeben, dass seine Ehefrau von ihm schwanger sei. Dies spreche auch gegen die Argumentation des BFA, wonach kein Familienleben vorliege. Die Beziehung zwischen dem Vater und seinen minderjährigen Kindern könne auch durch die Unterbrechung der vorläufigen Kommunikation mit der Mutter aufgrund von familiären Problemen nicht abgebrochen werden. Verwiesen wurde, dass der Achtung des Familienlebens und dem Interesse des Kindeswohls Vorrang bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates einzuräumen sei.

4. Zusammen mit der Beschwerde wurde ein Mutter-Kind-Pass, ausgestellt für die Ehefrau des Beschwerdeführers, mit einem errechneten Geburtstermin XXXX 2019 übermittelt. Es wurde auch ein mit 21.01.2019 datiertes Schreiben, verfasst und unterzeichnet von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau des Beschwerdeführers, übermittelt. Die Ehefrau führte in ihrem und im Namen ihrer zwei Kinder an, dass es in der Vergangenheit eine angespannte Situation zwischen dem Beschwerdeführer und ihr gegeben habe. Während der Beschwerdeführer in Europa gewesen sei, wäre sie bei den Eltern des Beschwerdeführers im Libanon geblieben, wo diese alle Kosten übernommen hätten und gut für sie und die Kinder gesorgt hätten. Nunmehr hätte sich die Ehefrau und der Beschwerdeführer wieder versöhnt. Sie habe nun zwei kleine Kinder mit dem Beschwerdeführer und wolle, dass sie mit dem Beschwerdeführer wieder zusammen als Familie lebe. Sie benötige auch dringend die Unterstützung des Beschwerdeführers im Alltag und bei der Erziehung der Kinder. Sie habe auch geplant am Tag der Einvernahme des Beschwerdeführers anwesend zu sein, die lange Fahrt und das schlechte Wetter habe sie und ihre zwei kleinen Kinder jedoch daran gehindert. Sie ersuche darum, dass der Beschwerdeführer zum Asylverfahren zugelassen werde, da für alle eine neuerliche Trennung nicht zu verkraften wäre.

5. Das BFA übermittelte eine mit 31.01.2019 datierte Stellungnahme zur Beschwerde. In dieser wurde ausgeführt, dass aufgrund des errechneten Geburtstermins im für die Ehefrau des Beschwerdeführers ausgestellten Mutter-Kind-Pass die Empfängnis des Kindes laut Einschätzung des BFA möglicherweise vor der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich erfolgt sei. Die Vaterschaft des Beschwerdeführers wurde daher vom BFA angezweifelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird, dass der syrische Beschwerdeführer am 24.08.2015 in Belgien einen Asylantrag gestellt hatte. Er stellte in weiterer Folge am 05.12.2018 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz

Das BFA richtete sodann unter Hinweis auf den belgischen Eurodac-Treffer am 14.12.2018 ein für den Beschwerdeführer auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Belgien. Die Information über die bereits in der Erstbefragung vom Beschwerdeführer angeführten minderjährigen Kinder und über seine Ehefrau, welche in Österreich asylberechtigt sind, waren im Wiederaufnahmeersuchen nicht enthalten.

Mit Schreiben vom 21.12.2018 stimmten die belgischen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zu.

Das BFA stellte fest, dass die Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers in Österreich leben und seit 30.07.2018 asylberechtigt seien. Der Beschwerdeführer habe seit rund dreieinhalb Jahren kein Familienleben mit seiner Ehefrau und seinen Kindern sowie keinen gemeinsamen Haushalt mehr geführt. Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer nunmehr den Kontakt zu seiner Frau wiederaufgenommen habe, um in Österreich ein Aufenthaltsrecht zu lukrieren. Der Beschwerdeführer habe laut Einschätzung des BFA nicht plausibel darlegen können, weshalb er den Kontakt zur Ehefrau abgebrochen habe. Dementsprechend gebe das BFA dem Antrag der Rechtsberatung auf Zulassung des Verfahrens und auf inhaltlichem Selbsteintritt Österreichs nicht statt.

Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung zum Familienleben des Beschwerdeführers mit seinen in Österreich lebenden minderjährigen Kinder und seiner in Österreich lebenden Ehefrau, welche alle asylberechtigt sind in Österreich, mit dem Ziel vorgenommen, eine hinreichende Grundlage für ihre Entscheidung zu schaffen.

In der gegen nunmehr angefochtenen Bescheid wurde darauf verwiesen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers erneut von diesem schwanger sei. Zusammen mit der Beschwerde wurde neben einem Mutter-Kind-Pass, ausgestellt für die Ehefrau des Beschwerdeführers, insbesondere ein mit 21.01.2019 datiertes Schreiben, verfasst und unterzeichnet von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau des Beschwerdeführers, übermittelt. Die Ehefrau führte in ihrem und im Namen ihrer zwei Kinder an, dass sie sich mit dem Beschwerdeführer wieder versöhnt habe. Sie habe nun zwei kleine Kinder mit dem Beschwerdeführer und wolle, dass sie mit dem Beschwerdeführer wieder zusammen als Familie lebe. Sie benötige auch dringend die Unterstützung des Beschwerdeführers im Alltag und bei der Erziehung der Kinder.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers und zum Aufenthalt in Belgien ergeben sich aus dem Akt des Bundesamts, dem darin befindlichen Vorbringen des Beschwerdeführers und dem EURODAC-Treffer bezüglich seiner dortigen Asylantragstellung.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers seitens Belgiens ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der belgischen Dublin-Behörde. Die Feststellung, dass die Information über die bereits in der Erstbefragung vom Beschwerdeführer angeführten minderjährigen Kinder und über seine Ehefrau, welche in Österreich asylberechtigt sind, nicht im Wiederaufnahmeersuchen an Belgien enthalten waren, ergibt sich ebenfalls aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren.

Die Feststellung über Asylzuerkennung an die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers ergibt sich aus den im Akt einliegenden Informationen.

Der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers erneut schwanger sei, ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschwerde und dem übermittelten Mutter-Kind-Pass. Der Wunsch der Ehefrau, dass der Beschwerdeführer bei seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern in Österreich bleibe, da sich die Eheleute wieder versöhnt hätten, ergibt sich aus dem zusammen mit der Beschwerde übermittelten Schreiben, datiert mit 21.01.2019, verfasst und unterzeichnet von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau des Beschwerdeführers.

Aus der Aktenlage ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das BFA eine abschließende Beurteilung des Familienlebens des Beschwerdeführers mit seinen in Österreich asylberechtigten Familienangehörigen nicht für erforderlich gehalten hat und aus welchen Gründen ohne eine solche Beurteilung der gegenständliche nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde.

Im Einzelnen ist zu dieser von der belangten Behörde geführten Beweiswürdigung wie folgt auszuführen:

Weiters ist auf Art. 17 Dublin III-VO zu verweisen. Dieser regelt in seinem Absatz 1 das Selbsteintrittsrecht eines nicht zuständigen Mitgliedsstaats und lautet:

"Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."

In Filzwieser / Sprung, Dublin III-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, Stand: 1.2.2014, Artikel 17 Abs. 1, K 2 heißt es dazu: "Da Art. 17 Abs. 1 keine inhaltlichen Vorgaben bietet, liegt es primär an den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und im Ermessen des einzelnen Mitgliedsstaates, unter welchen Voraussetzungen ein Selbsteintritt in die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz erfolgt. Der Aufenthaltsstaat kann sich auch trotz der angenommen (bzw. feststehenden) Zuständigkeit des anderen Mitgliedsstaates dafür entscheiden, den Antrag auf internationalen Schutz selbst zu prüfen. Der Text des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sieht keine näheren Determinanten für die Ausübung dieser unionsrechtlich als Ermessenbestimmung konzipierten Norm vor. Man wird aber einerseits annehmen müssen, dass eine extensive Auslegung dieser Bestimmung [...] das Zuständigkeitssystem der Dublin III-VO unterhöhlen würde und daher kraft Verletzung des "effet utile-Prinzips" als unionsrechtswidrig anzusehen wäre; andererseits kann es Fälle geben, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit, die nach der Dublin III-VO feststeht, eine Verletzung der EMRK bedeuten würde (etwa bei Vorliegen besonderer familiärer und humanitärer Umstände, die nicht von Art. 16 über abhängige Personen erfasst sind). Es liegt auf der Hand, dass es sich hier um exzeptionelle Fälle handeln muss, da ja nach der Absicht des Verordnungsgebers bereits die Zuständigkeitskriterien der Verordnung ein EMRK-konformes Ergebnis liefern sollen. Nichtsdestotrotz bietet eben Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO die notwendige Flexibilität, um diese EMRK-Konformität auch in von der VO nicht ex ante vorhersehbaren besonderen Fällen zu garantieren. Diesfalls wird das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben sein. [...]"

