TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/26 97/03/0024

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Veröffentlicht am 26.05.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E06202030;
E3R E07203020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31966R0117 Grenzüberschreitender Personenverkehr Omnibussen Art1 Abs1;
31966R0117 Grenzüberschreitender Personenverkehr Omnibussen Art1 Abs3;
31992R0684 Grenzüberschreitender Personenverkehr Omnibussen Art2 impl;
31992R0684 Grenzüberschreitender Personenverkehr Omnibussen Art2;
EURallg;
KflG 1952 §1 Abs1 idF 1993/128;
KflG 1952 §1 Abs2 Z1 idF 1993/128;
KflG 1952 §1 Abs3 idF 1993/128;
KflG 1952 §16 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des FW in A, vertreten durch Dr. Walter Boss, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 52, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 13. Jänner 1997, Zl. K 78/03/96.001/6, betreffend Übertretung des Kraftfahrliniengesetzes 1952, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe im Zeitraum von 20. Oktober 1995 bis 1. März 1996 in Andau an einer näher bezeichneten Örtlichkeit als Personenkraftverkehrsunternehmer eine regelmäßige (jeweils von Samstag auf Sonntag) angebotene Personenbeförderung für eine bestimmte Benützergruppe (Jugendliche) mit drei nach den Kennzeichen bestimmten Omnibussen, die dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen zu befördern, in einer vorher bestimmten Verkehrsverbindung zwischen Andau und Illmitz, zwischen Wallern und Frauenkirchen sowie zwischen Neusiedl und Illmitz laut vorliegenden Fahrplänen mit vorher festgesetzten Haltestellen in jeder Ortschaft der Verkehrsverbindung, gegen Vergütung durch Dritte (Elternvereine) sowie durch Vergütung durch die beförderte Person selbst (20 S), somit eine Kraftfahrlinie, welche als "Discobus" bezeichnet wurde, ohne die erforderliche Konzession nach dem Kraftfahrliniengesetz betrieben. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 16 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 1 Abs. 2 Z. 1 und 1 Abs. 3 Kraftfahrliniengesetz 1952 übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr beantragt in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 1997 die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrliniengesetzes 1952 - KflG 1952, BGBl. Nr. 84 i.d.F.

BGBl. Nr. 819/1994, lauten:

"§ 1. (1) Kraftfahrlinienverkehr ist die regelmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durch Personenkraftverkehrsunternehmer in einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgesetzten Haltestellen aufgenommen oder abgesetzt werden können. Der Kraftfahrlinienverkehr ist ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung zur Buchung für jedermann zugänglich.

(2) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

1. der Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers die Tätigkeit jedes Unternehmens, das eine der Öffentlichkeit oder bestimmten Benützergruppen angebotene Personenbeförderung gegen Vergütung durch die beförderte Person oder durch Dritte ausführt, und zwar regelmäßig mit Kraftfahrzeugen, welche nach ihrer Bauart und ihrer Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen, - einschließlich Fahrer - zu befördern;

2. Unternehmen jede natürliche Person, jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck, jede Vereinigung oder jeder Zusammenschluss von Personen ohne Rechtspersönlichkeit und mit oder ohne Erwerbszweck sowie jedes staatliche Organ, unabhängig davon, ob dieses über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder von einer Behörde mit Rechtspersönlichkeit abhängt.

(3) Der Kraftfahrlinienverkehr nach Abs. 1 bedarf einer Konzession, der Kraftfahrlinienverkehr mit Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Abs. 1 bedarf einer dieser gleichzuhaltenden Genehmigung.

(4) ...

...

§ 16. (1) Übertretungen der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der dazu ergangenen Verordnungen werden von den Bezirksverwaltungsbehörden, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 30.000 S oder Arrest bis zu zwei Wochen bestraft. Bei erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden."

