Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter in der beim Landesgericht Linz zu AZ ***** anhängigen Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** AG, *****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. S***** AG, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, 2. S***** Ltd, *****, Deutschland, vertreten durch Meinhard Novak Rechtsanwalt GmbH in Wien, und 3. I***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen (eingeschränkt) Feststellung (30.100 EUR), über den Delegierungsantrag des Klägers den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, zur Verhandlung und Entscheidung anstelle des Landesgerichts Linz das Landesgericht Wiener Neustadt, in eventu das Handelsgericht Wien zu bestimmen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und ihren Nebenintervenientinnen binnen 14 Tagen die mit jeweils 638,64 EUR (darin enthalten 106,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Äußerungen zum Delegierungsantrag zu ersetzen.
Text
Begründung:
In seiner im Jahr 2012 beim Landesgericht Linz eingebrachten Klage begehrte der in Niederösterreich (Weinviertel) wohnhafte Kläger von der in Linz ansässigen beklagten Aktiengesellschaft 318.000 EUR sA an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für alle Schäden, Folgen und Nachteile aus der fehlerhaften Anlageberatung betreffend das Finanz- und Veranlagungskonstrukt „L*****“. Mit dem am 19. 9. 2017 eingebrachten Schriftsatz wurde das Klagebegehren auf Feststellung eingeschränkt.
Die beklagte Partei und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen bestreiten das Klagebegehren sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und wenden unter anderem mangelnde Passivlegitimation sowie Verjährung ein. Nach Ruhen und Fortsetzungsanträgen fand im Jänner 2017 die vorbereitende Tagsatzung statt. In dieser wurde als Prozessprogramm festgehalten, dass vorerst zur Frage der Verjährung Beweis zugelassen und aufgenommen wird und zu diesem Beweisthema der Kläger und mehrere Zeugen einvernommen werden.
Nach neuerlichem Eintritt des Ruhens und einem Fortsetzungsantrag beantragte der Kläger die Delegierung der Rechtssache aus Gründen der Zweckmäßigkeit an das Landesgericht Wiener Neustadt, in eventu an das Handelsgericht Wien. Die Delegierung sei zweckmäßig, weil bislang noch keine Beweisaufnahme stattgefunden habe und sowohl er selbst als auch der Großteil der von ihm namhaft gemachten Zeugen ihren Wohnsitz in Wien oder Niederösterreich hätten.
Die beklagte Partei und ihre Nebenintervenientinnen sprachen sich gegen die Delegierung aus. Beim Landesgericht Linz seien bereits zahlreiche Verfahren zum gegenständlichen Anlagemodell „L*****“ anhängig. Bisher seien die Klagen
– mit wenigen Ausnahmen – ua wegen Verjährung abgewiesen worden. Betreffend den Kläger sei ein zweites Verfahren wegen des Abschlusses eines weiteren „L*****“-Anlagemodells anhängig. Aus all diesen Verfahren sei den Richtern des Landesgerichts Linz das Anlagemodell „L*****“ samt den Produktunterlagen wohlbekannt. Zu diesem Anlagemodell seien auch bereits Gerichtsgutachten eingeholt worden. Sollte ein anderes Gericht mit dem komplexen Sachverhalt betraut werden, wäre mit erheblichen Verfahrensverzögerungen zu rechnen. Zudem wohne einer der vom Kläger genannten Zeugen in Mariazell (also nicht im Sprengel des OLG Wien). Von Mariazell sei die Anreise nach Linz nicht weniger beschwerlich als nach Wiener Neustadt oder Wien. Unter einem beantragte die beklagte Partei zum Einwand der Verjährung selbst zwei Zeugen, die jeweils in Oberösterreich wohnhaft sind.
Das Landesgericht Linz befürwortete in seiner gemäß § 31 Abs 3 JN erstatteten Äußerung eine Delegierung. Es wies darauf hin, dass mit der Beweisaufnahme noch nicht begonnen worden sei und das Handelsgericht Wien
– ausgenommen für zwei in Oberösterreich ansässige Zeugen – einfacher und schneller und damit kostengünstiger erreichbar sei als das Landesgericht Linz. Mit Ausnahme der Vertreter der Erstnebenintervenientin hätten sämtliche Parteienvertreter ihren Kanzleisitz in Wien, somit am Ort des Sitzes des Handelsgerichts Wien. Eine Delegierung an dieses Gericht würde auch aus diesem Grund zu einer nicht unwesentlichen Verbilligung des Verfahrens führen.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt:
Eine Delegierung nach § 31 JN kommt nur dann in Betracht, wenn dafür klare und überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe sprechen. Kann die Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten aller Parteien beantwortet werden und widerspricht eine der Parteien der Delegierung, so ist den widersprechenden Parteien in der Regel der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0046589), außer es lägen besonders schwerwiegende Gründe vor (RIS-Justiz RS0046455). Eine großzügige Anwendung der Delegierungsbestimmungen würde nämlich zu einer unvertretbaren Lockerung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046589 [T2]). Die Zweckmäßigkeit ist nach den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beurteilen (RIS-Justiz RS0046333).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall dem Delegierungsantrag nicht stattgegeben werden. An sich sind Zweckmäßigkeitsgründe vor allem der Wohnort (Sitz) der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RIS-Justiz RS0046540; RS0053169 [T12]). Im Fall einer Konzentrierung mehrerer gleichgelagerter Verfahren bei einem Gericht eines Sprengels ist eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen aber selbst dann abzulehnen, wenn ein Teil der Zeugen im Sprengel eines anderen Gerichts wohnt (RIS-Justiz RS0046333 [T11]). Der Kanzleisitz eines Parteienvertreters ist für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Delegierung ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0046333 [T13]). Eine klare überwiegende Zweckmäßigkeit zu Gunsten aller Parteien ist somit nicht zu erkennen. Zudem haben sich die beklagte Partei und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen gegen eine Delegierung ausgesprochen. Dass besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, die die Delegierung auch gegen den Willen einer Partei rechtfertigen könnten, ist nicht erkennbar.
Der Antrag des Klägers ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO. Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Gegner und den auf dessen Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen die notwendigen Kosten einer ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen, allerdings nur nach TP 2 RATG (RIS-Justiz RS0036025 [T1]). Die Bemessungsgrundlage beträgt 30.100 EUR.
Textnummer
E124170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0100NC00027.18D.0129.000Im RIS seit
17.03.2019Zuletzt aktualisiert am
17.03.2019