Auch unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen vermögen die vom BFA herangezogenen Beweiswürdigungen, dass im Falle des Beschwerdeführers ein Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben zulässig sei, nicht nachvollzogen werden. Die belangte Behörde hat insbesondere keine geeigneten Ermittlungsschritte zur Frage des Vorliegens eines Familienverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau und insbesondere in Bezug zu seinen in Österreich asylberechtigen minderjährigen Kindern im Sinne von Art. 8 EMRK angestellt. Dies wiegt umso schwerer, weil die Information über die bereits in der Erstbefragung vom Beschwerdeführer angeführten minderjährigen Kinder und über seine angerführte Ehefrau, welche alle in Österreich asylberechtigt sind, nicht im Wiederaufnahmeersuchen an Belgien enthalten waren, weshalb im gegenständlichen Fall ein mangelhaftes Konsultationsverfahren mit Belgien geführt wurde.

Schließlich hat die belangte Behörde auch keine geeigneten Ermittlungsschritte zur Frage unternommen, ob die Durchsetzung der von ihr angenommenen Zuständigkeit Belgiens im konkreten Fall des Beschwerdeführers nicht doch im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eine Verletzung der EMRK wegen des Vorliegens besonderer und exzeptioneller familiärer Umstände begründen würde. Die von ihr ins Treffen geführten Argumente lassen dies nicht erkennen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer

Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) [...]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.

3.3. Im vorliegenden Fall ist Dublin III-VO anzuwenden:

Artikel 2 - Definitionen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

[...]

g) "Familienangehörige" die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:

- der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare,

[...]

Art. 3 - Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsange-höriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

[...]

Art. 7 - Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antrag-steller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Auf-ahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16 - Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitglied-staat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zu-ständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat ver-fügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitglied-staat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen".

3.4. Die Dublin III-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Anträge auf internationalen Schutz von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

3.5. Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

3.6. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Belgien nicht zulässig ist, da in casu die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.

Dies aus folgenden Erwägungen:

3.6.1. Das BFA hat im nunmehr angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers in Österreich leben und seit 30.07.2018 asylberechtigt seien. Der Beschwerdeführer habe seit rund dreieinhalb Jahren kein Familienleben mit seiner Ehefrau und seinen Kindern sowie keinen gemeinsamen Haushalt mehr geführt. Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer nunmehr den Kontakt zu seiner Frau wiederaufgenommen habe, um in Österreich ein Aufenthaltsrecht zu lukrieren. Der Beschwerdeführer habe laut Einschätzung des BFA nicht plausibel darlegen können, weshalb er den Kontakt zur Ehefrau abgebrochen habe. Dementsprechend gebe das BFA dem Antrag der Rechtsberatung auf Zulassung des Verfahrens und auf inhaltlichem Selbsteintritt Österreichs nicht statt.

Die belangte Behörde hat zwar eine Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers in deren Familienverfahrens im nunmehr angefochtenen Bescheid wiedergegeben, jedoch zur nunmehrigen familiären Situation seit der Einreise des Beschwerdeführers in Österreich keine (weiteren) Ermittlungen angestellt. Insbesondere erfolgte keine neuerliche Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers und somit auch keine abschließende Beurteilung zum Familienleben des Beschwerdeführers, insbesondere auch zum Familienleben mit seinen in Österreich lebenden minderjährigen Kinder, welche so wie seine Ehefrau in Österreich asylberechtigt sind.