Der Beschwerdeführer bestreitet die Tathandlungen als solche nicht, rügt jedoch, dass die belangte Behörde die Frage der Konzessionspflicht nicht hinreichend geprüft und insbesondere nicht berücksichtigt habe, dass er seine Beförderungen für einen geschlossenen Teilnehmerkreis auf Grund besonderer Aufträge (nämlich des Elternvereines) durchführe, sodass er nicht einen Vertrag mit dem jeweiligen Fahrgast, sondern mit den Elternvereinen abgeschlossen habe. Darüber hinaus habe die Behörde nicht geprüft, dass ihn - auch - gegenüber den zu befördernden Jugendlichen kein Kontrahierungszwang treffe und er auch nicht "einer Konzessionsbehörde gegenüber verpflichtet" sei, Fahrten durchzuführen oder Fahrpläne aufzustellen oder einzuhalten, sondern ausschließlich auf Grund zivilrechtlicher Aufträge dazu verpflichtet sei. Seine Tätigkeit unterliege nicht der Konzessionspflicht nach dem KflG.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer mit seiner "Discobuslinie" einen Kraftfahrlinienverkehr betreibe. Sie vertrat die Auffassung, dass Voraussetzung für die Annahme des Bestehens einer Kraftfahrlinie im Sinne der eingangs genannten Bestimmungen unter anderem "das Vorliegen einer bestimmten Verkehrsverbindung mit festgesetzten Haltestellen zum Aufnehmen und Absetzen der Fahrgäste, zumindest eine bestimmte Benützergruppe, der diese Beförderung angeboten wird", sei. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers ergebe sich, dass die Fahrten zum Tatzeitpunkt mit drei Autobussen für eine bestimmte Benützergruppe, nämlich Jugendliche, eingerichtet worden seien, die hiefür pro Abend einen fixen Fahrpreis von S 20,-- zu entrichten hatten. Zusätzlich seien diese Fahrten noch durch Beiträge Dritter, nämlich der angefahrenen Gemeinden, mitfinanziert worden. Es seien somit die Voraussetzungen für die Annahme eines Kraftfahrlinienverkehrs gegeben.

Dem ist jedoch Folgendes zu entgegnen: Die belangte Behörde erkannte grundsätzlich zu Recht, dass eine Kraftfahrlinie im Sinne des letzten Satzes des § 1 Abs. 1 KflG 1952 (idF der Novelle 1992, BGBl 1993/128) für "jedermann" zugänglich sein muss. In Verkennung der Rechtslage ging sie jedoch von einem Verständnis dieses Begriffes dahin aus, dass dem auch entsprochen werde, wenn die Kraftfahrlinie auch nur einer bestimmten Benützergruppe angeboten wird.

Damit ist die belangte Behörde nicht im Recht.

Die Verordnung Nr. 117/66/EWG des Rates vom 28. Juli 1966 über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen, ABl. Nr. 147 vom 9. August 1966, S 2688, lautet auszugsweise:

"Abschnitt I

Definitionen und Geltungsbereich

Artikel 1

(1) Linienverkehr ist die regelmäßige Beförderung von Personen in einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen ein- oder aussteigen können.

(2) ...

(3) Eine Betriebsregelung oder entsprechende Dokumente, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigt und vom Verkehrsunternehmer vor ihrer Anwendung veröffentlicht werden müssen, legen die Beförderungsbedingungen, insbesondere die Zahl der Fahrten, den Fahrplan, die Tarife und die Beförderungspflicht fest, soweit diese Bedingungen nicht durch Gesetz oder Verordnung bestimmt sind."

Aus den Gesetzesmaterialien zur Kraftfahrliniengesetz-Novelle 1992 (RV 679 BlgNR 18 GP, S 6) ergibt sich nun, dass der Gesetzgeber im ersten Satz des § 1 Abs. 1 KflG 1952 in der Fassung dieser Novelle die Definition des Linienverkehrs gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 117/66/EWG des Rates, die - ohne spezielle Transformation - durch das EWR-Abkommen ausschließlich für den grenzüberschreitenden Verkehr mit Vertragsparteien des EWR-Abkommens gilt, auch für den innerstaatlichen und den grenzüberschreitenden Kraftfahrlinienverkehr mit Nichtvertragsparteien des EWR-Abkommens übernommen hat, weil sonst ohne sachliche Rechtfertigung zwei unterschiedliche Grunddefinitionen existieren würden. Um jedoch "überdies" klarzustellen, dass diese Definition die im Art. 1 Abs. 3 der Verordnung genannten Sonderformen des Linienverkehrs, die die Beförderung bestimmter Kategorien von Fahrgästen unter Ausschluss anderer Fahrgäste vorsieht, für den innerstaatlichen Verkehr nicht umfasst, wurde im zweiten Satz des § 1 Abs. 1 leg. cit. die Zugänglichkeit für jedermann ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung zur Buchung normiert.

Daraus folgt, dass dem Begriff "jedermann" in § 1 Abs. 1 zweiter Satz KflG 1952 in der Fassung der KflG-Novelle 1992 das Verständnis zuzuordnen ist, dass ein Kraftfahrlinienverkehr nur dann betrieben wird, wenn er für jedermann ohne Einschränkung auf eine bestimmte Benützergruppe zugänglich ist. Die dem Beschwerdeführer mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides angelastete Tätigkeit fällt somit nicht darunter, weshalb es verfehlt war, den Beschwerdeführer wegen der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Bestimmungen zu bestrafen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass es eines weiteren Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

Schlagworte

Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997030024.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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