In der Beschwerde gegen nunmehr angefochtenen Bescheid wurde jedoch darauf verwiesen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers erneut von diesem schwanger sei. Zusammen mit der Beschwerde wurde neben einem Mutter-Kind-Pass, ausgestellt für die Ehefrau des Beschwerdeführers, insbesondere ein mit 21.01.2019 datiertes Schreiben, verfasst und unterzeichnet von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau des Beschwerdeführers, übermittelt. Die Ehefrau führte in ihrem und im Namen ihrer zwei Kinder an, dass sie sich mit dem Beschwerdeführer wieder versöhnt habe. Sie habe nun zwei kleine Kinder mit dem Beschwerdeführer und wolle, dass sie mit dem Beschwerdeführer wieder zusammen als Familie lebe. Sie benötige auch dringend die Unterstützung des Beschwerdeführers im Alltag und bei der Erziehung der Kinder.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auf die Mutmaßungen des BFA, wonach die Vaterschaft des Beschwerdeführers zum Kind, welches die Ehefrau nunmehr erwartet, angezweifelt werde aufgrund des Geburtstermin, nicht weiter einzugehen ist. Insbesondere ist diesbezüglich darauf zu verweisen, dass die ersten beiden minderjährigen und in Österreich asylberechtigen Kinder - wie auch vom BFA festgestellt - zweifellos vom Beschwerdeführer sind.

3.6.2. Die Ausführungen des BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid vermögen eine konkrete Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den Auswirkungen der Ausweisung auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht zu ersetzen.

3.6.3. Schließlich ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass die Information über die bereits in der Erstbefragung vom Beschwerdeführer angeführten minderjährigen Kinder und seine angerführte Ehefrau, welche alle in Österreich asylberechtigt sind, nicht im Wiederaufnahmeersuchen an Belgien enthalten waren, weshalb im gegenständlichen Fall ein mangelhaftes Konsultationsverfahren mit Belgien geführt wurde.

3.6.3. Insgesamt erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Interessensabwägung in Bezug auf die Zulässigkeit eines Eingriffs in das von Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben als unzureichend.

3.7. Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren im Sinne des Art. 8 EMRK eine eingehende Prüfung ihres in Österreichs vorhandenen Privat- und Familienleben vorzunehmen habe. Zum Familienleben des Beschwerdeführers wird insbesondere die in Österreich asylberechtige Ehefrau zeugenschaftlich einzuvernehmen sein.

3.8. Darüber hinaus wird sich die belangte Behörde mit dem Vorliegen besonderer familiärer Umstände, bei denen es sich im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO um exzeptionelle Fälle handeln muss, auseinanderzusetzen haben.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Erwägungsgrund 14 der Dublin III-Verordnung betont, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten sein soll. Dementsprechend hält Erwägungsgrund 17 leg. cit. auch fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen können sollen, um Familienangehörige, Verwandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung, zusammenzuführen und deren Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in der Dublin III-VO festgelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zuständig sind (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0192ua). Das gilt grundsätzlich auch für das Familienleben unter Erwachsenen.

Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass familiäre Beziehungen unter Erwachsenen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 32; VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723).

Im vorliegenden Beschwerdefall ist allerdings - insbesondere auch, weil nicht nur die schwangere Ehefrau des Beschwerdeführers, sondern auch dessen zwei minderjährige Kinder in Österreich asylberechtigt sin - eine Gesamtbetrachtung aller oben angeführten Umstände erforderlich, um die Frage einer allfälligen Verletzung von Art. 8 EMRK im Falle der Überstellung des Beschwerdeführers und damit verbunden der Verpflichtung zu einem Selbsteintritt zutreffend zu beurteilen.

3.9. Nach Vorliegen der unter Bezugnahme auf die unter Punkt 3.7. und Punkt 3.8. entsprechend erhobenen Ermittlungsergebnisse wird von der belangten Behörde letztlich auch zu prüfen sein, ob eine Einzelfallprüfung im gegenständlichen Verfahren nicht einen Selbsteintritt Österreichs gebieten würde.

3.10. Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, ob beim Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall ein nicht durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben im Falle seiner Überstellung nach Belgien vorliegt bzw. ob ihm aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Außerlandesbringung ein Eingriff in sein von Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben droht.

3.11. Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zwingend vorzugehend war.

3.12. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W240.2214022.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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